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26 März 2010
Ein Tag von spätrömischer Dekadenz
Das erste, was mir am Mittwochabend in Berlin widerfuhr, als ich am Bahnhof Zoo auf den Bus wartete, war ein Mann mit Kapuzenjacke, der seine Flasche Rotwein aufs Pflaster stellte, um beidhändig sein Gemächt hervorholen und dann unter die Wartebänke schiffen zu können.
Während die Schweinerei da so vernehmlich hinpladderte, erwog ich einen Moment lang, ihn zur Rede zu stellen (Männer mit ihrem Gemächt in den Händen sind relativ wehrlos), doch dann dachte ich: Ach, lass die Berliner doch ihren Scheiß alleine erledigen. Tat aber keiner.
Abends ging es dann mit Dr. K. in die o2-World-Arena zu Peter Gabriel, der sein rein orchestral arrangiertes Coveralbum „Scratch my back“ aufführte. „Er fängt bestimmt mit ,Heroes’ an“, prophezeihte Dr. K., und noch während meiner stichhaltig vorgebrachten Argumente gegen diese Theorie fing Gabriel an, „Heroes“ zu singen, weshalb das erste Wort (jenes solitäre „I“) auch nicht drauf ist auf meinem Clip.
In der zweiten Hälfte des Konzertes spielte Gabriel dann seine eigenen Stücke. Bei „Solsbury hill“ tanzte er sogar ausgelassen, als wäre er nicht 60, sondern keinen Tag älter als 59, während das New Blood Orchestra zum großen Finale ein Beethoven-Zitat einstreute („Freude schöner Götterfunken“) – und das war zweifelsohne ein angemessenes Präludium für das, was nachts geschehen solllte.
Zu Hause nämlich führten Dr. K. und ich uns auf rituell überhöhte Weise meine vor fünf Jahren hier im Blog schon einmal erwähnte Flasche 1999er Chateau d’Yquem zu, was den Abend adäquat abrundete.
Wir fühlten uns dabei spätrömisch dekadent, und was soll ich sagen, Westerwelle: Das macht Spaß. Sollten Sie mal ausprobieren.
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Zett said....
AntwortenLöschenJa, ein Betthupferl der guten Sorte. Danke.
Ich will das mal so beschreiben: NEID. Aber um das Wissen, man muss ihn sich verdient haben.
Danke, Matt, ohne Ihnen den Rücken zu kratzen. Die Zeilen mit Westerwelle habe ich wissentlich überlesen müssen und brächte sie nicht mal mit aller Empathie auf Improebene.
AntwortenLöschenbtw: Die Gabrielsche Romantik hat ihre Hintergründe. Für den, der es hören will.
AntwortenLöschenDie Stimmung bei Solisbury Hill hat was vom Festival der Volksmusik.Mei is des schön, dass wir das Petersche nochmal erlebe dürfe.
AntwortenLöschenIn Mannheim (30.09) beobachtete ich die Menschen um mich herum - nur ganz wenige gingen früh aus welchen Gründen auch immer. Die geschätzte Hälfte der Leute (7.500) blieb nach "Nest that sailed the sky" schlichtweg sitzen.
AntwortenLöschen"Scratch my Back" war eine künstlerische Herausforderung - mit Orchester und neuen Arrangements. Das hat nicht jeder Fan kapiert, der auf "Sledgehammer" wartete ...
Ich freue mich auf die nächste Scheibe mit Gabriel - mit David Rhodes, Tony Levin (?) - dunno.