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23 Juni 2009
Gentrifizierung oder Der Müll, die Stadt und der Kot
In Schanze und St. Pauli gibt es eine immer wütendere Protestbewegung gegen Gentrifizierung, also die Luxussanierung von Altbauwohnungen. Nach Um- oder gar Neubau kann sich eine neue kapitalkräfige Klientel in 120-Quadratmeter-Pitchpine-Lofts verlustigen und wohlig erschaudernd die nahe Gefahr des Rotlichtviertels imaginieren, während alteingesessene St. Paulianer mangels Moneten wegziehen müssen nach Billstedt.
Mit diesem zu Recht bekämpften Phänomen geht eine erschreckende „Lattemacchiatisierung“ einher. Überall eröffnen gerade schicke Cafés für die 120-Quadratmeter-Pitchpine-Loftbewohner, und zwar genau da, wo früher ranzige Spelunken einen Hauch von Kotze und Abenteuer verströmten. Ich meine: Inzwischen gibt es hier sogar Naturheilpraxen! Aber auch überall Aufkleber der Protestbewegung, die den Widerstand mobilisieren sollen.
Auf einem steht „Get out yuppiescum! Schanze bleibt dreckig“, und das gefällt mir nicht. Ehe ich aber zu den Gründen meines Missbehagens komme, muss ich noch einen Schlenker machen.
Wir leben seit 14 Jahren in unserer heruntergekommenen Vierzimmerwohung von 1901, das Parkett ist schäbig, der achtfach überstrichene Stuck nur noch halb da, die Starkstromleitungen für die Nachtspeicheröfen liegen überm Putz, und hinter den Regalen sitzt der Muff von hundert Jahren.
Klar, wir könnten anfangen herumzurenovieren, doch ganz abgesehen von unseren insgesamt vier linken Händen wäre das alles ein Fass ohne Boden. Also bleibt alles, wie es ist. Und warum auch nicht? Die Wohnung ist auf eine denkbar gemütliche Art verfallen, nirgends gibt es Schimmel, und jedes Wochenende wird sie geputzt und gesaugt (nur nicht hinter den Regalen).
Sie ist alt, recht günstig für ihre Größe, und in den meisten Räumen könnte man vom Boden essen, zumindest sonntags nach dem Großreinemachen. Und wenn man sie verlässt und hinausgeht ins Viertel, auf die Reeperbahn oder zur Schanze – jetzt endet der Schlenker –, stößt man auf Antigentrifizierungsaufkleber, die „Get out yuppiescum! Schanze bleibt dreckig“ fordern.
Das gefällt mir nicht, auch wenn ich von Lattemacchiatisierung und Naturheilpraxen so viel halte wie Benedikt XVI. von Gangbangs. Und zwar aus zweierlei Gründen.
Zum einen nennt man in Deutschland Menschen nicht mehr „Abschaum“, nie mehr; selbst Yuppies nicht. Und zum anderen vermag ich selbst als Bewohner einer heruntergekommenen Jugendstilwohnung die normative Bejahung von Dreck nicht nachzuvollziehen, weder ratio- noch emotional.
Ehrlich gesagt kenne ich keinen einzigen St. Paulianer, der versonnen vor Glück die Nüstern bläht, wenn es in einer Kiezecke mal wieder nach Urin oder Schlimmerem stinkt. Ich kenne keinen, der Blutlachen als Folklore glorifiziert. Und niemand, der den sonntagabendlichen Müllmix aus Dönerschachteln, Pommesresten, Menschen- und Hundekacke, zweckdienlich benutzten Kondomen und Scherbensalat als zivilisatorische Errungenschaft feiert.
Kurz: Wer Bevölkerungsgruppen als Abschaum verdinglicht (der doch dann zweifellos auch ethnisch gesäubert werden müsste, nicht wahr?), während er zugleich Schmutz und Verfall als erhaltenswerte Ziele preist, der hat meine Sympathien nicht.
Außerdem hat die blöde Gentrifizierung auch ihre Ästhetik – wie man an der Abendsonne sieht, die den Yuppiegötzentempel schlechthin, das Nobelhotel Empire Riverside in der Davidstraße, erheblich öfter liebkost, als es den Abschäumern lieb sein dürfte.
21 Juni 2009
Gesichtszwillinge (23)
Nicht mal mehr beim Aufspüren bisher unentdeckter Gesichtszwillinge schafft man es heutzutage noch, der weltweit Erste zu sein.
Das spanische Weblog Poprosa hat mir, wie ich muffig feststellen muss, bereits im September 2008 die schöne Kombi Bianca Jagger/Michael Jackson weggenommen.
Das ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass die 59-jährige Jagger dem bald 51-jährigen Jacko physiognomisch vorauseilt. Er kann also immer genau sehen, wie er in acht Jahren aussehen wird.
Beruhigend für ihn: Sein Teint wird zunehmend gesünder.
20 Juni 2009
Fundstücke (51)
Dieser Blindtext aus dem Stehsatz ist wahrscheinlich die wahrste Aussage, die je in der Mopo stand.
Wir fanden sie in der Ausgabe von heute, und sie ist nur ein Beispiel für Schlampigkeiten in allen Bereichen, die wir leider schon wieder mal mit 60 Cent subventioniert haben.
Ein Mopo-Watchblog wäre wahrscheinlich genauso ergiebig wie das Bildblog. Aber man lebt ja nur einmal.
Wir fanden sie in der Ausgabe von heute, und sie ist nur ein Beispiel für Schlampigkeiten in allen Bereichen, die wir leider schon wieder mal mit 60 Cent subventioniert haben.
Ein Mopo-Watchblog wäre wahrscheinlich genauso ergiebig wie das Bildblog. Aber man lebt ja nur einmal.
19 Juni 2009
Zensur hat (k)ein Imageproblem
Wer gestern wie abstimmte übers buchstäblich bahnbrechende Zensurgesetz, das kann man heute beim ZDF-Parlameter nachlesen.
Einige Details sind hochinteressant. So gibt es innerhalb der 190-köpfigen SPD-Fraktion nur drei Abgeordnete, die gegen den Entwurf stimmten. Und einer davon ist – sieh an, sieh an – der im Frühjahr verhaltensauffällig gewordene Jörg Tauss (unten r.).
Wir erinnern uns: Der Karlsruher Parlamentarier verlor seine Immunität und musste alle SPD-Ämter niederlegen, nachdem die Staatsanwaltschaft bei ihm kinderpornografisches Material entdeckt hatte. Sein Bundestagsmandat behielt Tauss jedoch – und nutzte es gestern, um gegen die virtuellen „Stopp“-Schilder zu stimmen, die uns den Zugang zu Päderastenseiten erschweren sollen. Schön, dass aus ihm nun ein aufrechter Kämpfer gegen die Zensur geworden ist.
Während Tauss in seiner Fraktion immerhin noch zwei Gleichgesinnte fand, ist CDU-Mann Jochen Borchert der Einsamste von allen, nämlich das einzige schwarze Schaf unter 223 Schwarzen. Von der kompletten CDU votierte allein Borchert gegen die Machenschaften seiner Parteifreundin Zensursula.
Das muss nicht unbedingt am Demokratieverständnis oder dem empfindsamen Gewissen des Ex-Landwirtschaftsministers liegen, sondern kann auch ganz handfeste familiäre Hintergründe haben. Denn er ist der Vater von Katharina Borchert, einst als „Lyssa“ die bekannteste Bloggerin der Republik und jetzt Onlinechefin der WAZ. Und Lyssa hat Papa Jochen womöglich vorher eingenordet.
Solch einen Coach hätten auch die Linken Lothar Bisky und Oskar Lafontaine gebrauchen können. Beide konnten sich nicht zu einer Ablehnung des Gesetzes aufraffen, sondern blieben lieber fern. Vielleicht eine kleine nostalgische Hommage an alte SED-Zeiten, als das Wort „Zensur“ noch nicht so ein schreckliches Imageproblem hatte wie heute.
18 Juni 2009
Ohne Worte (46): Eine sympathische Firma
17 Juni 2009
In Teufels … äh … Brünos Namen
Als ich den Vorraum betrete, stehe ich unversehens vor zwei Männern, die in uniformen blauen Anzügen stecken. Ihre Münder haben schon lange kein Lächeln mehr geformt, das sieht man sofort.
Sie fordern mich in knappen Worten auf, mein Handy, die Kamera und meine Umhängetasche abzugeben. Es ist sonst einfach zu gefährlich.
Ich erhalte für jedes Teil eine metallene Marke mit einer Nummer drauf. Es ist wohl besser, sie nicht zu verlieren, sonst adieu, liebe Gadgets.
Überall hängen riesige Warnschilder. Eins davon nennt mich einen potenziellen Verbrecher. Ein anderes informiert darüber, dass wir alle für die nächsten anderthalb Stunden mit einem Nachtsichtgerät beobachtet werden.
Ich werde an einen Tresen gebeten, wo mir eine Einverständniserklärung ausgehändigt wird. Ich muss bestätigen, nicht vor dem 6. Juli über das zu berichten, was ich gleich erleben werde. Nachher, beim Rausgehen, heißt es, solle ich diese Einverständniserklärung unterschrieben abgeben.
Endlich nähern sich die stalinistischen Formalitäten ihrem Ende. So sieht es zumindest aus. Ich bewege mich Richtung Saal, wo es gleich geschehen wird. Allerdings stoppen mich zwei weitere schmallippige Männer in Blau. Einer davon fasst mir umstandslos zwischen die Beine.
Dann zückt er ein phallisches Gerät, mit dem er mir unangenehm nah am Körper herumfuchtelt. Der Phallus piept aufgeregt, und der Mann runzelt vorwurfsvoll die Stirn. Er wird immer handgreiflicher.
Mein Schlüsselbund ist schuld am Piepen. Und danach der Metallknopf an meiner Geldbörse. Ich fühle mich nackt und gedemütigt. Damals, beim Grenzübergang Friedrichstraße in Berlin (Hauptstadt der DDR), war es ähnlich, nur trugen die Typen da auch Mützen und hatten Orden oder so was am Revers. Und einen Phallus höchstens in der Hose.
Endlich bin ich durch und kann den Saal betreten. Der Mann mit dem Nachtsichtgerät geht in Position. Das Licht erlischt, der Vorhang geht auf. Und dann beginnt sie endlich:
die Pressevorstellung von Sacha Baron Cohens neuem Film „Brüno“.
Später schleiche ich aus dem Kino wie ein Dieb, mit der Einverständniserklärung in der hinteren Jeanstasche. Ein Sieg über den eisernen Vorhang der Filmindustrie, und das 20 Jahre nach dem Mauerfall.
Ein bitterschöner Tag.
Sie fordern mich in knappen Worten auf, mein Handy, die Kamera und meine Umhängetasche abzugeben. Es ist sonst einfach zu gefährlich.
Ich erhalte für jedes Teil eine metallene Marke mit einer Nummer drauf. Es ist wohl besser, sie nicht zu verlieren, sonst adieu, liebe Gadgets.
Überall hängen riesige Warnschilder. Eins davon nennt mich einen potenziellen Verbrecher. Ein anderes informiert darüber, dass wir alle für die nächsten anderthalb Stunden mit einem Nachtsichtgerät beobachtet werden.
Ich werde an einen Tresen gebeten, wo mir eine Einverständniserklärung ausgehändigt wird. Ich muss bestätigen, nicht vor dem 6. Juli über das zu berichten, was ich gleich erleben werde. Nachher, beim Rausgehen, heißt es, solle ich diese Einverständniserklärung unterschrieben abgeben.
Endlich nähern sich die stalinistischen Formalitäten ihrem Ende. So sieht es zumindest aus. Ich bewege mich Richtung Saal, wo es gleich geschehen wird. Allerdings stoppen mich zwei weitere schmallippige Männer in Blau. Einer davon fasst mir umstandslos zwischen die Beine.
Dann zückt er ein phallisches Gerät, mit dem er mir unangenehm nah am Körper herumfuchtelt. Der Phallus piept aufgeregt, und der Mann runzelt vorwurfsvoll die Stirn. Er wird immer handgreiflicher.
Mein Schlüsselbund ist schuld am Piepen. Und danach der Metallknopf an meiner Geldbörse. Ich fühle mich nackt und gedemütigt. Damals, beim Grenzübergang Friedrichstraße in Berlin (Hauptstadt der DDR), war es ähnlich, nur trugen die Typen da auch Mützen und hatten Orden oder so was am Revers. Und einen Phallus höchstens in der Hose.
Endlich bin ich durch und kann den Saal betreten. Der Mann mit dem Nachtsichtgerät geht in Position. Das Licht erlischt, der Vorhang geht auf. Und dann beginnt sie endlich:
die Pressevorstellung von Sacha Baron Cohens neuem Film „Brüno“.
Später schleiche ich aus dem Kino wie ein Dieb, mit der Einverständniserklärung in der hinteren Jeanstasche. Ein Sieg über den eisernen Vorhang der Filmindustrie, und das 20 Jahre nach dem Mauerfall.
Ein bitterschöner Tag.
16 Juni 2009
Fast wie beim Abi
Okay, wer anhand der abgebildeten Infografik herausfindet, an welchem schönen Junitag Udo Vetter einen Eintrag von mir verlinkt hat, bekommt eine insgeheime Belobigung mit Gedankenschleifchen.
15 Juni 2009
Emanzipation hat noch immer Luft nach oben
Der gelbe DHL-Transporter parkte in der Brigittenstraße. Auf die Fahrerseite hatte der zwangsprivatisierte Paketbote den abgebildeten Appell gepappt, und davon fühlte ich mich sofort diskriminiert.
Klar, sein Gemütszustand ist völlig zu Recht von verzweifelter Genervtheit geprägt. Doch warum wendet der Mann sich nur an Männer? Was hat der Chauvi für ein Feind- und was für ein Frauenbild? Denkt er etwa, alle Weiber wären Tussis außer Mutti und hantierten nur mit Lippenstift und Nudelholz und nie mit der Farbdose?
Also, wäre ich eine Frau, ich sprayte dem Kerl deftig die Meinung, und zwar mit einem klarstellenden und respect einflößenden tag, das seine Rollenbilder ruckartig ins 21. Jahrhunderts hievt.
Die Farbe sollte dabei die gelbe Lackierung seines Transporters möglichst krass konterkarieren, klar.
14 Juni 2009
Blut und Boden
Ein paradigmatisches Stillleben des Kiez, entdeckt in der Detlev-Bremer-Straße:
links vom Hauseingang frischgetrocknetes Blut …
… rechts davon ein Graffito auf dem Pflasterboden, das die Liebe preist:
Es heißt ja immer, Bilder sagten mehr als Worte.
Und siehe da: Es stimmt.
PS: Auf der Packung Zigaretten steht übrigens „Rauchen lässt Ihre Haut altern.“
links vom Hauseingang frischgetrocknetes Blut …
… rechts davon ein Graffito auf dem Pflasterboden, das die Liebe preist:
Es heißt ja immer, Bilder sagten mehr als Worte.
Und siehe da: Es stimmt.
PS: Auf der Packung Zigaretten steht übrigens „Rauchen lässt Ihre Haut altern.“
13 Juni 2009
Blogger, höret die Signale!
Alles Weitere zu diesem bahnbrechenden Ereignis gibt es auf der Seite des rührigen Ideengebers und Organisators Nils von Blanc.
Ich wäre zu Tränen gerührt von der geschlossenen Anwesenheit meiner Hamburger Blogroll, repräsentiert durch Amber, German Psycho, Julia, Lena, Mark, Maunamea, Noll, Ramses und Maastrix.
Entschuldigtes Fernbleiben geht übrigens nur mit elterlicher Unterschrift – is klar, nöch?
12 Juni 2009
Cold turkey
Im Bus stelle ich mit namenlosem Entsetzen fest: habe weder iPod noch was zu lesen dabei.
Eins davon hätte vielleicht fehlen dürfen, aber beides auf einmal? Ein Desaster! Nicht nur, weil ich so den Spiegel niemals binnen sieben Tagen durchkriege, sondern weil mein Hirn in der Sekunde, als es den Mangel erkennt, panisch nach Input zu gieren beginnt – und natürlich nullkommanix kriegt.
Das verschlimmert die Lage drastisch. Fühle mich sofort wie ein Junkie im kalten Entzug. Was nun anfangen mit dieser elendig langen Busfahrt von elf äonischen Minuten – rausgucken ins Graue, Nasse? Eklig. Die Menschen im Bus anstarren? Nicht meine Art (und allzu oft ebenfalls eklig).
Alles verschwimmt. Flackerblick. Ertappe mich beim krankhaften Einsaugen von Werbebotschaften. Analysiere fieberhaft die Kennzeichen entgegenkommender Fahrzeuge. Und was alles auf Basecaps und T-Shirts aufgedruckt ist – der Wahnsinn!
Nach drei Minuten habe ich plötzlich aus Gründen, denen man wahrscheinlich nur im Rahmen einer langjährigen Psychoanalyse auf die Spur käme, „Kling, Glöckchen, klingelingeling“ im Ohr. Das geht nicht mehr weg (und es war ein Riesenfehler, das jetzt hier hinzuschreiben, verdammt …)
Es sind die härtesten elf Minuten des Jahres.
Zitternd taumle ich an der Friedensallee aus dem Bus und haste ins Büro, der Rechner ist schon hochgefahren, Spiegel online ploppt auf … Mir wäre vorher nie bewusst gewesen, wie beglückend die Überschrift „WHO erklärt Schweinegrippe zur globalen Seuche“ wirken kann.
Der Junkie hat wieder Stoff, der Tag kann losgehen.
Eins davon hätte vielleicht fehlen dürfen, aber beides auf einmal? Ein Desaster! Nicht nur, weil ich so den Spiegel niemals binnen sieben Tagen durchkriege, sondern weil mein Hirn in der Sekunde, als es den Mangel erkennt, panisch nach Input zu gieren beginnt – und natürlich nullkommanix kriegt.
Das verschlimmert die Lage drastisch. Fühle mich sofort wie ein Junkie im kalten Entzug. Was nun anfangen mit dieser elendig langen Busfahrt von elf äonischen Minuten – rausgucken ins Graue, Nasse? Eklig. Die Menschen im Bus anstarren? Nicht meine Art (und allzu oft ebenfalls eklig).
Alles verschwimmt. Flackerblick. Ertappe mich beim krankhaften Einsaugen von Werbebotschaften. Analysiere fieberhaft die Kennzeichen entgegenkommender Fahrzeuge. Und was alles auf Basecaps und T-Shirts aufgedruckt ist – der Wahnsinn!
Nach drei Minuten habe ich plötzlich aus Gründen, denen man wahrscheinlich nur im Rahmen einer langjährigen Psychoanalyse auf die Spur käme, „Kling, Glöckchen, klingelingeling“ im Ohr. Das geht nicht mehr weg (und es war ein Riesenfehler, das jetzt hier hinzuschreiben, verdammt …)
Es sind die härtesten elf Minuten des Jahres.
Zitternd taumle ich an der Friedensallee aus dem Bus und haste ins Büro, der Rechner ist schon hochgefahren, Spiegel online ploppt auf … Mir wäre vorher nie bewusst gewesen, wie beglückend die Überschrift „WHO erklärt Schweinegrippe zur globalen Seuche“ wirken kann.
Der Junkie hat wieder Stoff, der Tag kann losgehen.
11 Juni 2009
09 Juni 2009
Nicht sattelfest
Den Menschen, der mir gestern vorm Haus den Fahrradsattel samt Rohr entwendet hat, verstehe ich genauso wenig wie jenen, der das abgebildete Graffito ans Musicalhaus am Spielbudenplatz sprühte.
Doch ich mache dem Dieb keinen Vorwurf. Nein, mich selbst muss ich bezichtigen. Mich und meine zuletzt unmerklich angewachsene Bequemlichkeit, die mir irgendwann überzeugend einzuflüstern vermochte, es sei völlig Banane, abends immer den Sattel abzuschrauben und bis zum nächsten Morgen sicher in der Wohnung zu lagern.
Also, Unbekannter: Werde glücklich mit Sattel und Rohr, ich mach dir keinen Vorwurf. Doch solltest du dereinst mal die Krätze kriegen (was ich dir natürlich nicht wünsche), dann möge es bitte genau dann passieren, wenn du mit auf dem Rücken gefesselten Händen in einer Ausnüchterungszelle zu dir kommst, wo man dich blöderweise übers Wochenende vergessen hat.
Übrigens ist der Drang, sich zu setzen, wenn man mit einem Fahrrad ohne Sattel durch St. Pauli öttelt, praktisch unwiderstehlich.
Aber jetzt geht es schon wieder.
Doch ich mache dem Dieb keinen Vorwurf. Nein, mich selbst muss ich bezichtigen. Mich und meine zuletzt unmerklich angewachsene Bequemlichkeit, die mir irgendwann überzeugend einzuflüstern vermochte, es sei völlig Banane, abends immer den Sattel abzuschrauben und bis zum nächsten Morgen sicher in der Wohnung zu lagern.
Also, Unbekannter: Werde glücklich mit Sattel und Rohr, ich mach dir keinen Vorwurf. Doch solltest du dereinst mal die Krätze kriegen (was ich dir natürlich nicht wünsche), dann möge es bitte genau dann passieren, wenn du mit auf dem Rücken gefesselten Händen in einer Ausnüchterungszelle zu dir kommst, wo man dich blöderweise übers Wochenende vergessen hat.
Übrigens ist der Drang, sich zu setzen, wenn man mit einem Fahrrad ohne Sattel durch St. Pauli öttelt, praktisch unwiderstehlich.
Aber jetzt geht es schon wieder.
Zwischen iPott und Tittenpuschen
Entdeckte am Sonntag auf dem Eppendorfer Flohmarkt einen Stand, der bedruckte Toilettendeckel verkaufte. Auf einem stand „iPott“.
Ein anderer, der sich vor allem an Menschen mit Verstopfung richtete, zeigte Barack Obama und darunter der Slogan „Yes, you can!“.
Ich finde so etwas – wahrscheinlich im Gegensatz zu Obama – witzig, erwöge sogar, das als Beispiele für angenehm nutzloses Wissen bei einer entsprechenden Party fallen zu lassen, allerdings nicht beim Abendessen mit den Schwiegereltern.
Im Grunde gar keine Gelegenheit fällt mir indes ein, bei der die beiden Accessoires zum Einsatz kommen könnten, die ich unlängst im Schaufenster eines Sexshops auf der Reeperbahn erspähte.
Allerdings regen sie im Sprachzentrum rasch die Neologismenproduktion an. Ich plädiere hiermit für „Pimmelwärmflasche“ und „Tittenpuschen“.
Bin aber jederzeit für Varianten offen.
08 Juni 2009
Vor den scherbenarmen Tagen
Nach mehr als zwei Jahren besuche ich mal wieder ein Konzert im Imperial Theater um die Ecke, das sonst nur Edgar-Wallace-Adaptionen auf die Bühne bringt.
Heute aber spielen dort Yo La Tengo, und sie haben ein lustiges Konzept mitgebracht: Das Publikum soll zwischen den Songs Fragen stellen, egal welche.
„Wenn ich ihr wäre“, warnt Sänger Ira Kaplan allerdings zu Beginn, „würde ich mich das nicht trauen. Aber das Konzert dauert nur so lange, wie ihr fragt.“
Zum Glück bittet Andreas die Band um Auskunft über ihr jeweils liebstes Dylan-Album, was die zum Anlass nimmt, mal eben „4th time around“ zu covern. Der mühsam vom Balkon aus gefilmte Clip dokumentiert allerdings die letzte Zugabe, das mantrahafte „You can have it all“.
Danach gibt es noch einen Bananensaft im gewohnt gähnend leeren Café Five an der Reeperbahn, wo sie Jazz spielen und uns bereits um halb 12 durch ostentatives Verhalten eine wichtige Botschaft zu vermitteln versuchen: Sie holen Tische und Stühle rein und stellen den Jazz ab.
So ähnlich ist das hier sonntagsabends fast überall: Alles erstarrt und erstirbt, der Kiez fällt in die übliche Zweidrittelwochenstarre. Es ist die Ruhe vor dem Sturm der nächsten Freitagnacht.
Es sind die scherbenarmen Tage.
07 Juni 2009
Rot-grün
„Tschasst trinking, notting in hätt!“, ruft die junge Mutter mit Kind zornig einer Gruppe stattlicher Briten hinterher, die bei Rot die Simon-von-Utrecht-Straße überqueren. Sie bangt um ihren Erziehungserfolg, und zwar mit Recht.
Die rustikalen Bierbäuche stapfen unbeeindruckt über die Straße und beömmeln sich. Sie sehen alle aus wie Wayne Rooney.
„Just drinkin’, yes!“, lacht einer von ihnen laut, und das Kind schaut ihm ernst und großäugig hinterher und versteht die Welt noch ein bisschen schlechter als eh schon.
Dann wird die Ampel grün, die Mutter, das kleine Mädchen und ich überqueren jetzt auch die Straße. Ohne das Kind gegenüber hätte ich es natürlich genauso gehalten wie der Haufen Wayne Rooneys.
Doch was tut man nicht alles für die Zukunft Deutschlands.
Das Foto zeigt eine andere Fußgängerampel, allerdings ganz in der Nähe.
Die rustikalen Bierbäuche stapfen unbeeindruckt über die Straße und beömmeln sich. Sie sehen alle aus wie Wayne Rooney.
„Just drinkin’, yes!“, lacht einer von ihnen laut, und das Kind schaut ihm ernst und großäugig hinterher und versteht die Welt noch ein bisschen schlechter als eh schon.
Dann wird die Ampel grün, die Mutter, das kleine Mädchen und ich überqueren jetzt auch die Straße. Ohne das Kind gegenüber hätte ich es natürlich genauso gehalten wie der Haufen Wayne Rooneys.
Doch was tut man nicht alles für die Zukunft Deutschlands.
Das Foto zeigt eine andere Fußgängerampel, allerdings ganz in der Nähe.
06 Juni 2009
04 Juni 2009
Eine andere Form von Sado
Besuche mit GP die Lesung einer Sado-Maso-Autorin in der Boutique Bizarre auf der Reeperbahn. GP ist zwar grundsätzlich eher für S ohne M zuständig, doch er hat seine Chromaxt eh zu Hause vergessen.
Die Boutique Bizarre führt Fetischaccessoires und Sexspielzeuge aller Art und darüber hinaus; es gibt sogar Bereiche, vor denen Schilder hängen wie: „Nur bei ernsthaftem Kaufinteresse betreten!“
Als ich die Packung einer sich an die weibliche Kundschaft wendenden „Intimsaugschale“ fotografiere, werde ich von einem wuchtigen Schnauzbart hinterm Tresen darauf hingeweisen, dass derlei hier unerwünscht sei.
„Manche Kunden wollen nicht im Internet landen“, erläutert er.
„Der Verpackung einer Intimsaugschale ist das aber wahrscheinlich egal“, erwidere ich, was er einsieht.
Dennoch beherzige ich als zivilisierter, grundsätzlich Argumenten zugänglicher Bürger einer westlichen Industrienation natürlich seine Bitte – nicht ohne noch schnell das „Bondage Starter Kit“ zu knipsen.
Die Lesung erweist sich dann zwar durchaus als adäquat quälend, doch auf eine Weise, die wir so nicht erwartet haben: Sie ist sterbenslangweilig. Die Autorin reiht gleichförmig gebaute Sätze aus Subjekt, Objekt und Prädikat gebetsmühlenartig aneinander, inhaltlich geht es um Frauen, die sich fesseln, fingern undsoweiter, es ist alles entsetzlich öde.
Wir fliehen ins Lehmitz, wo neulich Thomas Wolf verhaftet wurde. Heute Abend läuft hier AC/DC, und ein Schild verheißt „Heisse Girls auf dem Tresen“. Doch dafür sind wir zu früh. Uns erwartet nur ein beleibter Gast, der fast einschläft, ein gluckendes Pärchen und ein abgeschalteter Tischfußball.
Die Bedienung freilich, von der GP behauptet, sie habe das Zeug, später auf dem Tresen ein heißes Girl abzugeben, verfügt über ein Dekolletee, das uns zu jeweils 40 Cent Trinkgeld pro Astra zwingt.
Männer! Verdammt.
Die Boutique Bizarre führt Fetischaccessoires und Sexspielzeuge aller Art und darüber hinaus; es gibt sogar Bereiche, vor denen Schilder hängen wie: „Nur bei ernsthaftem Kaufinteresse betreten!“
Als ich die Packung einer sich an die weibliche Kundschaft wendenden „Intimsaugschale“ fotografiere, werde ich von einem wuchtigen Schnauzbart hinterm Tresen darauf hingeweisen, dass derlei hier unerwünscht sei.
„Manche Kunden wollen nicht im Internet landen“, erläutert er.
„Der Verpackung einer Intimsaugschale ist das aber wahrscheinlich egal“, erwidere ich, was er einsieht.
Dennoch beherzige ich als zivilisierter, grundsätzlich Argumenten zugänglicher Bürger einer westlichen Industrienation natürlich seine Bitte – nicht ohne noch schnell das „Bondage Starter Kit“ zu knipsen.
Die Lesung erweist sich dann zwar durchaus als adäquat quälend, doch auf eine Weise, die wir so nicht erwartet haben: Sie ist sterbenslangweilig. Die Autorin reiht gleichförmig gebaute Sätze aus Subjekt, Objekt und Prädikat gebetsmühlenartig aneinander, inhaltlich geht es um Frauen, die sich fesseln, fingern undsoweiter, es ist alles entsetzlich öde.
Wir fliehen ins Lehmitz, wo neulich Thomas Wolf verhaftet wurde. Heute Abend läuft hier AC/DC, und ein Schild verheißt „Heisse Girls auf dem Tresen“. Doch dafür sind wir zu früh. Uns erwartet nur ein beleibter Gast, der fast einschläft, ein gluckendes Pärchen und ein abgeschalteter Tischfußball.
Die Bedienung freilich, von der GP behauptet, sie habe das Zeug, später auf dem Tresen ein heißes Girl abzugeben, verfügt über ein Dekolletee, das uns zu jeweils 40 Cent Trinkgeld pro Astra zwingt.
Männer! Verdammt.
03 Juni 2009
Doctor, my eyes!
Willigte nur deshalb in eine Netzhautfrüherkennungsuntersuchung ein, weil mein Augenarzt das Wort auf seinem Infoblatt korrekterweise ohne Deppenbindestrich geschrieben hatte.
30 Euro später dämmerte mir, dass mir manche meiner Macken im Grunde selber seltsam vorkommen sollten.
Zumal ich nach der deppenbindestrichlosen Netzhautfrüherkennungsuntersuchung drei Stunden lang mit klodeckelgroßen Pupillen und entsprechenden Schlitzaugen durch eine psychedelisch leuchtende verschwommene Welt stolperte.
Sogar zu Hause auf der Toilette musste ich eine Sonnenbrille tragen, um nicht durchzudrehen. Zum Trost hörte ich mir später Jackson Brownes „Doctor, my eyes“ an – aber erst, als ich das iPod-Display wieder entziffern konnte.
Mein Arzt sitzt übrigens in Ottensen und heißt Dr. Hasenbein, genau wie in dem Helge-Schneider-Film.
Kein Scherz.
30 Euro später dämmerte mir, dass mir manche meiner Macken im Grunde selber seltsam vorkommen sollten.
Zumal ich nach der deppenbindestrichlosen Netzhautfrüherkennungsuntersuchung drei Stunden lang mit klodeckelgroßen Pupillen und entsprechenden Schlitzaugen durch eine psychedelisch leuchtende verschwommene Welt stolperte.
Sogar zu Hause auf der Toilette musste ich eine Sonnenbrille tragen, um nicht durchzudrehen. Zum Trost hörte ich mir später Jackson Brownes „Doctor, my eyes“ an – aber erst, als ich das iPod-Display wieder entziffern konnte.
Mein Arzt sitzt übrigens in Ottensen und heißt Dr. Hasenbein, genau wie in dem Helge-Schneider-Film.
Kein Scherz.
02 Juni 2009
Unheimliche Begegnung der Pisa-Art
Der Flohmarktstand auf dem Ikeagelände in Moorfleet ist riesig. Bürobedarf, Akkus, Handyschalen, solches Zeug.
Ich stehe vorm Behälter mit Klebeband. „Drei Stück ein Euro“, wendet sich einer der zahlreichen Verkäufer mir zu. Es ist ein etwa 20-jähriger mit Migrationshintergrund. Sein Schnurrbartflaum ist bemitleidenswert licht, doch er glaubt damit männlicher zu wirken.
„Drei Stück ein Euro“, wiederholt er, „ein Stück 30 Cent.“
Ich stutze. „Müsste der Preis bei mehreren Exemplaren nicht sinken?“, frage ich mit einer spontan aufflammenden Lust an Spitzfindigkeiten in der Mittagssonne. Es rattert in ihm, das sieht man genau. „Hm“, macht er.
„Ich meine: drei mal 30 Cent sind 90 Cent“, rechne ich ihm vor, „Sie wollen dafür aber einen Euro.“
Er schaut mich verstört an. Wahrscheinlich hält er mich für Einstein. Korrigiere: Er hielte mich für Einstein, wenn er diesen Namen schon mal gehört hätte.
„Wissen Sie was“, sage ich, da sein Schweigen allmählich für uns beide zur Belastung wird, „ich nehme jetzt drei Stück und gebe Ihnen 90 Cent, abgemacht?“ Er nickt erleichtert – und weiß gar nicht, welcher Gefahr er damit gerade entronnen ist.
Immerhin hätte ich ihm mühelos auch einen Nachlass auf 80 Cent zwingend herleiten können – mit unkalkulierbaren Folgen für sein Seelen- und Restleben.
PS: Das Foto zeigt den Fleet am Herrengraben, der spiegelnd und kopfüber die Konturen des gegenüberliegenden Hauses aufweicht – eine sehr weit hergeholte Metapher für die Erosion unseres Bildungssystems.
Ich stehe vorm Behälter mit Klebeband. „Drei Stück ein Euro“, wendet sich einer der zahlreichen Verkäufer mir zu. Es ist ein etwa 20-jähriger mit Migrationshintergrund. Sein Schnurrbartflaum ist bemitleidenswert licht, doch er glaubt damit männlicher zu wirken.
„Drei Stück ein Euro“, wiederholt er, „ein Stück 30 Cent.“
Ich stutze. „Müsste der Preis bei mehreren Exemplaren nicht sinken?“, frage ich mit einer spontan aufflammenden Lust an Spitzfindigkeiten in der Mittagssonne. Es rattert in ihm, das sieht man genau. „Hm“, macht er.
„Ich meine: drei mal 30 Cent sind 90 Cent“, rechne ich ihm vor, „Sie wollen dafür aber einen Euro.“
Er schaut mich verstört an. Wahrscheinlich hält er mich für Einstein. Korrigiere: Er hielte mich für Einstein, wenn er diesen Namen schon mal gehört hätte.
„Wissen Sie was“, sage ich, da sein Schweigen allmählich für uns beide zur Belastung wird, „ich nehme jetzt drei Stück und gebe Ihnen 90 Cent, abgemacht?“ Er nickt erleichtert – und weiß gar nicht, welcher Gefahr er damit gerade entronnen ist.
Immerhin hätte ich ihm mühelos auch einen Nachlass auf 80 Cent zwingend herleiten können – mit unkalkulierbaren Folgen für sein Seelen- und Restleben.
PS: Das Foto zeigt den Fleet am Herrengraben, der spiegelnd und kopfüber die Konturen des gegenüberliegenden Hauses aufweicht – eine sehr weit hergeholte Metapher für die Erosion unseres Bildungssystems.
01 Juni 2009
Fundstücke (50)
31 Mai 2009
Liebe Wespe …
… gut, vielleicht hätte ich mir nicht sofort panisch ins Auge greifen dürfen, nachdem du mir heute beim Fahrradfahren unter die Brille geflogen bist.
Trotzdem halte ich dein blitzschnelles zweimaliges Zustechen – einmal ins Lid, einmal unters Auge – weiterhin für eine kritikwürdige Überreaktion. Auf der Eskalationsleiter hättest du gerne erst mal einige Vorstufen durchdeklinieren dürfen.
Beim nächsten Mal bleiben wir einfach beide etwas cooler, Deal?
Matt (der sich einen Waschlappen mit einem Kühlelement drin aufs Auge drückt)
Foto: SecretDisc, Quelle: Wikimedia Commons
Trotzdem halte ich dein blitzschnelles zweimaliges Zustechen – einmal ins Lid, einmal unters Auge – weiterhin für eine kritikwürdige Überreaktion. Auf der Eskalationsleiter hättest du gerne erst mal einige Vorstufen durchdeklinieren dürfen.
Beim nächsten Mal bleiben wir einfach beide etwas cooler, Deal?
Matt (der sich einen Waschlappen mit einem Kühlelement drin aufs Auge drückt)
Foto: SecretDisc, Quelle: Wikimedia Commons
30 Mai 2009
29 Mai 2009
Haa hi ho
Ms. Columbo glaubt manchmal, ich käme aus China.
Das liegt weniger an physiognomischen Auffälligkeiten als an jenem speziellen hessischen Dialekt, der mich noch immer befällt, sobald ich mit meiner Familie telefoniere.
Die wichtigsten Indizien für Ms. Columbos Vermutung eines asiatischen statt Westerwälder Genpools möge folgendes Satzbeispiel illustrieren. Es ist zwar konstruiert, doch oftmals scheint ja im Verdichteten das Allgemeine auf.
Nehmen wir also zur Veranschaulichung den folgenden Fragesatz, zunächst auf Hochdeutsch: „Sag, wo möchtest du denn dein Heu hin haben – auf dieses dickgeschnittene Stück Brot dort?“
Das klingt surreal, zugegeben, und das ist es auch, doch dieses kleine feine Konstrukt wird gleich verdeutlichen, warum Ms. Columbo die Ursachen für meine Liebe zur Pekingente nicht in kulinarischer Weltoffenheit vermutet.
Die soeben formulierte Frage lautet in meinem Dorfdialekt nämlich folgendermaßen – festhalten:
„Ai, wu wolld dau da dai Haa hi ho – off dey digg Dong do?“
Achtmal laut gelesen, und du kriegst Mandelaugen, versprochen. Der Satz klingt nicht nur dank seiner Lust an Einsilbenwörtern mit Auslautvokalen ausgesprochen unhessisch, sondern enthält auch noch phonetische Spezifika, welche die deutsche Sprache eigentlich gar nicht vorsieht.
Normalerweise wird nämlich ein geschlossenes o (wie in „so“ oder „doof“) im Gegensatz zum offenen (wie in „oft“) immer lang ausgesprochen. So ist es auch im letzten Wort unseres Fallbeispiels, „do“: langes o.
Das Wort „Dong“ hingegen besteht eisern darauf, das o geschlossen auszusprechen – und es dennoch derart kurz und schnell wegzupusten, als sei der Teufel hinter ihm her.
In Wahrheit mag ich übrigens Sushi noch lieber als Pekingente.
(Foto: ’n digg Dong.)
Das liegt weniger an physiognomischen Auffälligkeiten als an jenem speziellen hessischen Dialekt, der mich noch immer befällt, sobald ich mit meiner Familie telefoniere.
Die wichtigsten Indizien für Ms. Columbos Vermutung eines asiatischen statt Westerwälder Genpools möge folgendes Satzbeispiel illustrieren. Es ist zwar konstruiert, doch oftmals scheint ja im Verdichteten das Allgemeine auf.
Nehmen wir also zur Veranschaulichung den folgenden Fragesatz, zunächst auf Hochdeutsch: „Sag, wo möchtest du denn dein Heu hin haben – auf dieses dickgeschnittene Stück Brot dort?“
Das klingt surreal, zugegeben, und das ist es auch, doch dieses kleine feine Konstrukt wird gleich verdeutlichen, warum Ms. Columbo die Ursachen für meine Liebe zur Pekingente nicht in kulinarischer Weltoffenheit vermutet.
Die soeben formulierte Frage lautet in meinem Dorfdialekt nämlich folgendermaßen – festhalten:
„Ai, wu wolld dau da dai Haa hi ho – off dey digg Dong do?“
Achtmal laut gelesen, und du kriegst Mandelaugen, versprochen. Der Satz klingt nicht nur dank seiner Lust an Einsilbenwörtern mit Auslautvokalen ausgesprochen unhessisch, sondern enthält auch noch phonetische Spezifika, welche die deutsche Sprache eigentlich gar nicht vorsieht.
Normalerweise wird nämlich ein geschlossenes o (wie in „so“ oder „doof“) im Gegensatz zum offenen (wie in „oft“) immer lang ausgesprochen. So ist es auch im letzten Wort unseres Fallbeispiels, „do“: langes o.
Das Wort „Dong“ hingegen besteht eisern darauf, das o geschlossen auszusprechen – und es dennoch derart kurz und schnell wegzupusten, als sei der Teufel hinter ihm her.
In Wahrheit mag ich übrigens Sushi noch lieber als Pekingente.
(Foto: ’n digg Dong.)
28 Mai 2009
Wie ich mal nicht dabei war, als Thomas Wolf gefasst wurde (mit langer Off-Topic-Einleitung)
Jeder dahergelaufene Irre darf in Deutschland (steuerbegünstigt!) den öffentlichen Raum mit Wahnvorstellungen wie „Jesus lebt!“ plakatieren und so den Nichtglauben von Millionen von Agnostikern und Atheisten beleidigen.
Doch sobald die Schüchterstimme der Vernunft Busse mit einem Slogan à la „Höchstwahrscheinlich gibt es keinen Gott, also sorge dich nicht, sondern genieß dein Leben“ bemalen möchte, springt jeder, der was zu sagen hat, dem zuverlässig aufheulenden Irren bei und schützt das arme Seelchen, das er sich einbildet, vor dieser Zumutung.
Das ist jetzt nix Neues, gebe ich zu, das ist schon seit Wochen im Schwange, doch es nervt, nervt, nervt halt einfach, wie einem als Verstandeswesen jeder Spaß verdorben wird, nur weil sich ein paar Leute noch immer an Dinge klammern, die vor tausenden von Jahren schon zu blöd waren, um wahr zu sein – und dafür von Staats wegen sogar betuddelt und bepudert werden.
Überall stößt man auf diesen Irrsinn, sogar, wie ich heute erfuhr, auf dem staubtrockenen Gebiet der Eigentümerversammlungen. Die dürfen in Deutschland zwar durchaus an Sonntagen einberufen werden, aber nicht vormittags – Grund: Rücksichtnahme auf Kirchenbesucher.
Gäbe es einen Gott, er schlüge sich vor den Kopf (und griffe natürlich ins Leere).
Das alles steht hier natürlich nur, weil ich auf dem Kiez heute nichts erlebt habe – und das, obwohl ich um 18.30 Uhr ganz in der Nähe war, als Deutschlands meistgesuchter Verbrecher, Thomas Wolf, mitten auf der Reeperbahn verhaftet wurde. Allerdings mümmelte ich da gerade daheim dumpf am abendlichen Käsebrot.
Wie auch immer: Grund genug für ein weiteres hintersinniges Reeperbahnfoto ist die ganze Chose allemal.
Doch sobald die Schüchterstimme der Vernunft Busse mit einem Slogan à la „Höchstwahrscheinlich gibt es keinen Gott, also sorge dich nicht, sondern genieß dein Leben“ bemalen möchte, springt jeder, der was zu sagen hat, dem zuverlässig aufheulenden Irren bei und schützt das arme Seelchen, das er sich einbildet, vor dieser Zumutung.
Das ist jetzt nix Neues, gebe ich zu, das ist schon seit Wochen im Schwange, doch es nervt, nervt, nervt halt einfach, wie einem als Verstandeswesen jeder Spaß verdorben wird, nur weil sich ein paar Leute noch immer an Dinge klammern, die vor tausenden von Jahren schon zu blöd waren, um wahr zu sein – und dafür von Staats wegen sogar betuddelt und bepudert werden.
Überall stößt man auf diesen Irrsinn, sogar, wie ich heute erfuhr, auf dem staubtrockenen Gebiet der Eigentümerversammlungen. Die dürfen in Deutschland zwar durchaus an Sonntagen einberufen werden, aber nicht vormittags – Grund: Rücksichtnahme auf Kirchenbesucher.
Gäbe es einen Gott, er schlüge sich vor den Kopf (und griffe natürlich ins Leere).
Das alles steht hier natürlich nur, weil ich auf dem Kiez heute nichts erlebt habe – und das, obwohl ich um 18.30 Uhr ganz in der Nähe war, als Deutschlands meistgesuchter Verbrecher, Thomas Wolf, mitten auf der Reeperbahn verhaftet wurde. Allerdings mümmelte ich da gerade daheim dumpf am abendlichen Käsebrot.
Wie auch immer: Grund genug für ein weiteres hintersinniges Reeperbahnfoto ist die ganze Chose allemal.
26 Mai 2009
Fundstücke (49)
1. Großartig kieznaher Einfall der Haspa auf ihrer Onlineseite: Eine junge Frau im Hosenanzug und mit kokett aufgeknöpfter Bluse tritt lesend von rechts ins Bild, klappt die Zeitung zu, winkt uns lächelnd heran – und zeigt auf ihre Muschi! Der Haspa, immerhin größte deutsche Sparkasse und auch die Bank von Ms. Columbo und mir, hätte ich mehr Seriösität zugetraut. Trotzdem planen wir noch keine Kontokündigung.
2. Neulich auf einer Pressereise wollte ein Kollege nicht von einer Kollegin geknipst werden. Er blökte ständig etwas von „Zeugenschutzprogramm“. Ich glaube aber, er wollte einfach seinem Bierbauch eine breitere Öffentlichkeit ersparen.
3. Beim Spaziergang am Ostseestrand kam uns am Wochenende ein Herrchen entgegen, das seinen Hund originell anpflaumte: „Hoy, sei nicht anstrengend!“ Den Namen des Hundes fanden wir noch seltsamer als den Appell, ehrlich gesagt. (Die Transkription folgt der Phonetik; ich übernehme keine Garantie.)
4. Verkünde hiermit ex cathedra das kongenial paradoxe Lebensmotto für die Krise: asketischer Hedonismus. (Und stelle betrübt fest, dass Google bereits vier Fundstellen liefert. Kann man nicht einmal der Erste sein? In irgendwas außer „Gammelsprech“?)
2. Neulich auf einer Pressereise wollte ein Kollege nicht von einer Kollegin geknipst werden. Er blökte ständig etwas von „Zeugenschutzprogramm“. Ich glaube aber, er wollte einfach seinem Bierbauch eine breitere Öffentlichkeit ersparen.
3. Beim Spaziergang am Ostseestrand kam uns am Wochenende ein Herrchen entgegen, das seinen Hund originell anpflaumte: „Hoy, sei nicht anstrengend!“ Den Namen des Hundes fanden wir noch seltsamer als den Appell, ehrlich gesagt. (Die Transkription folgt der Phonetik; ich übernehme keine Garantie.)
4. Verkünde hiermit ex cathedra das kongenial paradoxe Lebensmotto für die Krise: asketischer Hedonismus. (Und stelle betrübt fest, dass Google bereits vier Fundstellen liefert. Kann man nicht einmal der Erste sein? In irgendwas außer „Gammelsprech“?)
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