
Mit den Worten „Weißt du, wo wir heute Mittag essen gehen?“ stürmt der Franke freudestrahlend mein Büro. „Bei den Due Baristi!“
Ich starre ihn mit einem Blick an, der von außen sicherlich dumpfe Verständnislosigkeit ausdrückt, doch noch ehe ich sagen kann: „Franke, bist du zu allem Überfluss jetzt auch noch geografisch völlig desorientiert? Die Due Baristi sitzen in Eimsbüttel!“, platzt er auch schon mit einer aus Frankensicht genialen Auflösung des Rätsels heraus.
„Wir fahren mit nem Smart von car2go!“, strahlt er so stolz, als hätte er gerade die Mettwurst erfunden, und schon stehen wir in der Bahrenfelder Straße und versuchen dieses idiotische Vorhaben in die Tat umzusetzen. Der Franke nämlich hat sich neulich bei diesem Projekt angemeldet, aber bisher noch keine Gelegenheit gehabt, es auszuprobieren. car2go heißt: Überall in der Stadt stehen herrenlose Smarts herum, die man mit einer entsprechenden Chipkarte einfach entern, bewegen und irgendwo wieder herrenlos herumstehen lassen kann; bezahlen muss man lediglich die reine Fahrzeit, und zwar mit 29 Cent pro Minute.
Also auf zu den Due Baristi. Der Franke hält seinen Chip an die Scheibe. Allerdings muckt der Smart. Er behauptet via Display, er sei nicht frei. „Gibt’s doch nicht“, flucht der Franke, „wenn er hier herumsteht, muss er auch frei sein!“ Sagt zumindest die Theorie von car2go. Die Alternative wäre ein Brecheisen, doch zum Glück steht nur zwölf Meter weiter schon der nächste.
Ich halte auf Anweisung des Franken mein iPhone bereit, um vorm Losfahren eventuelle Schäden an diesem Ei auf vier Rädern zu dokumentieren. Ist aber nichts, nur Vogeldreck. Diesmal ziert sich der Smart nicht, die Türen lassen sich öffnen, wir steigen ein. Anschnallen und los geht’s. Sollte es wenigstens.
„Nun gib schon deine PIN ein“, verlange ich mit Blick auf das entsprechende Display vom Franken, denn der Mittagspausencountdown tickt unerbittlich herunter, und die Due Baristi werden schließlich auch nicht gleich springen, nur weil zwei Irre aus Altona mit einem Smart vorfahren und ein schmackhaftes Mittagessen verlangen, aber pronto.
„Äh, welche PIN?“, staunt der Franke, „ach ja, die PIN … Wie war die noch mal?“
Ich starre ihn mit einem Blick an, der von außen sicherlich vorwurfsvollen Spott ausdrückt, doch noch ehe ich sagen kann: „Franke, bist du zu allem Überfluss jetzt auch noch kognitiv völlig desorientiert? Gib endlich hier auf diesem Monitorchen deine car2go-PIN ein!“, patscht er auch schon mit seinen Frankenpranken darauf herum.
Es kommt eine Fehlermeldung.
„Hm, wie war die PIN noch mal?“, sinniert er vor sich hin und startet schon den zweiten Versuch. Fehlermeldung. Auf dem Display steht: „Sie haben nur noch einen Versuch!“ Ich schnalle mich seufzend schon mal ab.
„Ich dachte, ich hätte …“, murmelt der Franke, „… oder habe ich das Geburtsdatum meiner Mutter … Wo könnte ich mir die PIN denn notiert haben … Online müsste ich die doch abrufen können … Oder stehen da nur Sternchen?“
So brabbelt er vor sich und mich hin, während ich mir mit leerem Blick das Treiben auf der Bahrenfelder Straße anschaue. Einen dritten Versuch traut der Franke sich nicht zu. Es ist ein wenig wie in diesen Actionfilmen, in denen sich Bruce Willis immer zwischen dem roten und dem blauen Draht entscheiden muss.
Man kann in einem solchen Fall natürlich auch einfach weggehen. Wie wir. Und zwar zum asiatischen Bistro gegenüber.
Ich glaube, ich melde mich auch bei Car2go an. Scheint ja ein ganz sinniges Prinzip zu sein – sofern man seine Tassen noch alle im Schrank hat bzw. die PIN im Kopf.
Was ich mir zutraue.
Foto: car2go
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