28 August 2011

Die Domina blieb arbeitslos



Wie altgediente Blogleser wissen, habe ich ein schweres Päckchen zu tragen: Ich bin ein Fan des 1. FC Köln. Ja, ja, ich weiß: Es gibt angenehmere Schicksale. Aber auch noch schlimmere, damit tröste ich mich immer. (Mir fällt nur gerade keins ein.)

Wenn die Kölner also mal wieder in Hamburg spielen, gehe ich auf die HSV-Webseite und kaufe mir für rund 40 Euro eine Eintrittskarte. Das ist ungefähr so, als würde ich in der Herbertstraße eine Domina aufsuchen – allerdings ohne ein Masochist zu sein.

Beim letzten Mal blechte ich die rund 40 Euro, um mir eine 2:6-Klatsche einzufangen. Ich ließ mich also gleichsam auspeitschen und löhnte auch noch dafür.

Entsprechend angespannt schlich ich heute in die sogenannte Imtech-Arena – und erlebte ein nervenzerrüttendes Spiel mit viermal wechselnder Führung, aber – o Wunder – auch einem unverhofft gloriosen Ende. 3:4! Die Domina blieb arbeitslos, meine Heimfahrt war ein einziger innerer Triumphzug. Schon im Shuttlebus war es wunderbar, den Gesprächen der HSV-Fans zu lauschen.

„Pass auf“, sagte ein Vollschlanker mit Schal zu seinem Kumpel, einem viereckigen Trumm mit Petric-Trikot, „St. Pauli steigt auf und wir steigen ab.“
„Nicht so lange ich lebe!“, jaulte sein Kollege waidwund auf.
„Wart mal ab, nächsten Sommer!“, bekräftigte Kassandro mit düsterer Miene.
„Dann bin ich dout“, rief sein Kumpel, „dann sterb ich!“

Ich gluckste und fühlte mich pudelwohl. Inmitten dieser Dunstglocke aus Frust und Verzweiflung unerkannt mit den HSV-Fans unterwegs zu sein, klammheimlich ihre Niedergeschlagenheit zu genießen: Das macht mich sicherlich zu einem schlechten Menschen, doch das Recht darauf habe ich mir auch teuer erkauft – siehe oben. Heute jedenfalls hatte ich die Peitsche geschwungen, statt mit wundem Rücken heimzuschlurfen.

Auf dem Bahnsteig fing einer in Blauweiß fatalistisch an zu singen. „Wir steigen niemals ab“, sang er, „wir wechseln nur die Liiiiiga!“ Respekt: So viel sarkastisch abgefederten Fatalismus hätte ich einem HSVler gar nicht zugetraut. Eine gute Übung für das, was da noch kommen kann.


PS: Kurz vorm Anpfiff hatte ich im Tippspiel meinen Tipp noch hasenfüßig von 0:1 auf 1:1 korrigiert. Aber irgendwas ist ja immer.

PPS: Das Foto zeigt Kölner Freudenbengalos bereits
vor dem Anpfiff. Anscheinend hatten die eine bessere Glaskugel als ich.

27 August 2011

Das Flachdachidyll

Auf der Rückseite der Reeperbahn ist praktisch alles verfügbar, was das Herz begehrt, von Sex bis Sushi. Nur Terrassen sind selten, gerade auf den billigen Plätzen.

Doch der Reeperbahnbewohner ist findig, wie man sieht. Mit Sonnenschirm und Plastikstühlen ist es schließlich auch auf dem ungesicherten, von mäandernden Stromleitungen durchzogenen Flachdach des Vorbaus urgemütlich, selbst wenn man sich dafür erst mal ächzend aus dem Fenster wuchten muss. Und hinterher wieder rein.

Mindestens einer der drei Terrassensimulatoren näherte sich übrigens bedenklich der für solcherart Akrobatik geltenden Altersgrenze.


Irgendwann wird er sich für seine Unfallversicherung halt eine verdammt gute Erklärung einfallen lassen müssen.


26 August 2011

Fundstücke (147)



Klar, man kann auf ein mit Plastikfolie abgeklebtes Pissoir einen erklärenden Zettel pappen.

Aber wenn er unterschrieben ist mit „Mahlzeit-Team“, dann hat das schon ein Geschmäckle. Bwz. Gerüchle.

25 August 2011

Hm, leckeres Graubrotsushi!



Das Grafikbüro, welches einst den Auftrag erhielt, das abgebildete Sushibuch mit einer Titelillustration zu versehen, finde ich deswegen so rührend, weil es wirklich alles falsch gemacht hat.

Gehen wir die Elemente mal einzeln durch:

– Eine Dorade? Kein Sushifisch.
– Ein Messweinpokal? Keineswegs ein adäquates Behältnis für den Riesling zum Sashimi.
– Ein Graubrot? Wer um alles in der Welt assoziiert zum Sushi GRAUBROT?

Dieses haarsträubend fehlkompilierte Ensemble dann auch noch in eine Plastikschale zu legen und eine Folie drüberzuziehen: mutig. Ich denke mal, das Buch war nicht der vom Verlag erwartete Verkaufsschlager.

Immerhin aber habe ich es am Wochenende auf dem Alsterdorfer Flohmarkt entdeckt, irgendjemand muss es also mal bewusst erworben haben.

Und beinah hätte ich nach dem Preis gefragt. Beinah.

24 August 2011

Der Bechereffekt



Nach dem Ebbersbecher beim Spiel gegen Aachen erwischte ich am Montag gegen Duisburg nun einen Bollbecher. Im Gegensatz zu Ebbers kugelte sich Boll daraufhin aber nicht den Ellenbogen aus.

Statistische Zusammenhänge müssen daher woanders gesucht werden. Zum Beispiel gibt es nach meinen zwei Heimspielen in Block H3 eine klare Korrelation zwischen dem Kauf eines Biers und einem Heimsieg, und zwar unabhängig vom auf dem Becher abgebildeten Spieler.

Empirisch sauber ist das natürlich noch nicht; vielleicht korreliert ja der Heimsieg auch mit der Tatsache, dass ich den Becher jeweils vorm Spielfeldhintergrund fotografiere und das Foto anschließend verblogge.

Um das zu veri- oder falsifizieren, werde ich weitere Tests durchführen, demnächst gegen 1860 München. Ergebnisreport folgt.

Es ist übrigens – wie ich bereits auf Twitter erwähnte – ganz erstaunlich, was ein Siegtreffer in der 93. Minute mit der Körperchemie zu veranstalten in der Lage ist. Und – (röchel) – mit den Stimmbändern.

Aber beides kann Ihnen ja egal sein.

23 August 2011

Meine Straße



Zum Glück ist das Stöckchenwerfen in der Blogosphäre zuletzt aus der Mode geraten. Doch ennomanes Idee, seinen Berliner Kiez kommentierend zu filmen und das Produkt online zu stellen, hat zu viel Charme, um seine Bitte, es ihm gleichzutun, einfach abzuwehren.

Deshalb habe ich sein Stöckchen gefangen und bin filmend und plappernd durch meinen Kiez glaufen: die Seilerstraße auf St. Pauli. Nun können Sie alle einmal nachschauen, wie es auf der Rückseite der Reeperbahn so aussieht. Und wie sie sich anhört, nämlich allzu oft nach Polizeieinsatz.

Zum Spiel mit dem Stöckchen gehört es, dass man es weiterwirft. Drei Kandidaten dürfen sich daher jetzt ducken, aber nur ganz kurz: Fräulein Krise, German Psycho und Anna Nuehm.

Kneifen gilt übrigens nicht, wo sogar ich … Na, Sie wissen schon.


22 August 2011

Die Jo-Jos der Avantgarde



Eine Frau in mittleren Jahren verteilt die Zeitschrift „Spartakist“, es riecht nach Bratwurst und gebrannten Mandeln. Rastafaris verkaufen tropische Cocktails, vor der Roten Flora gibt es „Soli-Bier“ für einszwanzig, am Kuchenstand läuft Punk. Schwangere Mütter mit bereits geschlüpftem Nachwuchs im Tragetuch blättern in Kisten mit angeschmuddelten Platten der Dead Kennedys, und trotz der Hitze würden viele hier eher auf Dixieklos verzichten als auf ihr Palästinensertuch:


Hach, ich liebe das Schanzenfest.

Es erinnert mich an alte Studienzeiten in Marburg. Man fühlt sich links und gut, das ganze Schulterblatt ist gesperrt, Tausende schieben sich übers Pflaster, vorbei an Transparenten und Ständen mit veganem Hack, und ich mit meinem Rad mitten in der Masse, während eine Frau rechts von mir ihrem Begleiter zuraunt: „Warum müssen diese Leute auch ihr Fahrrad mitbringen …“


Tagsüber ist das Schanzenfest ein wunderbarer Ort voller Sonne, Familien und aufrecht ums Weltwohl Besorgter, doch wenn es dunkel wird, brennen seit einigen Jahren rituell die Barrikaden.

Als ich allerdings einen Flohmarktstandbesitzer rufen hörte: „Leude, seid Teil der Avantgarde, kauft Jo-Jos!“, da wusste ich, dass es abends nicht so schlimm werden würde wie sonst. Und genauso kam es auch: ein bisschen wurde gezündelt und gekloppt, fünf Polizisten mussten zum Arzt – Pipifax gegenüber 2010.

Wer genau da jährlich an jedem Schanzenfestabend jeweils mit Ansage rummarodiert, ist mir allerdings inzwischen noch unklarer als in den Jahren zuvor. Anlass zu dieser Verunsicherung gibt dieses YouTube-Video.

Dort ist nämlich ein Mann zu sehen, der die pyromanischen Kinderspiele allem Anschein nach dazu nutzt, um den richtigen Winkel des Hitlergrußes zu üben, und zwar mit dem linken Arm (ab 00:55). Doch keiner aus der Menge beweist ihm, dass man auch mit dem zusammengeknüllten „Spartakist“ sehr gut ein Maul stopfen kann.

Wo seid ihr, liebe Selbstreinigungskräfte, wenn man euch mal braucht?


20 August 2011

Pareidolie (14)

Die neuen Mülleimer in der Spitaler Straße versorgen die Stadt mit einem großen, roten Staunen. Und jeder, der daran vorbeigeht, fühlt sich wie ein bunter Hund.

Manche sogar zu Recht.

19 August 2011

Bahrdt, der iPhone-Basher



Ich finde ja (wenngleich aus zugegebenermaßen egoästhetischen Gründen), Vince Bahrdt von Orange Blue hat die geilste Frisur der Welt.

Heute Abend, als er uns in der Kaffeerösterei Elbgold auf der Schanze sein neues Soloalbum vorstellte, plante ich ihm das auch in angemessenen Worten mitzuteilen, doch er war zu sehr damit beschäftigt, sein iPhone niederzumachen, deshalb kam ich gar nicht zu diesem schmeichelhaften Einwurf.

Er könne alles mit seinem Handy machen, fluchte er, Internet und so: alles Klasse, aber das Telefonieren – eine einzige Katastrophe. Ständig brächen die Gespräche zusammen. „Vince, bist du noch dran? Vince?“, äffte er verzweifelte Gesprächspartner nach.

Bestimmt ein iPhone 4, dachte ich als zufriedener 3GS-Besitzer, und verlieh dieser Vermutung auch unverblümt Ausdruck. „Stimmt!“, rief Bahrdt, holte sein Handy aus der Tasche und pfefferte es mit verächtlicher Verve auf den Tisch, als sei es aus verwindungssteifem Carbon.

„Verwindungssteif“ ist übrigens mein drittliebstes deutsches Adjektiv, aber das nur nebenbei.

Sein Handy hatte keine Schutzhülle, aber einen buntschimmernden Fettschlier auf dem schutzhüllenlosen Display. „Das iPhone 4“, dozierte ich souverän Halbwissen vom Hörensagen, „soll ja Verbindungsprobleme haben, wenn man es mit der linken Hand unten an der Ecke umfasst.“ Vince schaute mich großäugig an. „Ja!“, rief er, „ganz genau! Hier sitzt die Antenne, hier unten!“

Dann balancierte er das Telefon parodistisch auf der flachen Hand und simulierte mit hoher Parodiestimme ein Telefongespräch. Ich schmunzelte in mich hinein. Man muss halt nicht immer das neuste Modell besitzen.

„Und: Wie ist momentan die Internetqualität?“, fragte ich forsch und rief zum Balkenvergleich mit meinem 3GS. Das Display machte mir Mut: Es zeigte vier von fünf. Damit setzte ich ohne Zweifel eine schwer zu toppende Marke.

Doch Vince kniff. „Wenn ich das jetzt einschalte“, behauptete er mit deutlichen Anzeichen stolzen Geschmeicheltseins, „macht es nur bing, bing, bing, ständig bing, bing, bing.“

Ich lehnte mich zurück. Jetzt konnte ich mir die Bemerkung mit der geilen Frisur endgültig sparen.

18 August 2011

Bitte nicht lesen: Lebenszeitverschwendung!



Meine Physiotherapeutin ist wirklich lustig. Gestern suchte sie akribisch nach genau jenem Punkt, an dem es am meisten schmerzt, nur um dann volle zehn Minuten mit einer Vehemenz, die ihren Bizepsumfang auf verblüffend krasse Weise überstieg, darauf herumzudrücken, bis ich quiekte.

Wahrscheinlich hat sie am Sonntag den „Tatort“ gesehen, denn darin, so trug man mir aus gemeinhin gut informierten Kreisen zu, soll ausgerechnet der Mörder genauso geheißen haben wie ich (können Sie das bestätigen, Herr Ramses?), und wenn das kein Grund ist, mich zu piesacken, dann weiß ich auch nicht.

Wenn die Frau in den nächsten Wochen so weitermacht, brauche ich jedenfalls allein durch ihr unheilvolles Wirken bald eine Gehhilfe – und das sage ich natürlich nur (obwohl es gar nicht stimmt), um den höchst holprigen Übergang zum heutigen Foto herzustellen, welches mir in der Simon-von-Utrecht-Straße gelang.

Prost.

16 August 2011

Pareidolie (13): Der Handtuchhalter



Der panische Blick, mit der dich dieser Wandhaken in einer Marburger Wohnung anstarrt, verhindert es zuverlässig, dass er je mit Arbeit belästigt wird.

Sollte ich in der Redaktion vielleicht auch mal ausprobieren.


Ja, kontrollier mich!

In der gleichen Sekunde, als ich per Handyticket eine Kurzsteckenfahrkarte (1,30 €) kaufte, wurde mir klar, dass ich für die Fahrt zur Mundsburg ja eine für den Nahbereich (1,80 €) gebraucht hätte.

Das sind zwar nur 50 Cent Unterschied, bei einer Kontrolle generiert diese Winzdifferenz allerdings gerne mal ein Bußgeld von 40 Euro. Was also tun – unterwegs auf halber Strecke eine weitere Kurzstrecke zubuchen? Der Bahn 80 Cent schenken? Das ist auch nicht gerade meine Art.

„Ach, riskier’s doch“, empfahl Ms. Columbo mit der Gelassenheit derjenigen, die gerade per Handyticket ordnungsgemäß eine Nahbereichskarte gekauft hatte. Mit meinem Vorschlag, im Bedarfsfall halbe-halbe zu machen, erntete ich bei ihr allerdings nur ein bezauberndes Lächeln der Verneinung.

Seit Juli haben wir kein Monatsabo für den ÖPNV mehr. Statt zusammen jahrein, jahraus monatlich generell 60 Euro zu überweisen, müssen wir uns seither bei konkretem Bedarf einzelne Fahrkarten besorgen; über die entsprechende iPhone-App eine sehr bequeme, weil bargeldlose Sache. Sofern man die richtige Taste drückt.

Während wir so dahinzockelten, fühlte ich mich natürlich erst mal sicher. Mindestens bis Schlump galt ja auch mein versehentlich gekauftes Kurzstreckenticket, und ich hoffte auf ein möglichst baldiges Auftauchen der Kontrolleure, die ja dieser Tage, wie ich las, in aufgestockter Mannschaftsstärke durch die Busse und Bahnen Hamburgs marodierten.

Ms. Columbo hoffte das ebenfalls. Sie ist sogar regelrecht unzufrieden mit den vergangenen sechs abolosen Wochen, in denen sie bereits mehrere Handytickets erstanden hatte, ohne je einen Nachweis ihrer Fahrberechtigung erbringen zu müssen.

„Ich bin immer noch nicht kontrolliert worden“, beklagte sie sich. Dabei würde sie liebend gern mal einem HVV-Menschen ihr iPhone-Display mit diesem kryptischen 2D-Barcode vor die Nase halten und einfach mal gucken, wie der guckt.

Ich übrigens auch, aber unbedingt noch vor der Haltestelle Schlump. Unterwegs wurde ich aber immer ruhiger, selbst als der Geltungsbereich der Kurzsteckenfahrkarte bereits überschritten war. Diese Gemütshaltung entsprang mathematischen Überlegungen.

Für Juli und August hatte ich nämlich insgesamt 60 € Abogebühren gespart und war seither stattdessen mit ungefähr acht € für Einzelkarten ausgekommen. Selbst wenn ich also jetzt aufflöge und die Buße von 40 € entrichten müsste, läge ich immer noch mit satten zwölf im Plus.

Wenn man sich so was erst mal klar gemacht hat, wird man ganz ruhig, fast wie Buddha. Ja, inzwischen hoffte ich geradezu auf Kontrolleure. Doch sie kamen nicht. Es war so enttäuschend.

Jetzt bleibt nur die tröstliche Gewissheit, 50 Cent gespart zu haben. Und dass dies nur durch eigene Doofheit geschah, wird schon bald verschluckt werden vom gnädigen Nebel des Vergessens.

14 August 2011

Fundstücke (146): Dann lieber zu Hause



Es gibt verschiedene Erklärungen, warum der Verantwortliche des Monopol-Hotels auf der Reeperbahn die Tageskarte genau so und nicht anders auf das Schild geklebt hat.

Gedankenlosigkeit wäre eine. Aber eine langweilige. Viel sympathischer erschiene mir die Absicht, uns mit diesem Stilmittel subtil auf die kulinarische Qualität der Monopol-Küche vorzubereiten.

Prompt haben wir heute Abend zu Hause gegessen.
So kann’s gehen.


13 August 2011

Die Höllenhunde der Hipness



Der neulich in einem Laden auf der Reeperbahn spontan und unter ermutigendem Beifall von Ms. Columbo gekaufte Sweater mit Reeperbahnschriftzug macht mir nicht nur Freude.

Im Büro fielen der Franke und Kramer beim Anblick der Jacke sofort gemeinsam über mich her, und zwar mit dem Killerargument, sie sei „nicht cool“. Außerdem, führten sie weiter aus, dürften so was nur Menschen außerhalb Hamburgs und keineswegs Kiezbewohner tragen, weil solch ein Schriftzug nämlich „touristisch“ sei.

Natürlich sind der Franke und Kramer die kings of cool und ihre Stiltipps von niederschmetternder Treffsicherheit. Es gibt praktisch keine einzige Entwicklung seit Ende des 30-jährigen Krieges, welche diese beiden nicht schon im Schnitt 13 Jahre im Voraus herablassend als irgendwann todsicher anstehende Massenmode vorausgesagt hätten.

Nein, diese beiden Trüffelschweine der Trendmühle, Propheten der Fashion, Windhunde des Massenwahns, Hohepriester des heißen Scheiß – kurz: diese unerschrockenen Höllenhunde der Hipness haben unablässig ihre Nasen derart tief im Arsch alles Angesagten, dass sie … Na gut: stopp.

Ihre Anwürfe perlten eh an mir ab wie Chihuahuapipi von einer doppeltimprägnierten Sympatexhose. „Im Gegensatz zu euch, meine Herren“, beschied ich diesen Kläffern, „will ich viel, viel lieber uncool sein als cool.“

Außerdem erlaubte ich mir die abschließende Belehrung, in einer gerechten Welt dürfte eine Reeperbahnjacke ausschließlich derjenige tragen, der auch auf dem Kiez lebte. Touristen und Möchtegerne hingegen müssten sich in jener Welt mit Jacken bescheiden, die mit Schriftzügen wie „Castrop-Rauxel“, „Bietigheim-Bissingen“ oder gar „Berlin“ gnadenlos die ganze Tristesse ihrer Herkunft enttarnten.

Ganz überzeugt schienen sie mir allerdings nicht. Ich hörte sie noch eine ganze Weile lachen hinter meinem Rücken.


12 August 2011

Doch kein Latte Malziato

Man ist total versaut. Total!

Nehmen wir als Beispiel für diese These wieder mal den berüchtigten „Backshop“: Der soll ja heutzutage eine Bäckerei bezeichnen und nicht etwa – was zudem viel interessanter wäre – einen Hehlerwarenverticker im Hinterhof.

Ähnlich verwirrend wirkt auf mich „Latte Astra“. Als ich heute im Herz von St. Pauli ein Schild mit dieser Aufschrift auf dem Tisch stehen sah, wunderte ich mich ernsthaft, wie das denn bloß zusammengehen solle.

Ich meine: Milch gemischt mit diesem sogenannten „Kultgetränk“, das hier auf dem Kiez, wo man es leider nicht besser weiß, seit Jahren als trinkbares Bier durchgeht, ohne dass der Schwindel auffliegt?

Der Franke juchzte natürlich vor Freude über meine Begriffsstutzigkeit. „Die meinen einen Meter Astra, Mensch!“, triumphierte er dank eines endemischen Gens, welches die Angehörigen seiner Ethnie sämtliche Äußerungen in Bezug auf Bier sofort und immer korrekt dechriffrieren lässt.

Natürlich, jetzt begriff ich es auch: Das Latte war die Latte!

Aber ich war eh auf Wein erpicht. Sie haben dort, im Herz von St. Pauli, einen schön fruchtigen Riesling, das sollte man gar nicht meinen.

10 August 2011

Pareidolie (12): Die Hackfresse



Von Blogleserin Astrid, die ebenfalls auf der Rückseite der Reeperbahn wohnt (aber auf der südlichen), erhielt ich kürzlich dieses schöne Pareidoliefoto.


Es zeigt ein recht griesgrämiges Labskausgesicht. Man könnte es auch, schrieb sie begleitend und völlig zu Recht, „Hackfresse“ nennen.

Oder auch essen, denn Labskaus schmeckt erschreckend gut. (Ja, es gab mal eine Zeit, da hätte ich mir das auch nicht geglaubt.)

08 August 2011

Kommt Zeit, kommt Karte





Beim Stöbern in biografischen Devotionalien stieß ich neulich auf diese vergilbte Bewertungspostkarte zum 1981er Gaststättenwettbewerb der Hauptstadt der DDR.

Ich hatte sie am 17. Oktober 1981 im Ostberliner Interhotel Unter den Linden nach einem betrüblichen Restaurantbesuch zwar ausgefüllt, aber nie abgeschickt. Warum, ist mir entfallen.

Jedenfalls war die Karte aus lappigem Papier wieder mit zurückgereist gen Westen, zu Hause in irgendeiner Schublade gelandet, vielfach mit mir umgezogen und schließlich 30 Jahre später wieder aufgetaucht, nämlich – wie erwähnt – neulich.

Adressat wäre einst die Tageszeitung Neues Deutschland gewesen, damals Honeckers offizieller Blockflötenchor. Bei einer Auflage von über einer Million Exemplaren repräsentierte das ND zu jener Zeit 99,21 Prozent aller Stimmen bei Volkskammerwahlen. Heute gehört die Zeitung mehrheitlich der Partei Die Linke, die bei Bundestagswahlen mit rund zehn Prozent Zuspruch rechnen darf; die Auflage des ND liegt bei knapp 37.000.


File under Bedeutungsverlust.

Als mir diese Postkarte jedenfalls neulich wieder in die Hände fiel, erschien mir die Idee recht charmant, sie nun doch noch abzuschicken. Der Gaststättenwettbewerb 1981 ist zwar höchstwahrscheinlich längst entschieden, ebenso wie die VEB Sachsenring Zwickau wohl mittlerweile den letzten Trabi ausgeliefert hat. Doch das Porto war bezahlt, warum also nicht auch endlich die zugehörige Dienstleistung abrufen?

Eine kleine Recherche ergab, dass sich adresstechnisch zumindest beim Neuen Deutschland nichts verändert hat. Die Zeitung hält immer noch unverdrossen am Franz-Mehring-Platz 1 die sozialistische Stellung. Das Hotel Unter den Linden hingegen wurde 2006 abgerissen; heute steht dort das
Upper Eastside Berlin.

Am vergangenen Freitag warf ich schließlich die Postkarte in den Briefkasten. Mehrere Fragen harrten seither einer Antwort. Würde die Deutsche Post AG als Rechtsnachfolgerin der DDR-Post das 1981 vorfinanzierte Porto auch 30 Jahre später noch als ausreichenden Obolus ansehen, um einen unterbezahlten Austräger loszuschicken? Wenn nicht, landete die Karte dann vielleicht mit einem „unzureichend frankiert“-Stempel bei meinen erstaunten Eltern auf dem Westerwald?

Und wenn doch: Würde das Neue Deutschland versuchen, mich nach 30 Jahren ausfindig zu machen? Schließlich herrscht storytechnisch gerade Sommerloch, da könnte so was Skurriles wie eine jetzt endlich eintreffende Meinung zum Gaststättenwettbewerb 1981 doch ganz interessant sein.

Gleich mehrere dieser Fragen sind inzwischen beantwortet, denn heute klingelte bei meinen Eltern auf dem Westerwald das Telefon. Das Neue Deutschland war dran, es bat um meinen Rückruf.


Mal schauen, ob sie die Geschichte auch dann noch interessant finden, wenn sie erfahren, dass die Postkarte keine 30 Jahre unterwegs war.

Sondern nur 0,008219178082192.


Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli Hamburg (54)



Dockland mit Aida Blu beim Wendemanöver

07 August 2011

Super weggekuckt



Als ich die Bäckerei in der Silbersackstraße betreten will, sehe ich im Augenwinkel einen jungen Mann mit Basecap, T-Shirt, knielangen Shorts und um die Hüfte gewickelter Jacke, der schräg gegenüber am Bauzaun lehnt und anscheinend sorgsam das Verrichten seiner Notdurft vorbereitet.

Der Gehweg ist hier durch die Baustelle sehr eng, wer jetzt an ihm vorbei möchte, wird Mühe haben, ihn nicht zu streifen. Einen Betrunkenen, der dabei ist, das Verrichten seiner Notdurft vorzubereiten, möchte man allerdings ungern streifen, man möchte ihm nicht mal nahekommen; es drohen Spritzer und anderes Ungemach.

Doch ich muss ja gar nicht an ihm vorbei, sondern Brötchen holen. Als ich die Bäckerei wieder verlasse, ist er immer noch da, und ich vermag es nicht zu vermeiden, ihn beim energischen Abschütteln der letzten Tropfen zu ertappen. Er malträtiert sein Gemächt sogar mit einer Verve, die man mit etwas gutem Willen als quasionanistisch deuten könnte. Ich nehme mein Fahrrad, schiebe es vorsichtig an ihm vorbei und steige auf.


„Du hast grad super weggekuckt!“, brüllt er plötzlich hinter mir her. „Super, wie du grad weggekuckt hast! ARSCH! FOTZE!“

Dem Mann scheint ohne Zweifel im Lauf seines Lebens das richtige Gespür für Umgangsformen ebenso abhanden gekommen zu sein wie ein treffsicheres Urteil über die anatomischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Viel bedauerlicher aber ist, mit welcher Nonchalance er der Welt freiwillig etwas vor die Füße und in den Dreck von letzter Nacht wirft, was ihm sogar das Grundgesetz als unantastbar garantiert: seine Würde.

Wenn ich solchen Menschen begegne – und das passiert auf dem Kiez leider öfter, als mir lieb ist –, frage ich mich immer, wie sie im Alltag leben. Wie sie lieben, diskutieren, wer sie mag und aus welchen Gründen, wie sie als Kinder waren, ob sie mal Lokführer werden wollten, wann sie zuletzt geweint haben.

Solche Sachen frage ich mich. Und was im Lauf ihres Erwachsenwerdens passiert sein muss, dass sie heute nichts mehr dabei finden, ihren Schniedel öffentlich abzuschütteln und dabei Zufallszeugen „Arsch!“ und „Fotze!“ hinterherzurufen. Nicht für alles ist der gute, alte Alkohol verantwortlich.

Warum mir gerade jetzt die iPhone-App „Verbrechen“ einfällt, die für den Kiez eine erkleckliche Anzahl von Tatorten ausflaggt (Foto), weiß ich trotzdem nicht genau.

Wahrscheinlich Zufall.

06 August 2011

Schock, Wurst und Karaoke



Ms. Columbo sagt immer, im Stadion fehlten ihr die Zeitlupen. Grundsätzlich hat sie Recht, doch manchmal ist die Zeitlupe auch ein Fluch.

Im Millerntorstadion nämlich, von
Haupttribüne Block H3 aus, hatte ich zwar gesehen, dass Marius Ebbers gestürzt, verletzt und ausgewechselt worden war, doch dass sein Arm beim Aufprall in die falsche Richtung abknickte, enthüllte in seiner ganzen Schrecklichkeit erst das Fernsehen. „Die ham auch nur eine Wiedäholung gezeicht“, erzählte mir hinterher ein St.-Pauli-Fan in der Domschänke. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir den Pfand für den zufällig erwischten Marius-Ebbers-Bierbecher längst zurückgeholt, was ich im Nachhinein bedauere.

Nach dem so glücklichen wie euphorisierenden 3:1 über Aachen radelte ich nach Eimsbüttel, wo der Franke uns zur Liveübertragung des Spiels Dortmund-HSV Brat- und Weißwürste servierte, was ich nutzte, um Letztere fachgerecht zu zutzeln, als wäre ich ein Bayer. Gegen Mitternacht ging es dann gen Großen Freiheit, wo die Quasibestsellerautorin Jutta in einer Thaibar Karaoke sang.

Ein Programm, das man in seiner Gesamtheit weltweit so nur in Hamburg zu absolvieren in der Lage ist, und ich würde mich auf Berlins Küchentisch stellen und diese Behauptung wiederholen. Und auf Münchens sowieso.

04 August 2011

Der totale Grieg

Kindischkeit kennt keine Grenzen – zumindest nicht, wenn man das Vergnügen hat, schwüle Sommerabende mit German Psycho zu verbringen.

Vor Rosi’s Bar (Foto: das Hinterzimmer) am Hamburger Berg saßen wir heute in illustrer Runde im Freien, als mal wieder das Gespräch auf unsere überhaupt nicht heimliche Vorliebe für Kalauer und von da aus eins zum andern kam.

„Sagen Sie mal einen Satz mit Ätna und Vesuv“, forderte der stets zu Scherzen aufgelegte Twitterkönig mich bereits nach drei Flaschen Jever rhetorisch auf – und lieferte den Satz sogleich selber ab, wie es sich für bloß rhetorische Aufforderungen ja auch gehört: „Ich komm in ätna ner halben Stunde zu Vesuv“, sagte er.

Mit solchem Hirnriss kann man mein Herz jederzeit zum Juchzen und Jubilieren bringen – und nicht nur deshalb, weil Ms. Columbo und ich noch in diesem Jahr beiden Vulkanen unsere Aufwartung zu machen gedenken.

Ich hatte natürlich keinerlei Hoffnung, mit dem einzigen Satz dieser Couleur, den ich auswendig und unfallfrei hersagen kann, erfolgreich kontern zu können, nämlich jenem berühmt-berüchtigten mit Bochum und Köln.

Trotzdem wagte ich es; schließlich hielten wir uns in St. Pauli auf, einem Viertel, wo Schamlosigkeit gleichsam als Zugangsvoraussetzung gilt. „Er boch um die Ecke“, sagte ich vollkommen erwartungslos zu ihm, „um zu pinköln.“

Ein Ding mit Osamabart, das wahrscheinlich bereits in den 80er Jahren so abgedroschen war wie momentan jede beliebige rhetorische Frage von Heiner Geißler, doch siehe da: German Psycho, dieser Eigentlichalleswisser, wieherte unversehens auf eine Weise los, wie man nur beim Erstkontakt mit solchem Blödsinn loszuwiehern in der Lage ist.

Ich war erfreut. Vielleicht bedeutet das einen echten Wendepunkt in meiner Karriere als Tischunterhalter. Vielleicht steht sie unmittelbar bevor, die Renaissance meines kümmerlichen Repertoires an Witzen, von deren genereller Ranzigkeit ich bis heute Abend ebenso felsenfest überzeugt war wie davon, dass „der totale Grieg“ nichts weiter bezeichnet als das Gesamtwerk eines norwegischen Komponisten.

Wie man sich täuschen kann.

03 August 2011

Fundstücke (145)



1. Irgendetwas sagt mir, dass man ruhig und gelassen in diese Villa an der Elbchaussee einbrechen kann, ohne je von einem Hund belästigt zu werden. (Ohne Gewähr)



2. Der tägliche Blogbesucherschnitt hat zurzeit etwas Bedrohliches. Dabei fällt mir naheliegenderweise die Apokalypse ein – und eine Überlegung, die an dieser Stelle einmal geäußert werden sollte: Das Tragische an den zahlreichen Prophezeihungen des Weltuntergangs ist nicht die Tatsache, dass er in der Tat irgendwann kommt, sondern dass ausgerechnet derjenige, der mit seiner Voraussage richtig lag, seinen Erfolg nicht mehr auskosten kann. (Gut, vielleicht ist der Weltuntergang selbst doch noch tragischer.)



3. Bin ich schon paranoid, wenn es mir ein mulmiges Gefühl bereitet, dass der Googlebot sich seit über anderthalb Stunden in mein Blog hineinfrisst? Andererseits bedeutet ja bekanntlich die Tatsache, dass du Paranoiker bist, noch lange nicht, dass du definitiv nicht verfolgt wirst.


4.
Mist, mit der beheizten Fußstütze MAUL 90250 hätte ich doch einen Tick früher zur Kasse gehen sollen.


5. Google Latitude hat mich gerade faul genannt! Außerdem deprimiert es mich.


02 August 2011

Bedingt blogfähig



Der kulinarisch opulente Abend in Tim Mälzers Restaurant Bullerei, zu dem die Plattenfirma zwecks Einführung eines neuen Künstlers geladen hatte, gehört zu jenen, die zwangsläufig in partieller Blogunfähigkeit enden.

Und nein, das liegt nicht in erster Linie an Mälzers medium gebratenem Rinderfilet Wellington.

Das Foto zeigt übrigens das komplette Instrumentarium des Künstlers, der sich Der Polar nennt. Sie werden noch viel von ihm hören.

01 August 2011

Von Franken bedroht



Beim 0:10 des Eimsbütteler TV im Pokal gegen Greuther Fürth fotografierte ich ein wenig vor mich hin, darunter auch den fleißig sich zugunsten seines Teams echauffierenden Fanblock der Franken – einem Volksstamm, zu dem ich ja, wie Stammleser wissen, eine von kopfschüttelnder Zuneigung geprägte Beziehung pflege.


Bis jetzt.


Denn p
lötzlich stand ein ebenso langer wie missmutiger Kapuzenfürther vor mir und verlangte das sofortige Löschen des Bildes. Ich beschied das augenblicklich und mit spontan aufflammender Empörung abschlägig, woraufhin er glaubte, mir wenigstens weitere Bilder untersagen zu müssen. „Die wollen nicht fotografiert werden“, sagte er knapp.

Mein Hinweis auf das halbe Dutzend Fernsehkameras, welches fleißig dabei war, unablässig Bilder von Spielern und Zuschauern zu produzieren und sie frecherweise auch noch in alle Welt hinaus zu SENDEN, stieß bei diesem Menschen auf gänzlich taube Ohren. Ich versuchte meine Argumentation noch mit einem frei rezitierten Paragrafen aus dem Kunsturheberrechtsgesetz (KUG) zu unterfüttern, welcher besagt, dass auf öffentlichen Veranstaltungen zustimmungsfrei Aufnahmen in die Menge hinein gemacht werden dürfen.

„Sie werden schon sehen“, rief er daraufhin mit einem drohenden Unterton, den ich von dieser gemeinhin friedfertigen und eher der Sättigungsherstellung zugetanen Ethnie nicht erwartete hätte, „was dann passiert!“ Inzwischen waren zwei weitere Kapos mit grünen Schals hinzugetreten, die sich beeilten, mir eine ähnliche Botschaft zu übermitteln.

Das lächerliches Ansinnen dieser anscheinend in Nordkorea fehlausgebildeten Frankenkamarilla wurde mir zunehmend lästig und ich suchte Beistand bei einem Ordner. Immerhin waren wir hier mitten in Hamburg, und die offenkundige Generösität, mit der die hiesige Ausländerbehörde den Fürthern Besuchsvisa ausgestellt hatte, durfte, wie ich fand, nicht zu körperlichen Schäden bei der einheimischen Bevölkerung führen, nur weil sie etwas tat, was auch das Fernsehen tat.



Doch auch der Ordner faselte etwas vom „Recht am persönlichen Bild“, woraufhin ich nun auch ihm frei den KUG-Paragrafen vorzitierte. Er lächelte das allerdings mit dem Argument weg, die Franken um uns herum seien sonder Zahl und zudem betrunken.

„Sie wollen mich also nicht schützen?“, fragte ich ihn verwundert. „Nun“, sagte er, „ich MUSS Sie schützen. Aber …“ Und dann zuckte er auf eine joviale Art mit den Schultern, die mich daran zweifeln ließ, ob er überhaupt willens wäre, mich bei Bedarf wieder aus den Klauen von Kim Il-sungs fünfter Kolonne zu befreien.

Warum die Greuther Fürther oder Fürther Greuther (wie heißt das eigentlich richtig?) ausgerechnet von mir nicht fotografiert werden wollten, blieb übrigens bis zum 0:10 im Dunkeln. Vielleicht gibt uns Michael Rudolfs luzides Meisterwerk „Schrumpft die Bundesrepublik!“ einen interessanten Hinweis. Der selbst der thüringischen Krume entsprossene Autor deutet auf S. 45 ff. an, die Franken pflanzten sich dank des bestürzenden Aussehens vor allem ihrer weiblichen Stammesangehörigen nicht durch gemeinhin übliche Tätigkeiten fort, sondern durch Knospung.

Dass man unter diesen Umständen nicht fotografiert werden will, ist sehr verständlich. Man hätte es mir einfach nur sagen müssen.


PS: Wie der Fotovergleich zeigt, kann man Rudolfs These bei Sky (o.) übrigens erheblich besser überprüfen als bei mir.

30 Juli 2011

Pareidolie (11)



Vor allem Mülltonnen legen sich mächtig ins Zeug, um in meiner Pareidolieserie aufzutauchen. Heute hat es schon wieder geklappt.

Entdeckt am Nobistor.


29 Juli 2011

Sieben Minuten extra

Manchmal, wenn ich wieder mal herumtorkelnde Wochenendfeierbiester (Ursache: siehe Foto) über den Kiez mäandern sehe, begegne ich ihnen mit Milde und Nachsicht, und zwar aus historisch-politischen Gründen.

Denn mal ehrlich: In diesem Zustand wäre es uns Deutschen niemals gelungen, Polen zu erobern, und auch zum Überfall auf die UdSSR hätte uns zweifelsohne die nötige Körperspannung gefehlt. Sage also noch einer, Alkohol wirke nicht segensreich!

Selbstvergessene Geschwätzigkeit tut das übrigens auch, wie mir unlängst klar wurde, als ich unter den heilenden Händen meiner attraktiven Physiotherapeutin mal wieder die lediglich 20 Behandlungsminuten viel zu schnell dahinschwinden sah. Zum Glück aber – ich weiß gar nicht mehr, wie wir darauf kamen – begann sie mir von den Abenteuern eines halbjährigen Südamerikatrips zu berichten.

Durch gezieltes (und nicht mal geheucheltes) interessiertes Nachfragen vermochte ich ihre anschaulichen Schilderungen immer tiefer in die glorreichen Gefilde des Detailreichtums hineinzumanövrieren, während sie gleichsam auf Autopilot weiter nebenbei professionelle physiotherapeutische Arbeit ablieferte.

Irgendwann hörte ich die unheilvollen Glocken des Michels 18 Uhr läuten, was zufällig mit dem designierten Ende des Therapiezwanzigminüters zusammenfiel, doch die Gute war dermaßen im Erzählfluss, dass sie mit nostalgisch verklärten Augen auch noch diesen Raub und jene Schießerei erwähnte sowie das nächtliche Stranden auf einer ungesicherten Andenpassstraße.

Am Ende war ich durch diese überraschenden Umstände in den Genuss von sieben (!) Extraminuten gekommen – und bin damit sicherlich einer der Hauptschuldigen an der immer breiter klaffenden Deckungslücke im deutschen Gesundheitssystem.

Dennoch sollten Sie mir möglichst mit Milde und Nachsicht begegnen, wegen mir auch aus historisch-politischen Gründen, das ist mir aber so was von egal.

27 Juli 2011

Fundstücke (144)



1. Ein Ramschladen in Treysa schafft es, das eh als Synoym für billig und schlecht etablierte Wort „Mäc“ mit einer allgemein diskreditierten Charaktereigenschaft noch einmal kräftig aufzumotzen. Was der Laden damit über das Wesen seines Zielpublikums aussagt, müsste eigentlich dazu führen, dass kein Einwohner mehr dort einkauft. Dennoch waren einige Flaneure zwischen den Regalen zu entdecken, als wir … hüstel … den Laden betraten.



2. Dem Restaurant Zur Sonne im Herzen der Marburger Altstadt sind die Tageszeiten verrutscht – oder die Gerichte. Jedenfalls gibt es ausschließlich morgens unter keinen Umständen ein Bauernfrühstück.



3. So ist ein misslungener Werbespruch doch noch zu etwas gut. Entdeckt in der Clemens-Schultz-Straße auf St. Pauli.



4. Beinah wäre dieses Geschäft in den Zeisehallen wegen Geschlechterdiskriminierung vor Gericht gelandet. Ein Edding verhinderte in letzter Sekunde das Unglück. Ob man dort allerdings wirklich gewillt ist, auch einen Mann an die Nähmaschine zu lassen, ist eine andere Frage.



5. Immer, wenn ich dem Spiegel ein Sprachunglück maile, das ich im Spiegel selbst entdeckt habe, verzichtet er darauf, es in seiner Hohlspiegelrubrik zu dokumentieren. Mit dem postmortal noch immer durch die Welt wankenden Kippenberger war ich mir meines Erfolges im Grunde sehr sicher. Und was geschah? Wieder nichts. Echt hohl, der Spiegel.

25 Juli 2011

Dialog mit meinem Hausarzt

Matt: Irgendwas ist immer. Echt.
Doktor
(50+): Wissen Sie, der 50. Geburtstag ist ein entscheidender Wendepunkt im Leben eines Mannes.
Matt
: Aha.

Doktor
: Ich will nicht unken, aber da kommt noch mehr.
Matt
: Oh …

Doktor
: Ich bin ja ein Schwein. Ich sage meinen Patienten immer: Warum soll es Ihnen besser gehen als mir?


(Das Symbolfoto zeigt Liftknöpfe im Amtsgericht in der Caffamacherreihe.)

24 Juli 2011

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (51)



Also wenn ich als Deutsche Bank schon die Filiale an der Reeperbahn dichtmache und den Kiez quasi sich selbst überlasse wie General Motors Detroit, dann sorge ich auch dafür, dass mein alter „Tag-Nachttresor“ tunlichst mit wegzieht.

So signalisiert er der Welt noch immer, beim abgebildeten Hauseingang handele es sich um eine Deutsche-Bank-Filiale, und das kann niemand wollen, höchstens Ackermann oder die Haspa ein paar Häuser weiter.

Oder ist das etwa doch noch eine Deutsche-Bank-Filiale …?
Dann will ich nichts gesagt haben.