26 Juni 2007

Mit Kutis Groove durch Westpommern



Wir jagen im Zug durch die Kaschubei nach Westen.

In Rumia sind alle Häuser schlammfarben, doch plötzlich strahlt ein blaues Dach surreal auf im Licht der launischen Sonne. Nah an den Gleisen schaukelt ein Kind, bewacht von seiner Mutter.

Ein halbfertiger Rohbau liegt rot und traurig da im Stillstand des Sonntags, während mir Grayson Capps sein „Mercy“ ins Ohr singt. Verlassen steht ein grüner Bus auf einem menschenleeren Platz in Wejherowo. Er ist der heimliche Bruder des traurigen Rohbaus; den Score dazu liefert Bert Janschs Folkmelancholie „Magdalina’s dance“.

Ich verbringe die meiste Zeit im Gang am offenen Fenster, und als mich niemand sieht, werfe ich ein gebrauchtes Papiertaschentuch heimlich hinaus in den Fahrtwind – Dünger für die polnische Krume …

In der weiten Tieflandebene vor Wiekowo steht ein Fuchs reglos auf einer Wiese zum baldigen Schaden einer Maus, lauernd, konzentriert und unbeeindruckt vom Rattern unseres Zugs, von der Zeit, dem Universum und davon, dass in zwölf Milliarden Jahren die Sonne die Erde auf großer Flamme braten wird, auch Polen.

Von Runowo bis Ulikowo, also fast durch halb Westpommern, legt Fela Kutis halbstündiges „Beast of no nation“ den richtigen Groove unters Stampfen des Zugs, während ich die Nase in den Wind halte, und ich verwettete Haus und Hof, dass noch nie irgendein Mensch die Zugfahrt zwischen Runowo und Ulikowo mit Kutis „Beast of no nation“ verbracht hat.

Das verändert den Blick auf die Landschaft, o ja, und der Blick verändert die Musik, das hätte ewig so weiter gehen können. Doch jetzt sind wir wieder zurück auf St. Pauli, die meisten polnischen Geschichten sind erzählt. Nur die noch nicht von mir in nasser Unterhose am Strand von Brzezno, aber die erzähle ich erst morgen.

Frühestens.

4 Kommentare:

  1. Versuch einer umfassenden Analyse im Zuge (!) meines täglichen Gehirntrainings:

    Verwendete Farben: vier (schlamm, blau, rot, grün)
    Vorkommende Personen: drei (Mutter, Kind, Matt)
    Vorkommende Tiere: zwei (Fuchs, Maus)
    Weggeworfene Taschentücher: eins
    Fahrzeuge: eins (Bus)
    Abgeschlossene Wetten: eine (Haus und Hof)
    Körperteile: eins (Nase)
    Vokale: sehr viele
    Konsonanten: noch mehr
    Kleidungsstücke: eins (Unterhose, nass)

    Zufrieden? :-)

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  2. Gaaaar nicht schlecht … Wobei die Unterhose gewissermaßen noch nicht vorkam, sondern lediglich angekündigt wurde. Außerdem muss ich eine gewisse Vagheit bei den Mengenangaben von Vokalen und Konsonanten konstatieren. Da gibt es noch Potential. Als Fahrzeug hätte der Zug selbst eine prominente Erwähnung verdient gehabt, aber ich will nicht kleinlich sein. ;-)

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  3. Okay, den Zug vergessen, wobei ich mich ja herausreden könnte, dass ich ihn in meinem ersten Satz erwähnte.. aber sei's drum, Sapperlot, ich vergaß ihn!

    Auf die Unterhosenstory bin ich ja sehr gespannt, also wenn da auch wieder abgerissene Vogelfüße und Haie vorkommen, dann wird das ein Thriller erster Klasse:
    "Der weiße Hai Teil 27. Von Vögeln gejagt, gestrandet in Unterhose und wieder zurück nach St. Pauli gefahren".

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  4. Sie sind aber auch ein Meister des Cliffhangers, lieber Matt... wie ich gespannt bin auf Ihre Unterhose... also wohl eher die Geschichte dazu... mannmannmann

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