07 Juni 2008

Zwischen Pissoir und Power-Frau



Ausgerechnet die altehrwürdige Laeiszhalle (Foto), ein Konzerthaus in vollem Stuck- und Kronleuchterornat, inspirierte mich heute zu urinalen Gedanken.

Es passiert kurz vor Beginn des Cat-Power-Konzertes, als ich im Herrenklo auf eine freie Kabine warte und etwas Zeit habe, über die Bedingungen des Stehpinkelns nachzudenken.

Pissoirs sind in hygienischer Hinsicht nämlich suboptimal, Näheres später. Ich jedenfalls benutze sie deshalb nur im Notfall und gehöre damit zu einer belächelten Minderheit. Selbst wenn meine Geschlechtsgenossen alle Urinale belegt vorfinden, verschmähen sie oftmals die verlockende Infrastruktur einer Kabine und stehen im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte lieber Schlange vorm Pinkelbecken.

Dabei sind die – wie erwähnt – hygienisch gesehen nicht der Weisheit letzter Schluss. Zwar ist es problemlos möglich, sich nach ihrer Nutzung am Waschbecken die Hände zu säubern, doch wie steht es um jenes Körperteil, dessen Berührung ja gerade das Säubern der Hände erforderlich machte?

Für eine entsprechende Behandlung des männlichen Körperzentrums stellen Urinal und sein Ambiente keinerlei Utensilien zur Verfügung. Frauen machen sich davon wahrscheinlich gar keine Vorstellung, doch der User des Urinals ist zurückgeworfen auf ein mittelfrequentes, aber aus Gründen des Selbst- und Nachbarschaftsschutzes nicht gar zu dolles Schütteln a posteriori.

Das hat allerdings kaum mehr als ein grobes Abtropfen zur Folge. Papier oder gar ein säubernder Wasserstrahl (dessen Zielgenauigkeit eh nicht zu garantieren wäre) stehen am Urinal nirgends zur Verfügung, und in dieser Hinsicht ist das Laeiszhallenklo keinen Deut besser als das stille Örtchen einer Kaschemme wie dem Windjammer in der Davidstraße.

Nein, an jedem verdammten Pissoir ist man alternativlos angewiesen aufs Wegstecken und -gehen, mit doofen Konsequenzen für die Innenseite der Unterhose. „Da hilft kein Schütteln und Klopfen“, weiß schon der Volksmund, „in die Hose geht der letzte Tropfen“ – und recht hat er.

Ja, und deshalb warte ich stets geduldig auf eine freie Kabine, auch in der Laeiszhalle, bevor Cat Power „The dark end of the street“ singen wird, einen meiner ewigen Lieblingssongs.

Jetzt geht eine Tür auf. Ein drahtiger Mann kommt heraus – und hetzt ohne Waschbeckenstopp zum Ausgang, zu Cat Power. Abgezogen hat er auch nicht.

Irgendwie habe ich das Gefühl, er wäre für meine Überlegungen zum Urinal nicht besonders offen gewesen.


9 Kommentare:

  1. Herr Matt,
    worüber Sie sich so alles Gedanken machen...

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  2. Die "Nicht-Abzieher-Fraktion" gibts wohl immer mehr, ist ja auch wahnsinnig viel verlangt einfach den Knopf zu drücken. Zu blöd ein Klo zu benutzen...oder machen die das um zu schockieren? Oder brauchen solche Leute Hilfe? Sollte denen niemand beigebracht haben ein Wasserklosset korrekt zu benutzen. Hmm, wer zeichnet für diesem Missstand verantwortlich? Eltern, Lehrer, die FDP oder etwa Joachim Löw?

    Es muss ein Schütteln durch Deutschland gehen. Ein Abschütteln.

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  3. Ich habe mir auch schon Gedanken über die Nichtabzieher gemacht und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß diese Menschen einfach Angst haben, sich am Spülknopf die Finger zu besudeln.
    Warum man sich jedoch nach dem Pinkeln den Dödel waschen sollte, ist mir schleierhaft...

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  4. waldi, genau das stand im Text. Aufgabe: noch mal lesen.

    Ein sehr sinnvoller Aufruf, dein_koenig! Ergänzen möchte ich ihn ums „Abputzen“.

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  5. Eine alte Weisheit aus meiner Heimat und meinen Kindertagen lautete:

    Da hilft kein schütteln und kein Klopfen, in die Hose geht der letzte Tropfen.

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  6. Kannst ja immerhin das Gebläseding für die Hände auch zum Trocknen des männlichen Körperzentrums benutzen ;)

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  7. Strelo, Ihr Spruch steht auch im Beitrag … ;-)

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  8. Das von Ihnen, Waldi_Ramone, geschilderte Problem mit dem besudeln der Finger am Spülknopf ließe sich zumindest in der Kabine mit einem Stück des von Herrn Matt so sehr am Urinal vermissten Papiers lösen. Am Urinal steht es jedoch auch für den Spülknopf nicht zur Verfügung, was dort den Hang zum Nicht-Spülen sicher noch verstärkt. Finger waschen ist ja je nach Zustand des zum Abort gehörenden Waschbeckens auch nicht in jedem Fall ein Vergnügen...

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