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20 Mai 2009
Das wahre Wesen der … Touristen
Es gibt Augenblicke, da habe ich das Gefühl, den Kiez mit falschen Augen zu sehen, ihn zu idealisieren, seine wildromantischen Seiten überzubewerten.
Dann denke ich, die Menschen, die uns hier umgeben, zeichneten sich doch nicht durch besondere Herzensgüte und altruistisches Wesen aus.
Ein solcher Augenblick war mir beschieden, als ich beim fidelen Wandern durch die Silbersackstraße einen zufälligen Blick in die Hasenschaukel warf: Dort nämlich müssen sie neuerdings sogar den Serviettenspender anketten.
Was mir das über das wahre Wesen der Kiezianer sagt, will ich lieber gar nicht wissen.
Oder es liegt an den Touristen. – Natürlich!
19 Mai 2009
HSV-Fans müssen nicht zwangsläufig dumm sein
Neulich erzählte mir jemand von einem Groundhopper im Dienste der Raute: Er besucht jedes Spiel des HSV. Jedes – in München wie in Manchester, in Ismaning wie in Istanbul.
Weil er nicht Krösus ist, sondern ein ganz normaler Angestellter mit eher mäßigem Einkommen, wendet er ein paar pfiffige Finanzierungstricks an.
Ein, zwei Wochen vor der Auslandspartie schickt er stets eine Mail an den Gastgeberverein und gibt sich als Scout eines Bundesligavereins aus. Er legt sich zu diesem Zweck eine temporäre Mailadresse zu, zum Beispiel „werderbremen@gmx.de“. Das Werderlogo in die Mail einzubauen, ist natürlich ein Klacks.
Dieser Trick funktioniert praktisch immer. Bei Manchester City oder Galatasaray Istanbul kommt kein Mensch auf die Idee, mal kurz in Bremen anzurufen und die Referenzen dieses Scouts zu überprüfen. Stattdessen hinterlegt man ihm eine Karte, in der Regel auf der VIP-Tribüne, Freigetränke inklusive.
Ja, man behandelt ihn gut. Könnte ja sein, dass er „Werder Bremen“ empfiehlt, für den fußlahmen Mittelstürmer 10 Millionen Tacken auf den Tisch zu legen.
Er hat die Ehrenkarte also schon mal in der Tasche. Es gibt aber auch noch diese ärgerlichen Reisekosten; die wollen ebenfalls refinanziert werden. Also kauft er vor Ort haufenweise Stadionzeitschriften. Die sind billig, so ein Euro das Stück.
In den Wochen danach vertickt er dann die recht zuverlässig zu Sammlerstücken avancierenden Broschüren Stück für Stück auf Ebay – gern auch mal für das Zehnfache des Kaufpreises.
Er bereist also ganz Europa, sieht jedes HSV-Spiel (ob das immer ein Vergnügen ist, sei mal dahingestellt), und seine Gesamtkosten tendieren gegen Null.
Sein Karma aber auch.
PS: Das Foto zeigt den HSV-Torwart Frank Rost, der von all dem natürlich nicht die geringste Ahnung hat.
Weil er nicht Krösus ist, sondern ein ganz normaler Angestellter mit eher mäßigem Einkommen, wendet er ein paar pfiffige Finanzierungstricks an.
Ein, zwei Wochen vor der Auslandspartie schickt er stets eine Mail an den Gastgeberverein und gibt sich als Scout eines Bundesligavereins aus. Er legt sich zu diesem Zweck eine temporäre Mailadresse zu, zum Beispiel „werderbremen@gmx.de“. Das Werderlogo in die Mail einzubauen, ist natürlich ein Klacks.
Dieser Trick funktioniert praktisch immer. Bei Manchester City oder Galatasaray Istanbul kommt kein Mensch auf die Idee, mal kurz in Bremen anzurufen und die Referenzen dieses Scouts zu überprüfen. Stattdessen hinterlegt man ihm eine Karte, in der Regel auf der VIP-Tribüne, Freigetränke inklusive.
Ja, man behandelt ihn gut. Könnte ja sein, dass er „Werder Bremen“ empfiehlt, für den fußlahmen Mittelstürmer 10 Millionen Tacken auf den Tisch zu legen.
Er hat die Ehrenkarte also schon mal in der Tasche. Es gibt aber auch noch diese ärgerlichen Reisekosten; die wollen ebenfalls refinanziert werden. Also kauft er vor Ort haufenweise Stadionzeitschriften. Die sind billig, so ein Euro das Stück.
In den Wochen danach vertickt er dann die recht zuverlässig zu Sammlerstücken avancierenden Broschüren Stück für Stück auf Ebay – gern auch mal für das Zehnfache des Kaufpreises.
Er bereist also ganz Europa, sieht jedes HSV-Spiel (ob das immer ein Vergnügen ist, sei mal dahingestellt), und seine Gesamtkosten tendieren gegen Null.
Sein Karma aber auch.
PS: Das Foto zeigt den HSV-Torwart Frank Rost, der von all dem natürlich nicht die geringste Ahnung hat.
18 Mai 2009
Kulturelle Unterschiede beim Aussichherausgehen
Bei einer Stadtführung durch Würzburg gerieten wir in die Fänge mehrerer sogenannter Originale: eine gewisse „Marktbärbel“, ein „Schorsch“ und ein „Karl“ (Foto).
Bereits frühmorgens fütterten sie uns mit pforztrockenen Bratwürsten und reichten dazu reichlich Frankenwein. Zudem erlaubte uns das Trio tiefe Einblicke in die fränkische Seele.
„Der Frang-ge an sich“, psychologisierte zum Beispiel der Karl, „geht scho aus sich raus – abber mehr so nach inne.“
Auch dem dort wild grassierenden Katholizismus standen die Drei überraschend pragmatisch gegenüber. „Die war Nonne“, gluggste der Schorsch über eine historische Würzburgerin, „unn zwar scho inner dridde Generadsion …“
Als ich diese Schnurren heute im Büro dem Exilfranken erzählte, lachte er sich fast einen Kropf. Wir sind also – wie man aus der letzten Bemerkung mühelos rückschließen kann – wieder zurück auf St. Pauli.
„Willkommen zu Hause!“, juchzte Ms. Columbo freudestrahlend, als wir vor unserer Haustür eine eben erst eingetrocknete Kotzpfütze vom Wochenende entdeckten. Home, schiet home …
Drunten im Frankenland haben wir solchen Straßenschmuck hingegen nirgends gesehen. Nicht mal ein Autokennzeichen mit der naheliegendsten aller Kombinationen: „WÜ-RG“.
Das ist eben der Hauptunterschied zwischen dem Kiez und Würzburg: Hier geht man zwar auch gern aus sich heraus, aber mehr so nach außen.
Bereits frühmorgens fütterten sie uns mit pforztrockenen Bratwürsten und reichten dazu reichlich Frankenwein. Zudem erlaubte uns das Trio tiefe Einblicke in die fränkische Seele.
„Der Frang-ge an sich“, psychologisierte zum Beispiel der Karl, „geht scho aus sich raus – abber mehr so nach inne.“
Auch dem dort wild grassierenden Katholizismus standen die Drei überraschend pragmatisch gegenüber. „Die war Nonne“, gluggste der Schorsch über eine historische Würzburgerin, „unn zwar scho inner dridde Generadsion …“
Als ich diese Schnurren heute im Büro dem Exilfranken erzählte, lachte er sich fast einen Kropf. Wir sind also – wie man aus der letzten Bemerkung mühelos rückschließen kann – wieder zurück auf St. Pauli.
„Willkommen zu Hause!“, juchzte Ms. Columbo freudestrahlend, als wir vor unserer Haustür eine eben erst eingetrocknete Kotzpfütze vom Wochenende entdeckten. Home, schiet home …
Drunten im Frankenland haben wir solchen Straßenschmuck hingegen nirgends gesehen. Nicht mal ein Autokennzeichen mit der naheliegendsten aller Kombinationen: „WÜ-RG“.
Das ist eben der Hauptunterschied zwischen dem Kiez und Würzburg: Hier geht man zwar auch gern aus sich heraus, aber mehr so nach außen.
17 Mai 2009
Schein und Sein
Als ich heute in Würzburg durch die Innenstadt lief und auf das Plakat mit Meryl Streep stieß, dachte ich: Hoppla, die Hollywooddiva macht jetzt Wahlkampf für die Schwarzen?
Andererseits wäre das kaum frappierender als ein Spot, in dem Bruce Willis gemeinsam mit Rudi Assauer auftritt.
Auf dem CSU-Wahlplakat stand allerdings nicht der Name „Meryl Streep“, sondern der einer gewissen Angela Merkel. Aus irgendeinem Grund erinnerte mich das ans Motiv einer Bierwerbung vergangenes Jahr hier auf dem Kiez.
Keine Ahnung warum – schließlich zeigt es ebenfalls nicht Meryl Streep.
15 Mai 2009
Wunderliches Frankenland
Im brutalstkatholischen Würzburg, wo wir auf Einladung des Maritim-Hotels das Wochenende verbringen, liegt nicht etwa eine Gideonbibel im Nachtschränkchen des Hotels, sondern – „Die Lehre Buddhas“.
Herrschaftszeiten, die Welt ist auch nicht mehr das, was sie mal war! Selbst in Franken nicht.
Der Rest hingegen präsentiert sich hier bislang exakt so, wie wir ihn uns dank jahrelanger zoologischer Studien des Hamburger Exilfranken vorgestellt haben: bier-, wein- und wurstfixiert.
Den mutmaßlich merkwürdigen Zungenschlag der Eingeborenen werden wir aber erst morgen im Rahmen einer innerstädtischen Exkursion detaillierter studieren können, denn unser Hauptgesprächspartner heute Abend war Österreicher.
Globalisierung: Selbst im brutalstkatholischen Würzburg ist das also kein Fremdwort mehr.
Herrschaftszeiten, die Welt ist auch nicht mehr das, was sie mal war! Selbst in Franken nicht.
Der Rest hingegen präsentiert sich hier bislang exakt so, wie wir ihn uns dank jahrelanger zoologischer Studien des Hamburger Exilfranken vorgestellt haben: bier-, wein- und wurstfixiert.
Den mutmaßlich merkwürdigen Zungenschlag der Eingeborenen werden wir aber erst morgen im Rahmen einer innerstädtischen Exkursion detaillierter studieren können, denn unser Hauptgesprächspartner heute Abend war Österreicher.
Globalisierung: Selbst im brutalstkatholischen Würzburg ist das also kein Fremdwort mehr.
Puff, günstig
Aus dem Hintereingang einer Spielhölle in der Seilerstraße taumeln mir zwei angetrunkene Geschäftsleute von Ende 20 vor die Füße, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Der eine ein beleibter, gedrungener Afrikaner à la Forest Whitaker, dessen zu enges Hemd unschön über den Gürtel quillt; der andere eine spitterige blasse Gestalt mit hochgegeltem Haar, dunklem Anzug und einem Schlips schmaler als ein Lineal.
Die globalisierte Ausgabe von Pat und Patachon im Rotlichtviertel.
Der Dünne spricht mich an, in osteuropäisch gefärbtem Deutsch. „Wir suchen Puff, günstig“, vertraut er mir ohne Umschweife an. Ich signalisiere ihm sanft eine gewisse Unbedarftheit auf diesem Gebiet, ohne meine wohnsitzbedingte grundsätzliche Informiertheit zu verhehlen; völlig vergrätzen möchte ich die beiden ja nicht, schließlich bin ich dafür mitverantwortlich, dass Hamburg – hier: der Kiez – sich von seiner besten Seite zeigt.
Also beschreibe ich den pipileichten Weg zur Reeperbahn: Da vorne links, und schon steht man auf dem Boulevard der Lüste. Dort, sage ich, würden sie sicher fündig.
„Reeperbahn!“, juchzt der Dünne, „genau! Genau! So 30 Euro?“ Mein Grinsen verrutscht ein wenig ins Windschiefe. „Wie gesagt: So genau kenne ich mich nicht aus“, sage ich, „aber das scheint mir etwas wenig.“
Jetzt mischt sich der Afrikaner schüchtern ein. Er trägt kein Jackett, weil ihm offensichtlich heiß ist, doch den Würgegriff seiner Krawatte hat er keinen Millimeter gelockert.
„Wir sind nicht von hier“, entschuldigt er sich. Das ahnte ich freilich schon, belobige sein Bekenntnis gleichwohl durch aufmunterndes Lächeln. Er wirkt erleichtert.
„Gans’n Tag offen?“, lallt der Dünne weiterhin hochinteressiert. Eine Wegbeschreibung zur Herbertstraße scheint mir angesichts ihrer herabgesetzten Aufnahmefähigkeit unangebracht, deshalb bestätige ich das kurz und knapp.
Sie bedanken sich im Chor und wanken froh von dannen. Plötzlich dreht sich der Schmalhans noch mal um:
„Suche aber frisch, ne?“
Ich muss wirklich eine beängstigende Kompetenz ausstrahlen. Ein entsprechender Selbsttest vorm Spiegel heute Abend hat aber nichts Auffälliges ergeben.
Der eine ein beleibter, gedrungener Afrikaner à la Forest Whitaker, dessen zu enges Hemd unschön über den Gürtel quillt; der andere eine spitterige blasse Gestalt mit hochgegeltem Haar, dunklem Anzug und einem Schlips schmaler als ein Lineal.
Die globalisierte Ausgabe von Pat und Patachon im Rotlichtviertel.
Der Dünne spricht mich an, in osteuropäisch gefärbtem Deutsch. „Wir suchen Puff, günstig“, vertraut er mir ohne Umschweife an. Ich signalisiere ihm sanft eine gewisse Unbedarftheit auf diesem Gebiet, ohne meine wohnsitzbedingte grundsätzliche Informiertheit zu verhehlen; völlig vergrätzen möchte ich die beiden ja nicht, schließlich bin ich dafür mitverantwortlich, dass Hamburg – hier: der Kiez – sich von seiner besten Seite zeigt.
Also beschreibe ich den pipileichten Weg zur Reeperbahn: Da vorne links, und schon steht man auf dem Boulevard der Lüste. Dort, sage ich, würden sie sicher fündig.
„Reeperbahn!“, juchzt der Dünne, „genau! Genau! So 30 Euro?“ Mein Grinsen verrutscht ein wenig ins Windschiefe. „Wie gesagt: So genau kenne ich mich nicht aus“, sage ich, „aber das scheint mir etwas wenig.“
Jetzt mischt sich der Afrikaner schüchtern ein. Er trägt kein Jackett, weil ihm offensichtlich heiß ist, doch den Würgegriff seiner Krawatte hat er keinen Millimeter gelockert.
„Wir sind nicht von hier“, entschuldigt er sich. Das ahnte ich freilich schon, belobige sein Bekenntnis gleichwohl durch aufmunterndes Lächeln. Er wirkt erleichtert.
„Gans’n Tag offen?“, lallt der Dünne weiterhin hochinteressiert. Eine Wegbeschreibung zur Herbertstraße scheint mir angesichts ihrer herabgesetzten Aufnahmefähigkeit unangebracht, deshalb bestätige ich das kurz und knapp.
Sie bedanken sich im Chor und wanken froh von dannen. Plötzlich dreht sich der Schmalhans noch mal um:
„Suche aber frisch, ne?“
Ich muss wirklich eine beängstigende Kompetenz ausstrahlen. Ein entsprechender Selbsttest vorm Spiegel heute Abend hat aber nichts Auffälliges ergeben.
14 Mai 2009
12 Mai 2009
Die Wahrheit hinter DHL
Manche Menschen sind mir ein Rätsel.
Ich meine: Wer setzt sich bloß hin und verschwendet Lebenszeit, um ein denunzierendes Logo zu entwerfen, das Motiv teuer auf Klebepapier drucken zu lassen und es dann an Altonaer Briefkästen zu pappen?
Und warum nur so viel Aufwand wegen eines Transportunternehmens?
Wäre diese Lebenszeit nicht besser investiert gewesen, wenn man Goethe gelesen hätte oder meinetwegen auch Charlotte Roche oder auch einen Abend lang das Muster der Wellen am Elbstrand in Neumühlen? Ganz bestimmt.
DHL leitet sich übrigens in Wahrheit ab von den Anfangsbuchstaben der Unternehmensgründer Adrian Dalsey, Larry Hillblom und Robert Lynn. Sagt Wikipedia.
Ich meine: Wer setzt sich bloß hin und verschwendet Lebenszeit, um ein denunzierendes Logo zu entwerfen, das Motiv teuer auf Klebepapier drucken zu lassen und es dann an Altonaer Briefkästen zu pappen?
Und warum nur so viel Aufwand wegen eines Transportunternehmens?
Wäre diese Lebenszeit nicht besser investiert gewesen, wenn man Goethe gelesen hätte oder meinetwegen auch Charlotte Roche oder auch einen Abend lang das Muster der Wellen am Elbstrand in Neumühlen? Ganz bestimmt.
DHL leitet sich übrigens in Wahrheit ab von den Anfangsbuchstaben der Unternehmensgründer Adrian Dalsey, Larry Hillblom und Robert Lynn. Sagt Wikipedia.
Trau keinem Lober!
„Die fünf Tuben hätte ich aber noch aufgebraucht!“, schimpft der sich als geizig enttarnende Franke, nachdem er gehört hat, dass wir nach einem Bericht der Zeitschrift „Öko-Test“ den kompletten Vorrat an Dentagard mit Kräutern in die Tonne getreten haben.
„Ihr benutzt die schon jahrelang“, versucht er mit fränkischer Unlogik Gewohnheit gegen Vorsorge auszuspielen, „da kommt’s auch nicht mehr drauf an.“ Wohl kommt’s darauf an!
Jahrelang wussten wir nämlich nix von den bedenklichen Inhaltsstoffen, die Öko-Test in unserer Stammzahnpasta gefunden haben will. Das frische Wissen aber vergällt uns nun sehr gründlich das Vergnügen des Putzens mit Dentagard – unabhängig vom „Sehr gut“-Siegel der Stiftung Warentest, das uns von jeder Tube seither wie Hohn entgegen grinst.
Ich als Skeptiker neige jedenfalls eher dem Warner zu als dem Lober – und gern auch zu schnellen Entscheidungen. („Nein: hysterischen!“, ruft der Franke.)
Nachdem die fünf Tuben seufzend fotografiert und sodann entsorgt waren, gingen wir nach dem Abendessen mundhygienisch noch unversorgt zu Schlecker („Schläggor“, wie Ms. Columbo den Laden gern sächselnd ironisiert), um uns dort mir der hervorragend beleumundeten AS-Dent Kräuter zu bevorraten, doch Schläggor hatte schon zu.
So mussten wir zum eigentlich unzumutbaren Lidlladen eingangs der Reeperbahn, um uns mit Dentalux Zahncreme Kräuter zu behelfen, deren Preisleistungsverhältnis paradiesisch anmutet: kein Gift und doch nur 39 Cent.
Die kontaminierten Dentagardtuben krame ich am besten wieder aus dem Müll, um sie morgen dem Franken sardonisch auf den Schreibtisch zu packen.
Mal gucken, wie er guckt.
„Ihr benutzt die schon jahrelang“, versucht er mit fränkischer Unlogik Gewohnheit gegen Vorsorge auszuspielen, „da kommt’s auch nicht mehr drauf an.“ Wohl kommt’s darauf an!
Jahrelang wussten wir nämlich nix von den bedenklichen Inhaltsstoffen, die Öko-Test in unserer Stammzahnpasta gefunden haben will. Das frische Wissen aber vergällt uns nun sehr gründlich das Vergnügen des Putzens mit Dentagard – unabhängig vom „Sehr gut“-Siegel der Stiftung Warentest, das uns von jeder Tube seither wie Hohn entgegen grinst.
Ich als Skeptiker neige jedenfalls eher dem Warner zu als dem Lober – und gern auch zu schnellen Entscheidungen. („Nein: hysterischen!“, ruft der Franke.)
Nachdem die fünf Tuben seufzend fotografiert und sodann entsorgt waren, gingen wir nach dem Abendessen mundhygienisch noch unversorgt zu Schlecker („Schläggor“, wie Ms. Columbo den Laden gern sächselnd ironisiert), um uns dort mir der hervorragend beleumundeten AS-Dent Kräuter zu bevorraten, doch Schläggor hatte schon zu.
So mussten wir zum eigentlich unzumutbaren Lidlladen eingangs der Reeperbahn, um uns mit Dentalux Zahncreme Kräuter zu behelfen, deren Preisleistungsverhältnis paradiesisch anmutet: kein Gift und doch nur 39 Cent.
Die kontaminierten Dentagardtuben krame ich am besten wieder aus dem Müll, um sie morgen dem Franken sardonisch auf den Schreibtisch zu packen.
Mal gucken, wie er guckt.
11 Mai 2009
Kaiserwetter am Patentag
Heute war Patentag. Heißt: Wir haben uns in kleiner Runde alle drei Teile der „Paten“-Trilogie von Francis Ford Coppola hintereinander weg angeschaut, nur unterbrochen von Pasta-, Espresso-, Barolo- und Tiramisupausen, wobei wir manche der Einfachheit halber zusammenlegten.
Nach diesen knapp zehn Stunden „Pate“ bin ich zu kaum noch was in der Lage – nur noch dazu, die Frage „Wer war der Mörder?“ mit einem sicheren „Keinesfalls der Gärtner“ zu beantworten. Zumal in keinem der drei Filme auch nur das Fitzelchen eines Gärtners auftauchte.
Wir hatten uns angesichts der auf Innenräume beschränkten Herkulesaufgabe für draußen hämisch Donner, Blitz und Regen gewünscht, doch über St. Pauli prangte der blauste Himmel seit Erfindung des Vollrauschs.
Ich musste sogar gereizt die Vorhänge zuziehen, um die Hafengeburtstagssonne daran zu hindern, Marlon Brandos Hamsterbäckchen heller auszuleuchten, als es Coppola vorgesehen hatte.
Fazit: Das Konzept Mafia hat gewisse moralische Mängel, ist kulinarisch hingegen voll zu begrüßen.
(Foto: babble.com)
Nach diesen knapp zehn Stunden „Pate“ bin ich zu kaum noch was in der Lage – nur noch dazu, die Frage „Wer war der Mörder?“ mit einem sicheren „Keinesfalls der Gärtner“ zu beantworten. Zumal in keinem der drei Filme auch nur das Fitzelchen eines Gärtners auftauchte.
Wir hatten uns angesichts der auf Innenräume beschränkten Herkulesaufgabe für draußen hämisch Donner, Blitz und Regen gewünscht, doch über St. Pauli prangte der blauste Himmel seit Erfindung des Vollrauschs.
Ich musste sogar gereizt die Vorhänge zuziehen, um die Hafengeburtstagssonne daran zu hindern, Marlon Brandos Hamsterbäckchen heller auszuleuchten, als es Coppola vorgesehen hatte.
Fazit: Das Konzept Mafia hat gewisse moralische Mängel, ist kulinarisch hingegen voll zu begrüßen.
(Foto: babble.com)
09 Mai 2009
Es flackert (noch) nicht
Ins Haus gegenüber ist eine neue Spielothek eingezogen. Sie heißt Novolino, und darauf scheinen die Betreiber sehr stolz zu sein.
Denn sie scheuen weder (Strom-)Kosten noch Mühe, um der Welt von Novolino zu künden – vor allem den Nachbarn gegenüber, also uns.
Seitdem Novolinos Leuchtreklame allabendlich erstrahlt, fühlen wir uns nämlich wie in einem alten Film noir, wo der desillusionierte Detektiv – also meistens Bogart oder Cagney – immer in genau dem Zimmer der billigen Absteige landet, vor dessen Fenster die Riesenlampe prangt.
In diesen Filmen flackert sie zumeist, was Novolino immerhin nicht tut. Noch nicht, möchte der Pessimist in mir anmerken, doch ich verbiete ihm barsch das Maul.
Die beiden Fotos zeigen jedenfalls den Status quo: einerseits unseren Blick vom Balkon auf Novolino (der Schriftzug wird überstrahlt), andererseits den Effekt, den die Situation auf die Illumination unseres Wohnzimmers hat.
Am Millerntorplatz sind immer ein paar Pflastersteine locker, raunt der Pragmatiker in mir konspirativ, doch ich verbiete ihm barsch das Maul. Schließlich flackert Novolino wenigstens nicht.
Noch nicht.
08 Mai 2009
Gib mir ein l!
Öffentliche Mülleimer mit kalauernden Sprechblasen zu versehen ruft bei Leuten mit tiefergelegtem Humor natürlich helle Begeisterung hervor.
Bei mir ganz besonders.
Doch immer, wenn ich an der abgebildeten Tonne vorbeikomme, vermisse ich schmerzlich ein weiteres l. Warum bloß keine „müllde“ Gabe? Jeden Tag ein kleiner Stich ins Herz.
Ich glaube, ich mal da mal eins hin.
Bei mir ganz besonders.
Doch immer, wenn ich an der abgebildeten Tonne vorbeikomme, vermisse ich schmerzlich ein weiteres l. Warum bloß keine „müllde“ Gabe? Jeden Tag ein kleiner Stich ins Herz.
Ich glaube, ich mal da mal eins hin.
07 Mai 2009
Der semantische Hamburger Stadtplan
Wo sind Hunde am glücklichsten?
In Wedel.
Wo geht es zwangsläufig hektisch zu?
In Eilbek und Schnelsen.
Wo ist das Tragen einer Narrenkappe nicht nur an Karneval Pflicht?
In Fuhlsbüttel (Foto).
Wo sind Einbrecher quasi arbeitslos?
In Hausbruch.
Wo fühlten sich Kastraten wie zu Hause, wenn es noch welche gäbe?
In Ochsenwerder.
Wo wäre das Rotlichtviertel am besten aufgehoben?
In Poppenbüttel.
Wo ist den Leuten nichts heilig?
In Sankt Pauli, ausgerechnet.
Wo waren die Dummen wenigstens klug genug, ihre Defizite durchs Weglassen des Anfangsbuchstabens zu verschleiern?
In Eppendorf.
06 Mai 2009
Tannenzapfenzupfen (12): Die Kuttner-Edition
(Foto via FHS Holztechnik)
Willkommen zurück im Gammelsprechland. Diese Serie über Sprachkatastrophen trägt den Namen ihres ersten Eintrags (nämlich „Tannenzapfenzupfen“). Wie immer gilt beim Konsum auf eigene Gefahr das bewährte Motto: Ohren zu und durch.
1. Die Fernsehfrau Sarah Kuttner wollte auch mal was schreiben. Prompt wird überall ihr Roman gelobt, aber keiner traut sich uns Kuttnernichtlesern zu erzählen, dass ihre Sprache bisweilen an ein schweres Zugunglück erinnert (und zwar mit einem ICE der neusten Generation).
Weil ich das Buch trotz seines Erfolges noch nicht gelesen habe, erfuhr ich erst heute vom Ausmaß seines Elends, und zwar dank eines Rundbriefs des Konzertveranstalters Berthold Seliger. Die Frau schreibt nämlich Sätze wie:
„Eine Depression ist ein fucking Event!“
Damit geht es frecherweise sogar los, doch dann steigert sich Frau Kuttner konsequent hinein in den Vollhirnriss und missbraucht dabei sogar die Rolling Stones:
„You can get it if you really want. Ich wante vermutlich nicht really genug. Auf der anderen Seite wante ich zumindest genug, um ordentlich unzufrieden zu sein, es nicht zu getten.“ WHAT THE HOLY FUCK???
2. Ich ahne allmählich, woran es liegt: Sarah Kuttner hat einfach eine Internetübersetzungsmaschine benutzt, um ihren Roman zu schreiben, und jetzt lacht sie sich zu Hause einen künstlichen Darmausgang, weil das bis heute keiner gemerkt hat.
Wahrscheinlich griff sie vor allem auf das hochgelobte linguee.de zurück, das nicht einfach übersetzt, sondern sich für den gesuchten Satz gelungene Eindeutschungen aus dem Web zusammensucht. Wobei gelungen ein dehnbarer Begriff ist.
Denn für den hübschen englischen Satz „First of all, what the fuck kind of episode title is that? “ bietet linguee.de etwas extrem Kuttnerhaftes an: „Zuerst was ist die Bumsenart des Episodetitels die?“
Und genau das frage ich mich auch schon den ganzen Tag.
Was bisher geschah: 11, 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1
Willkommen zurück im Gammelsprechland. Diese Serie über Sprachkatastrophen trägt den Namen ihres ersten Eintrags (nämlich „Tannenzapfenzupfen“). Wie immer gilt beim Konsum auf eigene Gefahr das bewährte Motto: Ohren zu und durch.
1. Die Fernsehfrau Sarah Kuttner wollte auch mal was schreiben. Prompt wird überall ihr Roman gelobt, aber keiner traut sich uns Kuttnernichtlesern zu erzählen, dass ihre Sprache bisweilen an ein schweres Zugunglück erinnert (und zwar mit einem ICE der neusten Generation).
Weil ich das Buch trotz seines Erfolges noch nicht gelesen habe, erfuhr ich erst heute vom Ausmaß seines Elends, und zwar dank eines Rundbriefs des Konzertveranstalters Berthold Seliger. Die Frau schreibt nämlich Sätze wie:
„Eine Depression ist ein fucking Event!“
Damit geht es frecherweise sogar los, doch dann steigert sich Frau Kuttner konsequent hinein in den Vollhirnriss und missbraucht dabei sogar die Rolling Stones:
„You can get it if you really want. Ich wante vermutlich nicht really genug. Auf der anderen Seite wante ich zumindest genug, um ordentlich unzufrieden zu sein, es nicht zu getten.“ WHAT THE HOLY FUCK???
2. Ich ahne allmählich, woran es liegt: Sarah Kuttner hat einfach eine Internetübersetzungsmaschine benutzt, um ihren Roman zu schreiben, und jetzt lacht sie sich zu Hause einen künstlichen Darmausgang, weil das bis heute keiner gemerkt hat.
Wahrscheinlich griff sie vor allem auf das hochgelobte linguee.de zurück, das nicht einfach übersetzt, sondern sich für den gesuchten Satz gelungene Eindeutschungen aus dem Web zusammensucht. Wobei gelungen ein dehnbarer Begriff ist.
Denn für den hübschen englischen Satz „First of all, what the fuck kind of episode title is that? “ bietet linguee.de etwas extrem Kuttnerhaftes an: „Zuerst was ist die Bumsenart des Episodetitels die?“
Und genau das frage ich mich auch schon den ganzen Tag.
Was bisher geschah: 11, 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1
04 Mai 2009
Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (9)
Dieses Foto habe ich vor einigen Wochen in der Hein-Hoyer-Straße geknipst und aus unerfindlichen Gründen mit dem Dateinamen „Ex-SPD-Eingang“ versehen.
Ich weiß partout nicht mehr, wieso. Wenn dort früher mal die SPD residierte, wie komme ich dann heute zu dieser Information? Ein ordnungsgemäß verwittertes Schild ist auf dem Foto jedenfalls nicht zu erkennen.
Andererseits könnte auch die „Ex“-Information falsch sein, und die SPD sitzt noch immer dort. Denn mal ehrlich: Erinnert das zerzauste, verwahrloste Szenario nicht bis ins Detail an den Zustand der deutschen Sozialdemokratie? Und das Rot der rechten Tür trifft das von Müntes Schal beängstigend genau.
Hiermit streiche ich also das „Ex“ wieder aus dem Dateinamen. Und morgen gehe ich noch mal hin, um die Sachlage endgültig zu klären.
Ich weiß partout nicht mehr, wieso. Wenn dort früher mal die SPD residierte, wie komme ich dann heute zu dieser Information? Ein ordnungsgemäß verwittertes Schild ist auf dem Foto jedenfalls nicht zu erkennen.
Andererseits könnte auch die „Ex“-Information falsch sein, und die SPD sitzt noch immer dort. Denn mal ehrlich: Erinnert das zerzauste, verwahrloste Szenario nicht bis ins Detail an den Zustand der deutschen Sozialdemokratie? Und das Rot der rechten Tür trifft das von Müntes Schal beängstigend genau.
Hiermit streiche ich also das „Ex“ wieder aus dem Dateinamen. Und morgen gehe ich noch mal hin, um die Sachlage endgültig zu klären.
Ranz und Elend
Eine Viertelstunde Brötchenholen reicht, und man ist wieder auf dem Boden aller Tatsachen.
10.45 Uhr. Mitten auf dem Gehweg der Reeperbahn liegt einer in Sack und Asche und pennt. Als Kopfkissen fungiert seine schwarzverfärbte Hand. Fünf Meter entfernt geraten zwei Typen aneinander. Einer brüllt irgendwas, der Angebrüllte wird von seinem Kumpel weggezogen, „Komm, wir gehen, lass ihn!“, sagt er hastig und hat Angst im Blick.
(Angst ist ein sehr guter Ratgeber auf dem Kiez.)
Der Schläfer auf dem Gehweg schläft ungerührt weiter. Inzwischen sind die Streithähne schon 20 Meter auseinander, doch der, der eben brüllte, brüllt immer noch – na ja, Hunde, die bellen, und so weiter …
Vor den Backwaren bei Penny steht ein Mann mit verfilzter Graumähne und weißverdreckten Schlabberjeans. Er stiert mit gesenktem Kopf ins Regal und beschimpft die Brote. Sie können nichts dafür!, möchte man ihm zurufen. Doch es würde nichts nützen, überhaupt nichts.
Als ich draußen mein Fahrrad vom Mast abschnalle, liegt plötzlich ein schwarzer Stringtanga hinterm Hinterreifen. Vorher lag er m. E. noch nicht da. Ich schaue mich interessiert um, entdecke aber nirgends eine potenzielle Eigentümerin.
Auf der Fahrt durch den Hamburger Berg (Beispielfoto) schaffe ich es nicht, alle Scherben zu umfahren. Eine bohrt sich ins Vorderrad und klackt bei jeder Umdrehung kurz und hell aufs Kopfsteinpflaster.
Ich halte an, ziehe sie raus, es pfeift nicht; erst Stunden später wird der Reifen platt sein, insgesamt kostet mich die Viertelstunde Brötchenholen schließlich 22 Euro.
Hinter mir klirrt es, die nächste Flasche geht den Gang alles Irdischen. Ein paar Jungs johlen, sie übertönen kurz den Hardrock aus dem Goldenen Handschuh, der Kneipe, vor der sie stehen und Flaschen zertrümmern. Ranz und Elend des Kiez …
Es ist kurz vor 11, der Tag hat erst begonnen. Oder die Nacht ist noch nicht zu Ende – so genau weiß man das hier ja nie.
10.45 Uhr. Mitten auf dem Gehweg der Reeperbahn liegt einer in Sack und Asche und pennt. Als Kopfkissen fungiert seine schwarzverfärbte Hand. Fünf Meter entfernt geraten zwei Typen aneinander. Einer brüllt irgendwas, der Angebrüllte wird von seinem Kumpel weggezogen, „Komm, wir gehen, lass ihn!“, sagt er hastig und hat Angst im Blick.
(Angst ist ein sehr guter Ratgeber auf dem Kiez.)
Der Schläfer auf dem Gehweg schläft ungerührt weiter. Inzwischen sind die Streithähne schon 20 Meter auseinander, doch der, der eben brüllte, brüllt immer noch – na ja, Hunde, die bellen, und so weiter …
Vor den Backwaren bei Penny steht ein Mann mit verfilzter Graumähne und weißverdreckten Schlabberjeans. Er stiert mit gesenktem Kopf ins Regal und beschimpft die Brote. Sie können nichts dafür!, möchte man ihm zurufen. Doch es würde nichts nützen, überhaupt nichts.
Als ich draußen mein Fahrrad vom Mast abschnalle, liegt plötzlich ein schwarzer Stringtanga hinterm Hinterreifen. Vorher lag er m. E. noch nicht da. Ich schaue mich interessiert um, entdecke aber nirgends eine potenzielle Eigentümerin.
Auf der Fahrt durch den Hamburger Berg (Beispielfoto) schaffe ich es nicht, alle Scherben zu umfahren. Eine bohrt sich ins Vorderrad und klackt bei jeder Umdrehung kurz und hell aufs Kopfsteinpflaster.
Ich halte an, ziehe sie raus, es pfeift nicht; erst Stunden später wird der Reifen platt sein, insgesamt kostet mich die Viertelstunde Brötchenholen schließlich 22 Euro.
Hinter mir klirrt es, die nächste Flasche geht den Gang alles Irdischen. Ein paar Jungs johlen, sie übertönen kurz den Hardrock aus dem Goldenen Handschuh, der Kneipe, vor der sie stehen und Flaschen zertrümmern. Ranz und Elend des Kiez …
Es ist kurz vor 11, der Tag hat erst begonnen. Oder die Nacht ist noch nicht zu Ende – so genau weiß man das hier ja nie.
03 Mai 2009
Fundstücke (48)
02 Mai 2009
Die Wahrheit liegt nicht mal aufm Paltz
Oh Mann, die Linke ist auch nicht mehr das, was sie mal war.
Als ich mich auf dem Heimweg mühsam gegen den Strom durch die 1.-Mai-Demo kämpfte (genauer gesagt: durch die polizeilichen Hundertschaften, die unumschränkt über den Gehweg herrschten), reichte mir einer der Demonstranten en passant ein Faltblatt rüber.
Es kündigte eine Kundgebung auf dem Hein-Köllisch-„Paltz“ an, doch nicht dieser Druckfehler bestürzte mich besonders, sondern die wichtigste Forderung des Blattes.
Sie lautete: „Weg mit der Marktwirtschaft!“
Hallo? Niemand zu Hause, McFly? Das heißt „Kapitalismus“, ihr theorielosen Aufdenleimgeher!
Denn „Marktwirtschaft“ ist – vor allem, wenn sie um das tolldreiste Adjektiv „soziale“ erweitert wurde – nichts weiter als ein euphemistischer Kampfbegriff des Kapitals, welches so den Kapitalismus zum Kuschelkaffeekränzchen verharmlosen will – und ihr fallt darauf rein!
Nein, Linke, du bist wirklich nicht mehr das, was du mal warst. Wir sprechen uns erst wieder, wenn du Marx gelesen hast.
Also frühestens am 1. Mai 2010 – denn das Lesen dauert seine Weile, oh ja.
Als ich mich auf dem Heimweg mühsam gegen den Strom durch die 1.-Mai-Demo kämpfte (genauer gesagt: durch die polizeilichen Hundertschaften, die unumschränkt über den Gehweg herrschten), reichte mir einer der Demonstranten en passant ein Faltblatt rüber.
Es kündigte eine Kundgebung auf dem Hein-Köllisch-„Paltz“ an, doch nicht dieser Druckfehler bestürzte mich besonders, sondern die wichtigste Forderung des Blattes.
Sie lautete: „Weg mit der Marktwirtschaft!“
Hallo? Niemand zu Hause, McFly? Das heißt „Kapitalismus“, ihr theorielosen Aufdenleimgeher!
Denn „Marktwirtschaft“ ist – vor allem, wenn sie um das tolldreiste Adjektiv „soziale“ erweitert wurde – nichts weiter als ein euphemistischer Kampfbegriff des Kapitals, welches so den Kapitalismus zum Kuschelkaffeekränzchen verharmlosen will – und ihr fallt darauf rein!
Nein, Linke, du bist wirklich nicht mehr das, was du mal warst. Wir sprechen uns erst wieder, wenn du Marx gelesen hast.
Also frühestens am 1. Mai 2010 – denn das Lesen dauert seine Weile, oh ja.
01 Mai 2009
Einmal Paralleluniversum, bitte
Stehe im Fitnessclub neben zwei jungen Burschen von muskulöser Statur unter der Dusche.
„Wenn ich Schule blau mach, Alder“, sagt der eine, während er sich die Eier einseift, „dann lieg ich morgens im Bett und guck Teleshopping, Alder.“
Ein erschütterndes Bekenntnis. So ziemlich alles andere Denkbare wäre eine Rechtfertigung fürs Schuleschwänzen gewesen, aber Teleshoppinggucken …?
Wenn ich früher blaumachte, setzte ich mich in ein Café und schrieb ostentativ Gedichte, um die hübsche Bedienung auf mich aufmerksam zu machen. Gut, das klappte nie, obwohl ich irgendwann sogar dazu überging, Gedichte ÜBER sie zu schreiben.
Doch selbst wenn es damals schon Teleshopping gegeben hätte: Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, das Verticken von Tupperschüsseln gegen das bittersüße Bohèmedasein eines Caféhausmöchtegernliteraten einzutauschen.
„Die ham da Messer, Alder“, sagt er eine, während er sich die Poritze rubbelt, „die bleiben ewig scharf, Alder.“
Wo gibt es noch mal Fahrkarten ins Paralleluniversum?
Ich hab auch eine Bahncard 50.
PS: Da ich aus nachvollziehbaren Gründen keine geeignete Illustration anfertigen konnte, kann ich genausogut die inzwischen abgebaute Domachterbahn abbilden.
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