11 Juni 2007

Unsere Nacht im Grand Hotel Kempinski

Während der turbulenten G-8-Tage fiel es uns plötzlich wieder ein: Auch Ms. Columbo und ich nächtigten einmal exakt dort, wo just Putin, Bush und Merkel um das Schicksal der Welt rangen – im Grand Hotel Kempinski von Heiligendamm.

Dies freilich taten wir nicht aus Großmannssucht und auch nicht aufgrund jener besonderen Ausprägung übergroßer Prominenz, die sich ihrer selbst mit der Buchung eines 17-Sterne-Hotels versichern muss. Nein, auch wenn es empörend klingt: Es geschah aus purer Not.


Damals, es war kurz nach der Wende, waren wir mit unseren ungewaschenem roten Polo ins Blaue losgefahren, immer die Ostseeküste lang. Wo es uns gefiel, suchten wir uns eine Pension oder ein privates Zimmer, schritten die Seebrücken ab, aßen ein ortsübliches Fischgericht und zockelten bald weiter gen Osten.

Einmal kamen wir bei einer muffeligen Familie unter in Boltenhagen, Bad Doberan oder so, die uns das Zimmer nur unter deutlichen Anzeichen des Missmuts aufschloss. Hier war klar: Man mochte keine Wessis, doch anders kam man halt nicht über die Runden.

Entsprechend war der Service. Das Frühstück gab es in einer beängstigend überfüllten Küche, die gleichwohl sämtliche Wohnfunktionen zugleich erfüllen musste (wahrscheinlich, weil man uns das Wohnzimmer vermietet hatte). Mehrere familieneigene Blagen lümmelten sich
maulfaul mit uns an den Tisch, während Mrs. Missmut rauchend an der Spüle herumlärmte und die Waschmaschine ächzend vor sich hin öttelte.

Diese Unterkunft, so stellte es sich hinterher heraus, markierte das eine Ende des Spektrums, preislich wie in allen anderen Kategorien. Am anderen Ende lag das Grand Hotel Kempinski, natürlich.

Dabei planten wir in Heiligendamm die gleiche Vorgehensweise wie bisher: ankommen, durchs Dörfchen gurken, „Zimmer frei“-Schilder orten, klingeln, einziehen, Seebrücke, Fischgericht. Doch wir fanden keine „Zimmer frei“-Schilder. Heiligendamm war ausgebucht, auch ohne G 8.

Nur das Grand Hotel Kempinski nicht, wo wir uns schließlich verzagt an der Rezeption wiederfanden. Dort war man sehr gerne bereit, uns zu beherbergen, doch forderte man dafür einen geradezu empörenden Preis. Allein: Was blieb uns übrig?

Ich glaube, wir zahlten schmerzverzerrt umgerechnet 80 Euro für die Nacht; ein Preis, bei dem der heutige Hoteldirektor gewiss in Lebensgefahr geriete, wegen seines Lachanfalls.

Jedenfalls war es toll. Wir frühstückten an einem weißen Tisch auf englischem Rasen, die Ostsee fächelte uns eine bedeutungsvolle Brise zu, als huldigte sie unserer übergroßen Prominenz, und den Nachmittagskaffee nahmen wir im hoteleigenen Strandkorb zu uns, umhegt von behandschuhten Livrierten, wenn ich mich recht entsinne.

Doch wie gesagt: Das alles geschah aus purer Not. Ehrlich wahr.

4 Kommentare:

  1. Ein Hotel wird ja nicht dadurch schlecht, das es von schlechten Menschen besucht wird.

    An sich wäre Heiligendamm und das Kempinski immer eine Reise wert, auch wenn es dem Konto Schüttelfrost bereitet.

    Aber ich glaube man wird sich beeilen müssen. Die großen schwarzen Vögel die rund um das Gemäuer kreisen, sind keine Krähen. Es sind wohl eher die Geier.

    Und eine hohle Stimme ist von Zeit zu Zeit aus der leichten Brise herauszuhören:

    "Das Ende ist nah, das Ende ist nah, das Ende ..."

    Natürlich wird sich der Nächste und Übernächste versuchen. Auch soll sich ja das Klima verändern.

    Aber wenn ich die Malediven, Kuba oder Sylt haben kann. Was soll ich in Heiligendamm. Einmal dort Fisch essen. Der ist in Timmendorf/Niendorf in der Fischkiste besser als an der ganzen EX-DDR-Ostseeküste. Zumindest die Kutterscholle, die wir mal durchgehend von Usedom bis Timmendorf getestet haben.

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  2. Lieber Matt,

    warum so "schuldbewusst" und entschuldigend? Haben Sie Angst, dass noch Leser aus Dresden dabei sind und ihr mürrisches Gesicht aufsetzen während sie murmeln "... na toll ..."?

    Nein, nein - ich finde jeder darf unbeneidet und wann immer die Gelegenheit und Situation es hergibt einwenig Luxus genießen. Und außerdem zahlen wir doch alle gemeinschaftlich die G8-Gebühren?! Da ist es nur recht, wenn sich der eine auf Georges Kissen räkelt und der andere von Angies Tellerchen isst.

    PS: Fahren Sie mal nach Boltenhagen - die haben Lust auf Gäste - pah!

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  3. Möchte mich dem Elbkind anschließen - warum sollten Sie sich entschuldigen müssen, wenn Sie in einem schönen Hotel schlafen und frühstücken? Und das für den in der Tat lachhaften Preis von 80 Euro. Wenn man Glück hat, bekommt man den heute in der Nebensaison, als Teil eines Sonderangebotes (nat. ohne Früchstück) und auch nur dann, wenn es durchgehend regnet.

    Oder, wenn vorher ein Verrückter in dem Zimmer übernachtet hätte.

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  4. So eine schöne Urlaubsunterkunft hatte ich letztes Jahr auch, nein, nicht das Kempinski, sondern die erste mit Mrs. Missmut..

    Bei mir war es allerdings Mr. Anzüglich, der seine mit dem Mief und Charme der 50er Jahre ausgestattete Schimmelpension gemeinsam mit Mrs. Swingerclub führte.
    Als Gäste waren sternhagelvolle, solariumgebräunte Kampfhundbesitzer anwesend, die sich über meine Ankunft sehr freuten. Ich weiss nicht warum.

    Ich bin dann in einer Nacht- und Nebelaktion abgehauen, "abgereist" würde es nicht so zutreffend beschreiben.

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