Eine Viertelstunde Brötchenholen reicht, und man ist wieder auf dem Boden aller Tatsachen.
10.45 Uhr. Mitten auf dem Gehweg der Reeperbahn liegt einer in Sack und Asche und pennt. Als Kopfkissen fungiert seine schwarzverfärbte Hand. Fünf Meter entfernt geraten zwei Typen aneinander. Einer brüllt irgendwas, der Angebrüllte wird von seinem Kumpel weggezogen, „Komm, wir gehen, lass ihn!“, sagt er hastig und hat Angst im Blick.
(Angst ist ein sehr guter Ratgeber auf dem Kiez.)
Der Schläfer auf dem Gehweg schläft ungerührt weiter. Inzwischen sind die Streithähne schon 20 Meter auseinander, doch der, der eben brüllte, brüllt immer noch – na ja, Hunde, die bellen, und so weiter …
Vor den Backwaren bei Penny steht ein Mann mit verfilzter Graumähne und weißverdreckten Schlabberjeans. Er stiert mit gesenktem Kopf ins Regal und beschimpft die Brote. Sie können nichts dafür!, möchte man ihm zurufen. Doch es würde nichts nützen, überhaupt nichts.
Als ich draußen mein Fahrrad vom Mast abschnalle, liegt plötzlich ein schwarzer Stringtanga hinterm Hinterreifen. Vorher lag er m. E. noch nicht da. Ich schaue mich interessiert um, entdecke aber nirgends eine potenzielle Eigentümerin.
Auf der Fahrt durch den Hamburger Berg (Beispielfoto) schaffe ich es nicht, alle Scherben zu umfahren. Eine bohrt sich ins Vorderrad und klackt bei jeder Umdrehung kurz und hell aufs Kopfsteinpflaster.
Ich halte an, ziehe sie raus, es pfeift nicht; erst Stunden später wird der Reifen platt sein, insgesamt kostet mich die Viertelstunde Brötchenholen schließlich 22 Euro.
Hinter mir klirrt es, die nächste Flasche geht den Gang alles Irdischen. Ein paar Jungs johlen, sie übertönen kurz den Hardrock aus dem Goldenen Handschuh, der Kneipe, vor der sie stehen und Flaschen zertrümmern. Ranz und Elend des Kiez …
Es ist kurz vor 11, der Tag hat erst begonnen. Oder die Nacht ist noch nicht zu Ende – so genau weiß man das hier ja nie.
Ein herrlich geschriebener Text!
AntwortenLöschenGenau das Richtige, um mich morgens zu animieren.
Da muss ich Nils 1:1 Recht geben. Ich dachte exakt das gleiche.
AntwortenLöschenEinfach perfekt geschrieben!
Sie gehen beim Penny einkaufen?!? Diesem Institut zur Verschandelung des Viertels? Dieser Kakerlake der Urbanität? Zweimal schämen bitte!
AntwortenLöschenOkay, hiermit erledigt.
AntwortenLöschenMit einer Lage "Antiplatt" im Reifen hätte sich die Scherbe erheblich mehr (und dennoch vermutlich vergebens!) anstrengen müssen, dem Schlauch den Garaus zu machen und dem Geldbeutel eine unfreiwillige Erleichterung zu verpassen!
AntwortenLöschenAls kiezgeprüfter Radfahrer kann ich Dir auch nur empfehlen, beim Neukauf von Fahrradreifen auf die Antiplatt - Ausführung zu setzen. Kostet nur wenige Euro mehr, macht sich aber auf Dauer echt bezahlt. Ich hatte jetzt sicher schon fünf Jahre keinen Platten mehr.
AntwortenLöschenIrgendwie ist Stuttgart doch nicht so schlecht....
AntwortenLöschenNimm doch mal die unkaputtbar Reifen mit Carbon im Reifen oder so. Wird günstiger auf Dauer.
AntwortenLöschenMit dem Stringfoto wäre eigentlich zu rechnen gewesen...
Nur hinten beschäftige ich einen „unplattbaren“ Reifen. Beim vorderen habe ich erneut die Chance vertan, ihn upzudaten.
AntwortenLöschenUnd in der Tat, Dein_Koenig, den String habe ich schlichtweg zu fotografieren vergessen. Wo hatte ich bloß meinen Kopf? (Die Kamera war zumindest verfügbar.)
Endlich steht hier mal was zu der Seite des Viertels, die nicht heidideiti ist, und die Kommentare beschäftigen sich mit Fahrradreifen.
AntwortenLöschenDu musst weiter vorausschauen. Mit intaktem Rad = größerer Bewegungsradius = mehr interessante Blogeinträge.
AntwortenLöschenReeperbahn und "heidideiti", da muss ich wohl was verpasst haben.