28 Oktober 2010

Bitte noch ein bisschen Krawall!

Immer wenn ich vom Balkon aus den Notruf wähle (und das ist inzwischen schon circa ein Dutzend Mal vorgekommen), hoffe ich so paradoxerweise wie inständig, der Wahnsinn da unten hielte wenigstens so lange an, bis die Kavallerie da ist.

Schließlich muss es einen bei ihrer Ankunft sichtbaren Grund dafür geben, diese Maschinerie in Bewegung gesetzt zu haben, allein schon zu meiner Entlastung. Wären die Täter schon weg, erschiene mir mein eigener 110-Aktionismus irgendwie gesetzeswidrig.

Deshalb war ich auch neulich während einer Massenschlägerei vorm Haus durchaus betrübt darüber, dass sich noch während meines Gesprächs mit der 110 die Beteiligten zu zerstreuen begannen. „Sind die Täter noch vor Ort?“, fragte mich der (wie immer) betont kontrolliert-sachliche Mann vom Notruf, während ich in der Ferne, am anderen Ende der Seilerstraße, bereits die Blaulichter hektisch heranflackern sah.

Tja, schwer zu sagen, denn wer hier Täter war und wer Opfer, war kaum zu beurteilen. Schließlich kann auch ein Täter eins auf die Nuss kriegen und liegenbleiben, wie es unter der Leuchtreklame des Spielsalons gegenüber der Fall war. Schließlich können auch Opfer wild schreiend durch die Gegend rennen, wie es sich etwas weiter östlich gerade abspielte.

Und vielleicht ist die traditionelle Trennung zwischen Tätern und Opfern sowieso längst so gestrig wie die Illusion, man könnte die politische Landschaft im 21. Jahrhundert noch immer wohlgemut in links und rechts aufteilen.

Jedenfalls vermochte ich dem Notrufmann keine befriedigende Antwort zu geben – war aber heilfroh, dass die Kavallerie beim Eintreffen noch ein Vierergrüppchen vorfand, festhielt und scharf verhörte.

Alle vier waren Opfer, logisch, und alle vier erhoben lautstark Vorwürfe gegen Abwesende. Zum Glück: Denn damit verifizierten sie immerhin glorreich die Legitimation meines Notrufs, und allein das reichte aus, um mir anschließend einen seligen Schlummer zu bescheren.

110 – besser als Schäfchen zählen, vallah!


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25 Kommentare:

  1. Igitt! Sie wären lieber Polizist geworden? Naja, dann könnten Sie im Kreise der Kollegen mal richtig schön die Sau rauslassen, genauso, wie es Ihnen sonst vergönnt bleibt, nicht wahr? Knöllchen Matt, es ist armseelig, wenn Ihnen diese "Grosstat" einen angenehmen Schlaf verschafft.

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    1. Da ist aber jemand richtig frustriert.
      Augen auf bei der Berufswahl!

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  2. Auch wenn Sie ganz offensichtlich nicht alles verstanden haben, was oben steht: Siezen können Sie, das muss man Ihnen lassen.

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  3. Naja, Siezen allein reicht aber nicht...
    "Armseelig" ist nicht korrekt, sondern "armselig". Es steckt nicht etwa "Seele" in diesem Wort, sondern das mhd. "Armsal" für "Armut".
    Worte wie "Drangsal" und "Mühsal" haben den gleichen Wortstamm, oder auch "Trübsal" und "Scheusal", Herr oder Frau Anonym von 8:43.
    Außerdem heißt es "Großtat", Vallah!

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  4. Die Benutzung von türkischen Floskeln treibt mir persönlich mein Frühstück wieder die Speiseröhre hoch. Mag daran liegen das ich eh in einem von teils integrationsunwilligen Mitbürgern recht stark frequentierten Bereich wohne.

    Wobei ich das von Ihnen angesprochene Problem durchaus selbst kenne. Sei es Ruhestörung, Schlägereien oder sonstiges. Was ich noch empfehlen kann zur Auflösung solcher Dinge sind ein Eimer Wasser und mindestens 6 Monate alte Eier. Diese bitte unbedingt die 6 Monate entweder auf der Heizung (Winter) oder in der Küche auf einem Küchenschrank lagern. Kurz vorher nachschauen auf wieviel Uhr sich die Störenfriede tummeln und dann ab dafür. Hat auch eine sehr gute Wirkung und man spart der Polizei die Spritkosten. Ehrlich, ich schwörs! <--- Deutsch für Vallah!

    Herzlichst,

    Ihr

    A. Nonym

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  5. Nee, wo kämen wir denn da hin, wenn man nun bei Schlägereien oder Morden die Polizei riefe? Verdammtes faschistoides Gewaltmonopol. Hab ich immer gesagt, vallah!

    (Übrigens finde ich es großartig, türkische Vokabeln in seinen Sprachschatz zu übernehmen. Englisch kann ja jeder. Aber so wirkt man gleich viel kosmopolitischer, insch'allah!)

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  6. Isch find das auch voll halal, Digger.

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  7. Ich falafel gleich vom Glauben ab, Dschingis Khan!

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  8. Danny Wilde28.10.10, 12:59

    Bei Unfällen, Überfällen und sonstigen Ereignissen mit eindeutig mindestens einem ungewollt verwickelten Opfer, halte ich es für legitim, die Polizei zu rufen. Was gibt es daran zu kritisieren.

    Bei Schlägereien zwischen Gruppen, die diese Schlägerei augenscheinlich alle wollen, würde ich den Hörer allerdings gegen ein Gläschen guten Roten tauschen und mich über den Logenplatz freuen - sofern mich die Asozialen mit ihrem Tumult nicht geweckt hätten.

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  9. Anna, ich belobige Sie hiermit für Ihre fantastische Herbstform. Liegt bestimmt an der großartigen Praktikantenverköstigung, die Sie im Bloggarten aus dem Erdreich buddeln dürfen. Zumindest zu genau festgelegten Pausenzeiten.

    Danny, das ist genau das Problem: Wie wollen Sie das unterscheiden? Außerdem ist die Gefahr viel zu groß, dass Unbeteiligte (Menschen oder Sachwerte) ebenfalls zu Schaden kommen, wenn die Ordnungskräfte nicht tätig werden. Außerdem: Wozu sind sie sonst da? Schließlich bezahlen wir sie mit unseren Steuern.

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  10. Eine Belobigung? Dass ich das noch erleben darf!
    Danke, Chef! :-)))
    In der Tat hat die tolle eiweißreiche Ernährung aus Käfern, Bucheckern und Ihren Pizzaresten bei mir eine Transformation bewirkt.
    Neulich sah ich ein bisschen wie ein Erdmännchen aus. Und gestern hörte ich, wie sich zwei Maulwürfe unterhielten.
    Naja, der Predator hat auch mal klein angefangen...

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  11. Nur so am Rande eine Frage zum scharfen Nachdenken: glauben Sie ernsthaft, die Polizeibeamten zahlen keine Steuern? ;-) Und für die 3 Cent, die Sie jeweils für die Besoldung eines Beamten zahlen, sollten Sie einfach mal eine Runde Nachtschicht aufm Kiez mitfahren. Öffnet so manchem ungemein die Augen, wieviel einem der eigene gerettete Hintern wert ist. Nur so als Tipp.

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  12. Ja, genau. Polizisten zahlen ja auch voll ein. Hallo? Wer bezahlt wohl Polizisten? Na? Ach ja. Der Staat. Der hat das Geld ja auch aus der Druckerei.

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  13. Anna, die Bloggartendiät steht Ihnen jedenfalls fantastisch, Sie sehen toll aus!

    Anonym 20:16: Sie scheinen da alles Mögliche durcheinander zu werfen, was bei mir die Bereitschaft enorm senkt, die ganzen Denkknoten zu entwirren. Nur so viel: Ich habe genau jenen Vorfall gemeldet, der üblicherweise zur Nachtschicht der Kiezpolizisten gehört – und was Hintern rettet. Wenn auch nicht meinen eigenen, aber das ist ja nicht entscheidend.

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  14. Danke, finde ich auch! Obwohl Sie mich eigentlich nicht sehen können, da ich mittlerweile die Farbe des Blattwerks angenommen habe. Sehr praktisch...

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  15. Einerseits, andererseits. Wahrscheinlich muss ich Sie öfter zum Erröten bringen, um Ihrer wieder mal ansichtig zu werden.

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  16. Wahrscheinlich...
    Obwohl: Ein Predator errötet nicht!
    Ein Predator huscht unerkannt durch den Bloggarten und wartet auf eine gute Gelegenheit...

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  17. Danny Wilde29.10.10, 13:27

    @Matt

    Sobald die kleinste Unsicherheit besteht, dass da jemand zum Opfer wird, sollte man natürlich tunlichst die Polizei rufen. Wenn man aber zufällig mitbekommt, wie die Situation entsteht, hat man meist ein recht gutes Bild von der Freiwilligkeit der einzelnen Teilnehmer.

    Echte Opfer versuchen ja regelmäßig, die Eskalation zu vermeiden und sich zu entfernen.

    Wenn also zwei Gruppen - ohne Unbeteiligte dazwischen - brüllend aufeinander zurennen, um sich zu prügeln, was ja durchaus vorkommt, dann gehe ich davon aus, dass diese sich die Köpfe einschlagen (lassen) *wollen* und es in diesen Köpfen nicht allzu viel gibt, das es wert wäre, von der Staatsmacht - unter beachtlicher Eigengefährdung - geschützt zu werden.

    Dies wäre im Hinblick auf die Einkommensquelle der Freunde und Helfer in meinen Augen sogar Steuerverschwendung! Und gegenüber den Polizisten, mithin auch nur Menschen, nicht besonders nett. Man stelle sich vor, die machen gerade eine Vesper und sollen dann ihre Currywurst kalt werden lassen, weil ein paar Höhlenmenschen sich gegenseitig mit dem Gesicht in die Faust rennen. Wäre doch schade um die Wurst.

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  18. Tja, selbst wenn beide Gruppen es wollen, so ist es doch im Interesse der Allgemeinheit und eines funktionierenden Gemeinwesens, dies zu unterbinden. Übrigens unabhängig vom IQ der Beteiligten.

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  19. Danny Wilde02.11.10, 11:12

    Im Interesse der Allgemeinheit? Die kann doch nur davon profitieren, wenn gewaltbereite Mitbürger sich gegenseitig behelligen (und mit etwas Glück aus dem Genpool entfernen), statt unwillige hineinzuziehen. Ok, wenn sie damit die Fahrbahn blockieren und man mit dem Rad nicht mehr durchkommt, ist es natürlich blöd. Aber da würde ich den Dienst an der Allgemeinheit höher bewerten.

    Wenn man wenigstens die Sicherheit hätte, dass die Polizei das ganze Pack in einen gemeinsamen Raum sperrt, wo sie ohne Kollateralschäden "Last man standing" spielen können, *dann* würde die 110 erheblich an Attraktivität gewinnen.

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  20. Kennen Sie den Film „Battle Royal“? Gleiches Szenario. Allerdings nur in totalitären Diktaturen durchführbar.

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  21. Danny Wilde02.11.10, 18:21

    Also der Film "Battle Royale", zu dem ich gerade Informationen gefunen habe, behandelt die Verschleppung von Schülern gegen ihren Willen auf eine Insel, wo sie sich gegenseitig töten müssen.

    Ich sehe da gewisse Unterschiede zu einer Horde Schwachsinniger, die sich aus freien Stücken boxen *wollen*, die aber keiner zu irgendwas zwingt.

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  22. Also bitte: Es sind die „Umstände“, die sie dazu zwingen.

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  23. Danny Wilde03.11.10, 14:00

    Welche Umstände denn? Dass sie in einem Raum zusammen sind? Wohl kaum.

    Denn sie wollten sich ja vorher auch draußen an den Hals.

    Umgekehrt würde ich mich hüten (Sie nicht?), in einer Zelle Streit mit anderen anzufangen.

    Die Umstände sind es also nicht, sondern freier Wille, des Menschen Himmelreich. q.e.d. ;-)

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