Ich weiß nicht, wie es dem Rest von euch geht, aber ich kann mich noch immer kindlich freuen am Wunder des Webs, an der Tatsache, online immer gleich weit weg zu sein von jedem Ort der Welt (nämlich atemnah); immer dort zu sein, wo die Mails ankommen, sei es auf der Rückseite der Reeperbahn oder auf Tuvalu.
Oder in der Schweiz, wo sich fast jede Woche die wunderbare Schriftstellerin Sibylle Berg hinsetzt und einen Brief schreibt an ihre Fans und dann auf den „Senden“-Knopf drückt. Und schwups habe ich ihr Schreiben im Posteingang, wo ich dann zum Beispiel Folgendes zu lesen bekomme:
„ … Fast den menschen fürs leben gefunden, fats den traumjob, die traumwohnung bekommen, udn nun doch wieder nichts udn dass einzige , was passiert , ist der donnerstag. wo es endlich di eneue BUNTE gibt. so schlinger das leben knapp an uns vorbei, und am ende: KREBS.“
Ja, so ist die Frau Berg: sensibel und schonungslos. Und so was von schlurig in der Rechtschreibung. Man weiß gleich mal wieder die Arbeit brillanter Lektorinnen zu schätzen und gewinnt gleichzeitig eine Ahnung davon, welch ein Schicksal es sein muss, Lektorin von Frau Berg zu sein. Kein leichtes, gewiss nicht.
Wie auch immer: Anlässlich ihres letzten Briefes erbot ich mich spontan, regelmäßig kurz über ihre wöchentliche Mitteilung zu schauen und die gröbsten Schnitzer zu entfernen, bevor sie den „Senden“-Knopf drückt. Doch Frau Berg lehnte maßvoll gerührt ab, und zwar mit folgenden Worten:
„nein-- wenn ich begönne die kleinen briefe zu ordnen zu überdenken, in eine form zu bringen, dann würde ich sie nicht mehr spontan an die menschen schicken, sondern verkaufen, udn das wäre doch auch blöd-“
Ja, Frau Berg hat recht, natürlich. Mir wären grausige Korrekturen unterlaufen, zum Beispiel hätte ich der Welt ihren reizend imaginären Konjunktiv „begönne“ vorenthalten, was höchst schade gewesen wäre. Nein, alles ist gut so, wie es ist.
Hauptsache, ich bin dort, wo ihre Mails ankommen.
Foto: Katharina Lütscher, Allegra
Ihre zaghaften Versuche, die Professionalität Ihrer Form des Journalismus in Public Relations zu übertragen, ehrt Sie.
AntwortenLöschenSie sehen aber auch, die poten(t,z?)iellen Kunden wollen das nicht immer.
Ja, lehnen Sie sich einfach zurück. Schwer?
„Schwer?“ Ich krieg einen krummen Rücken dabei!
AntwortenLöschenEs gibt offensichtlich viele Menschen die nach dem Motto leben "Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten... ".
AntwortenLöschenIch gehöre übrigens dazu.
irgendwie ist dein ganzes Blog verUTFachtet, Matt. Was ist da los?
AntwortenLöschenJawoll, das totale Chaos geht hier über die Bühne.
AntwortenLöschen„Das Internet Mail Consortium (IMC) empfiehlt [1], dass alle E-Mail-Programme UTF-8 darstellen und senden können. 2007 wird diese Empfehlung allerdings immer noch nicht universell befolgt“, sagt Wikipedia.
AntwortenLöschenJetzt mach ich das, weil ich gerne universell sein möchte, und es ist auch wieder nicht richtig …
Bei mir stellte Safari plötzlich Umlaute nicht mehr richtig dar, erst nach der Umstellung auf UTF 8 klappte es wieder.
Könnt ihr nicht auch universell sein und die Kodierung umstellen? Bitte …
Ich bin ja immer noch sehr verblüfft, dass keiner den philosophischen Gehalt dieser intellektuell sprengstoffhaltigen "Briefchen" erkannt hat. Ich würde sie ja eher Pamphlete nennen, aber wie so oft wird der Philosoph im eigenen Land ja verkannt.
AntwortenLöschenUm den Gehalt einer Sentenz wie "das einzige, was passiert, ist der Donnerstag" zu analysieren, bräuchte es Jahrzehnte, wenn man es denn überhaupt könnte, wöllte und söllte!
Ich glaube auch nicht, dass die Korrektur der Tippfehler dem Brief tatsächlich seine Spontaneität rauben würde. Der Konjunktiv "begönne" ist allerdings nicht ganz so imaginär, wie Sie glauben ;-)
AntwortenLöschenIn meiner – ohne Zweifel verengten – Welt existieren zu diesem Verb nur die beiden Konjunktivformen „beginne“ und „begänne“. Ich freue mich aber schon auf eine Exkursion in Ihre Welt, verehrter ramses, und erwarte einen Terminvorschlag … ;-))
AntwortenLöschenIch sollte vielleicht zunächst einmal zugeben, dass ich nachschlagen musste. Denn vor nicht allzu langer Zeit, habe ich selbst den Konjunktiv "begönne" genutzt und bin deshalb einigermaßen erschrocken als ich Ihren Beitrag las. Der Grammatik-Duden jedenfalls sagt (§ 129):
AntwortenLöschen(...) Da hier die auf Ausgleich und Eindeutigkeit zielende sprachgeschichtliche Entwicklung in einigen Fällen noch nicht abgeschlossen ist, stehen bei manchen Verben heute noch verschiedene Konjunktivformen nebeneinander:
beföhle/ befähle
begänne( (seltener:) begönne
drösche/ (veraltet:) dräsche
(...)
Allerdings ist das ein Duden der 6. Auflage aus dem Jahr 1998. Und vielleicht ist die sprachgeschichtliche Entwicklung mittlerweile ja tatsächlich abgeschlossen. Dann will ich nix gesagt haben, außer vielleicht den abschließenden Hinweis darauf, dass sich ein Autor nicht zwingend dem Diktat welcher Entwicklungen auch immer beugen muss.
Der anonyme Kerl, der meinte, es sei immer noch besonders locker oder cool, Rechtschreibfehler nicht zu korrigieren, möge versichert sein: Solche Fehler wirken stets peinlich, manchmal etwas dümmlich, aber fast nie: sympathisch, locker oder cool.
AntwortenLöschenUTF-8: Matt, lassen Sie sich nichts einreden! Sie machen das genau richtig. Wenn irgendwelche antiquierten Artefakte der EDV-Szene noch andere Codierungen benutzen, so soll das nicht Ihnen sondern jenen anzukreiden sein :-)
ramses, so tief war ich gar nicht vorgestoßen in die Evolution dieses Wörtchens, sondern vertraute schlichtweg meinem inneren Duden – zu Unrecht, wie sich herausstellt. Danke für die Information.
AntwortenLöschenDass man sich als Autor die kreative Freiheit nicht nehmen lassen darf, ist sicher. Allerdings kommt es darauf an, ob man bewusst und im Dienst der Textwirkung einen „Fehler“ einbaut oder ihn aus Unwissen begeht. Und da kommt Herrn GP zutreffende Erörterung ins Spiel, der ich vollstens (sic!) zustimmen möchte.
AnnaN, Ihr Lob der Frau Berg ist nur zu berechtigt. Nur deshalb lese ich ihre Briefchen ja so gern – und nicht etwa deswegen, weil sie ständig „udn“ schreibt, wenn sie „und“ meint.
AntwortenLöschenRe: totales Chaos
AntwortenLöschenDas hat man nun davon, wenn man nicht jeden Link verfolgt. Ich meine etwas völlig anderes: bei der großen Zahl der Blogs, die ich verfolge, lese ich häufig gleich in meinem (Sage) RSS. Da erscheinen die Beiträge dieses Blogs in anderer Reihenfolge, was wohl daher kommt, daß Matthias Tags nachrüstet.
So habe ich gestern z.B. wieder einen Artikel aus dem Jahr 2006 kommentiert, der im RSS an zweiter Stelle auftauchte (Das Bein von Sybille).
Völlig schwarze Kunst, das alles.
Der Berg verliehene Beiname "Madame Berserker" scheint ja vollkommen zuzutreffen.
AntwortenLöschenIch liebe ja "Ende gut". Und die "Post, in der irgendetwas steht" habe ich soeben abonniert (wenn man das so sagen kann). In diesem Sinne: danke für den Tip.
Vom anonymen Kerl an GP - dass sehe ich eigentlich ähnlich, aber man sollte schon die Kirche im Dorf lassen. Beiträge in diverser Foren sind ja schließlich keine Geschäftsbriefe - und nicht jeder kann sich einen Lektor leisten. Schließlich ist vieles nur Just for Fun......
AntwortenLöschenNoch eine Zugabe für GP - sollen also alle vom Perfektionismus verschonten Menschen das Internet meiden ? Dann bleiben vielleicht in Zukunft auch geleaste oder mit Krediten finanzierte Autos lieber den Straßen fern - nur damit sowohl die intellektuelle sowie auch monetäre Elite unter sich bleiben kann ???? Zugegeben - Äpfel und Birnen - aber ich wollte es halt mal gesagt haben !
AntwortenLöschenAn Anonym: also mit Perfektionismus hat das nix zu tun. Irgendwie hat die deutsche Sprache, genau wie italienisch oder englisch usw, auch ihre Regeln. Dazu gehören auch lästigerweise Orthographie und Grammatik. Wo kömen wir denn hin, wenn jeder schrübe, wie er wölle?
AntwortenLöschenWenn man so gnaz spotnan mal innerhlab der Worte ein wengi die Buchstabne verdrehne wüdre?
Dan kähme am Ände nur Worthackfliesch heruas oder geistige Gurkensaltos?
Hmm, mit der Sprache ist das doch so: Schön, dass wir sie haben, ohne würden wir ganz schön dumm dastehen und wenn Sie vor die Tür gehen, ziehen Sie ja auch ne Hose UND ein Hemd an und nicht nur ein shirt. Oder...?!?
Danke, Anna, für diese schönen Ausführungen. Ich bin nicht allein! Und GP auch nicht.
AntwortenLöschenOpa, es gibt keine Kommentarerlaubnisablauffrist. Also frisch ans Werk für die schmählich unkommentiert gebliebenen Beiträge ab September 2005 – ich zähle auf Sie!
AntwortenLöschenLieber Matt, vielleicht solltest Du Dir bei manchen Autoren angewöhnen zwischen den Zeilen zu lesen. Zwischen den Zeilen stimmt die Orthographie und die Grammatik übrigens immer.
AntwortenLöschenZwischen den Zeilen zu lesen ist eigentlich ganz einfach, aber nur dann, wenn der Inhalt der Zeilen relevant ist.
Ein sehr schöner Tipp – und mindestens so philosophisch wie das herrliche Geschreibsel von Sibylle.
AntwortenLöschen„Zwischen den Zeilen stimmt die Orthographie und die Grammatik übrigens immer“: Das ist ein Satz für die Ewigkeit, ungelogen. Danke dafür!
Was ich Ihnen bei der Gelegenheit ja noch stecken wollte: Frau Berg habe ich jahrelang erfolgreich ignoriert. So lange, bis Sie vor einiger Zeit schon mal auf sie aufmerksam gemacht haben. Also, dachte ich mir, wenn Herr Matt das sagt, dann wird das jetzt mal probiert und just im Moment lese ich zum Einstieg ihr »Ende gut«. Was nicht durchgängig erheiternd ist, aber ich bin froh und dankbar für den Hinweis. Man kann es finden wie man will, kraftvoll ist es allermindestens, und zwar nicht zu knapp.
AntwortenLöschenOh, ja. Sie schreibt sich die Substanz vom immer schmaler werdenden Leib, habe ich das Gefühl. Und von wem kann man das schon sagen.
AntwortenLöschenVon mir jedenfalls nicht. Ich werde immer dicker, fürchte ich.
AntwortenLöschenFotobeweis!?
AntwortenLöschenhmm, ich tu mich ein bisschen schwer mit dem Zwischen den Zeilen-Ding.. ich dachte ja immer, da schwebt die Semantik..
AntwortenLöschenok, ich bin ja tolerant, von mir aus können Orthographie und Syntax noch dazu kommen, aber wird das da nicht ein ziemliches Gedränge?
Bilden die dann ne Art WG? Kommt's da zu Eifersüchteleien? (ich sag nur 3er!) Gilt rechts vor links oder schweben die im Kreisverkehr? Was ist, wenn einer von denen an Klaustrophobie leidet???
Und ändert sich das mit englischsprachiger Literatur? Oder wenn man in Urlaub fährt? Gilt dann LINKS vor rechts??
Sollte man vielleicht besser mit drei Zeilen Abstand schrieben? Vielleicht hätten dann ja auch noch Pragmatik und ne anständige Wortfeldanalyse Platz... ich mein ja nur...
(huuh, es ist spät: schreiben, nicht schrieben)
AntwortenLöschenmatt, ich helfe immer gern mit schönen Erklärungen aus, manchmal auch mit sinnlosen. Der Unterschied fällt mir selbst oft nicht mal auf...
Der Unterschied ist ja oft auch gar nicht groß. Ich wäre jedenfalls über eine unbefristete Fortsetzung froh.
AntwortenLöschenIch empfehle eine ganz einfache Lösung für Frau Berg:
AntwortenLöschenGebt der Frau einfach eine Schweizer - Tastatur!
Anonym: Übrigens ein sehr nettes und immer wieder beliebtes rhetorisches Stilmittel, welches Sie anwenden: Die Argumente des Gegners übertreiben, bis sie lächerlich werden. Das geht immer. Es ist aber auch immer leicht zu durchschauen. Ich könnte es ja mal probieren: Sie wollen also, daß jeder so schreiben darf, wie er will? Also auch Wörter benutzen darf, die er gerade frei erfindet? Also soll sich jeder eine Kunstsprache schaffen, die nur er versteht? Und wie sollen wir uns dann verständigen?
AntwortenLöschen:-)