Die Schlange an einer der zwei besetzen Aldi-Kassen reicht beinah bis zur Kühltruhe. An der anderen stehen hingegen nur drei Kunden – doch am Anfang des Laufbands auch das Schild „Kasse geschlossen!“ Mit nur einer 200-gr-Tafel Aldi Chateau Feinherb Nuss in der Hand und erschreckend schnell entschwindender Mittagspausenrestzeit stehe ich beidem unwirsch gegenüber.
Also nutze ich die Deckung der Dreierschlange und schleiche mich am Verbotsschild vorbei wie ein Apache bei Nacht. In meinem Kielwasser nutzt auch eine Kundin ihre Chance und tut unschuldig.
Vorn erwartet er mich schon, der Kassierer. „,Kasse geschlossen!'“, zitiert er völlig korrekt, „haben Sie das Schild nicht gesehen?“ Ich gestehe sofort alles, ich bin kein Typ für Verhöre. „Habe ich – aber mit nur einer Tafel Schokolade …?“ appelliere ich mit hinreißend verlegenem Lächeln und leicht schiefgelegtem Kopf an Menschlichkeit und Mitgefühl.
„Und Sie“, wendet er sich an die Frau hinter mir, während er meine Süßspeise ohne weiteren Kommentar abzieht, „haben Sie nicht das Schild gesehen?“ Sie schüttelt den Kopf.
„Er war wenigstens ehrlich“, versucht er sich an einer Hebung der allgemeinen Weltmoral und zeigt mir, dass meine Strategie die absolut richtige war: Ich bin schneller draußen und dennoch mit relativ unbeschadetem Leumund aus der Sache rausgekommen.
Auf dem Rückweg fällt mir das abgebildete Arrangement an der Zeisehallenfassade auf: leere Kinoschaukästen, einer davon seltsamerweise beschriftet mit dem Filmtitel eines Louis-Malle-Klassikers, darüber ein Schuh vor einem Rundfenster. Eine Freiluftskulptur mit schillernden Bedeutungsebenen.
„Das kannst du nicht fotografieren“, moniert der Franke, „das sieht ja aus wie arrangiert.“ Vielleicht hat er Recht, aber „truth is always strange, stranger than fiction“, fand Lord Byron. So steht es geschrieben, in Lyssas Lounge.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Next to be lowered“ von Mando Diao, „Another imperial day“ von New Model Army und „Make up“ von Popsicle.
Da sieh an. Ein New-Model-Army-Hörer. Wie schön.
AntwortenLöschenIch muss Deinem fränkischen Kollegen, den ich vor Kurzem doch so lobte, diesmal leider widersprechen: Es war Deine Pflicht, dies Foto zu machen. Sowas sieht man wahrlich nicht alle Tage. Ganz ehrlich - das Bild würde sich prima an der Wand in meinem Büro machen.
AntwortenLöschenDie passende Filmmusik müsste meines Erachtens von Miles Davis stammen...
... aber hunderprozentig Miles – die Musik hat er ja auch damals für Malle beigesteuert, komplett improvisiert zu den Bildern des Films.
AntwortenLöschenHeute hängen übrigens schon wieder die neusten Filmplakate in den Schaukästen. Aber der Schuh steht immer noch da.