15 August 2008

Kein Scheiß, keinesfalls

Als ich mich bei Saturn arglos der Kasse nähere, schießt aus dem Nichts plötzlich ein massiger Kerl an mir vorbei.

Er stürzt sich in den Engpass des Kassengangs und rast zwischen den Kunden hindurch, ohne im Geringsten auf die ungeschriebenen Normen sozialer Distanz Rücksicht zu nehmen. Erschreckt zucken die Schlangensteher zurück.

Hinter ihm her jagen vier Sicherheitsleute, einer davon noch erheblich massiger als der Flüchtende. Ungefähr 1,90 groß, gewölbter Bauch, das blaue Oberhemd nachlässig in die Hose gestopft – aber wahnwitzig behende, der Mann ist ein hochbeschleunigter Riesenrammbock auf zwei Beinen.

Auch dieser Bulle donnert durch den Kassengang wie damals die Sandmonster in „Tremors“ durch den Wüstenboden. Seine Kollegen nehmen andere Kassengänge, durch die Glasscheiben sehe ich, wie der Fliehende draußen einen Haken schlägt und nach links hetzt.

Trotz seines zunächst beträchtlichen Vorsprungs haben sie ihn plötzlich; direkt an der Ecke, nach höchstens zehn Metern Flucht im Freien. Auch der rasende Rammbock ist bereits dort. Er und seine Kollegen werfen den Mann auf den Bauch, jeder will ran, jeder kommt ran. Zwei Männer knien sich auf ihn, reißen ihm die Arme nach hinten, Handschellen blitzen, doch sie klirren nicht.

Denn all das spielt sich in völliger Lautlosigkeit ab, ich betrachte die Szenerie durch die großen schallisolierenden Scheiben von Saturn. Die Abfertigung an den Kassen geht derweil ungerührt weiter, das alles ist wohl Alltag hier, und als ich auf den Vorplatz trete, kommen mir die Sicherheitsleute mit ihrem Jagdwild entgegen.

Ich schaue mir den Burschen näher an. Er ist jung, vielleicht 18, sein Schnurrbart verunziert die Oberlippe als lächerlich dünner Flaum, für den er sich irgendwann in Grund und Boden schämen wird. Doch zurzeit hat er andere Sorgen.

An seinen auf dem Rücken gefesselten Armen zerren sie ihn Richtung Eingang; es ist ein richtiger Scheißtag für ihn, und der fängt gerade erst an. „Ich mach kein Scheiß“, hechelt er fistelig, überfordert von der sportlichen Leistung der letzten Minute und überschwemmt von Adrenalin, „ich mach kein Scheiß“ – und plötzlich weiß ich mit großer Klarheit und schlösse darauf eine Wette ab, was ihm einer der Sicherheitsbullen nur wenige Sekunden vorher gesagt hat: „Mach bloß kein Scheiß!“

Und daran hielt er sich auch, bis ich ihn aus den Augen verlor.

PS: Das heutige Foto hat natürlich mit all dem nicht das Geringste zu tun, sondern ist meine persönliche Erinnerung ans Neil-Young-Konzert von gestern Abend. Näheres dazu bei GP, der auch für die künsterlische Gestaltung des Motivs verantwortlich ist.

10 Kommentare:

  1. AHA! Wir klauen also auch "Ungehemt & Anarcho-mässig" bei andern die BILDER!

    ;-)

    "Der Reeperblogger"

    http://reeperblogger.blogspot.com

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  2. Sie kaufen noch ganz analog bei Saturn ein? Anderseits gab es bei Amazon auch noch kein solches Schauspiel zu begaffen... Kein Scheiß !

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  3. Als Pointe hätte ich erwartet, dass es sich bei der fremden
    beweglichen Sache die er sich rechtswidrig angeeignet hat
    um eine CD des Höllenhundes HEINO gehandelt hat.
    Das wäre allerdings wirklich 'n Scheiß.

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  4. Nix Bilderklau! Ich habe SEINE Kamera benutzt, um VON ihm und FÜR ihn ein Photo zu machen. Habe aber kurz überlegt, es zu klauen und auf mein Blog zu stellen.

    Warum nur, Matt, erleben Sie immer so spannende Dinge in diesen ganzen Märkten? Ich hingegen muß immer selbst zur Tat schreiten, wenn ich einen Real-Life-Krimi sehen will.

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  5. nicht mein ein foto vom saturn einkauf? nee nee

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  6. Manchmal geht nichts übers manuelle Stöbern, beraternase, einkaufen 1.0 sozusagen.

    Oldman, keine Ahnung, wessen er schuldig war. Vielleicht hat er ja auch seine Exfreundin, die bei Saturn als Klofrau jobbt, verprügelt – oder sich in der DVD-Abteilung entblößt.

    GP, Sie sind qua Selbstinszenierung wenigstens immer mittendrin statt nur dabei.

    Wen hätte ich denn fotografieren sollen, dein_koenig? Sie wissen doch, dass ich penibelst auf Persönlichkeitsrechte achte – und höchstens mich selbst ins Bild rücke, wie just in diesem Beitrag zu sehen.

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  7. Ich staune auch, Herr Matt - Sie führen ein wirklich animiertes Leben.

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