05 Mai 2007

Poppmusik von der Heilsarmee

Bei der Heilsarmee in der Talstraße soll heute Flohmarkt sein. So steht es auf dem quietschgelben Aushang, der heute überall in St. Pauli an Bäumen und Laternenpfählen hängt. Teils flattert er schon etwas lose im Frühlingswind.

Der Erlös, heißt es, sei bestimmt für Mütter und Kinder auf Haiti, und noch ehe ich mich intensiver gefragt habe, warum ausgerechnet die auf Haiti und nicht vielleicht besser jene auf Ost- oder Westsamoa, stehe ich auch schon vorm ersten Heilsarmeetisch und erblicke CD-Hüllen.

Generell üben diese Plastikquadrate enormen Reiz auf mich aus, unabhängig vom Anbieter. Beim Durchwühlen stoße ich überraschend auf – Barry White. Die Lieder des stets etwas bräsig wirkenden Grummelbären galten (und gelten!) als wirkungsvollste Beischlafverursacher und -begleiter der gesamten Popp- (sic!) und Schlafzimmersoulgeschichte, und sein 1979er Album „The message is love“ hier und heute auf die unschuldigste Weise von der Heilsarmee dargeboten zu bekommen: Das hat ein Geschmäckle, und zwar ein süßes.

Einen Euro will der Soldat des Herrn für Songs wie „Any fool could see (you were meant for me)“ und „Love ain’t easy“ von mir; die kapitalen Kratzer auf der CD-Rückseite sprechen gleichwohl gegen einen Kauf. „Die CD und überhaupt alles wurde gespendet“, umgarnt mich der Gotteskrieger, „der Erlös geht an Mütter und Kinder auf Haiti.“

Verdammt, denke ich, sage aber: „Ach ja, stimmt, na gut“, und gebe ihm den Euro, vergesse aber zu fragen, was eigentlich mit den Müttern und Kindern auf Ost- oder Westsamoa sei – zumal ich auf dem Tisch gegenüber zwei entzückende handgefertigte griechische Mokkatassen mit Untersetzern entdecke.

Noch mal drei Euro für Haiti. Zu Hause stelle ich fest: Die Barry-White-CD läuft trotz der kapitalen Kratzer durch wie eine Eins. Selbst Song 6, „I’m on fire“, ein Manifest unverblümter Geilheit auf eine Frau, die unser Grummelbär zum damaligen Zeitpunkt mit tausendprozentiger Sicherheit noch nicht geehelicht hatte (wenn überhaupt jemals!), zieht beim Abspielen verblüffenderweise keinen Blitzschlag auf sich.

Na ja, vielleicht hat die Heilsarmee generell an Einfluss verloren.

8 Kommentare:

  1. Es heißt korrekt "American Samoa" und Western Samoa" , Herr Schreiberling.

    Ich werde Ihnen und "Berlin oder so." zu Ehren gleich das nationale Hymen abspielen.

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  2. Ach, wissen Sie, auch Nord- und Südsamoa waren in der engeren Wahl. Von Pipifax wie geografischen Realitäten lasse ich mich doch nicht beirren.

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  3. Hätt ich mir eigentlich denken können, wer schon auf dem Kiez die "Ritze" nicht findet ...

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  4. Ich empfinde immer ein wenig Mitleid, wenn ich die Gestalten der Heilsarmee auf der Reeperbahn beäugen darf. Letztens war da ein junges Mädel, gar nicht mal völlig unattraktiv, das mit einer Präsentation neue Soldaten rekrutieren wollte. Und ich lasse mich mal nicht über den Unsinn dieser martialischen Vokabeln aus.

    Jedenfalls war ihre Präsentationstechnik verbesserungswürdig, wobei sie durchaus Potential hatte. Aber die Aufregung, die sinnentleerten Phrasen, der offensichtliche Unsinn, Jesus' Liebe mit dem Treiben auf der Reeperbahn in Verbindung bringen zu wollen; all das kulminierte in einer peinlichen Veranstaltung, bei der außer Heilsarmisten nur noch Obdachlose - und G. und ich - zuguckten.

    Ich bekam wirklich Mitleid mit der jungen Dame. Wäre sie keine Soldatin des Herrn und ich nicht in Begleitung von G. da, ich hätte sie auf ein Bier eingeladen. Das hätte sie jedenfalls ganz sicher gebraucht. Das und zehn weitere.

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  5. G. wäre bestimmt einverstanden gewesen. Manchmal ist Ihre vorauseilende Rücksichtnahme irritierend.

    Oder schwebte Ihnen mehr vor als nur der gemeinsame Bierkonsum …?

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  6. Aber auch nur, weil es einfach reizvoll erscheint, eine christliche Söldnerin um ihr wohlverdientes (?) Seelenheil zu bringen.

    Ach, was weiß ich. Es war eben Mitleid da, mehr wollte ich gar nicht sagen.

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  7. Keine Sorge, Mitleid brauchst du mit mir wirklich nicht zu haben. Aber hättest du mal ein bisschen besser aufgepasst, hättest du vielleicht auch eine klitzekleine Ahnung von dem bekommen, warum die Heilsarmee immer noch mitten auf dem Kiez präsent ist! Die meisten Leute dort wissen zumindest, dass sie Jesus brauchen - eine Erkenntnis, die uns Normalos manchmal durchaus schwer fällt zu finden!

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