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24 September 2006
Tortour mit Intermezzo
In den letzten 48 Stunden verbesserte sich meine Konzertstatistik im gleichen Maße, wie sich meine körperliche Verfassung verschlechterte.
Am Donnerstag in Berlin begann die Live(tor)tour mit Shawn Colvin, Fionn Regan und Maximilian Hecker, ehe es in Hamburg ab Freitag beim Reeperbahnfestival weiterging mit The Rifles, Kajak, Minor Majority, Maplewood, Nerina Pallot, Paolo Nutini, The On Offs, Dominic Miller sowie Epo 555.
Samstagnachmittag lief ich zur Auflockerung auch noch bei der offiziellen Beatlestour mit, die Stadtteilführerin Stefanie Hempel mit enthusiastischem Dauerlächeln moderierte. Wie ernst sie ihren Job nimmt, zeigten die Intermezzi. Zur Ukulele (und Verwunderung der Touristen) schmetterte die Musikerin illustrativ Beatlessongs über den Kiez.
Während der Führung begleitete uns ein Kamerateam von Tide TV; und das hatte vor allem am Ende richtig was zu filmen. Denn auf dem Gelände des alten Star Clubs in der Großen Freiheit saßen ein paar saufende britische Kleiderschränke mit Glatzen herum, die Stefanies formidable „Twist and shout“-Fassung um euphorisches Mitgrölen bereicherten. Riesenbeifall am Ende, für Stefanie und die Engländer.
Am Mittwoch soll das Ganze auf Tide TV laufen; hier gibt es vorab schon mal Stefanies liebenswerte Fassung von „In my life“.
23 September 2006
Der Bucklige
Auf Dienstreise in Berlin, Popkomm. Einer, den man mit Fug und Recht als Männchen bezeichnen kann, streunt am Busbahnhof Zoo herum. Er hat einen unfassbar horizontalen Buckel, auf dem man mühelos ein Tablett abstellen könnte. Und er ist alt. Seine Haare sind grau, er trägt schlammfarbene Hosen samt Träger, die in den 40ern mal en vogue gewesen sein müssen. Und jetzt stellt er sich frontal vor mich. Abstand: halber Meter.
Er mustert mich aufmerksam, sein trauriger dunkelbrauner Blick wandert von meinen Augen hinunter Richtung Nabel, wo mein Popkomm-Ausweis im Spätsommerwind baumelt. Ich nehme die Situation als Bewährungsprobe. Einfach so tun, als sei er nicht da. Einfach mal sehen, wie cool ich sein kann, ob ich diese Verletzung der sozialen Distanz aushalte und wie lange. Mal testen, wer zuerst zuckt.
Mir fällt das allerdings schwer, ehrlich gesagt. Mein wie zufällig über Busse und Bäume wandernder Blick wirkt sicherlich auf bemühte Weise unbeteiligt; manchmal schaue ich ihn auch direkt an, um Lockerheit auszustrahlen, die ich gleichwohl nur spiele. Denn das Männchen steht unmittelbar vor mir, und das macht man nicht, zumindest dann nicht, wenn man nichts zu sagen, sondern nur zu gucken hat.
Und zu gucken hat es offenbar viel. Inzwischen ruht sein Blick starr auf meinem Bauch, ganz kurz nur zuckt er manchmal musternd hoch und sucht meine Augen. Was will der Mann? Was fasziniert ihn so?
Natürlich sind das Fragen, die früher oder später aus mir herausbrechen werden; lange halte ich die Situation nämlich nicht mehr durch, die ich mir vorschnell als Selbsttest auferlegt habe. Aber jetzt, jetzt sagt er was. Es ist eine Frage, und sie lautet: „Ist das dein Gestapo-Ausweis?“
Ich sage: „Wie bitte?“, und er sagt es noch mal: „Ist das dein Gestapo-Ausweis?“
Dieser Frage wohnt ein solches Überraschungsmoment inne, dass ich nichts erwidern, sondern nur mit einem mimischen Mix darauf reagieren kann. Würde ich mich in dieser Sekunde im Spiegel sehen oder durch die Augen des Männchens, dann müsste ich diesen Mix als Komposition aus Verblüffung, Ärger und Empörung beschreiben.
Und das ist wohl auch seine Interpretation. Es dreht sich weg und huscht behende davon, ein buckliges graues Etwas mit jahrzehntealten Hosenträgern, das keine Antwort erwartet auf eine solche Frage, aber froh ist, sie gestellt zu haben.
Ich ahne schlagartig den Schleier einer ganzen Lebensgeschichte. Sie muss irgendwann in den 20ern oder 30ern begonnen haben; und das, was damals mit ihm und seiner Familie geschah, muss über Dekaden hinweg weitergeschwärt haben wie ein Fluch, der sich heute, am Berliner Bahnhof Zoo, als absurde Frage an einen Wildfremden wieder einmal kurz materialisiert.
Meinen Popkomm-Ausweis habe ich heute Abend übrigens weggeworfen.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit geschichtlichem Bezug
1. „The history of rain" von Paul K. & The Weathermen
2. „In Germany before the war“ von Randy Newman
3. „Ohio“ von Neil Young
Foto: Bahnhof Messe Nord, Berlin (Am Zoo war ich zu konsterniert zum Knipsen.)
PS: Heute steht in der taz ein Artikel über Blogger aus Altona und St. Pauli, in dem auch „Die Rückseite der Reeperbahn“ freundliche Erwähnung findet. Allerdings zitiert mich Frau Bigalke falsch. Ich würde nur unterm Einfluss von Drogen „der“ Blog sagen. In Wahrheit sagte ich „das“ Blog. Obwohl natürlich inzwischen beides geht, laut Duden.
Er mustert mich aufmerksam, sein trauriger dunkelbrauner Blick wandert von meinen Augen hinunter Richtung Nabel, wo mein Popkomm-Ausweis im Spätsommerwind baumelt. Ich nehme die Situation als Bewährungsprobe. Einfach so tun, als sei er nicht da. Einfach mal sehen, wie cool ich sein kann, ob ich diese Verletzung der sozialen Distanz aushalte und wie lange. Mal testen, wer zuerst zuckt.
Mir fällt das allerdings schwer, ehrlich gesagt. Mein wie zufällig über Busse und Bäume wandernder Blick wirkt sicherlich auf bemühte Weise unbeteiligt; manchmal schaue ich ihn auch direkt an, um Lockerheit auszustrahlen, die ich gleichwohl nur spiele. Denn das Männchen steht unmittelbar vor mir, und das macht man nicht, zumindest dann nicht, wenn man nichts zu sagen, sondern nur zu gucken hat.
Und zu gucken hat es offenbar viel. Inzwischen ruht sein Blick starr auf meinem Bauch, ganz kurz nur zuckt er manchmal musternd hoch und sucht meine Augen. Was will der Mann? Was fasziniert ihn so?
Natürlich sind das Fragen, die früher oder später aus mir herausbrechen werden; lange halte ich die Situation nämlich nicht mehr durch, die ich mir vorschnell als Selbsttest auferlegt habe. Aber jetzt, jetzt sagt er was. Es ist eine Frage, und sie lautet: „Ist das dein Gestapo-Ausweis?“
Ich sage: „Wie bitte?“, und er sagt es noch mal: „Ist das dein Gestapo-Ausweis?“
Dieser Frage wohnt ein solches Überraschungsmoment inne, dass ich nichts erwidern, sondern nur mit einem mimischen Mix darauf reagieren kann. Würde ich mich in dieser Sekunde im Spiegel sehen oder durch die Augen des Männchens, dann müsste ich diesen Mix als Komposition aus Verblüffung, Ärger und Empörung beschreiben.
Und das ist wohl auch seine Interpretation. Es dreht sich weg und huscht behende davon, ein buckliges graues Etwas mit jahrzehntealten Hosenträgern, das keine Antwort erwartet auf eine solche Frage, aber froh ist, sie gestellt zu haben.
Ich ahne schlagartig den Schleier einer ganzen Lebensgeschichte. Sie muss irgendwann in den 20ern oder 30ern begonnen haben; und das, was damals mit ihm und seiner Familie geschah, muss über Dekaden hinweg weitergeschwärt haben wie ein Fluch, der sich heute, am Berliner Bahnhof Zoo, als absurde Frage an einen Wildfremden wieder einmal kurz materialisiert.
Meinen Popkomm-Ausweis habe ich heute Abend übrigens weggeworfen.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit geschichtlichem Bezug
1. „The history of rain" von Paul K. & The Weathermen
2. „In Germany before the war“ von Randy Newman
3. „Ohio“ von Neil Young
Foto: Bahnhof Messe Nord, Berlin (Am Zoo war ich zu konsterniert zum Knipsen.)
PS: Heute steht in der taz ein Artikel über Blogger aus Altona und St. Pauli, in dem auch „Die Rückseite der Reeperbahn“ freundliche Erwähnung findet. Allerdings zitiert mich Frau Bigalke falsch. Ich würde nur unterm Einfluss von Drogen „der“ Blog sagen. In Wahrheit sagte ich „das“ Blog. Obwohl natürlich inzwischen beides geht, laut Duden.
21 September 2006
Auhuuu!
Seit einiger Zeit läuft der Franke gegen Türrahmen. Dabei werden in der Regel Teile seiner oberen Körperhälfte in Mitleidenschaft gezogen, vor allem Ellenbogen, Oberarm und Schulter. Und in ermüdender Gleichmäßigkeit kommentiert der Tollpatsch sein alltägliches kleines Unglück mit immer demselben Aufschrei: „Auhuuu!“
Still seufzend deute ich dieses an Warren Zevons 1978er Hit „Werewolves of London“ gemahnende Empfindungswort als Fränkisch für „Ich Vollhorst!“ Doch der Unglücksrabe artikuliert damit offenbar nur unbeholfen einen grellen Prellschmerz.
Im Vergleich zu Zevons Version muss man sich übrigens sein Timbre beim Ausruf dieser Doppelsilbe deutlich tieffrequenter vorstellen. Anders als im Song nämlich kippt des Franken Organ im Verlauf des langgezogenen u nicht in die Kopfstimme. Vielleicht minimiert ja dieses Manko meinen Mitleidseffekt, ich weiß es nicht.
Das mit dem Türrahmenrammen passiert dem Franken erst, seitem er eine Lesebrille hat – anfangs, WEIL er sie aufhatte; neuerdings, weil er sie NICHT trägt. Ehrlich gesagt, wollte ich bei einer so komplexen Aufgabe wie der Gestaltung des Frankenlebens nicht Schicksal sein. Ich wäre mit dem Job schlicht überfordert.
„Auhuuu!“
Er hat es schon wieder getan.
PS: Das heutige Foto passt nur ungefähr. Aber das reicht mir.
Die bisherigen Teile der Frankensaga:
16. Die Bettelblickattacke
15. Der Franke bleibt störrisch
14. Der unvollendete Panini-Coup
13. Duck dich, Sylt!
12. Auf Partypatrouille
11. Laggs auf vier Uhr
10. Der Franke ist überall
9. Die Greeb-Pfanne
8. Erste gegen dritte Liga
7. Die verspätete Riesenkartoffel
6. Der historische Tag
5. Der Alditag
4. Der Faschingskrapfen
3. Der Klozechpreller
2. Der Dude
1. Das Alte Land
Still seufzend deute ich dieses an Warren Zevons 1978er Hit „Werewolves of London“ gemahnende Empfindungswort als Fränkisch für „Ich Vollhorst!“ Doch der Unglücksrabe artikuliert damit offenbar nur unbeholfen einen grellen Prellschmerz.
Im Vergleich zu Zevons Version muss man sich übrigens sein Timbre beim Ausruf dieser Doppelsilbe deutlich tieffrequenter vorstellen. Anders als im Song nämlich kippt des Franken Organ im Verlauf des langgezogenen u nicht in die Kopfstimme. Vielleicht minimiert ja dieses Manko meinen Mitleidseffekt, ich weiß es nicht.
Das mit dem Türrahmenrammen passiert dem Franken erst, seitem er eine Lesebrille hat – anfangs, WEIL er sie aufhatte; neuerdings, weil er sie NICHT trägt. Ehrlich gesagt, wollte ich bei einer so komplexen Aufgabe wie der Gestaltung des Frankenlebens nicht Schicksal sein. Ich wäre mit dem Job schlicht überfordert.
„Auhuuu!“
Er hat es schon wieder getan.
PS: Das heutige Foto passt nur ungefähr. Aber das reicht mir.
Die bisherigen Teile der Frankensaga:
16. Die Bettelblickattacke
15. Der Franke bleibt störrisch
14. Der unvollendete Panini-Coup
13. Duck dich, Sylt!
12. Auf Partypatrouille
11. Laggs auf vier Uhr
10. Der Franke ist überall
9. Die Greeb-Pfanne
8. Erste gegen dritte Liga
7. Die verspätete Riesenkartoffel
6. Der historische Tag
5. Der Alditag
4. Der Faschingskrapfen
3. Der Klozechpreller
2. Der Dude
1. Das Alte Land
20 September 2006
Die Fundstücke des Tages (26)
1. Die Raumfähre Atlantis wird gerade von mehreren unbekannten Flugobjekten begleitet, die zurzeit noch friedliche Absichten zu hegen scheinen. Vor allem das abgebildete Objekt befeuert die Fantasie. Die Nasa glaubt an eine Plastiktüte, ein Spon-Leser an eine Weltraumqualle. Unser Bürofaktotum Kramer indes vermutet, es handele sich ganz klar um eine Klobrille. Ich enthalte mich der Spekulationen, muss aber betonten, dass in dem von Ms. Columbo und mir betreuten Haushalt weder Tüten noch Klobrillen so aussehen wie auf diesem Foto.
2. Es ist immer wieder hübsch, automatische Übersetzungsprogramme an die Wand fahren zu sehen. Das putzige Worldlingo habe ich mal mit einigen Seiten dieses Blogs gefüttert. Besonders gut hat mir gefallen, wie nassforsch das Programm sogar Eigennamen übersetzt. Aus Herbert Achternbusch etwa wurde aus offenbar surrealistischen Gründen „Harsh ore figure eight shrubs". Herrlich auch „the joke has a Zottelbart".
3. Ich lese auf einer Doppelbank am Bahnhof Altona einen Artikel über Angst, es geht gerade um Kierkegaard und vor allem Martin Heideggers betrüblichen Begriff vom „Sein zum Tode“ – als mir plötzlich von hinten etwas Kleines, Feines auf die Schulter tatscht. Es ist das Händchen eines türkisches Babys, das mich quiekend anstrahlt, als ich mich umdrehe. Ich muss ebenfalls lächeln (wenn auch nicht quieken), und zwar nicht nur, weil ein Lächeln stets ein Lächeln hervorruft, sondern auch, weil dieser winzige Fratz hinter mir gerade Heidegger widerlegt.
4. Der Franke: „Ich kann Würste ohne Ende essen.“
Matt: „So? Dabei hat doch jede Wurst sogar zwei …“
Alle bisherigen Fundstücke des Tages:
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, Oh, my Google!
2. Es ist immer wieder hübsch, automatische Übersetzungsprogramme an die Wand fahren zu sehen. Das putzige Worldlingo habe ich mal mit einigen Seiten dieses Blogs gefüttert. Besonders gut hat mir gefallen, wie nassforsch das Programm sogar Eigennamen übersetzt. Aus Herbert Achternbusch etwa wurde aus offenbar surrealistischen Gründen „Harsh ore figure eight shrubs". Herrlich auch „the joke has a Zottelbart".
3. Ich lese auf einer Doppelbank am Bahnhof Altona einen Artikel über Angst, es geht gerade um Kierkegaard und vor allem Martin Heideggers betrüblichen Begriff vom „Sein zum Tode“ – als mir plötzlich von hinten etwas Kleines, Feines auf die Schulter tatscht. Es ist das Händchen eines türkisches Babys, das mich quiekend anstrahlt, als ich mich umdrehe. Ich muss ebenfalls lächeln (wenn auch nicht quieken), und zwar nicht nur, weil ein Lächeln stets ein Lächeln hervorruft, sondern auch, weil dieser winzige Fratz hinter mir gerade Heidegger widerlegt.
4. Der Franke: „Ich kann Würste ohne Ende essen.“
Matt: „So? Dabei hat doch jede Wurst sogar zwei …“
Alle bisherigen Fundstücke des Tages:
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, Oh, my Google!
19 September 2006
Telefonprotokolle (2)
Noch kurioser als das erste Telefonprotokoll verlief einst ein „Gespräch“ mit einem gewissen Marco vom italienischen Weinversand Giordano.
Der gute Giordano-Mann glaubte die ganze Zeit, er hätte mich höchstselbst am Apparat – dabei war es nur unser Anrufbeantworter.
Durch den Hintergrund geistern seltsame ätherische Stimmfetzen, die er offenbar für Antworten meinerseits hält. Und wie man hört, bin ich sogar in Abwesenheit fähig, einen guten Witz zu reißen. Zumindest Marcos pflichtschuldiges Lachen legt das nahe. Unten folgt das bizarre Zeitdokument in seiner ganzen Schönheit.
Giordano-Kunde bin ich übrigens trotz immer neuer Gutscheingeschenke nicht mehr. An der furiosen Performance von Marco liegt das aber keineswegs, das muss ich deutlich klarstellen.
Der gute Giordano-Mann glaubte die ganze Zeit, er hätte mich höchstselbst am Apparat – dabei war es nur unser Anrufbeantworter.
Durch den Hintergrund geistern seltsame ätherische Stimmfetzen, die er offenbar für Antworten meinerseits hält. Und wie man hört, bin ich sogar in Abwesenheit fähig, einen guten Witz zu reißen. Zumindest Marcos pflichtschuldiges Lachen legt das nahe. Unten folgt das bizarre Zeitdokument in seiner ganzen Schönheit.
Giordano-Kunde bin ich übrigens trotz immer neuer Gutscheingeschenke nicht mehr. An der furiosen Performance von Marco liegt das aber keineswegs, das muss ich deutlich klarstellen.
18 September 2006
Wort des Jahres, leicht variiert
17 September 2006
Unheimliche Begegnung der fetten Art
Heute mittag warte ich, wie immer mal wieder sonntags, im Penny-Markt Reeperbahn in der Kassenschlange. Ganz gegen meine sonstigen Gewohnheiten stehe ich vor statt hinter meinem Einkaufswagen, ich weiß auch nicht warum.
Plötzlich sehe ich, wie ein Wagen herrenlos links an mir vorbeirollt; es ist offenbar meiner. Noch ehe ich ihn zu fassen bekomme, touchiert er sanft das Gesäß meines Vordermanns, der ordnungsgemäß hinter statt vor seinem Einkaufswagen steht. Der dreht sich rechtschaffen erstaunt um, doch ich schaue rechtschaffen erstaunt zurück, denn ich weiß ja selber nicht, was los ist.
Also drehe ich mich ebenfalls um – und erblicke das Gesicht eines bulligen Menschen mutmaßlich türkischer Provenienz, dessen Stirn von einem düsteren Ingrimm umwölkt ist. Offenbar hat es den Herrn über Gebühr gestört, mich vor statt hinter meinem eigenen Einkaufswagen vorzufinden. Doch statt dieses Ungemach mündlich zu thematisieren, entschied er sich ohne Umschweife für die nonverbale Variante: Wagen wegschieben, ins Gesäß meines Vordermanns.
Ein Affront für mich, ganz klar. Eine Reaktion ist vonnöten. Die äußerlichen Merkmale des Wagenwegschiebers – grauschwarzer Stoppelbart, verwachsene Augenbrauen von werwolfhafter Buschigkeit, 100 Kilo Lebendgewicht – lassen in mir jedoch schlagartig die Überzeugung reifen, es könne von erheblichem Vorteil sein, mich möglichst widerspruchslos in die neue Sachlage zu fügen.
Also drehe ich mich offensiv wortlos wieder um, umfasse den Bügel meines Einkaufswagens und genieße mit sorgsam kaschierter Schnippischkeit die Vorzüge einer kleinmütig, aber weise vermiedenen Eskalation. Sie hätte was weiß ich für Folgen haben können, und von denen liest man gemeinhin am nächsten Tag in Mopo und BILD, Rubrik: Polizeimeldungen. Das muss ja nicht sein.
Außerdem wartet zu Hause Ms. Columbo auf Klopapier und Brötchen. Und nicht auf einen Blogger mit Nasenbluten.
PS: Das heutige Foto zeigt keinen Ersatzplaneten für Pluto, sondern die neue Illumination des Reeperbahnmittelstreifens: eine ins Gras eingelassene Lampe, die von unten die Bäume anstrahlt.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs übers Einkaufen
1. „Down in the mall“ von Warren Zevon
2. „Shopping cart“ von Schneider TM
3. „Hush little baby“ von The Weavers
Plötzlich sehe ich, wie ein Wagen herrenlos links an mir vorbeirollt; es ist offenbar meiner. Noch ehe ich ihn zu fassen bekomme, touchiert er sanft das Gesäß meines Vordermanns, der ordnungsgemäß hinter statt vor seinem Einkaufswagen steht. Der dreht sich rechtschaffen erstaunt um, doch ich schaue rechtschaffen erstaunt zurück, denn ich weiß ja selber nicht, was los ist.
Also drehe ich mich ebenfalls um – und erblicke das Gesicht eines bulligen Menschen mutmaßlich türkischer Provenienz, dessen Stirn von einem düsteren Ingrimm umwölkt ist. Offenbar hat es den Herrn über Gebühr gestört, mich vor statt hinter meinem eigenen Einkaufswagen vorzufinden. Doch statt dieses Ungemach mündlich zu thematisieren, entschied er sich ohne Umschweife für die nonverbale Variante: Wagen wegschieben, ins Gesäß meines Vordermanns.
Ein Affront für mich, ganz klar. Eine Reaktion ist vonnöten. Die äußerlichen Merkmale des Wagenwegschiebers – grauschwarzer Stoppelbart, verwachsene Augenbrauen von werwolfhafter Buschigkeit, 100 Kilo Lebendgewicht – lassen in mir jedoch schlagartig die Überzeugung reifen, es könne von erheblichem Vorteil sein, mich möglichst widerspruchslos in die neue Sachlage zu fügen.
Also drehe ich mich offensiv wortlos wieder um, umfasse den Bügel meines Einkaufswagens und genieße mit sorgsam kaschierter Schnippischkeit die Vorzüge einer kleinmütig, aber weise vermiedenen Eskalation. Sie hätte was weiß ich für Folgen haben können, und von denen liest man gemeinhin am nächsten Tag in Mopo und BILD, Rubrik: Polizeimeldungen. Das muss ja nicht sein.
Außerdem wartet zu Hause Ms. Columbo auf Klopapier und Brötchen. Und nicht auf einen Blogger mit Nasenbluten.
PS: Das heutige Foto zeigt keinen Ersatzplaneten für Pluto, sondern die neue Illumination des Reeperbahnmittelstreifens: eine ins Gras eingelassene Lampe, die von unten die Bäume anstrahlt.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs übers Einkaufen
1. „Down in the mall“ von Warren Zevon
2. „Shopping cart“ von Schneider TM
3. „Hush little baby“ von The Weavers
16 September 2006
Tah-taaa!
Dieses Blog hat heute, am 16. September, Geburtstag gefeiert, und zwar seinen ersten. Das hier ist der 364. Eintrag; irgendwo unterwegs habe ich also einmal gepatzt. Zumindest summa summarum, denn manchmal gab es mehrere Einträge täglich und hie und da auch – urlaubsbedingt – ein paar Tage lang keine.
Apropos Geburtstag: Die Teeniezeitschrift Bravo wurde just 50 und hat alle Titelbilder online gestellt, darunter auch das vom Tag meiner Geburt. Auf ewig verknüpft mit Lilo Pulver!
Neun Jahre später schaute „Winnetou“ Pierre Brice leicht erschreckt in eine Welt, die gerade um Ms. Columbo enorm bereichert wurde. Sie sollte Jahrzehnte später zur wohl weltweit einzigen Person heranwachsen, die sämtliche Einträge dieses Blogs gelesen hat.
Ernstere Folgen scheint das bisher noch nicht gehabt zu haben.
Ex cathedra: Die Top 3 der Geburtstagssongs
1. „Birthday" von The Beatles
2. „A birthday" von Kat Onoma
3. alles von The Birthday Party
Apropos Geburtstag: Die Teeniezeitschrift Bravo wurde just 50 und hat alle Titelbilder online gestellt, darunter auch das vom Tag meiner Geburt. Auf ewig verknüpft mit Lilo Pulver!
Neun Jahre später schaute „Winnetou“ Pierre Brice leicht erschreckt in eine Welt, die gerade um Ms. Columbo enorm bereichert wurde. Sie sollte Jahrzehnte später zur wohl weltweit einzigen Person heranwachsen, die sämtliche Einträge dieses Blogs gelesen hat.
Ernstere Folgen scheint das bisher noch nicht gehabt zu haben.
Ex cathedra: Die Top 3 der Geburtstagssongs
1. „Birthday" von The Beatles
2. „A birthday" von Kat Onoma
3. alles von The Birthday Party
15 September 2006
Telefonprotokolle (1)
Matt: Hallo, mw von kn. Ihre Kollegin Frau P. hat mich vorhin versucht zu erreichen. Ist sie zu sprechen?
Promofraukollegin: Nein, sie ist heute nicht mehr da und morgen auch nicht, erst am Montag wieder. Kann ich etwas ausrichten oder schon mal was aufschreiben?
Matt: Wie gesagt, sie wollte mich erreichen. Ich rufe lediglich zurück.
Promofraukollegin: Ach so, ja, klar. Dann geben Sie mir doch mal Ihre Nummer, dann notiere ich Frau P., dass Sie angerufen haben.
Matt: Frau P. hat meine Nummer – sie hat ja eben versucht, mich anzurufen.
Promofraukollegin: Stimmt … hm … Gut, dann sage ich Ihr Bescheid, sie ruft dann am Montag zurück.
Matt: Vielen Dank. Schönes Wochenende.
Promofraukollegin: Danke, Ihnen auch.
So gehen die Bürotage dahin. Und irgendwann wird man sich fragen, ob das alles gewesen ist.
PS: Immer wenn hier Dinge passieren, die nicht zu bebildern sind, nutze ich herzlich gern die Chance auf sachfremde, aber ansprechende Bebilderung. Heute: der U-Bahnhof Messehallen.
Promofraukollegin: Nein, sie ist heute nicht mehr da und morgen auch nicht, erst am Montag wieder. Kann ich etwas ausrichten oder schon mal was aufschreiben?
Matt: Wie gesagt, sie wollte mich erreichen. Ich rufe lediglich zurück.
Promofraukollegin: Ach so, ja, klar. Dann geben Sie mir doch mal Ihre Nummer, dann notiere ich Frau P., dass Sie angerufen haben.
Matt: Frau P. hat meine Nummer – sie hat ja eben versucht, mich anzurufen.
Promofraukollegin: Stimmt … hm … Gut, dann sage ich Ihr Bescheid, sie ruft dann am Montag zurück.
Matt: Vielen Dank. Schönes Wochenende.
Promofraukollegin: Danke, Ihnen auch.
So gehen die Bürotage dahin. Und irgendwann wird man sich fragen, ob das alles gewesen ist.
PS: Immer wenn hier Dinge passieren, die nicht zu bebildern sind, nutze ich herzlich gern die Chance auf sachfremde, aber ansprechende Bebilderung. Heute: der U-Bahnhof Messehallen.
14 September 2006
Zauberhaft!
Wie versprochen nenne ich nun hier an dieser Stelle von ganzem Herzen und ex cathredra folgende Blogfreunde „zauberhaft“:
Sebbo, Neo-Bazi, Joshuatree, Axel Wegner, gamskogel und df.
Der Grund für meinen Gefühlsausbruch: Alle oben erwähnten haben mich charmanterweise für den Weblog-Award vorgeschlagen oder dort schmeichelnde Kommentare zur „Rückseite der Reeperbahn“ abgegeben. Danke!
Wer sich Ihnen anschließen möchte, erntet von mir keinesfalls Kritik, im Gegenteil: Jeder wird dafür hier ebenfalls „zauberhaft“ genannt werden!
Hoffentliich ist das Anreiz genug. Wer quanti- oder qualitav hochwertigere Gegenleistungen erwartet, darf mir gern entsprechende Vorschläge unterbreiten.
Ich sehe, was ich tun kann – und werde jeden Einzelfall wohlwollend prüfen …
Sebbo, Neo-Bazi, Joshuatree, Axel Wegner, gamskogel und df.
Der Grund für meinen Gefühlsausbruch: Alle oben erwähnten haben mich charmanterweise für den Weblog-Award vorgeschlagen oder dort schmeichelnde Kommentare zur „Rückseite der Reeperbahn“ abgegeben. Danke!
Wer sich Ihnen anschließen möchte, erntet von mir keinesfalls Kritik, im Gegenteil: Jeder wird dafür hier ebenfalls „zauberhaft“ genannt werden!
Hoffentliich ist das Anreiz genug. Wer quanti- oder qualitav hochwertigere Gegenleistungen erwartet, darf mir gern entsprechende Vorschläge unterbreiten.
Ich sehe, was ich tun kann – und werde jeden Einzelfall wohlwollend prüfen …
Warum der HSV wirklich gegen Arsenal verloren hat
Es gibt viele ekle Lebensmittel, die dennoch von vielen Menschen mit großem Behagen verzehrt werden. Andere Länder, sehr andere Sitten: Das lehrte uns vergangenen Sonntag in drastischen Worten die FAS. Eins der ekligsten Nahrungsmittel aber vergaßen die Frankfurter Kollegen zu erwähnen, dabei existiert es weitgehend unbehelligt in praktisch jedem deutschen Dorf: alkoholfreies Bier.
Der empörende Geschmack dieser Flüssigkeit, die Getränk zu nennen ich mir hiermit herrisch verbitte, erinnert an nasse Wellpappe, die in Styroporgranulat gewälzt wurde. Sie müsste ebenso verboten sein wie Genmais, doch sie ist erlaubt. Manchmal wird sie sogar behördlich verlangt, wie am letzten Wochenende beim Spiel St. Pauli gegen Union Berlin.
Niemals hätte ich im Stadion ein Bier geordert, wäre mir zuvor das Warnschild am Bierstand aufgefallen. So aber süffelte ich zufrieden am Becher, genoss das vollprozentige Astra und schaute zufrieden in die Welt. Denn der Standbesitzer war ein Fuchs: Er hatte das Schild nur ordnungshalber aufgehängt, es beim Ausschank aber ignoriert und die Fans klammheimlich trotzdem mit Vollbier versorgt. So waren alle zufrieden, die Behörde und die Fans.
Wie aber wird dieses diffizile Problem wohl beim HSV geregelt? Bekanntlich spielt der Verein aus irgendwelchen Gründen, die ob ihrer Surrealität schon wieder im Dunkeln liegen, in der höchsten europäischen Fußballklasse, der Champions League, und die zuständige Uefa hat ein generelles Alkoholverbot in allen Stadien verhängt.
Heute also fuhr ich zum Spiel gegen Arsenal London, vor allem, um der hohen Kunst des französischen Fußballgottes Thierry Henry zu huldigen. Als ich eintraf, erfuhr ich allerdings als Erstes von seiner Verletzung. Henry spielte nicht. Das war ein Schlag. Zum Trost wollte ich mir ein Bier gönnen. Am Stand hing natürlich ein Warnschild, welches auf den exklusiven Ausschank alkoholfreien Biers verwies. Aber den Trick kannte ich ja schon vom FC St. Pauli.
Trotzdem beschloss ich, auf Nummer Sicher zu gehen, und fragte einen frischversorgten Zecher, ob er wirklich nur impotente Plörre im Becher habe. „Fifty-fifty“, erklärte er und nippte mir aufmunternd zu, „es ist etwas verdünnt.“ Von einer solchen Variante war mir bislang nichts bekannt, doch warum sollte ich einem sympathisch wirkenden HSV-Fan in seinem eigenen Stadion misstrauen? Fifty-fifty – das könnte immerhin bedeuten, glimpflich davonzukommen, vor allem im Hinblick auf die brutale Drohung, die das Warnschild rücksichtslos in die Welt hinausposaunte. Insgeheim glaubte ich sogar immer noch an die pfiffige St.-Pauli-Variante.
Also orderte ich ein Bier. Und bekam nasse Wellpappe, die kaltlächelnd in Styroporgranulat gewälzt worden war. Natürlich war es mir nach dem ersten Schluck unmöglich, diese Flüssigkeit, die Getränk zu nennen sofort in den Kanon der unvergebbaren Todsünden aufgenommen werden müsste, weiterhin geregelt zu mir zu nehmen. Selbst der nach jeder Konsumhandlung aufkeimende Drang, die erstandene Ware auch zu verbrauchen, war chancenlos gegen die Kraft meines Widerwillens, und ich stellte den kontaminierten Becher auf einen Pfeiler und „vergaß“ ihn dort. Es standen übrigens schon fünf andere herum. Alle waren mindestens halbvoll.
Der HSV verlor folglich 1:2, St. Pauli war wenigstens auf ein Remis gekommen. Denk mal drüber nach, Beiersdorfer.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Fußball
1. „Three lions“ von The Lightning Seeds
2. „Rummenigge all night long“ von Alain & Denise“
3. „Red football“ von Sinéad O'Connor
Foto: Spiegel Online
Der empörende Geschmack dieser Flüssigkeit, die Getränk zu nennen ich mir hiermit herrisch verbitte, erinnert an nasse Wellpappe, die in Styroporgranulat gewälzt wurde. Sie müsste ebenso verboten sein wie Genmais, doch sie ist erlaubt. Manchmal wird sie sogar behördlich verlangt, wie am letzten Wochenende beim Spiel St. Pauli gegen Union Berlin.
Niemals hätte ich im Stadion ein Bier geordert, wäre mir zuvor das Warnschild am Bierstand aufgefallen. So aber süffelte ich zufrieden am Becher, genoss das vollprozentige Astra und schaute zufrieden in die Welt. Denn der Standbesitzer war ein Fuchs: Er hatte das Schild nur ordnungshalber aufgehängt, es beim Ausschank aber ignoriert und die Fans klammheimlich trotzdem mit Vollbier versorgt. So waren alle zufrieden, die Behörde und die Fans.
Wie aber wird dieses diffizile Problem wohl beim HSV geregelt? Bekanntlich spielt der Verein aus irgendwelchen Gründen, die ob ihrer Surrealität schon wieder im Dunkeln liegen, in der höchsten europäischen Fußballklasse, der Champions League, und die zuständige Uefa hat ein generelles Alkoholverbot in allen Stadien verhängt.
Heute also fuhr ich zum Spiel gegen Arsenal London, vor allem, um der hohen Kunst des französischen Fußballgottes Thierry Henry zu huldigen. Als ich eintraf, erfuhr ich allerdings als Erstes von seiner Verletzung. Henry spielte nicht. Das war ein Schlag. Zum Trost wollte ich mir ein Bier gönnen. Am Stand hing natürlich ein Warnschild, welches auf den exklusiven Ausschank alkoholfreien Biers verwies. Aber den Trick kannte ich ja schon vom FC St. Pauli.
Trotzdem beschloss ich, auf Nummer Sicher zu gehen, und fragte einen frischversorgten Zecher, ob er wirklich nur impotente Plörre im Becher habe. „Fifty-fifty“, erklärte er und nippte mir aufmunternd zu, „es ist etwas verdünnt.“ Von einer solchen Variante war mir bislang nichts bekannt, doch warum sollte ich einem sympathisch wirkenden HSV-Fan in seinem eigenen Stadion misstrauen? Fifty-fifty – das könnte immerhin bedeuten, glimpflich davonzukommen, vor allem im Hinblick auf die brutale Drohung, die das Warnschild rücksichtslos in die Welt hinausposaunte. Insgeheim glaubte ich sogar immer noch an die pfiffige St.-Pauli-Variante.
Also orderte ich ein Bier. Und bekam nasse Wellpappe, die kaltlächelnd in Styroporgranulat gewälzt worden war. Natürlich war es mir nach dem ersten Schluck unmöglich, diese Flüssigkeit, die Getränk zu nennen sofort in den Kanon der unvergebbaren Todsünden aufgenommen werden müsste, weiterhin geregelt zu mir zu nehmen. Selbst der nach jeder Konsumhandlung aufkeimende Drang, die erstandene Ware auch zu verbrauchen, war chancenlos gegen die Kraft meines Widerwillens, und ich stellte den kontaminierten Becher auf einen Pfeiler und „vergaß“ ihn dort. Es standen übrigens schon fünf andere herum. Alle waren mindestens halbvoll.
Der HSV verlor folglich 1:2, St. Pauli war wenigstens auf ein Remis gekommen. Denk mal drüber nach, Beiersdorfer.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Fußball
1. „Three lions“ von The Lightning Seeds
2. „Rummenigge all night long“ von Alain & Denise“
3. „Red football“ von Sinéad O'Connor
Foto: Spiegel Online
13 September 2006
Die Fundstücke des Tages (25)
1. Das abgebildete Angebot scheint mir einige Haken zu viel zu haben. Und die wichtigste Frage bleibt unbeantwortet: Was macht Daniel mittwochs? Gefunden in der Bahrenfelder Straße in Ottensen.
2. Als unlängst die Veröffentlichung von Günter Grass’ Autobiografie anstand und er seine Waffen-SS-Mitgliedschaft zugab, unterstellten einige ihm Promotionmotive. Ich nehme an, bei Joachim Fest – sein Buch kommt in elf Tagen – wird sich das niemand trauen.
3. Auf seinem neuen Album „Dämmerung“ beklagt der altehrwürdige Liedermacher Franz Josef Degenhardt die jämmerliche Situation der Linken in der spätbürgerlichen Gesellschaft. Sein sarkastisches Fazit: Sie werde „nicht mal mehr verfolgt”. Mehr Resignation geht wirklich nicht.
4. „Es beunruhigt mich, dass ich keine Zukunftsangst habe", las ich in einem anderen Blog. Er hat also sozusagen Angst vor der Abwesenheit von Angst – wahrscheinlich lag der SPIEGEL letzte Woche mit seiner Titelstory doch mal wieder richtig.
Alle bisherigen Fundstücke des Tages:
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 22, 24, Oh, my Google!
2. Als unlängst die Veröffentlichung von Günter Grass’ Autobiografie anstand und er seine Waffen-SS-Mitgliedschaft zugab, unterstellten einige ihm Promotionmotive. Ich nehme an, bei Joachim Fest – sein Buch kommt in elf Tagen – wird sich das niemand trauen.
3. Auf seinem neuen Album „Dämmerung“ beklagt der altehrwürdige Liedermacher Franz Josef Degenhardt die jämmerliche Situation der Linken in der spätbürgerlichen Gesellschaft. Sein sarkastisches Fazit: Sie werde „nicht mal mehr verfolgt”. Mehr Resignation geht wirklich nicht.
4. „Es beunruhigt mich, dass ich keine Zukunftsangst habe", las ich in einem anderen Blog. Er hat also sozusagen Angst vor der Abwesenheit von Angst – wahrscheinlich lag der SPIEGEL letzte Woche mit seiner Titelstory doch mal wieder richtig.
Alle bisherigen Fundstücke des Tages:
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 22, 24, Oh, my Google!
11 September 2006
Der Ohrpopler
Alkoholismus ist mit Sicherheit auf St. Pauli verbreiteter als – sagen wir – in Altötting. Als Bewohner gewöhnt man sich an Kollateralschäden dieses Phänomens recht schnell, und über die am Sonntagmorgen ubiquitär herumliegenden Schnapsleichen steigt man routiniert hinweg. Keine von ihnen ist wirklich tot, und wenn, dann soll es bitte ein anderer merken; ich habe mich zu oft blamiert beim panischen Herbeirufen von Ordnungs- oder Rettungskräften, die es aber zum Glück bei mitleidigen Blicken beließen, statt über Regressforderungen nachzudenken.
Nein, wer sich gelähmt vom Suff gar nicht mehr bewegen kann, ist auf St. Pauli das kleinere Problem. Ein kaum größeres war jener Mann, der vorm U-Bahnhof St. Pauli (nicht fern von der abgebildeten Taubenstraße) mein Freund werden wollte. Er war vielleicht Mitte 50 und kein Zufallsbetrunkener wie viele der Partyterroristen, die uns allwochenendlich heimsuchen wie Wespenschwärme eine Freiluftausstellung von Sahnetorten. Aber er war auch kein Obdachloser, dazu war er nicht schmutzig genug.
Er war irgendetwas dazwischen, eine kleine grauhaarige Gestalt mit schroffen Furchen im Gesicht und abgetragenen Jeans. Früher oder später wird sich unerbittlich entscheiden, in welche Richtung das Pendel seines Lebens ausschlägt. „Prekär“ nennt man heutzutage wohl eine solche Situation.
Sein linkes Auge war blind; es sah aus, als hätte ihm jemand Kondensmilch in den Augapfel injiziert. Er schwenkte eine Flasche Astra, morgens um 9 an der Haltestelle, und die Afrikanerin, die mit ihrem Kinderwagen neben mir auf den Bus wartete, entfernte sich wortlos zwei Meter, als er wankend versuchte, ihr Baby auf eine Weise anzustammeln, die er in einem früheren Leben wohl als onkelhaft kennengelernt hatte.
Ich entschloss mich, ihn von Mutter und Kind fernzuhalten, sofern er die Verfolgung aufnehmen sollte. Doch das war unnötig, denn er wandte sich sowieso mir zu, mit einem irrlichternden Grinsen, das aussah nach dem verzweifelten Glück des Betrunkenen. „Was hörsten da?“, fragte er mit Blick auf meine Ohrhörer. „George Michael“, sagte ich. „Komm“, fuchtelte er mit seiner freien, astrafreien Rechten vor meinem Gesicht herum, „lass ma hörn!“
Er machte eine Bewegung Richtung Ohrhörer, als wollte er ihn mir vom Kopf nehmen und sich anschließend einführen, doch ich wehrte ab. „Ah“, machte er, und sein funktionierendes Auge weitete sich ein wenig, „ich verstehe!“
Dann steckte er sich seinen schrundigen Zeigefinger tief ins rechte Ohr, drehte, grub und bohrte darin herum, holte Unsagbares heraus, wischte dann den Finger mit großer Geste ab an seiner Jeans, die aussah, als hätte sie solches schon oft erdulden müssen – und glaubte, nun sei die Sache geregelt, nun dürfe er George Michael hören.
Ich musste ihn enttäuschen, und dann kam auch schon der Bus.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs übers Saufen
1. „The piano has been drinkin’“ von Tom Waits
2. „One bourbon, one scotch, one beer“ von John Lee Hooker
3. „Drunk“ von Vic Chesnutt
Nein, wer sich gelähmt vom Suff gar nicht mehr bewegen kann, ist auf St. Pauli das kleinere Problem. Ein kaum größeres war jener Mann, der vorm U-Bahnhof St. Pauli (nicht fern von der abgebildeten Taubenstraße) mein Freund werden wollte. Er war vielleicht Mitte 50 und kein Zufallsbetrunkener wie viele der Partyterroristen, die uns allwochenendlich heimsuchen wie Wespenschwärme eine Freiluftausstellung von Sahnetorten. Aber er war auch kein Obdachloser, dazu war er nicht schmutzig genug.
Er war irgendetwas dazwischen, eine kleine grauhaarige Gestalt mit schroffen Furchen im Gesicht und abgetragenen Jeans. Früher oder später wird sich unerbittlich entscheiden, in welche Richtung das Pendel seines Lebens ausschlägt. „Prekär“ nennt man heutzutage wohl eine solche Situation.
Sein linkes Auge war blind; es sah aus, als hätte ihm jemand Kondensmilch in den Augapfel injiziert. Er schwenkte eine Flasche Astra, morgens um 9 an der Haltestelle, und die Afrikanerin, die mit ihrem Kinderwagen neben mir auf den Bus wartete, entfernte sich wortlos zwei Meter, als er wankend versuchte, ihr Baby auf eine Weise anzustammeln, die er in einem früheren Leben wohl als onkelhaft kennengelernt hatte.
Ich entschloss mich, ihn von Mutter und Kind fernzuhalten, sofern er die Verfolgung aufnehmen sollte. Doch das war unnötig, denn er wandte sich sowieso mir zu, mit einem irrlichternden Grinsen, das aussah nach dem verzweifelten Glück des Betrunkenen. „Was hörsten da?“, fragte er mit Blick auf meine Ohrhörer. „George Michael“, sagte ich. „Komm“, fuchtelte er mit seiner freien, astrafreien Rechten vor meinem Gesicht herum, „lass ma hörn!“
Er machte eine Bewegung Richtung Ohrhörer, als wollte er ihn mir vom Kopf nehmen und sich anschließend einführen, doch ich wehrte ab. „Ah“, machte er, und sein funktionierendes Auge weitete sich ein wenig, „ich verstehe!“
Dann steckte er sich seinen schrundigen Zeigefinger tief ins rechte Ohr, drehte, grub und bohrte darin herum, holte Unsagbares heraus, wischte dann den Finger mit großer Geste ab an seiner Jeans, die aussah, als hätte sie solches schon oft erdulden müssen – und glaubte, nun sei die Sache geregelt, nun dürfe er George Michael hören.
Ich musste ihn enttäuschen, und dann kam auch schon der Bus.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs übers Saufen
1. „The piano has been drinkin’“ von Tom Waits
2. „One bourbon, one scotch, one beer“ von John Lee Hooker
3. „Drunk“ von Vic Chesnutt
10 September 2006
Die Fundstücke des Tages (24)
1. Zufällig mitgehörter Dialogfetzen im Fitnessclub. Typ A: „ … dass du nach so einem Tag noch so zufrieden bist!“ Typ B: „Ich bin nicht zufrieden.“
2. Jetzt ist es meinem kleinen Stadtteilverein, dem FC St. Pauli, schon zum zweiten Mal in Folge gelungen, länger im DFB-Pokal zu verweilen als der HSV; auch wenn es diesmal nur Stunden waren. Alles Weitere beim kiezkicker.
3. „Neben der Bescheidenheit ist es meine wichtigste Tugend, mir auf die Bescheidenheit nichts einzubilden.“ Sagt Mspro.
4. Ich war – festhalten – am Freitag bei einem Konzert der schwäbischen Schlagerpopband Pur in der Großen Freiheit, einem Club, der allerdings schon ganz andere Zumutungen gleichmütig weggesteckt hat. (Übrigens: Ich war dort auf Einladung! Zum Repräsentieren!) Bei einem Pur-Konzert erlebt man die Vergötterung von Otto Normalverbraucher, und das ist auf gruselige Weise faszinierend. Pur peilen auf derart unverschämte, gleichsam verlegen lächelnde Weise das totale Mittelmaß an, dass sich potenziell alle Mittelmäßigen angesprochen fühlen müssen – und viele davon, stellte ich fest, reagieren ebenso hysterisch wie textsicher auf dieses Angebot. Mich wundert seit Freitagabend der immense Erfolg der Band nicht mehr: Sie hat einfach das mit Abstand größte Zielpublikum. Möchte eigentlich jemand das blaue Plastikarmband, das mich in den für mich quälenden Verdacht geraten ließ, Pur-Fan zu sein? Die mittelmäßigste Begründung gewinnt.
Alle bisherigen Fundstücke des Tages:
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, Oh, my Google!
2. Jetzt ist es meinem kleinen Stadtteilverein, dem FC St. Pauli, schon zum zweiten Mal in Folge gelungen, länger im DFB-Pokal zu verweilen als der HSV; auch wenn es diesmal nur Stunden waren. Alles Weitere beim kiezkicker.
3. „Neben der Bescheidenheit ist es meine wichtigste Tugend, mir auf die Bescheidenheit nichts einzubilden.“ Sagt Mspro.
4. Ich war – festhalten – am Freitag bei einem Konzert der schwäbischen Schlagerpopband Pur in der Großen Freiheit, einem Club, der allerdings schon ganz andere Zumutungen gleichmütig weggesteckt hat. (Übrigens: Ich war dort auf Einladung! Zum Repräsentieren!) Bei einem Pur-Konzert erlebt man die Vergötterung von Otto Normalverbraucher, und das ist auf gruselige Weise faszinierend. Pur peilen auf derart unverschämte, gleichsam verlegen lächelnde Weise das totale Mittelmaß an, dass sich potenziell alle Mittelmäßigen angesprochen fühlen müssen – und viele davon, stellte ich fest, reagieren ebenso hysterisch wie textsicher auf dieses Angebot. Mich wundert seit Freitagabend der immense Erfolg der Band nicht mehr: Sie hat einfach das mit Abstand größte Zielpublikum. Möchte eigentlich jemand das blaue Plastikarmband, das mich in den für mich quälenden Verdacht geraten ließ, Pur-Fan zu sein? Die mittelmäßigste Begründung gewinnt.
Alle bisherigen Fundstücke des Tages:
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09 September 2006
Lachhaft
Ja, es stimmt: Ms. Columbo und ich haben uns auf einer privaten Party mal dem Einfluss eines Lachyogi unterworfen. Vielleicht war es der gleiche, der gerade in Ottensen die Wände mit dem abgebildeten skurrilen Angebot beklebt.
Der Yogi begann also zu lachen, und einige in der Partyrunde ömmelten auch gleich mit, doch uns wollte die Erheiterung auf Kommando partout nicht gelingen. Ich versuchte angestrengt, dem Yogi immer auf die breit gebleckten Zahnreihen zu starren, um die Ansteckungsgefahr künstlich zu erhöhen, doch immer, wenn mein Blick hochrutschte, sah ich die Kühle in seinen Augen; ich sah, dass sein Lachen nur brillantes Handwerk war, und das verdarb mir alles.
Klar, der Mann war ein Profi. Er hätte jederzeit das Casting für „Deutschland sucht den Lachsackstar“ gewonnen, und das Produkt wäre ein Partyknüller geworden. Doch seine Kunst überzeugte eben nur akustisch; ihm dabei zuzusehen, verdarb mir buchstäblich den Spaß.
Dennoch würde ich es jedem Diabetiker gönnen, wenn er nach systematisch generierten Lachanfällen kein Insulin mehr zu spritzen bräuchte, das will ich hier mal klarstellen.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs übers Lachen
1. „The old laughing lady“ von Neil Young
2. „Wenn du so bist wie dein Lachen“ von Ina Deter
3. „The laughing gnome“ von David Bowie
Der Yogi begann also zu lachen, und einige in der Partyrunde ömmelten auch gleich mit, doch uns wollte die Erheiterung auf Kommando partout nicht gelingen. Ich versuchte angestrengt, dem Yogi immer auf die breit gebleckten Zahnreihen zu starren, um die Ansteckungsgefahr künstlich zu erhöhen, doch immer, wenn mein Blick hochrutschte, sah ich die Kühle in seinen Augen; ich sah, dass sein Lachen nur brillantes Handwerk war, und das verdarb mir alles.
Klar, der Mann war ein Profi. Er hätte jederzeit das Casting für „Deutschland sucht den Lachsackstar“ gewonnen, und das Produkt wäre ein Partyknüller geworden. Doch seine Kunst überzeugte eben nur akustisch; ihm dabei zuzusehen, verdarb mir buchstäblich den Spaß.
Dennoch würde ich es jedem Diabetiker gönnen, wenn er nach systematisch generierten Lachanfällen kein Insulin mehr zu spritzen bräuchte, das will ich hier mal klarstellen.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs übers Lachen
1. „The old laughing lady“ von Neil Young
2. „Wenn du so bist wie dein Lachen“ von Ina Deter
3. „The laughing gnome“ von David Bowie
08 September 2006
Geschmeichelte Rückseite
Wie wir inzwischen alle wissen, will BILD zehn Millionen Deutsche zu Paparazzi machen. Mit verhaltener Genugtuung referiert Monika Porrmann in der Online-Ausgabe der Frankfurter Rundschau die verheerende Kritik der Blogosphäre an dieser schäbigen Aktion.
Dabei erwähnt sie auch meinen Aufruf „Blogger helfen BILD“. Verblüffenderweise kommt die bezaubernde Frau Porrmann zudem zu der Einschätzung, dieses Blog hätte Chancen, für den internationalen Weblog-Award der Deutschen Welle nominiert zu werden.
Nun, ich müsste lügen, würde mir das nicht ein wenig schmeicheln; ja, ich könnte, käme es dazu, sogar ein gewisses Entzücken nicht verhehlen. Immerhin gebe ich mir ja Mühe hier, und zwar jeden Abend, bevor es in die Heia geht.
Wer also die „Die Rückseite der Reeperbahn“, die genau hinterm Café Keese liegt, für den Wettbewerb The Bobs vorschlagen möchte (die Häufigkeit zählt mit!) und sich zudem erdreistete, ebendort lobpreisende Kommentare zu hinterlassen, dem werde ich keinesfalls unwirsch in die Parade fahren.
Im Gegenteil: Ich werde jeden, der das tut, ebenso bezaubernd nennen wie Frau Porrmann. Und wer schon mal bei The Bobs aufschlägt, kann auch gleich Poodles Blog vorschlagen.
Genau das werde ich nämlich jetzt tun.
Dabei erwähnt sie auch meinen Aufruf „Blogger helfen BILD“. Verblüffenderweise kommt die bezaubernde Frau Porrmann zudem zu der Einschätzung, dieses Blog hätte Chancen, für den internationalen Weblog-Award der Deutschen Welle nominiert zu werden.
Nun, ich müsste lügen, würde mir das nicht ein wenig schmeicheln; ja, ich könnte, käme es dazu, sogar ein gewisses Entzücken nicht verhehlen. Immerhin gebe ich mir ja Mühe hier, und zwar jeden Abend, bevor es in die Heia geht.
Wer also die „Die Rückseite der Reeperbahn“, die genau hinterm Café Keese liegt, für den Wettbewerb The Bobs vorschlagen möchte (die Häufigkeit zählt mit!) und sich zudem erdreistete, ebendort lobpreisende Kommentare zu hinterlassen, dem werde ich keinesfalls unwirsch in die Parade fahren.
Im Gegenteil: Ich werde jeden, der das tut, ebenso bezaubernd nennen wie Frau Porrmann. Und wer schon mal bei The Bobs aufschlägt, kann auch gleich Poodles Blog vorschlagen.
Genau das werde ich nämlich jetzt tun.
07 September 2006
Natascha Kampuschs Rückkehr ins unbekannte Leben
Natascha Kampusch dachte im Augenblick der Flucht mit Sorge an ihren Entführer, der für diesen Fall mit Selbstmord gedroht hatte. Sie dachte traurig an dessen Mutter und Freunde, deren Welt sie nun einstürzen lassen würde.
Und dann sprang sie doch über den Zaun, zurück in ein Leben, das sie überhaupt noch nicht kennengelernt hatte.
Wie Millionen anderer verfolgte ich heute Abend mit Ms. Columbo das erstaunliche und fesselnde Interview mit dieser Frau, von der bislang nur Kinderfotos existierten.
Wir starrten die ganze Zeit in dieses flackernde hübsche Teenagergesicht und konnten nicht umhin, die 18-Jährige zu bewundern – dafür, nach achteinhalb Jahren, in denen sie nur mit einem einzigen Menschen sprechen durfte, nun gefasst und bestimmt zu Millionen Menschen zu sprechen, ohne sich dabei in Luft aufzulösen.
Ein Abend, der Fernsehgeschichte schreiben wird. Hier ein knapp vierminütiger Ausschnitt aus dem TV-Interview.
Und dann sprang sie doch über den Zaun, zurück in ein Leben, das sie überhaupt noch nicht kennengelernt hatte.
Wie Millionen anderer verfolgte ich heute Abend mit Ms. Columbo das erstaunliche und fesselnde Interview mit dieser Frau, von der bislang nur Kinderfotos existierten.
Wir starrten die ganze Zeit in dieses flackernde hübsche Teenagergesicht und konnten nicht umhin, die 18-Jährige zu bewundern – dafür, nach achteinhalb Jahren, in denen sie nur mit einem einzigen Menschen sprechen durfte, nun gefasst und bestimmt zu Millionen Menschen zu sprechen, ohne sich dabei in Luft aufzulösen.
Ein Abend, der Fernsehgeschichte schreiben wird. Hier ein knapp vierminütiger Ausschnitt aus dem TV-Interview.
05 September 2006
Nicht anfassen!
War am Sonntag auf dem Flohmarkt im Wal-Mart-Center an der Feldstraße. Ein kleines Mädchen wuselte zwischen den Ständen herum.
Irgendwann wurde es von seiner Mutter ermahnt: „Gucken darfst du“, sagte sie streng, „aber nicht anfassen!“
Den Satz hatte ich schon mal gehört, zuletzt im Dollhouse in der Großen Freiheit.
Und zwar von einer Stripperin.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Begegnungen im Rotlichtmilieu
1. „Postcard from a hooker in Minneapolis“ von Tom Waits
2. „Sammy’s song“ von David Bromberg
3. „Lola“ von The Kinks
Irgendwann wurde es von seiner Mutter ermahnt: „Gucken darfst du“, sagte sie streng, „aber nicht anfassen!“
Den Satz hatte ich schon mal gehört, zuletzt im Dollhouse in der Großen Freiheit.
Und zwar von einer Stripperin.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Begegnungen im Rotlichtmilieu
1. „Postcard from a hooker in Minneapolis“ von Tom Waits
2. „Sammy’s song“ von David Bromberg
3. „Lola“ von The Kinks
Am Rand der Lawine
Wie viele andere Blogger erhielt ich heute einen kryptischen und handgeschriebenen Brief, dem zudem ein alter Autoschlüssel beilag. Sein Motto: „Hustle the sluff!“, was so viel heißen soll wie „Tritt die Lawine los!“ Na, das passiert ja wohl auch gerade.
Nur konsequentes Nichterwähnen des Schreibens hätte es verhindert, mich hier selbst zum Büttel dieses viralen Marketings zu machen, doch dazu ist heute zu wenig Bloggenswertes passiert. Ich verbreite das Virus also gewissermaßen aus Ereignislosigkeit.
Moralisch ist das natürlich verwerflich. Immerhin kann ich mir zugute halten, mit nur recht schläfrigem Interesse der Auflösung des Rätselspiels entgegenzublicken.
Das Ganze erinnert mich an einen hübschen Aphorismus von Werner Mitsch, den ich unlängst in den Kommentaren von brittbees Blog entdeckte: „Wer die Ursache nicht kennt, nennt die Wirkung Zufall.“
Auf durchaus ähnliche Weise kommt auch die heutige Bebilderung zustande. Sie zeigt die untere Ebene des Berliner Hauptbahnhofs, was immerhin den Bezug herstellt zum Lawinenlostreter (der in Berlin lebt) – und mit hinterfotziger Eleganz noch mal verweist auf den Blogeintrag über Herrn Mehdorns gesammeltes Schweigen.
Und das ist auch gut so.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Briefe
1. „The letter“ von The Box Tops
2. „Black letter days“ von Frank Black & The Catholics
3. „An open letter to NYC“ von The Beastie Boys
Nur konsequentes Nichterwähnen des Schreibens hätte es verhindert, mich hier selbst zum Büttel dieses viralen Marketings zu machen, doch dazu ist heute zu wenig Bloggenswertes passiert. Ich verbreite das Virus also gewissermaßen aus Ereignislosigkeit.
Moralisch ist das natürlich verwerflich. Immerhin kann ich mir zugute halten, mit nur recht schläfrigem Interesse der Auflösung des Rätselspiels entgegenzublicken.
Das Ganze erinnert mich an einen hübschen Aphorismus von Werner Mitsch, den ich unlängst in den Kommentaren von brittbees Blog entdeckte: „Wer die Ursache nicht kennt, nennt die Wirkung Zufall.“
Auf durchaus ähnliche Weise kommt auch die heutige Bebilderung zustande. Sie zeigt die untere Ebene des Berliner Hauptbahnhofs, was immerhin den Bezug herstellt zum Lawinenlostreter (der in Berlin lebt) – und mit hinterfotziger Eleganz noch mal verweist auf den Blogeintrag über Herrn Mehdorns gesammeltes Schweigen.
Und das ist auch gut so.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Briefe
1. „The letter“ von The Box Tops
2. „Black letter days“ von Frank Black & The Catholics
3. „An open letter to NYC“ von The Beastie Boys
04 September 2006
Blogger helfen BILD
Nachtrag vom 4. 9., 20:47 Uhr:
Ein fürsorglicher Anwalt hat mich auf bestimmte Formulierungen in unten durchgestrichenem Text aufmerksam gemacht, die möglicherweise missinterpretiert werden könnten. Deshalb zur Klarstellung: Ich distanziere mich hiermit von jeder Äußerung, die als Fälschungsaufruf interpretierbar wäre!
Bitte fotografiert für BILD unbedingt nur Menschen, die damit einverstanden sind. Wenn es Prominente sind, umso besser. Wenn nicht, auch egal: BILD wird sicherlich auch Otto Normalverbraucher am Strand oder Lieschen Müller unter der Dusche zu schätzen wissen. Schließlich sind wir alle irgendwie prominent, und sei es nur – wie Andy Warhol einmal sinnig bemerkte – für 15 Minuten.
In diesem Sinne: „Do the right thing“ (Spike Lee).
Die BILD-Zeitung ermuntert neuerdings Millionen Deutsche zu visuellem Denunziantentum und druckt dafür auch noch lachhafte „BILD-Presseausweise“. Dagegen muss man natürlich was tun. Mein Vorschlag: massenhaft BILD-Leserreporterfotos faken!
Also: Knipst euren Hintern und macht BILD weis, es sei ziemlich sicher der von Jenny Elvers-Elbertzhagen. Betretet mit Zauselbart und aufgeklebter Halbglatze öffentliche Toiletten und deklariert das Ganze als Wolfgang Thierse. Bittet euren dicksten und Sigmar-Gabriel-ähnlichsten Freund, nachts einen Schwulenclub in der Hamburger Talstraße zu verlassen und schickt das Bild an BILD.
Sprecht Doppelgänger an! Verkleidet euch! Nutzt Photoshop! Montiert Bohlens Kopf auf Häuserpinkler! Verwirrt die BILD-Leute, wo ihr sie trefft, legt sie rein, ruiniert Diekmanns Deppenidee auf ähnliche Weise, wie damals der beste Blondinenwitz aller Zeiten via Google ein für alle Mal das Genre Blondinenwitz ruiniert hat!
Kurz: Schlagt die Faktenfaker mit ihren eigenen Waffen: mit massenhaft Fakes! Und denkt dabei an eine BILD-gemäß miese Bildqualität. Handytypische Grobkörnigkeit wirkt authentisch und verringert die Chance, von den BILD-Dödeln ertappt zu werden.
Wenn es Fakefotos schaffen, in BILD gedruckt zu werden, bitte ich um Mitteilung. Und setzt das BILDblog bitte auf CC.
Ein fürsorglicher Anwalt hat mich auf bestimmte Formulierungen in unten durchgestrichenem Text aufmerksam gemacht, die möglicherweise missinterpretiert werden könnten. Deshalb zur Klarstellung: Ich distanziere mich hiermit von jeder Äußerung, die als Fälschungsaufruf interpretierbar wäre!
Bitte fotografiert für BILD unbedingt nur Menschen, die damit einverstanden sind. Wenn es Prominente sind, umso besser. Wenn nicht, auch egal: BILD wird sicherlich auch Otto Normalverbraucher am Strand oder Lieschen Müller unter der Dusche zu schätzen wissen. Schließlich sind wir alle irgendwie prominent, und sei es nur – wie Andy Warhol einmal sinnig bemerkte – für 15 Minuten.
In diesem Sinne: „Do the right thing“ (Spike Lee).
Also: Knipst euren Hintern und macht BILD weis, es sei ziemlich sicher der von Jenny Elvers-Elbertzhagen. Betretet mit Zauselbart und aufgeklebter Halbglatze öffentliche Toiletten und deklariert das Ganze als Wolfgang Thierse. Bittet euren dicksten und Sigmar-Gabriel-ähnlichsten Freund, nachts einen Schwulenclub in der Hamburger Talstraße zu verlassen und schickt das Bild an BILD.
Sprecht Doppelgänger an! Verkleidet euch! Nutzt Photoshop! Montiert Bohlens Kopf auf Häuserpinkler! Verwirrt die BILD-Leute, wo ihr sie trefft, legt sie rein, ruiniert Diekmanns Deppenidee auf ähnliche Weise, wie damals der beste Blondinenwitz aller Zeiten via Google ein für alle Mal das Genre Blondinenwitz ruiniert hat!
Kurz: Schlagt die Faktenfaker mit ihren eigenen Waffen: mit massenhaft Fakes! Und denkt dabei an eine BILD-gemäß miese Bildqualität. Handytypische Grobkörnigkeit wirkt authentisch und verringert die Chance, von den BILD-Dödeln ertappt zu werden.
Wenn es Fakefotos schaffen, in BILD gedruckt zu werden, bitte ich um Mitteilung. Und setzt das BILDblog bitte auf CC.
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