07 Juni 2007

Wie ich heute Abend den deutschen Sieg herbeigepinkelt habe

In der 42. Minute des Spiels Deutschland-Slowakei entschließe ich mich auf gewissen Druck von innen, dem Halbzeitansturm auf die Toiletten zuvorzukommen und eile schon mal treppab.

Ich habe noch nicht einmal die Hose auf, da wogt natürlich verdammt noch mal der Jubel übers 2:1 (Hitzlsperger per Kopf, wie ich später erfahren soll) auch in die hinterste Kabine. Den Toilettengang absolviere ich routiniert, doch innerlich fluchend; manche meiner Schicksalsgenossen hier belassen es hingegen nicht bei stiller Kontemplation.

Zurück auf der Tribüne erwartet mich der fröhlich feixende Franke, der mir genussvoll Entwicklung und Vollendung des Tores unter die Nase reibt. Dabei schält sich eine fränkische Theorie heraus, die offensichtlich Folge temporärer Umnachtung ist.

Der völlig Verwirrte nämlich sieht meinen Toilettengang in einem unbestreitbaren Zusammenhang mit Hitzlspergers Kopfballtreffer. Geduldig erläutere ich ihm den essenziellen Unterschied zwischen Kausalität und Koinzidenz, doch barsch wischt er alles beiseite. Ich war pieseln, derweil ein Tor fiel: Das reicht dem katholisch vorgeschädigten Franken vollkommen, um eine direkte Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen beiden Ereignissen herzustellen.

Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Viel mehr hat der Muffelkopf heute Abend auch nicht mehr zu bieten. Ob wir anderen 51.499 Zuschauer uns nun hinfort heiser schreien, in Rage klatschen, aufspringen oder die Welle machen: Der Franke sitzt da und rührt kaum ein Glied. „Bin doch kein Kleinkind“, grummelt er.

Stattdessen beginnt er mich ab der 60. Minute zu einem weiteren Toilettengang aufzufordern. Dabei liegen ihm keinerlei Indizien für die Notwendigkeit desselben vor. „Wir brauchen noch ein Tor“, brummt er.

Ich freilich bin höchst unwillig, mich zum bloßen Erfüllungsgehilfen eines auf meine Toilettengewohnheiten abgestimmten Schicksals degradieren zu lassen. Schließlich habe ich den Eintrittspreis im festen Willen entrichtet, mich gerade den Höhepunkten der Partie mit besonderem Genuss zu widmen. Und einen davon habe ich ja bereits verpasst, unter denkbar unwürdigen Umständen.

Ich bleibe also unbeirrt sitzen. Irritierenderweise wirkt das Spiel in der Folge wie eingefroren, es will auf dem Platz einfach nichts Spektakuläres mehr geschehen, selbst Strafraumszenen kommen inzwischen seltener vor, als Flugzeuge die Arena überqueren.

Für den Franken tragen daran jedoch nicht etwa Lahm, Frings, Gomez oder Rolfes die Hauptschuld; nein, mich klagt der Irre an. Meine störrische Weigerung, erneut die Toilette aufzusuchen, verhindert also eine ganze Halbzeit lang die Sicherheit im deutschen Spiel, die ein 3:1 zweifellos bedeutet hätte.

Ich müsste gehen, dann käme der Erfolg. Doch ich bleibe hier sitzen, und so tappt auch das Spiel entschlossen auf der Stelle. Nur der Franke entwickelt sich: Er wird immer sauertöpfischer.

Am Ende kann ich mir wenigstens den herbeigepinkelten Siegtreffer anrechnen lassen. Schönes Tor übrigens; ich habe gerade zu Hause die Aufzeichnung gesehen.

11 Kommentare:

  1. Mein 'bayrischer' Landsmann wird mir immer sympathischer.

    Es ist mir unverständlich, wie Sie durch Nichtbefolgen seiner Anweisung den mühsam herbeigepinkelten Sieg leichtfertig in Gefahr bringen konnten. So verhält sich kein Patriot!

    offtopic

    Meine Verehrung an Ms Columbo, die begnadete Meisterköchin!

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  2. Na, hören Sie mal, Sie Stenz! Wer schickt denn noch tagtäglich seine privaten Mails in Kopie an unseren Bundesinnenminister? Doch wohl ich! Ich möchte hier und jetzt, dass Sie mich Patriot nennen!

    offtopic
    Das gebe ich weiter, zumal ich ganz Ihrer Meinung bin.

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  3. Ihr ambivalentes Verhalten zeugt bestenfalls für Pattriotismus und Sie sollten darauf achten, daß Sie sich nicht zum Mattrioten entwickeln.

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  4. Es würde mich nicht wundern, wenn Ihnen der ofizielle DFB-Biersponsor aus der Eifel zur Europameisterschaft mehrere Kästen zur Verfügung stellte - quasi zur Optimierung der Offensive. Um den Wirkungsgrad zu erhöhen, bitte lauwarm trinken.

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  5. Was heisst hier "zum Erfüllungsgehilfen degradiert"? Sie haben die einmalige Chance verpasst in fußballweltgeschichliches Geschehen einzugreifen und zu einem 13. Mann der Nationalelf zu werden!
    Stellen Sie sich doch beim nächsten Spiel Ihrer so offensichtlich von höheren Mächten zugeteilten Aufgabe und führen Sie sie einfach aus, anstatt sie in Frage zu stellen.
    Kaum auszudenken, wenn Sie weniger Bier getrunken hätten!

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  6. Matt, Sie sollten in der Tat aufpassen, wie sich Ihr PQ (Patriotismusquotient) entwickelt. Hatte ich Sie vor Kurzem noch als überzeugten Landsmann kennenlernen dürfen, so sehe ich mittlerweile einen Zweifler, ja, ich möchte Sie fast schon einen Defätisten nennen.

    Wenn es dem Wohl unseres Landes dient, gehen Sie eben zweimal oder dreimal pinkeln. Und wenn es gegen Italien im EM-Endspiel geht, dann bitte auch ruhig mal kacken!

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  7. Der charmanteste Vorschlag kam, ehrlich gesagt, von joshuatree. Allerdings muss der Bierbrauer mich auch in die Schweiz UND Österreich verfrachten, denn die Wirksamkeit des Pipiindikators (nicht des Kackindikators, Herr GP!) ist bisher nur beim direkten Liveerlebnis nachgewiesen.

    Anna, GP: Allmählich dämmert mir wirklich, welch nationale Dimension meine Funktion hienieden anzunehmen im Begriffe ist. Und ich begreife nun auch, warum der Franke vorm Spiel mit mir gleich zwei Halbliterflaschen des goldnen Gerstensaftes zischen wollte. Pro Flasche ein Tor sozusagen.

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  8. @Matt, so halte ich es bei Fußballspielen immer. Wenn es sauspannend ist und dringend ein Tor her muss, gehe ich pieseln. Das klappt oftmals sehr gut. Aber wann gepieselt wird, bestimme ich und es weiß auch keiner, dass das bei mir oftmals klappt.

    Es gibt allerdings Spiele, die sind einfach für ein 0:0 prädestiniert, da hilft manchmal nicht einmal Durchfall.

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  9. Ich glaube, wir beide wären ein unschlagbares Team.

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  10. Aha.

    Ich frage mich gerade, ob diese Form der Beeinflussung noch an der Grenze der Legalität liegt oder schon darüber hinaus?
    Und warum hat O. Kahn letztens in einem Wutanfall seine Urinprobe einem Offiziellen an den Kopf geworfen oder muss man sagen: geschüttet?
    Besteht da irgendein Zusammenhang, eine Art Pieseldoping der Sportergebnisse?
    Matt und Stefan, jetzt nicht lange herumzabeln, sondern die Karten auf den Tisch legen! Sie sind ja keine Ullriche, oder?

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  11. Also ich habe mit Pieseln nie wissentlich Ergebnisse beeinflusst.

    Mein Hausarzt hat mir diese Tätigkeit sogar als lebensnotwendig nahegelegt, eine täglich mehrfache Ausübung sei sogar gesund, wiegelte er ab.

    Außerdem machen das doch alle, ich habe niemanden betrogen! So wahr mir Godefrood helfe.

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