20 März 2010

Im Pott, Tag 1: Der Klausfischerball

Die Hotelkette Maritim hat uns zu einer Pressereise nach Gelsenkirchen eingeladen, damit wir die Reize der Ruhrregion kennenlernen. Schließlich ist man Kulturhauptstadt des Jahres, und jetzt heißt es puschen, puschen, puschen.

Im Hotelrestaurant findet jeder von uns in einer geschickt zum Gefäß gefalteten Serviette einen kleinen knetbaren Fußball vor, der signiert ist, und zwar nicht von irgendwem, sondern von der Schalker Fußballlegende Klaus Fischer.

„Klaus Fischer“, erläutert Hoteldirektor Chytra mit stolzbebender Stimme, in deren Intonation noch Reste einer österreichischen Färbung mitschwingen, die im Lauf seiner 20 Jahre im Pott genauso dahinschwand wie die Kohlevorräte unter der hiesigen Krume, „Klaus Fischer ist ein Freund von mir. Er war heute Mittag um halb 12 hier und hat alle 40 Bälle signiert.“

Ich habe Klaus Fischer noch eigenäugig spielen sehen, irgendwann in den späten 70ern im Parkstadion. Er schoss drei Tore und fieselte damit die Frankfurter Eintracht praktisch im Alleingang ab. Klaus Fischer ist ein Mythos, er erzielte das sogenannte Tor des Jahrhunderts mit einem Fallrückzieher von der Strafraumgrenze aus, und ich halte gerade einen Knetball in der Hand, den heute Mittag noch Klaus Fischer in der Hand hielt. Ms. Columbo auch.

Es ist ein super Start ins Ruhrwochenende, und ich spüre eine Woge der Zuneigung zu Hoteldirektor
Chytra. Übrigens ist auch David Hasselhoff sein Freund und überhaupt fast jeder, der es ins Who’s who geschafft bzw. mal im Maritim Gelsenkirchen übernachtet hat.

Nach dem Essen (währenddessen ich meinen Klausfischerball mindestens so liebevoll musterte wie das eingangs servierte Rahmsüppchen vom Tafelspitz mit Meerrettichchips) gesellt sich Herr Schäfer zu uns. Er gehört ebenfalls zum Mariteam (haha) und ist ein rundlicher Herr von Ende 30, der bestimmt schon mal dünner war.

„Ich war mal in der Fahrradnationalmannschaft“, glaube ich ihn verstanden zu haben, „aber da war ich noch dünner.“ Herr Schäfer stellt sich vor als „Hotelverkäufer“, und das macht mir ihn und das Ruhrgebiet sofort supersympathisch, denn in Hamburg hieße dieser Posten mit Sicherheit „Sales Manager“.

Herr Schäfer ist nicht nur Hotelverkäufer, sondern auch ein glühender Ruhrpatriot. „Jede Region ist irgendwo schön“, sinniert er, „doch uns glaubt man das nicht.“ Das macht ihn irgendwo traurig, motiviert ihn aber auch zu ausufernden Elogen aufs Ruhrgebiet, bei denen ihn letztlich nur einer bremsen kann: Er selbst.

„Ich rauche nicht, ich trinke nicht, ich mag keinen Fußball!“, ruft er irgendwann emphatisch, während ich versonnen meinen Klausfischerball knete, „und trotzdem bin ich ein echter Ruhrpottler!“

Der Platz rechts von mir ist unbesetzt geblieben, dort ruht ein weiterer, noch gänzlich ungekneteter Klausfischerball im Serviettengefäß. „Den würde ich mir gerne auch noch unter den Nagel reißen“, flüstere ich Ms. Columbo zu. „Wir sind Journalisten, wir dürfen uns danebenbenehmen“, ermuntert sie mich konspirativ, „und wenn sich jemand beschwert, dann bloggst du drüber.“

Und genau das tue ich dann auch alles, obwohl sich überhaupt gar niemand auch nur ein Fitzelchen beschwert hat.

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9 Kommentare:

  1. Das Schalker Gegenstück zum Uweseelerfuß? Man sollte im Maritim Hamburg vielleicht mal nachfragen.

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  2. Katholisch? Beichtbedürfnis? Der dritte Ball geht zu E-Bay und die Kohle an die notleidende Hertha!

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  3. Herr oder Frau Anonym hoch zwei, die Kohle ginge wenn schon an den FC St. Pauli in Form einer erstandenen Eintrittskarte. Oder was glauben Sie, wo Sie hier sind?

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  4. ..."puschen, puschen, puschen."

    Ich dachte erst an Hausschuhe, musste mich vom Wiktionary aber eines Besseren belehren lassen.

    Synonyme:

    [1] pinkeln, strullen, lullen, schiffen, „Pipi machen“

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  5. … und 5. handelt es sich schlicht um die eingedeutschte Schreibweise des schönen englischen Verbs „pushen“.

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  6. Ruhrpottriot wäre auch ein schöner Kalauer gewesen

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  7. Journalisten dürfen sich daneben benehmen?
    Alles klar :-)
    Jetzt weiß ich auch, warum bei der letzten Votstandssitzung der Reporter der Lokalzeitung einfach einen Datenstick mitnahm und schnell verschwand. Er hätte ja fragen können, wenn die Not so groß ist.

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  8. Also ich bitte Sie: Es ist ja wohl ein Unterschied, ob ich einen schnöden Datenstick oder einen herren- und damenlosen Klausfischerball mitnehme!

    Mit solchen Leuten möchte ich nicht verglichen werden.

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