22 Juli 2007

Der lausigste Verkäufer der Welt

Der „Nachtflohmarkt“ auf dem Spielbudenplatz beginnt für uns schon um 16 Uhr.

Dass Andreas und ich zunächst ratlos vor der simplen Mechanik unseres Tapeziertischs stehen, mag bei ihm an gestern Nacht liegen, bei mir aber einer grundsätzlichen Begriffsstutzigkeit angesichts simpler Mechanik.

Schließlich schaffen wir es doch, und ein traumhafter Sommertag beginnt. Fast acht Stunden lang, bis kurz vor Mitternacht, genießen wir das Defilee des Kiezvolks, gönnen uns zwischendurch Bratfisch vom Stand gegenüber und später – trotz Windjammer – einen Sixpack von der Tankstelle schräg hinter uns.

Ein sehr erholsamer Stillstand, der dennoch die Zeit wundersam beschleunigt: Acht Stunden sind plötzlich rum wie nix. Am Ende habe ich nicht mal die Tageszeitung geschafft, bin aber mindestens eine Kiste Zeugs losgeworden.

Irgendwann ist St.Pauli-Präsident Corny Littmann kubabraun vorbeigelaufen, hat aber unseren Stand ignoriert, obwohl wir beide Vereinsmitglieder sind. Hmpf.

Andreas entpuppt sich übrigens als der lausigste Flohmarktverkäufer aller Zeiten. Seine fatale Taktik besteht darin, derart niedrige Preise anzusetzen, dass selbst der zarteste Kundenwunsch nach Verhandlung präventiv im Keim erstickt wird.

Ich meine: Für die DVD „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ will der Scherzbold nur zwei Euro! „Vier Euro, mindestens!“, zische ich ihm zu, nachdem der vor Glück fassungslose Kunde die DVD kopfschüttelnd an seine Brust gepresst hat und davongeeilt ist.

Beim nächsten Kunden wagt er sich in seiner Preisgestaltung trotzdem nur vor bis drei Euro. Ich verziehe vernehmlich das Gesicht. Es kommt, wie es kommen muss: Der Kunde hält zwei Euro dagegen, Andreas sagt unter völliger Verkennung des Lernziels: „Nein, drei Euro“, und der Kunde geht muffelnd ab, natürlich ohne DVD.

Ich versuche meinem Standkumpel das Prinzip der Verhandlungsmasse begreiflich zu machen. Hätte er nämlich vier Euro gewollt, wäre er die DVD für drei losgeworden, weil der Kunde sich über den Verhandlungserfolg gefreut hätte.


Aber nein: Bis zum Schluss bleibt Andreas entweder zu defensiv oder zu störrisch. Ein hoffnungsloser Fall.

Immerhin stärkt das letztlich sein Karma, um mal im Duktus des zurzeit hier weilenden Dalai Lama zu sprechen. Der kam übrigens ebensowenig an unseren Stand wie Corny Littmann. Ignoranten.

22 Kommentare:

  1. Bestimmt hat Corny Littmann den komplimentativen Gehalt der Bezeichnung "Gesichtszwilling" von Homer Simpson nicht verstanden. Und Dalai L. aus T. war am Wochenende wohl eher mit den kontemplativen Dingen des Lebens befaßt.
    ignorare = Nicht wissen.
    Da wäre mit dem jeweiligen Karma der beiden Verkäufer (auch wenn mindestens einer davon nicht so recht daran glauben mag) einiges zu erreichen gewesen, hätte Dalai L. einmal vorbeigeschaut. Und dem hätte A. die DVD "Butch Cassidy and the Sundance Kid" bestimmt geschenkt. Wenn der sie überhaupt hätte haben wollen. Was ich nun nicht wirklich glaube.

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  2. Dem Standkumnpel kann geholfen werden! Er sollte mal ein Wochenende mit mir seinen Ramsch verhökern. Danach ist er Profi oder er betritt nie wieder einen solchen Markt.

    Wegen der Gefahr, von ehemaligen Standnachbarn mit Trödel beworfen zu werden :))

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  3. cekado, ich werde ihm die Crashkursofferte unterbreiten. Wieviel nehmen Sie denn pro Flohmarkttag?

    In der Tat eine charmante Idee, Olaf, Herrn Lama diese DVD zu schenken. Er soll ja humorvoll sein und hätte sie gewiss angenommen. Gezuckt hätte er wohl nur bei Bertoluccis „Letztem Kaiser“ …

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  4. Hm, sieht so aus als würde ich auf den Seiten dieses Blogs zum Vollidioten der Nation mutieren. Und das Schlimmste dabei: Es stimmt auch noch alles ...

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  5. Ich habe vollstes Verständnis für Andreas. Ich hätte auch Probleme, mit fremden Menschen von Angesicht zu Angesicht um Geld zu feilschen, und ihnen die Scheine aus dem Portmonnaie zu ziehen.

    Für meinen nächsten Flohmarktbesuch werde ich deshalb Überweisungsvordrucke ausfüllen und der zufriedene Käufer kann zu Hause dann einfach die Summe eintragen, die ihm zusagt.
    Ich warte dann nur noch auf die Überweisung.

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  6. Nein, nein, Andreas, das macht dich doch nur sympathisch – wie man auch an Annas Reaktion sieht.

    Ich würde übrigens gerne an einem Stand einkaufen, den ihr beide zusammen betreibt … ;-)

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  7. Vom richtigen Feilschen.
    Ein Kurzlehrgang:
    http://www.oldblog.de/?p=507

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  8. Ja, das wäre ein sehr netter Stand, frei von jeglichem Profitdenken und würdelosem Gefeilsche.

    Mein letzter Flohmarktstand war ein voller Erfolg. Meine Sammlung von Krügerrandmünzen aus dem 19. Jahrhundert ging im Nullkommanix weg. Und auch diese komische Briefmarke in blau fand sofort einen Käufer.
    Demnächst trudeln bestimmt auch die Überweisungen ein.

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  9. Nie hätte ich auf dem Flohmarkt solch eine Briefmarke gekauft.
    Da sind ja ringsrum die Zacken abgeschnitten.

    Und der Käufer der auf die Bullionmünzen reingefallen ist, zahlt auch nie. Die sind nur echt ohne die Tüddel über'm Kr U ger.
    Ja, reingefallen.

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  10. Hmm, fragt sich jetzt nur, WER reingefallen ist. *hehe
    Ich bin den gefälschten Kram ja los und bekomme zudem noch Geld. SEHR viel Geld sogar.
    Die Formulare habe ich natürlich mit der entsprechenden Anzahl an Nullen präpariert...

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  11. Bei persönlicher Anlieferung und Bezahlung im Herbst durch Ihro Gnaden biete ich auf die hoffentlich funktionstüchtige DVD 3,50. Ich hoffe, Sie werden mit ihrem Geschäftspartner handelseinig. Über Provisionen können wir reden ;-)

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  12. MATT! DU HAST DOCH NICHT ECHT DAS SPEX-HEFT MIT DEM NACKIGEM MARK E. SMITH AUF DEM COVER VERKAUFT!?!

    Man reiche mir einen Schnaps. KEUCH! Matt, dass ist doch nicht wahr. So was verkauft man doch nicht! Und wenn, dann in England via ebay, für ein hübsches Sümmchen. Sag mir bitte, dass du mindestens 10 Euro dafür bekommen hast!

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  13. Das war natürlich Andreas' Ware. Ich glaube, er hat das noch. Aber natürlich NICHT, weil er den Preis zu hoch angesetzt hat, sondern weil Frau Hausmeisterin nicht am Stand vorbeigekommen ist – im Gegensatz zu Corny Littmann. Interesse an dem Teil …? Ich könnte vermitteln.

    joshuatree, welche DVD meinen Sie denn? „Butch“ ging, wie gesagt, zweimal für lachhafte Preise weg.

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  14. Mir schien laut Ihrer Erzählung "Butch Cassidy and Sundance Kid" beim Preis von drei Euro ein Schnäppchen zu sein. Funktionstüchtig natürlich. Und jetzt wurde die DVD zweimal verkauft? Tse. Sowas hier lesen zu müssen ...

    Ich bleibe äußerlich stoisch und kaufe immer noch bei 3,50. Der Film ist aber auch sowas von genial ...

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  15. Hallo Matt,

    huch, das Heft hat keiner gekauft??? Nanu... Aber vielen Dank fürs Vermittlungsangebot, ich hab das Heft natürlich, sogar original von früher, leider mit doofen Adressaufkleber wegen Abo.
    Aber, ähem, ich such immer noch das Fall-Bootleg mit den vielen Versionen von "Lost in Music" ...

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  16. Was die Flohmart-Schulung angeht, so ist mein Preis Verhandlungssache. Im Normalfalle nehme ich dann zwischen 10 und 50 Prozent vom Reinerlös :)

    Außerhalb von NRW müßte man mir noch eine Fahrkarte hälftens sponsorn. Aber das dürfte kein Problem sein.

    Doch mal ernsthaft, gerade das Verhandeln mit FREMDEN Menschen lässt mich in Hochform auflaufen und richtig in den Schnackermodus fallen. Bei Bekannten habe ich eher Hemmungen, den übelst möglichen Preis zu erzielen. Da kommt mein weiches Herz einfach zu dolle durch.

    Und ich finde nicht, daß der Herr Andreas hier zum Idioten wurde. Irgendwie hat das eine Menge Normalo-Charme. Die echten Freaks sind erfolgreiche Verkäufer :)

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  17. Schönes Foto. Mh, da nehme ich die Rille (deutsche Pressung) "The Police - Outlandos d'Amour" und den Clever & Smart Comic.
    * 5€ über den Tapeziertisch schieb *

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  18. Als Andreas' Flohmarktcoach sage ich: Das Angebot ist eine Frechheit. Mein Rat: nicht mal ignorieren.

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  19. Nö, ich bleibe hier. *Kuscheldecke auspack*

    "Nein, nein, nein. Die ist keine zehn wert. Sie sollen mit mir streiten. Zehn für so was, Sie spinnen wohl."

    Lieber Herr Matt. Ich drohe Ihnen mit Burt! :-)

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  20. Ich weiß gar nicht, was Du hast, Matt: 5 Euro sind doch gar kein schlechter Preis ... Herr Anonym und ich kommen aber trotzdem nicht zusammen, da ich, wie Du Dich vielleicht erinnerst, im Verlauf des Flohmarkts die Grundsatzentscheidung gefällt habe, nie wieder LPs zu verkaufen, die mir irgendwann (!) einmal wirklich etwas bedeutet haben. Und die erste Konsequenz aus dieser Entscheidung war eben, die grässliche Police-LP (genau wie eine gleichermaßen fürchterliche Marius-Müller-Westernhagen-Platte, beide zeitweilige Favoriten in den Jahren 1980/81) aus dem Verkaufsstapel zu entfernen und sie spätabends in einer ganz dunklen Ecke meiner Plattensammlung zu verstecken.

    Und liebe Hausmeisterin, ich hätte Dir das Heft (das ich übrigens nur verkaufe, weil ich es doppelt habe) gern geschenkt, aber Du bist ja schon versorgt. Meinst Du wirklich, dass man damit irgendjemandem in England eine große Freude machen kann?

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