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18 September 2008
Gut mit Hut
Am Rande des Talstraßenfestes hingen Zeichnungen auf der Wäscheleine. Damit semantisch irgendwie verbunden war das Schild „Schöne Menschen und Weltfrieden“.
Das leicht rätselhafte Arrangement weckte mein Interesse, die Farbgestaltung tat ihr Übriges: Ich fotografierte es. Daraufhin trat eine Frau mit Hut an mich heran und fragte: „Warum haben Sie das gerade fotografiert?“
Ich hätte nun antworten können, das ginge sie einen nassen Kehricht an und sie solle mich bloß nicht von der Seite anmachen, das passiere mir hier auf dem Kiez eh ständig, und jedes Mal sei einmal zu viel – doch danach war mir ganz und gar nicht; so ein Typ bin ich nicht mal.
Also erläuterte ich ihr mein grundsätzliches Interesse an der Phänomenologie St. Paulis, die ich seit Jahren in liebevoller Kleinarbeit ablichte, wofür mir indes nur recht selten Dank widerfahre. Daraufhin enttarnte sie sich als Produzentin der Wäscheleinebilder und erbot sich, mich zu zeichnen, hier und jetzt und in fünf Minuten. Wenn mir das Bild gefiele, dürfe ich es gegen Entrichtung von 5 Euro mitnehmen; wenn nicht, dann eben nicht. Kein Risiko.
Nun: Die Sonne schien, ihr Hocker war bequem, ich setzte mich und hielt still. „Oh“, entfuhr es ihr allerdings nach einigen gedehnten Minuten alarmierend, „jetzt habe ich mich vermalt!“ In der Tat: Diese Lippen schienen mir nicht meine, und die Augen wirkten auf eine Weise entrückt, die ich an mir nicht kannte. „Haben Sie noch ein wenig Zeit? Ich versuch’s noch mal.“
Dann legte sie wieder los, und mir dämmerten allmählich die Probleme beim Porträtsitzen. Man ist verpflichtet, kein dummes Zeug zu reden, am besten gar keins, was mir beides traditionell schwerfällt. Man muss immer Augenkontakt halten, was mir nicht behagt, zumindest bei einer gänzlich fremden Frau mit Hut. Und man hat die ganze Zeit das Gefühl, man simuliere ein bestimmtes Gesicht, anstatt einfach so Gesicht zu sein wie immer, wenn man gerade nicht porträtiert wird.
„Wenn Sie mich zeichnen“, durchbrach ich das verordnete Schweigen, „dann möchte ich Sie auch fotografieren dürfen, für mein Blog.“ Durfte ich dann auch. Und voilà: Hier haben wir Inge Kaliska, die Livezeichnerin. Sie tingelt mit Hut von Fest zu Fest, lässt sich für Feiern buchen (zum Dreistundenfestpreis) und macht generell einen sehr gelassenen Eindruck, der – wenn alle so wären – vielleicht nicht zu mehr schönen Menschen, doch mit Sicherheit zum Weltfrieden führte.
Das zweite Porträt gelang ihr übrigens sehr viel besser. Für meine 5 Euro durfte ich trotzdem beide mitnehmen.
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Und wo kann man deine Porträts ansehen?
AntwortenLöschenKommt – wie gesagt – auf die Gebote an … ;-)
AntwortenLöschenDas erste Portrait würde ich ja eventuell noch haben wollen – wenn Sie mal Bundeskanzler werden, kann man Sie damit sicher erpressen.
AntwortenLöschenDas Risiko gehe ich ein. Was bieten Sie?
AntwortenLöschenEs ist übrigens nicht so, dass man bei einem Portraitzeichner die ganze Zeit still sitzen und Augenkontakt halten muss. Der Portraitzeichner sieht das Modell ja die ganze Zeit und kommt nicht gleich ins Schwitzen, nur weil Lippen, Augen oder der ganze Kopf sich bewegen.
AntwortenLöschenBei einem routinierten Portraitzeichner können Sie auch einen Kaffee trinken gehen, während er Sie zeichnet - er wird sich Ihr Gesicht schon gemerkt haben. Nur für den Feinschliff sollten Sie kurz vor Beendigung des Portraits wieder am Platz sein.
Matt, wie wäre es mit: Ein Bier beim Julia-Noack-Konzert?
AntwortenLöschenIhre Beleidigungen können Sie sich sparen, Sie chromaxt- statt pinselschwingender Kunstbanause!
AntwortenLöschenramses, dann sollten Sie mal für die 5-Minuten-Porträts von Frau Kaliska Modell sitzen, die wird Ihnen was anderes erzählen.
AntwortenLöschenUnd da dachte ich, die Mischung aus toller Musik, meiner Begleitung und einem kunstvoll hergestellten Getreideprodukt sei ein tolles Angebot.
AntwortenLöschenAuch schon deswegen, weil es in etwa den Beschaffungskosten (5 Euro / 2) entspricht.
Überzeugt!
AntwortenLöschenich hab eine Kiste ASTRA elbabwärts auf den Weg geschickt. Verpassen Sie bitte nicht, diese als mein Gebot aus dem Hafenbecken zu fischen!
AntwortenLöschenmir fällt da gerade etwas auf: Sie haben zwei (ZWEI!) zum Thema des Textes passende Bilder verwendet. Ist irgend etwas nicht in Ordnung? Kann ich helfen?
AntwortenLöschen@Matt: Mein Vater arbeitet nebenbei als Künstler in einer Ateliergemeinschaft und hat ichweißnichtwieviele Portraits gezeichnet und gemalt. Ich habs ja miterlebt. Natürlich bindet man das als Straßenkünstler nicht gerade jedem auf die Nase, dass das, was man gerade für ein Wunder menschlichen Schaffens hält ein routiniertes Handwerk ist.
AntwortenLöschenWenn Frau Kaliska so nicht arbeiten kann/will - sei's drum. Gibt ja keine Regeln.
Eben. Sie ist halt schnell, das muss flutschen.
AntwortenLöschenElbKind, den Kasten fische ich gern aus der Elbe, sofern Sie mir die genaue Ankunftszeit an Brücke 1 nennen. Zwei Bilder kamen aber schon öfter vor. Aufgabe: Alle Beiträge bis September 2005 danach durchsuchen und hier die Zahl bekanntgeben.
laut Tidenkalender und persönlicher Strömungsgeschwindigkeitsberechnung müsste der Kasten punkt 22:14:07 bei Ihnen an die Kaimauer klimpern.
AntwortenLöschenDie genaue Anzahl der Doppelbebilderung kann ich heute leider nicht mehr nachvollziehen - ich habe den anderen Kasten Astra getrunken. Ich schätze die Lage aber auf 7 Vorkommnisse.
Herr Matt,
AntwortenLöschenist der Kasten angekommen ? Muß ja vor etwa 14 Minuten an der Kaimauer angedippt haben (klüng !).
Das ist wahre Flaschenpost.
So ein Pech: Ich war derweil bei Iggy Pop! Das hätten wir besser absprechen müssen. Die Engländer werden sich freuen. Oder Helgoland.
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