08 Juli 2007

Mein Schutzengel darf flügellahm sein

Dieses Kiezwochenende hat es in sich. Nach der gestrigen Konfrontation mit dem Schlagermove radle ich mich heute mittag in etwas fest, das verkehrstechnisch genauso fatale Folgen hat: einem Motorradgottesdienst.

Für diese merkwürdige Veranstaltung (warum gibt es so etwas nicht für Dreiräder, Herpeskranke, Goldplombenverweiger oder Leute mit Verwandten im Saarland?) hat man die komplette Willy-Brandt-Straße dichtgemacht.

Dort stehen nun auf einem Kilometer Länge 35.000 Motorräder im Weg herum. Geh- und Radwege hingegen sind voll mit Motorradbesitzern wie Mekka mit Moslems. Ich stecke mit meinem Fahrrad mittendrin und ziemlich fest.

Fürs Umkehren ist es zu spät, vorwärts geht’s auch nur zentimeterweise. Unfreiwillig muss ich daher der Predigt lauschen, die live aus dem Michel übertragen wird.

Taktisch klug haben die Eventmanager des Motorradgottesdienstes alle paar Meter eine Lautsprecherbox montiert, so dass mir kein Wort entgeht, während ich mich und mein Fahrrad irgendwie durch das Gewusel der Ledergestalten zu wühlen versuche.

Dass die meisten dieser sog. Biker ihre Helme lässig am Arm baumeln lassen, erhöht ihren Platzbedarf enorm, zu meinen Ungunsten. (Ich schaffe es kaum, meine Kamera kontrolliert zu zücken und diese massengestützte Manifestation der Irrationalität zu dokumentieren; deshalb gibt es heute auch nur ein Foto aus Wedel, wo wir abends das Hafenfest besuchten.)

Jedenfalls geht die Predigt im Gegensatz zu mir ihren Gang, und irgendwann sagt der Zeremonienmeister eine Gastsängerin an. Siehe da, es ist die unvergleichliche Rocklegende Inga Rumpf, die ihre Kunst inzwischen allerdings in den Dienst höherer Mächte und Motorradgottesdienste gestellt hat.

„Fahr nicht schneller, als dein Schutzengel fliegen kann“, singt sie und ahnt nicht, wie das in meinen Ohren klingen muss, nämlich wie Hohn.

Weil ich eh nichts Besseres zu tun habe, übertrage ich Rumpfs Rat auf meine aktuelle Situation. Ergebnis: Wer auch immer dafür zuständig ist, er kann zu meinem Schutz einen senilen, von Fersenabszessen geplagten und praktisch komplett flügellahmen Engel abordnen; denn selbst eine Engelshöchstgeschwindigkeit von lachhaften 2 km/h kann ich zurzeit nicht toppen.

Manchmal wünschte ich, ich lebte in Kempten. Aber nur ganz kurz.

10 Kommentare:

  1. Als ich noch aktiv Motorrad gefahren bin ,gehörte der Hamburger Motorradgottesdienst zu meinen Liebling-Veranstaltungen.Ich bin jedes Jahr mitgefahren.
    es ist ein wunderschönes Erlebnis...

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  2. Diese Verstaltung fand ich auch immer ein bißchen irritierend. Da kommen die "knallharten" Biker in die Stadt geritten und fahren erstmal zum Gottesdienst. Muahahaha.
    Anderseits ist das Durchschnittsalter eines Harleybesitzers ja aber auch oft so hoch, daß es sich schon wieder lohnt über die Ewigkeit nachzudenken. :)))

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  3. Herr Matt, Sie irritieren mich jetzt.
    Sie haben Verwandschaft im wunderschönen Saarland, oder wie ist Ihre Äusserung zu verstehen?

    Grüße
    sarrelibre

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  4. Keineswegs. Es war nur ein Beispiel. Ein absurdes, wie ich gestehen muss. Das Beispiel „Leute mit Hunden, die schon dreimal von der Krätze geheilt wurden“ hätte genauso funktioniert.

    Aber ich hätte gern Verwandte im Saarland. Immerhin hat Ms. Columbo welche.

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  5. Da bin ich aber beruhigt.
    Ich befürchtete ja schon, es würde zu einer Hetzkampagne gegen die Saarländer und gegen Menschen, die mit Saarländern verwandt sind, kommen.
    Ich bin nämlich beides. Ja, das war jetzt mein persönliche Outing.

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  6. Da habe ich ja so präventiv wie intuitiv noch mal die Kurve gekriegt. Puh.

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  7. Ja, das war knapp. :)

    Nee, ich mache ja gerne selbst Witze über die Saarländer (und mich selbst).
    Und aus der Distanz mehrerer hundert Kilometer weiss man die ganzen Macken dann auch zu schätzen.

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  8. Ich weiß ehrlich gesagt nichts über Saarländer. Nur einmal begegnete ich einer Saarländerin, aber die war auch irgendwie etwas Besonderes: Patricia Kaas.

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  9. Ja, das ist sie auch. Wahnsinnsstimme.

    Wissenswertes über Saarländer:
    Können nicht richtig sprechen, aber schön schreiben.
    Essen gerne, trinken gerne, grillen von Januar bis Dezember.
    Teilen ihr letztes Hemd mit Freunden, nehmen kein Blatt vor den Mund. Sind manchmal ein bisschen sehr rustikal, vor allem, wenn sie getrunken haben.
    Lachen gerne, auch über Witze, die sie nicht verstehen..
    Liebenswert, treudoof, gemeingefährlich und nicht zu unterschätzen.
    Schämen sie für Oskar Lafontaine und Erich Honecker.
    Und: entweder ist jeder mit jedem verwandt, oder man kennt einen, der den anderen kennt, der mit demjenigen verwandt ist.
    :)

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