Jetzt ist es also wirklich wahr geworden: Der Franke hat eine Karte übrig. Für Freitagabend. Für das Spiel.
Um halb acht wird der FC St. Pauli am Millerntor zum ultimativen Showdown gegen den Aufstiegskonkurrenten Dynamo Dresden antreten, und wenn dabei auch nur ein lächerliches, meinetwegen auch atomares Pünktchen herausspringen sollte, dann wird der Kiez beben wie einst im Mai (der ein Januar war), als mein kleiner Stadtteilverein in einer gloriosen Pokalschlacht Werder Bremen mit 3:1 aus dem Rotlichtviertel fegte.
Wenn also dieses eine winzige atomare Pünktchen hier bliebe am Freitagabend, dann wären wir – ja: wir! – zurück im Profifußball. Und der Franke hat für dieses Spiel, nach dem sich mehr als 50.000 Fans vergeblich verzehren, eine Karte, und zwar übrig.
Um den in moralischen Fragen schwankenden Franken vor einer von reiner Profitgier geprägten Entscheidung (ich sage nur: Schwarzmarkt!) zu bewahren und natürlich auch zur Rettung seines Seelenheils unterbreitete ich ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte: Ich bot ihm im Tausch eine Karte fürs Länderspiel Deutschland–Slowakei am 6. Juni. Und der herzensgute Süddeutsche schlug ein.
Aber warum habe ich das überhaupt getan? Ich meine: Der Franke bekommt ein waschechtes EM-Qualifikationsspiel in der landesweit modernsten Arena vor 55 000 Leuten. Und was bietet er? Das:
Ein Spiel der dritten Liga in einem wackligen Stadiönchen mit Baulücke statt Südtribüne, in dem Leute auf einer hölzernen Plattform herumkrauchen und per Hand Zahlenschilder an Haken aufhängen, wenn ein Tor gefallen ist; ein Stadion, in dem man von manchem Ort aus die Spieler auf der gegenüberliegenden Seite nur wadenaufwärts sieht, weil der störrisch eigenwillige Rasen geruht, sich buckelartig zu wölben – wenn man überhaupt Spieler sieht, denn bei einem Stufengefälle von gefühlten zwei Zentimetern steht dir gewöhnlich ein stattlicher Norddeutscher fahnenschwenkend oder bierbecher(Foto)werfend vor der Nase, vor allem dann, wenn gerade ein Angriff erfolgreich abgeschlossen zu werden droht und gerne auch bei Ecken, Elfmetern, Syndesmoserissen oder jedweder anderen Spielsituation, die optisch wahrzunehmen durchaus einen gewissen Reiz hätte, wenn man genau für solche Momente Eintritt gezahlt hat.
Und dennoch, trotz alledem, gleichwohl, nichtsdestotrotz und verdammt noch eins tausche ich leichten, gar frohen Herzens meine Länderspielkarte gegen das Ticket für Freitagabend; ja, insgeheim befürchte ich sogar, den Franken damit übers Ohr gehauen zu haben.
Kann mir bitte mal jemand diesen Widersinn so erläutern, dass auch ich ihn verstehe?
Hallo Matt,
AntwortenLöschenauch wenn es wahrscheinlich nur als rhetorische Frage gemeint war: es ist Liebe. Ganz einfach. Und einfach schön. Das bringt mich zum Beispiel gerade dazu, seit fast 2 Stunden nach einem günstigen England-Flug zu suchen, um das Konzert von einer ziemlich unbekannten Garagenband zu sehen. Wie zum Henker kommt man bloß nach Keighley???
Nun, da muss ich der Hausmeisterin zustimmen, und auch sie wussten es sicher längst, warum das so ist. Als Paulianer kann man sich diesem Sog eben schwer entziehen, sofern man etwas für Fussball übrig hat.
AntwortenLöschenUnd nun, sie Glückpilz, sehen sie zu dass die Jungs alles geben und bringen dieses Atompünktchen nach Hause!
Ich habe letzte Woche meine Dauerkarte verloren, und nehme es mal als gutes Omen...
*michweitergräm*anja
Um welche ziemlich unbekannte Garagenband handelt es sich denn, liebe Hausmeisterin?
AntwortenLöschenAnja, ich fühle mit Ihnen – und werde einfach doppelt so laut sein wie üblich.
Matt, es ist nicht nur die Liebe zu St. (!) Pauli, sondern vor allem die Bedeutung der Spiele. Ein langweiliges Qualifikationsspiel gegen das Aufstiegsspiel.
AntwortenLöschenUnd jetzt erzählen Sie mir nicht, Sie hätten auch eine Karte für das EM-Finale mit deutscher Beteiligung für den St.-Pauli-Kick hergegeben!
Moooooment: Das EM-Qualispiel ist sehr, sehr wichtig, vielleicht vorentscheidend.
AntwortenLöschenUnd beim EM-Finale hätte ich mir zumindest einen SMS-Liveticker von St. Pauli eingerichtet, betreut vom Franken.
Glückwunsch zur Karte (Ticket?) und zur Entscheidung. Ich kann da beim besten Willen keinen Widersinn erkennen.
AntwortenLöschenWieso soll das widersinnig gewesen sein? Dann wäre ja auch widersinnig gewesen, dass ich in meiner großen Zeit als Blau-Weiß-90-Fan (Die Aufstiegssaison! Die legendäre Aufstiegssaison!) bis zu viermal die Woche vier Stationen mit der U-Bahn gefahren bin, um auf dem Mariendorfer Wochenmarkt mein Gemüse beim Vater von Mittelfeld-Held Peter Stark zu kaufen. Obwohl ich damals eigentlich Gemüse überhaupt nicht gemocht habe. Fans machen sowas. Ohne dass es widersinnig ist.
AntwortenLöschenHallo Matt,
AntwortenLöschenäh, dass kann ich leider nicht sagen, denn dann verfalle ich sofort in ein jubilierendes Fangeschwurbel und -zack- kriege ich von meinen Freunden wieder was auf den Deckel, die lesen nämlich auch dein Blog. So ein Mist. Die finden mein Fangeschwurbel fürchterlich peinlich und machen mich dann fertig.
;->
Ach, kommen Sie! Ich möchte doch nur einen Namen.
AntwortenLöschenChris, eine buchstäblich starke Geschichte!
AntwortenLöschenLieber Matt,
AntwortenLöschendas Einzige was widersinnig gewesen wäre, wäre die Karte NICHT genommen zu haben! :-)
oh je, was für eine Grammatik! :-)
egal: DABEI IST ALLES! (Zitat: DSDS)
glückwunsch (bei dem deutlich neid mitschwingt...), ich hab mich schon damit abgefunden und werde beim public viewing daumen drücken.
AntwortenLöschenNa ok, Matt, ich mache ja gerne Werbung für die von mir geliebten Bands! Aber jetzt keine Rechnung über 900 Euro schicken ;-)
AntwortenLöschenStranger Son Of WB
Die haben die Energie der frühen Fall und erinnern mich immer ein bißchen an Captain Beefheart.
Aber ich glaube, dass ist nicht ganz so deine Richtung...
Na, hör mal! Ich hätte mir beinah mal eine „Trout Mask Replica“ gebastelt!
AntwortenLöschenJedenfalls danke für den Tipp.
Ohhhh! Ich hoffe doch, aus Pappmaché und nicht aus echtem Fisch...
AntwortenLöschenJa, du hast Recht, dass war schon ein bißchen doof von mir. Aber da du seit einiger Zeit schon die Songs in deinen Beiträgen weglässt (das fand ich immer soooo schön!!!) nun ja, da hab ich halt vergessen, dass du einen breit gefächerten Musikgeschmack hast.
Tschuldigung.
Die Entschuldigung wird wegen offensichtlicher Irrelevanz und Unnnötigkeit zurückgewiesen!
AntwortenLöschenDeine Beschreibung des Stils der Band ist jedenfalls sehr treffsicher.
Und ich kenne ehrlich gesagt keine einzige andere Frau, die solche Jungsmusik hört. Aber genau genommen kenne ich dich ja auch nicht … ;-)
Huch, jetzt sagst du das auch noch! Ich höre das immer wieder, schon seit Jahrzehn...äh Jahren, ich würde Jungs-Musik hören. Also, ich weiß auch nicht. Aber vielleicht ist das, weil ich mit Punk Rock aufgewachsen bin und dadurch eine gewisse Vorliebe für die schrägen Sachen habe.
AntwortenLöschenSag mal, apropos kennen, kann es sein, dass wir beide unsere Webseiten-Statistiken lesen? Warst du kürzlich mal auf einer gelben Seite mit viel Fangeschwurbel?
Ja, in den Statistiken stöbere ich ab und zu herum; an was Gelbes, Verschwurbeltes erinnere ich mich aber nicht.
AntwortenLöschenÜbrigens höre ich zum Ausgleich auch Mädchenmusik, Sachen wie Cat Power, Maxi Hecker oder Carla Bruni.
Ach, das ist Mädchenmusik??? Also, das letzte Album von Carla Bruni fand ich auch schön. Kommt ja auch immer auf die Stimmung an, oder auf das, was man gerade so macht. Alles von Steely Dan plus Solo-Alben von Donald Fagen bei der Lektüre der Sonntagzeitung geht fantastisch, aber nicht morgens beim aufstehen. Da höre ich lieber was schwungvolleres wie Rage Against The Machine oder The Fades. Kennst du zufällig The Fades?
AntwortenLöschenaber es ist UNSER
AntwortenLöschen....wackliges Stadiönchen mit Baulücke statt Südtribüne, in dem Leute auf einer hölzernen Plattform herumkrauchen und per Hand Zahlenschilder an Haken aufhängen, wenn ein Tor gefallen ist...
Seherische Granzleistung... Obwohl ich auch ein weinendes Auge beim Aufstieg habe, denn kein berliner Verein spielt in der zweiten Liga. Traurich also fürs nächste Jahr. Ich sollte doch nicht umziehen,,,