Habe morgens um viertel nach zehn einen Termin auf der Führerscheinstelle in Hammberbrook, weil ich endlich den grauen Lappen loswerden will, von dem mich seit Äonen ein fremder verpickelter Teenager anblickt.
Ich trudle 25 Minuten zu früh ein,
Ich bin der einzige Kunde und nehme auf einem der bereitgestellten Drahtstühle Platz. Ab und zu gongt es leise, wenn wieder mal eine Nummer dran wäre, die niemand je gezogen hat. Die Displayarmada über den Flurtüren sagt in Neonrot Sachen wie „305 Raum 107“ oder „308 Raum 103“ ins menschenleere Nichts des Flurs. Ich lese derweil Spiegel.
Bald tritt eine Beamtin aus ihrem Büro und fragt: „Haben Sie einen Termin?“ „Ja, um viertel nach zehn.“ Sie blickt hoch zur Fluruhr. „Na, das ist ja noch ein bisschen zu früh“, bedauert sie aufrichtig und geht zurück an ihren Schreibtisch, ohne Beschäftigung auch nur zu simulieren.
Nirgends klingeln Telefone. Ab und zu huscht jemand in gespielter Eile durch den Flur, doch es ist nie ein Kunde.
Einige Minuten später, es ist jetzt bereits zehn Uhr, betritt eine andere Beamtin den Gang und fragt die gleiche Frage wie ihre Kollegin von vorhin: „Haben Sie einen Termin?“ „Ja, um viertel nach zehn.“ Sie schaut auf die Uhr und sagt: „Das ist aber noch ein bisschen früh.“
Dann geht sie zurück ins Büro, wo sie sich vor ihren Monitor setzt. Die Finger legt sie auf der Tastatur ab, als wären es Gänsefedern. In leichtem Schlummer lassen sie tatenlos weiter die Zeit runterticken, Pfingsten entgegen.
Um sechs nach zehn, also neun Minuten vorm vereinbarten Termin, kommt die erste Beamtin erneut aus ihrem Büro. „Sie können reinkommen“, lächelt sie mir zu. „Ich glaube, das ist jetzt in Ordnung so.“
Um halb elf fahre ich zurück nach St. Pauli.
Zurück ins Leben.
PS: Das Foto zeigt ebenfalls einen menschenleeren Gang, aber nicht den der Führerscheinstelle, sondern den erheblich prunkvolleren der Galleria Große Bleichen. Das muss man mir bitte nachsehen.