08 September 2008

Leicht legendär, dieser Tag



„Die Mauren war ja in manchen Teilen Spaniens länger als 700 Jahre an der Macht“, stellt Ms. Columbo bei der Lektüre der Zeitschrift Geo Epoche verblüfft fest. „Was?“, entfährt es mir, „das ist ja länger als Kohl in Deutschland!“


D
ieser Vergleich wäre mir gewiss nicht derart kolibrileicht zugeflogen, hätte ich nicht heute auf einem Flohmarkt auf der Veddel Eckhard Henscheids Helmut-Kohl-Biografie von 1985 erstanden, und zwar für nur einen Euro.

Unter beträchtlichem Kursverfall leiden gemeinhin auch Fußballer nach ihrer aktiven Zeit, aber nicht alle. Nach dem Flohmarkt nämlich ging es ins proppevolle St.-Pauli-Stadion zum „Tag der Legenden“, was bedeutet: Beleibte Fußballer mit Bekanntheitsgrad spielen gegen andere beleibte Fußballer mit Bekanntheitsgrad, wobei er, der Bekanntheitsgrad, durchaus eine gewisse Schwankungsbreite aufweisen darf.

Da ist zum Beispiel Andi Brehme, ein artikulativ und kognitiv eher eingeschränkter Mensch, doch als er heute unter Heribert Faßbenders einpeitschender Ansage einlief, hatte ich doch wahrhaftig einen Kloß im Hals, und dafür schäme ich mich nur ein bisschen.

Brehme nämlich hat mich, dich, ja uns alle 1990 zu Fußballweltmeistern gemacht, mit einem Elfmeter gegen Argentinien in der 81. Minute, ich weiß es noch wie heute. Brehme ist also eine Legende, zweifellos, basta und punktum. Aber Jan Furtok? Roy Präger? Stefan Schnoor???

Wie gut, dass auch Effenberg zum Fehlpässe in die Spitze Spielen herbeigeeilt war, Mehmet Scholl ein ums andere Mal mit Weitschüssen das Dach der Nordtribüne ernsthaft gefährdete, Felix Magath hocheffizient herumstand oder Manni Kaltz bewies, dass man die einmal antrainierte humorlose Eckigkeit im Bewegungsablauf nie mehr verlernt.

Auf dem Platz war auch der inzwischen weißgrau melierte und leicht beplauzte Klaus Fischer, den ich zuletzt vor 30 Jahren im Schalker Parkstadion hatte spielen sehen, am 12. August 1978, um genau zu sein; damals schenkte Fischer der hilflos herumstolpernden Frankfurter Eintracht drei Stück ein, das vierte kam von Rüßmann.



Ein toller Tag der Legenden also, am Ende stiegen völlig zu Recht Luftballons in den Kiezhimmel auf. Und hätte das Fehlen jeglicher Waschgelegenheit auf dem Gegengeradenpissoir meine Stimmung nicht eingetrübt, und hätte A. das Manko des Pissoirs nicht nicht dazu genutzt, nach seiner Rückkehr von ebenda seine Hand auf meinem Rücken abzuwischen, und wäre Mitte der zweiten Halbzeit nicht ein kräftiger Regenguss hämisch über uns hergefallen, dieser Nachmittag gewänne in meiner Erinnerung eine ähnliche Bedeutung wie die 700-jährige Herrschaft der Mauren in manchen Teilen Spaniens.



12 Kommentare:

  1. dieses jahr hab ich mir den tag der nassen legenden nur teilweise in der glotze zu gemüte geführt, da hatten letztes jahr zuviele aggressive hsv-fans meinen genuss getrübt. ausserdem saß ich seinerzeit in einer traube von kiddies, die über 90 minuten fortwährend exzessiven gebrauch von den auf allen plätzen ausgelegten "plastikklatschstangen" machten, was mich dann gegen ende des spiels fast in den wahnsinn zermürbt hatte. aber der gute zweck (des spiels) heiligt ja die mittel...

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  2. Der Trick ist eben – und das gilt ganz allgemein –, zur richtigen ZEIT am richtigen Ort zu sein …

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  3. Sie sind ja selbst schon fast eine Legende, Sie Matthusalix des Fußballs.

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  4. Und da sage noch einer, außer Penny-Martk-Besuchen erlebten Sie nix!

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  5. Hatten nicht damals '95 oder so Die Ärzte dem FC St. Pauli ein Scheißhaus geschenkt? Kann auch sein, dass es das Millerntorstadion war. Oder so.
    Fußball ist nicht wirklich meine Welt. Mein Vater war früher Werder Bremen Fan, evtl mag ich deshalb keinen Fußball. (Wenn ich jetzt keine hamburger Fans gewonnen habe, weiß ich auch nicht!)

    Schnoor hieß übrigens mein Kinderarzt früher in der - sappalott noch eins - Kindheit.

    Wieso ist hier eigentlich immer nur vom Penny Markt auf der Reeperbahn die Rede? Ich war einmal in dem Lidl, und fand den irgendwie ekelhafter ...

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  6. Was keine Tore gefallen?

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  7. Trotzdem reichte es nur zu einem 15. Platz fuer die "Blauen", weit abgeschlagen hinter Frankfurt. Die besten Torschuetzen der Saison: Fischer (21), Abramczik (18), Rüssmann (3)

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  8. Millerntor??? Aber das Hamburger Stadion liegt doch im Volkspark, oder täusche ich mich da???
    Gruß aus Frankfurt . . . Irina

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  9. Das Bild, mein lieber Matt, entspricht in etwa
    der Anordnung von Bananenverkaufsstellen
    im Norden der "BRD" kurz vor dem Sieg über
    die Planwirtschaft.
    Ist das Absicht?

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  10. Fuuuuuuuuußball.

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  11. Liebe Tante, danke für Ihren Kommentar; er war heute der ohne Zweifel substanziellste.

    Oldman, niemals hätte ich gedacht, dass jemand das merkt. Ich habe Sie unterschätzt und bitte um Verzeihung dafür.

    Irina, Ihre Frage zeugt von erschütternder Unkenntnis, die nur dank der Gnade Ihrer Herkunft keine stärkeren Sanktionen erfordert. Also: Hamburg hat diverse Stadien. Das größte davon ist das Stadion an der Müllverbrennungsanlage in Stellingen, welches alle naslang seinen Namen wechselt, weil der befehlshabende Verein – der HSV – sich gleichsam prostituiert. Ganz anders als der FC St. Pauli, in dessen Stadion mitten auf St. Pauli der Tag der Legenden abgehalten wurde. Dieses Stadion ändert praktisch nie seinen Namen, weil sonst die Fans ankämen, und das Stadion in die Elbe kippten. Deshalb ist dieser Verein auch Kult und der andere, größere, nur eine profane Geldmaschine.

    Aquiiinla, das nenne ich eine formidable Recherche.

    dein_koenig, die Tore können Sie in der Zeitung nachlesen, dafür ist ein Blog nicht da. Nur umgekehrt.

    nilsdiemaus, es mag sein, dass die Ärzte den FC dereinst mal mit einem Scheißhaus beglückt haben, aber was bewegt Sie zu der Annahme, die Lieferung sei inklusive Waschbecken erfolgt – die Reinlichkeit von Bela B.? Ich weiß nicht.

    Opa, wenn hier jemand eine Legende ist, dann ja wohl Sie. Und in dem Punkt lasse ich nicht mit mir reden.

    GP, ich muss aber zahlen für meine Erlebnisse, und Sie stolpern kostenlos mittenrein. DAS ist der Unterschied!

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  12. Lieber matt, ich muss zu meiner Ehrenrettung gestehen, dass ich kruz vor Ablauf der 79er Saison dort eine Mitgliedschaft erworben habe, daher war es mir ein Leichts, Ihren Artikel dahingehend zu unterstuetzen. Auch spreche ich Ihnen eine gewisse Affinitaet zu diesem Verein durchaus zu, auch wenn Sie in Hamburg weilen.

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