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29 Dezember 2011
Raus in Uelzen
Der IC strandete in Celle. Triebwerkschaden. Lange standen wir ratlos auf dem Gleis, ehe es weiterging, aber nur bis nach Uelzen. Hier war der Zug endgültig kaputt.
In Uelzen auszusteigen ist dank Susanne Fischer literarisch unabdingbar, praktisch aber möglichst zu vermeiden. Dort gibt es ja gewöhnlich nichts – heute aber immerhin den außerplanmäßigen Stopp des ICE aus München, der uns Havarierte liebevoll aufnahm („Kommen Sie, gehen Sie gleich in die erste Klasse!“, rief der Zugbegleiter) und weiter gen Hamburg transportierte.
„Ab 30 Minuten Verspätung gibt es eine Teilrückerstattung“, informierte ich Ms. Columbo, und da es bereits jetzt 35 waren, entschlossen wir uns, den zu erwartenden Geldsegen präventiv zu verfuttern. Im Speisewagen orderten wir Chili con Carne.
Man lieferte uns dazu einen Brotkorb von üppigster Ausstattung, den ich als posthume Backpfeife für Mitropa interpretierte. „Das sollte man fotografieren und an Rach mailen“, jubelte Ms. Columbo, die sich noch ungut an jene berühmte singuläre Minischeibe Brot erinnerte, die uns damals im Tafelhaus eine Livrierte mit großer Geste auf den Teller hub, ehe sie auf Nimmerwiedersehen entschwand in Rachs halbdunkler Räuberhöhle.
Sofort fotografierte ich den Brotkorb, um das Dokument an Rach zu mailen. Während des Chili con Carne erreichten wir Lüneburg. Die Verspätung war noch immer befriedigend bis gut, und wir hielten sie locker bis Harburg, in Hamburg waren es weiterhin 35 Minuten. Damit hatten das Stranden in Celle und das Aussteigen in Uelzen etwas echt Gutes, was Susanne Fischer in ihrer nächsten Uelzen-Geschichte mitberücksichtigen sollte.
Vom Zugbegleiter ließ ich mir handschriftlich die Ankunftszeit bestätigen und begab mich vergnügt ins Reisezentrum, um die Teilrückerstattung entgegenzunehmen. „Wir sind erst mal in Celle liegengeblieben“, versüßte ich der jungen Frau hinterm Schalter die Lektüre meines inzwischen vielschichtigen Onlinetickets, „und dann mussten wir in Uelzen den Zug wechseln.“
Die Bedeutsamtkeit gerade letzterer Information schien der Frau trotz meiner kursivierten Sprechweise gar nicht recht bewusst zu sein; wahrscheinlich hatte das arme Hascherl Susanne Fischer überhaupt nicht gelesen. „Schließlich sind wir mit 35 Minuten Verspätung in Hamburg angekommen, deswegen hätte ich gern eine Teilrückerstattung.“
Sie schaute lächelnd hoch, legte das Köpfchen schief und klimbimberte mit den Lidern. „Das tut mir Leid“, sagte sie, „erst ab einer Stunde Verspätung. Da kann ich leider nichts machen.“
Ich war verdattert. Hatte mir nicht der mit allen Bahnwassern gewaschene Franke etwas von einer halben Stunde als Untergrenze der Rückerstattungsfähigkeit erzählt? „Aber … Ich dachte … 30 Minuten …“, stammelte ich, „hat sich das denn geändert?“
Noch immer trug sie ihr mädchenhaftes Tröstungsgesicht zur Schau. „Ach“, lächelte sie mich final in Grund und Boden, „da ändert sich immer mal wieder was.“
Und wer, frage ich, ersetzt uns jetzt das Chili con Carne?
Also Rach bestimmt nicht.
26 Dezember 2011
Sagahaft!
Da schreibt ein Jonathan Lehmann bei Amazon eine begeisterte Rezension zum Album des Bluessängers WellBad, die mit den Worten endet: „Das Alter des Sängers ist kaum zu fassen, wenn man Wikipedia glauben schenken kann!“ (sic)
Der von seiner Entdeckung offenbar völlig überwältigte Rezensent hat also extra bei Wikipedia nachschlagen müssen, um etwas über WellBad zu erfahren – dann handelt es sich wohl doch nicht um dessen eigenen Presseagenten, der ebenfalls Jonathan Lehmann heißt. Sonst wüsste er doch sicherlich, wie alt der Künstler … na egal.
Apropos Amazon: Pünktlich zu Heiligabend wurde mir die erste Tantiemenüberweisung für „Die Frankensaga“ angekündigt, und war die Oktobererlöse. Sie belaufen sich auf 119,08 € – damit war also schon innerhalb des ersten Verkaufsmonats das selbstgesteckte Ziel erreicht, mir mithilfe der „Frankensaga“ einen Kindle zu finanzieren.
Aufrichtigen Dank an alle, die dieses doch etwas schräge Werk erworben haben! Mein nächstes Tantiemenziel ist nun das Äquivalent eines Lamborghinis – und dies war in der Tat ein Wink mit der Weihnachtstanne, das haben Sie völlig richtig verstanden.
PS: Sollte das klappen, werde ich nie mehr Fotos der geschmackvollen Weihnachtsdeko in der Gänsemarktpassage veröffentlichen. Hand drauf.
24 Dezember 2011
Im Grunde eine Filmkritik
Hier sehen wir ein erschütterndes Dokument der Verwüstung, zerstört und brandgeschatzt in einer mehrwöchigen Orgie allmorgendlicher Gewalt: mein Smarties-Adventskalender.
Ein Exemplar ist noch drin, es ist gelb und wird – das drohe ich schon mal an – Heiligabend nicht überleben. Übrigens ebensowenig wie der Kalauer „Kaviar: Nahrung, die über Laichen geht“, der mir vorhin beim Anschauen des Zweiteilers „Das Jesus-Video“ einfiel.
Allein das zeigt schon, wie grottig dieser Film war.
22 Dezember 2011
Achtung: Pferdecontent!
Heute Abend gaben gleich zwei besonders liebenswerte Musikpromoterinnen – Pat und Conny – ihren Ausstand, weil sie Hamburg zu verlassen beabsichtigen. Objektiv haben sie zwar gute Gründe für diesen Schritt, subjektiv aber ist das doch sehr schade.
Die beiden hatten zum Behufe des Ausstandes einige besonders liebenswerte Journalisten eingeladen, um sie erst- und letztmals ordentlich abzufüllen, darunter schmeichelhafterweise auch mich.
Wir saßen also traulich im Hadley’s herum, und kaum hatte ich meine altbekannte und abgedroschene, in dieser Runde allerdings noch unbekannte Lieblingsthese aufgewärmt, die Stadt als solche sei ja ganz okay, nur die Menschen wirkten störend, da wechselte das Gespräch auf Pferde.
Dabei hatte ich die Verfeinerung meiner These noch gar nicht dargelegt, nämlich dass es – genauer gesagt – nicht die Menschen an sich sind, welche der Stadt ihr störendes Gepräge geben, sondern der Raum, den sie unverschämterweise einnehmen. Sie stehen herum, wo man sie nicht braucht, stolpern einem in den Weg, wo es keineswegs opportun ist, wölben sich schamlos ins Dreidimensionale, obgleich ebendort sich irgendjemand anders aufzuhalten beliebt, zum Beispiel ich.
Aber wie gesagt: Trotz der allgemeinen Zustimmung, die meine These am Tisch fand, war mir wegen des plötzlichen Themenwechsels Richtung Pferde die entscheidende Vertiefung derselben nicht mehr möglich. Jedenfalls erzählte Pat von ihrem Exemplar, welches aus Dänemark den kurzen Weg herüber nach Hamburg gefunden hat, und spätestens als sie seine Rassenzugehörigkeit namentlich spezifizierte, war es um diesen Abend geschehen, aber im positiven Sinne.
Das Pferd ist nämlich ein Knappstrupper.
Dieses rhythmisch wie klanglich becircende Wort verbreitete sich in Windeseile am Tisch und sorgte unter den Nichtpferdespezialisten – also allen außer Pat – für höchste Erheiterung und in der Folge für enorme Nonsensdiarrhö. Und um unsere Knappstruppermanie weiter zu steigern, hätte Pat ruhig verraten können, dass diese Tiere sich auch noch eines ramsnasigen Kopfes befleißigen.
Aber das erfuhr ich erst spätnachts aus dem Pferdewiki.
PS: Da ich zufällig gerade kein Knappstrupperfoto parat habe, behelfe ich mir mit der Reiterstaffel der Hamburger Polizei, die periodisch die Reeperbahn mit Pferdeäpfeln zu verzieren pflegt.
21 Dezember 2011
20 Dezember 2011
Bier wird überschätzt
Die Botschaft, die mein Becher mir zu übermitteln schien, war widersprüchlich. Zwar zierte ihn ein Konterfei des Mannschaftskapitäns Fabio Morena, doch was darin schwappte, war keineswegs der bisher als axiomatisch angesehene Gerstensaft, sondern simples Wasser.
Da die Partie des FC St. Pauli gegen Eintracht Frankfurt als Problemspiel galt, schenkte man stadionweit nur alkoholfreie Plörre aus, die Bier zu nennen sich nicht nur der Feinschmecker sträubt, sondern ganz generell der gesunde Menschenverstand.
Alkoholfreies Bier nämlich schmeckt wie angegammeltes Heu, wie vergessene Socken aus dem Kleiderschrank eines vor Jahren stillgelegten Altenheims, wie ausgewrungener Pudel. Deshalb war ich auch mental nicht in der Lage, durch die Bestellung eines solchen „Getränks“ wenigstens die Farbgestaltung des Namensbechers aufrechtzuerhalten. Voller Angstlust bestellte ich daher Wasser.
War dies die entscheidende Komponente, welche die Theorie, derzufolge St. Pauli immer zu Hause siegt, sofern ich mit einem Namensbecher auf der Haupttribüne sitze, zu Fall bringen würde, und das ausgerechnet beim letzten Heimspiel des Jahres? Für all jene, die noch keine Nachrichten gehört haben und sich jetzt beinah einnässen vor Spannung:
Nein.
Die Bechertheorie steht, sie steht wie eine Eins, sie geht glorios mit mir ins neue Jahr und vielleicht sogar in die erste Liga. Zum Gesamtensemble, das hat dieser Abend eindrucksvoll bewiesen, muss nicht einmal Bier gehören, irgendein Getränk reicht, Hauptsache, der Becher ist bedruckt.
Der FC St. Pauli nämlich siegte glücklich 2:0. In der ersten Hälfte hatten die Frankfurter ungefähr vier Chancen und St. Pauli eine, aber die war drin. In der zweiten ein ähnliches Bild: Kruse machte mit der ersten St.-Pauli-Gelegenheit auch gleich den entscheidenden Treffer.
Hinterher gab es zwar noch zwei, drei mindestens hundertelfprozentige Chancen für die boys in brown, wie das halt immer so ist, wenn man kontern kann – und trotzdem fragt sich die konsternierte Eintracht wahrscheinlich auch jetzt noch, wieso sie dieses überlegen geführte Spiel eigentlich verloren hat.
Tja, hätte sie sich vorher intensiver mit diesem Blog beschäftigt, wüsste sie warum.
Übrigens erzielte wie beim letzten Mal (Boll) auch diesmal ein Spieler, der mich während der 90 Minuten von meinem Becher aus sympathisch anlächelte, ein Tor. Möglicherweise muss dadurch die Bechertheorie um eine weitere Variable erweitert werden.
Aber jetzt überwintert sie erst einmal unfalsifiziert, und das versüßt mir Weihnachten doch ganz erheblich.
PS: Alle bisherigen Folgen der Bechertheorie gibt es hier.
19 Dezember 2011
Der Vorteil von Vorurteilen
Ms. Columbo möchte in „Mission impossible 4“, ich in „Jane Eyre“ – ja, in welcher Welt leben wir eigentlich? Das ist übrigens schon das zweite Mal, dass ich mir in den vergangenen Tagen diese Frage stellen musste.
Bei einem Presseempfang im Maritim-Hotel Reichshof war ich mit einer bereits etwas betagteren Kollegin ins Gespräch gekommen. Sie wirkte wie eine altgediente Vollhanseatin, die bewusst einer leichten Tendenz zum Kiezchic huldigte; so deutete ich jedenfalls ihre Staffage aus Echtpelzstola und etwas zu klobiger Perlenkette, die im etwas zu tiefen Dekolletee versank.
Ihr Sohn, so stellte sich im Gespräch heraus, ist in meinem Alter, was andersrum bedeutet: Die Kollegin mit der Echtpelzstola ist so alt wie meine Mutter – und war neulich in Köln.
Beim Metallica-Konzert.
„Aber nur“, raunte sie mir vertraulich zwischen zweimal Nippen am Schampus zu, „meinem Freund zuliebe. Ich mag AC/DC lieber.“
Ich überbrückte und vertuschte mein Erstaunen nun meinerseits mit einem ausgiebigen Nippen am Schampus. Das verschaffte mir genug Zeit, um im Stillen einer bereichernden Erkenntnis nachzuspüren, die vielleicht sogar das Zeug zum Aphorismus haben könnte.
Sie lautet: Wer keine Vorurteile hat, erlebt weniger Überraschungen – und führt ein uninteressanteres Leben.
PS: Nein, ich habe früher nie mit Puppen gespielt. Ehrlich nicht.
PPS: Wir waren dann doch in „Jane Eyre“. Aber nur, weil das Kino fußläufig zu erreichen war. Ehrlich!
17 Dezember 2011
DeLonghi sucht Anschluss
Aufgemerkt, Hamburg; hergehört, Blankenese, Pinneberg und Poppenbüttel; spitz die Ohren, o Schanze und St. Pauli:
Wir verkaufen schon wieder eine Nespresso-Maschine. Diesmal handelt es sich um eine DeLonghi Lattissima, und weil der beste Motor nicht läuft, wenn der Tank leer ist, packen wir sämtliche Kapselvorräte dazu, und das sind sagenhafte 370 Stück – Anschaffungswert: 120 Euro.
Ab sofort kann bei Ebay auf dieses Ensemble geboten werden; los geht es bei sportlichen 1 Euro.
Wir übergeben das tadellos funktionierende und kreditkartengepflegte Schmuckstück aber nur hier in der Seilerstraße an Selbstabholer. Um die Anreisestrapazen zu mildern, servieren wir außerdem bei dieser Gelegenheit einen Espresso aus unserer neuen Siebträgermaschine. Das alles kann noch vor Weihnachten abgewickelt werden.
Alles Weitere steht im Auktionstext, Rückfragen beantworte ich – wie es meine Art ist – natürlich trotzdem gerne.
Wir verkaufen schon wieder eine Nespresso-Maschine. Diesmal handelt es sich um eine DeLonghi Lattissima, und weil der beste Motor nicht läuft, wenn der Tank leer ist, packen wir sämtliche Kapselvorräte dazu, und das sind sagenhafte 370 Stück – Anschaffungswert: 120 Euro.
Ab sofort kann bei Ebay auf dieses Ensemble geboten werden; los geht es bei sportlichen 1 Euro.
Wir übergeben das tadellos funktionierende und kreditkartengepflegte Schmuckstück aber nur hier in der Seilerstraße an Selbstabholer. Um die Anreisestrapazen zu mildern, servieren wir außerdem bei dieser Gelegenheit einen Espresso aus unserer neuen Siebträgermaschine. Das alles kann noch vor Weihnachten abgewickelt werden.
Alles Weitere steht im Auktionstext, Rückfragen beantworte ich – wie es meine Art ist – natürlich trotzdem gerne.
16 Dezember 2011
Die seligen 80er
Heute Abend traf ich den Direktor des Hamburger Maritim-Hotels, wo seit rund hundert Jahren der abgebildete Kronleuchter an der Restaurantdecke hängt.
Der Direktor erzählte von den 80er Jahren auf dem Kiez, seiner großen Zeit. Am Spielbudenplatz gab es damals seinen Erinnerungen zufolge eine Kneipe namens „Kombinat in der Bauphase“. Er musste das wiederholen, weil wir dachten, es handele sich um eine Kneipe namens Kombinat, die er bereits vor Fertigstellung besucht habe, doch nein: Sie hieß wirklich „Kombinat in der Bauphase“.
Drinnen gab es keinen Tresen, sondern nur diverse herumstehende Kühlschränke. An jeden davon war eine Servicekraft mit Handschellen gekettet, und wenn man ein Bier wollte, öffnete der immobilisierte Mensch die Kühlschranktür und reichte eins rüber.
In der Mitte des Raumes, so erinnerte sich der Direktor, wurde der DJ, der The Cure etc. zu spielen hatte, allabendlich rituell mit Styroporsteinen eingemauert und verbrachte dann den Rest der Schicht in diesem kläglichen Zustand.
Was genau mit all diesen lokal fixierten Angestellten geschah, wenn sie mal wollten oder mussten, konnte der Hoteldirektor leider nicht mehr rekonstruieren. Jedenfalls scheinen das originelle Zeiten gewesen zu sein.
Heutzutage hingegen gehört es auf dem Kiez schon zum Originellsten, wenn man auf der falschen Seite der Reeperbahn von einer Prostituierten angekobert wird. So wie ich heute Abend.
15 Dezember 2011
Ausgetickt? Im Gegenteil!
Seit mehreren Jahrzehnten besitze ich keine Uhr mehr. Schließlich schlägt dem Glücklichen keine Stunde, wozu also braucht er einen Chronometer?
Außerdem ist meine innere Uhr durch dieses jahrzehntelange Training von einer verblüffenden Treffsicherheit, mit der ich Ms. Columbo immer wieder neu auf eine Weise beeindrucken kann, als beherrschte ich das Jonglieren im Kopfstand, und zwar unter Wasser.
Wenn ich hingegen wirklich mal hundertprozentig genau wissen muss, wie spät es ist, dann hängt – o Segen der Großstadt! – immer gerade irgendeine Uhr in Sichtweite rum, und für Notfälle gibt es ja auch noch das iPhone in meiner Hosentasche.
Kurzum: An der Notwendigkeit, mein Handgelenk mit einem Zeitmesser beschweren und somit ständig diesen eklen Schweißfilm ertragen zu müssen, der sich zwangsläufig an der Uhrenunterseite bildet, gebricht es mir total.
Als ich heute auf dem Heimweg allerdings mal wieder einen Blick in die öden Weiten der progressiv dahinsiechenden Woolworth-Filiale in der Großen Bergstraße warf, gewahrte ich einen Tisch, an dem Uhren verramscht wurden. Unverbindlich schaute ich mal drauf – und verliebte mich augenblicklich ins abgebildete Objekt.
Es war indes keineswegs die recht schlicht konzipierte Uhr an sich, welche mich in ihren Bann schlug, sondern die Zusatzapplikation Flaschenöffner mitsamt der Befestigungsmöglichkeit am Schlüsselbund. Der Preis gab mir dann den Rest, denn Woolworth vertickt (sic!) das Teil für fünf Euro und legt sogar noch eine Ersatzbatterie bei.
Ja, ich habe ein Herz für Ramsch. Und ich weiß, in Ihren Augen hebt diese Schwäche meinen sozialen Status keineswegs. Doch eins kann ich Ihnen sagen: Wenn sie das nächste Mal ratlos mit einer zuen Flasche Astra anner Reeperbahn rumstehen, dann werden Sie heilfroh sein, wenn ich mit meinem Uhrenschlüsselanhängerflaschenöffner zufällig des Weges komme – und Ihnen sagen kann, wie spät es ist.
Einfach so.
14 Dezember 2011
Ein Anfängerfehler
Ms. Columbo: „Wo hast du denn den gelben Schirm hingetan?“
Matt: „In die Abstellkammer. Wo hattest du ihn denn hergeholt?“
Ms. Columbo: „Aus der Abstellkammer.“
Matt: „Dann ist ja alles gut.“
Nun, das war gestern. Heute aber ist nichts mehr gut, gar nichts mehr. Der gelbe Schirm, das ist eine traurige Tatsache, wird nie mehr in die Abstellkammer zurückkehren.
Wir verließen kurz vor neun das Haus, es regnete, und ich spannte den gelben Schirm aus der Abstellkammer auf. Als wir auf die Reeperbahn einbogen, attackierte uns eine wilde Überraschungsbö von Osten, und mir unterlief der erste von zwei Deppenfehlern: Ich stemmte mich dagegen.
Der gelbe Schirm aus der Abstellkammer verbog sich sofort ächzend unter der Gewalt des Sturms, was zu meinem zweiten Deppenfehler führte: Ich drehte mich um. Sofort juchzte die Bö vor unverhofftem Glück, stürzte sich kopfüber in die kuschelige Heimeligkeit der Schirmhalbkugel und schlug sie in die falsche Richtung um.
Als ich endlich das einzig Richtige tat, also das, was ich trotz des Regens von Anfang an hätte tun sollen, nämlich das Gerät sofort zusammenzuklappen, war bereits nichts mehr zu retten.
Das gelbe Ding war binnen handgestoppten 3,4 Sekunden in ein Klappergestell zerlegt worden, und ich stopfte es missgelaunt in die nächstbeste Mülltonne – zu all den anderen Opfern, die noch vor kurzem im Besitz von Deppen gewesen waren.
Denn diese Panne hier war das Resultat eines lächerlichen Anfängerfehlers. Im nassen Hamburger Wind den Schirm aufspannen – das passiert normalerweise nur Touristen; also den gleichen Leuten, die auf Radwegen Hans-guck-in-die-Luft spielen und sich trotzdem nur unter allen Anzeichen der Empörung wegklingeln lassen.
Immerhin: Der gelbe Schirm war spottbillig. Ms. Columbo unterlaufen halt keine Anfängerfehler.
13 Dezember 2011
Von denen hätte ich das nicht gedacht
Neulich traf ich auf einer Weihnachtsfeier einen Alleinunterhalter, der schon derart viele Weihnachtsfeiern intus hatte, dass er einschlägige Ranglisten erstellen konnte.
„Es gibt nur eine Weihnachtsfeier, auf der mehr gesoffen wurde als auf der von Saturn“, verriet er und schwieg kurz sardonisch, um unsere erwartungsvollen Blicke auszukosten. „Und zwar auf der von … Greenpeace!“
Wir staunten allesamt Bauklötze aus nachhaltiger Produktion: Das Jahr über piesacken die Wal-, Watt- und Weltretter also Ölplattformen, und im Advent saufen sie unverdrossen Saturn untern Tisch? Das macht sie ja noch sympathischer – es sei denn, man ist gerade auf Entzug.
An diese kleine Nähkästchengeschichte des erfahrenen Alleinunterhalters musste ich heute denken, als ich mir den Dokumentarfilm „Blood into Wine“ ansah. Er erzählt davon, wie der Rocksänger Maynard James Keenan (Tool, A Perfect Circle) in der Hochwüste von Arizona Wein anbaut; und an einer Stelle im Film trägt Keenan das oben abgebildete Kalauer-T-Shirt.
Sollten Sie, die Sie dies hier lesen, wirklich noch kein Weihnachtsgeschenk für den berüchtigten Ökoaktivisten und Waffennarr German Psycho haben, so interpretieren Sie das bitte als gutgemeinten Vorschlag. Erhältlich ist das Hemd übrigens in diesem Webshop – und nein, ich werde von denen nicht bezahlt, sondern suche nur nach einer nonchalanten Möglichkeit, die Fotoquelle zu erwähnen, um dadurch eventuell dem Vorwurf der Urheberrechtsverletzung zu entgehen.
Es würde – nebenbei bemerkt – diesen Blogbeitrag auf besonders elegante Weise harmonisch abrunden, wenn Saturn das Kalauer-T-Shirt im Angebot hätte, doch das kann man von einem Elektrohöker, der sich sogar von Greenpeace unter den Tisch saufen lässt, einfach nicht verlangen.
PS: Übrigens hat Gunter Gabriel den Johnny-Cash-Song „Cry, cry, cry“ mal mit „Wein, Wein, Wein“ übersetzt. Ob es ein Roter oder Weißer war, erwähnte er allerdings nicht.
„Es gibt nur eine Weihnachtsfeier, auf der mehr gesoffen wurde als auf der von Saturn“, verriet er und schwieg kurz sardonisch, um unsere erwartungsvollen Blicke auszukosten. „Und zwar auf der von … Greenpeace!“
Wir staunten allesamt Bauklötze aus nachhaltiger Produktion: Das Jahr über piesacken die Wal-, Watt- und Weltretter also Ölplattformen, und im Advent saufen sie unverdrossen Saturn untern Tisch? Das macht sie ja noch sympathischer – es sei denn, man ist gerade auf Entzug.
An diese kleine Nähkästchengeschichte des erfahrenen Alleinunterhalters musste ich heute denken, als ich mir den Dokumentarfilm „Blood into Wine“ ansah. Er erzählt davon, wie der Rocksänger Maynard James Keenan (Tool, A Perfect Circle) in der Hochwüste von Arizona Wein anbaut; und an einer Stelle im Film trägt Keenan das oben abgebildete Kalauer-T-Shirt.
Sollten Sie, die Sie dies hier lesen, wirklich noch kein Weihnachtsgeschenk für den berüchtigten Ökoaktivisten und Waffennarr German Psycho haben, so interpretieren Sie das bitte als gutgemeinten Vorschlag. Erhältlich ist das Hemd übrigens in diesem Webshop – und nein, ich werde von denen nicht bezahlt, sondern suche nur nach einer nonchalanten Möglichkeit, die Fotoquelle zu erwähnen, um dadurch eventuell dem Vorwurf der Urheberrechtsverletzung zu entgehen.
Es würde – nebenbei bemerkt – diesen Blogbeitrag auf besonders elegante Weise harmonisch abrunden, wenn Saturn das Kalauer-T-Shirt im Angebot hätte, doch das kann man von einem Elektrohöker, der sich sogar von Greenpeace unter den Tisch saufen lässt, einfach nicht verlangen.
PS: Übrigens hat Gunter Gabriel den Johnny-Cash-Song „Cry, cry, cry“ mal mit „Wein, Wein, Wein“ übersetzt. Ob es ein Roter oder Weißer war, erwähnte er allerdings nicht.
12 Dezember 2011
Chucky, die Grinsepuppe
Um nach Rahlstedt zu Marks alljährlichem Greueljulklapp zu kommen, lösten wir eine Tagesgruppenkarte für 9,60 €.
Zwar galt sie gar nicht für die erste Klasse, als die Schnellbusse wie der zielgenaue 36er anachronistischerweise deklariert sind, doch die Handyticketapp bot die richtige Gruppenkarte für 11,20 nicht an, und der Busfahrer würde ja schon was sagen, wenn er sähe, dass wir die falsche gelöst hatten, nicht wahr.
Doch wie alle Busfahrer betrachtete er den flüchtig präsentierten QR-Code auf dem iPhone-Display so interessiert wie Godzilla ein vegetarisches Antipastibüffet. Und ehrlich gesagt hatten wir darauf auch ein wenig spekuliert.
Nach Rahlstedt heizte der Fahrer wie ein Irrer. Ich zählte vier überfahrene rote Ampeln, was mich aber überhaupt nicht aufregte, sondern sogar sehr gelassen machte. „Wenn er sich nicht an die Regeln hält“, raunte ich Ms. Columbo im Hinblick auf unsere mutwillig verbilligte Gruppenkarte zu, „dann müssen wir das auch nicht.“ Sie war ganz meiner Meinung und vermutete, der Mann müsse einfach mal dringend aufs Klo.
Durch seine spezifische Fahrweise erreichten wir unsere Haltestelle mehr als fünf Minuten zu früh und kehrten spontan noch in eine Videothek ein, die des Weges kam. Ergebnis: drei gebrauchte DVDs für zehn Euro – nur weil der Fahrer dringend aufs Klo musste.
Marks Greueljulklapp ist übrigens nicht nur stets mit kulinarischen Köstlichkeiten wie Kinderpunsch und selbstgebackenen Smartieshäuschen verbunden, sondern auch mit dem immens hohen Risiko, am Ende Sachen mit nach Hause zu schleppn, die man im schlimmsten Fall als Sondermüll entsorgen oder von einem Sondereinsatzkommando abholen lassen muss.
Gut, das hätte weder für die monströse Handsäge noch für Chucky, die Grinsepuppe (Foto), gegolten. Dennoch waren wir heilfroh über die DVD „No talk“, auf der sich sechs Talkmaster eine halbe Stunde lang anschweigen, sowie eine selbstbefüllte Bügelverschlussflasche undeklarierten Inhalts. Es roch nach Glühwein. Die Antwort kennt allerdings allein der Ausguss.
In der Julklapprunde kamen rasch Fantasien auf, was man Chucky mithilfe der Handsäge antun könnte, vor allem die schief grinsenden Gewinner beteiligten sich rege. Doch alle blieben relativ zivilisiert und nahmen noch einen Kinderpunsch.
Als wir gingen, kontrollierte Mark persönlich, ob auch jeder seinen Greueljulklappgewinn eingepackt hatte. Es gibt einfach kein Vertrauen mehr unter den Menschen.
11 Dezember 2011
Eine Süßspeise namens Lachs
Die Kiezbäckerei in der Silbersackstraße, wo ich samstags- und sonntagsfrüh immer Karottenbrötchen hole, stellt ihrem Streuselkuchen ein Schild vor der Nase, auf dem „Lachs Baguette“ steht.
Der Himbeerkuchen hingegen gilt als „Rühr-Ei Krabbe“, dafür sieht die „Nordsee Krabbe“ original aus wie Tiramisu.
Im Grunde spielt das aber überhaupt keine Rolle. Nach einer langen Nacht sind die hereintaumelnden Kunden eh tolerant bis zur Bewusstlosigkeit; die meisten bemerken mit Sicherheit nicht mehr den geringsten Unterschied zwischen Senf und Sorbet.
Bei den Karottenbrötchen, die – nebenbei bemerkt – sanktpauliweit die mit Abstand weltbesten sind, sieht die Kiezbäckerei die Nomenklatur übrigens erheblich enger. Karottenbrötchen heißen hier nämlich komischerweise „Karottenbrötchen“ – und nicht etwa Matjestartar mit Majo oder so.
Letzteres sollte ich eigentlich mal bestellen, um zu sehen, ob vielleicht Crème Brulee dabei herauskommt oder doch eher Wackelpudding.
Aber ich trau mich nicht.
09 Dezember 2011
Die Betriebsweihnachtsfeier
Spätestens als Kramer irgendwann anfing, vom „titten Mal“ zu faseln, und der Franke als Alternative zu einem Benefizkick den „Benefizfick“ erfand, der auf dem Sender Blue Movie übertragen werden solle, natürlich für 69 Euro pay per fuck … spätestens da war es für mich allerhöchste Zeit, noch länger dazubleiben.
08 Dezember 2011
07 Dezember 2011
Alt oder Avantgarde?
Genau seit dem 1. Januar 2002 frage ich mich immer, wenn ich an diesem Hotel in der Querstraße vorbeikomme, wann es endlich die Euroumstellung mitkriegt.
Vielleicht tut es das ja nie; vielleicht verkörpert dieses Etablissement einfach nur das ganz alte St. Pauli. Oder aber – und das ist gar nicht so unwahrscheinlich angesichts der jüngeren Entwicklungen – der Betreiber ist besonders vorausschauend und daher entschlossen, diese lachhafte Europhase einfach gemütlich auszusitzen.
Alt oder Avantgarde? Werden die Letzten die Ersten sein? Und wer hat noch genug D-Mark unter der Matratze, um das vor Ort zu überprüfen?
Das sind alles so Fragen.
Vielleicht tut es das ja nie; vielleicht verkörpert dieses Etablissement einfach nur das ganz alte St. Pauli. Oder aber – und das ist gar nicht so unwahrscheinlich angesichts der jüngeren Entwicklungen – der Betreiber ist besonders vorausschauend und daher entschlossen, diese lachhafte Europhase einfach gemütlich auszusitzen.
Alt oder Avantgarde? Werden die Letzten die Ersten sein? Und wer hat noch genug D-Mark unter der Matratze, um das vor Ort zu überprüfen?
Das sind alles so Fragen.
06 Dezember 2011
Kerner und der Weltuntergang
Weihnachtsfeier einer Promotionagentur in einem Restaurant am Hein-Köllisch-Platz (Foto). Nicht nur ich bin eingeladen, sondern auch eine Redakteurin der Beckmann-Show.
Sie sitzt neben mir, wir kommen vom Hölzchen aufs Stöckchen und irgendwann auch auf die offene „Wetten, dass …?“-Moderatorenfrage. Für sie ist die Sache glasklar: Nachfolger von Gottschalk kann nur einer werden, nämlich Johannes B. Kerner.
Ich lächle sie aus, doch die von ihr vorgeschlagene Wette ist mir doch zu riskant. Zwei Grauburgunder später hat sich die subjektive Sachlage geändert, und ich schlage ein.
Es geht um eine Flasche guten Weins, und gleich mehrere Indizien stimmen mich inzwischen optimistisch. Zum einen die Einschätzung einer weiteren sachkundigen Fernsehredakteurin, die für den Beckmann-Konkurrenten Markus Lanz arbeitet.
„Wie hoch ist die Chance, dass Kerner Gottschalk-Nachfolger wird?“, frage ich sie. Sie schaut mich an, als hätte ich sie gefragt, ob Anke Engelke Josef Ratzinger beerben könne, und ihre Antwort fällt entsprechend aus: „Gleich null“, sagt sie, und ich zeige der Beckmann-Frau zwei geballte Fäuste. Sie grinst säuerlich.
Das zweite Indiz dafür, dass ich die Wette gewinnen werde, ist ihre offenkundig eingetrübte Urteilskraft. Sie glaubt nämlich allen Ernstes an den Mayakalender, der den Weltuntergang für 2012 ankündigt. Kerners Übernahme von „Wetten, dass …?“ wäre allerdings eine triumphale Verifizierung des Mayakalenders.
Bitte beten Sie also aus mehrerlei Gründen inständig für meinen Wettsieg, danke.
Sie sitzt neben mir, wir kommen vom Hölzchen aufs Stöckchen und irgendwann auch auf die offene „Wetten, dass …?“-Moderatorenfrage. Für sie ist die Sache glasklar: Nachfolger von Gottschalk kann nur einer werden, nämlich Johannes B. Kerner.
Ich lächle sie aus, doch die von ihr vorgeschlagene Wette ist mir doch zu riskant. Zwei Grauburgunder später hat sich die subjektive Sachlage geändert, und ich schlage ein.
Es geht um eine Flasche guten Weins, und gleich mehrere Indizien stimmen mich inzwischen optimistisch. Zum einen die Einschätzung einer weiteren sachkundigen Fernsehredakteurin, die für den Beckmann-Konkurrenten Markus Lanz arbeitet.
„Wie hoch ist die Chance, dass Kerner Gottschalk-Nachfolger wird?“, frage ich sie. Sie schaut mich an, als hätte ich sie gefragt, ob Anke Engelke Josef Ratzinger beerben könne, und ihre Antwort fällt entsprechend aus: „Gleich null“, sagt sie, und ich zeige der Beckmann-Frau zwei geballte Fäuste. Sie grinst säuerlich.
Das zweite Indiz dafür, dass ich die Wette gewinnen werde, ist ihre offenkundig eingetrübte Urteilskraft. Sie glaubt nämlich allen Ernstes an den Mayakalender, der den Weltuntergang für 2012 ankündigt. Kerners Übernahme von „Wetten, dass …?“ wäre allerdings eine triumphale Verifizierung des Mayakalenders.
Bitte beten Sie also aus mehrerlei Gründen inständig für meinen Wettsieg, danke.
05 Dezember 2011
Die arme Banane
Besuch aus der hessischen Provinz; übers Wochenende ist C. da. Jener Mensch, der bekanntlich dank einer speziellen Hanglage nur im Winter fernsehen kann, weil im Sommer die Blätter zu dicht sind für seine Satellitenschüssel.
Egal: C. hat vor der Abfahrt nach Hamburg im Frühstücksradio etwas über die originellsten Weihnachtsmärkte Deutschlands gehört, und jetzt will er den originellsten von allen besuchen, nämlich den hiesigen, Santa Pauli. Und weil es schon kurz vor Mitternacht ist, steuern wir so stil- wie zielsicher das Stripzelt an.
In der Schlange vor uns steht eine rothaarige Löwenmähnige. Sie dreht sich zu uns um. „Und was seid ihr für welche, wollt ihr Titten sehn, oder was?“ Wie verneinen eifrig und schützen stattdessen Bierdurst vor.
„Ich hab die Titten schon gesehen“, fährt sie ungerührt fort und schüttelt sich einzelne Strähnen der Löwenmähne aus dem Gesicht. „Nichts Besonders, echt nicht. Die macht kurz das Jäckchen auf, und dann ist es vorbei. – Ihr kommt nicht aus Hamburg, ne?“
Drinnen ist die Lage beim Astra super, tittentechnisch aber bestürzend erbärmlich, denn um Mitternacht ist – aus paritätischen Gründen – der Männerstrip dran. Der Verantwortliche versucht allerdings mit fragwürdigen Elementen aufzutrumpfen.
Höhepunkt seiner Show: Nachdem er zunächst eine willige Mollige aus dem Publikum fischte, spielt er nun auf beschämend untalentierte Weise einen Gynäkologen, holt sich eine Banane aus der Bux, tupft einen Klecks Sahne drauf und lässt die willige Mollige abbeißen.
Wir fliehen ins Windjammer, denn schlimmer kann es ja nicht mehr kommen.
Dachte ich.
01 Dezember 2011
Lemmy und mein limbisches System
Es muss im Pleistozän gewesen sein. Mein Klassenkamerad Klaus, der Hinkefuß, hatte schon einen Kassettenrekorder, wir standen an der Bushaltestelle, und der Kassettenrekorder spielte „Silver Machine“ von Hawkwind.
Ich war sofort hoffnungslos verloren an diesen Song und wusste jahrzehntelang nicht, woran das eigentlich lag. Jetzt weiß ich es: Es ist der Basslauf. Dieses tiefe hektische Sägen, das dem Stück den Takt gibt.
Selbst der Drummer muss sich ihm unterwerfen. Er kann nur versuchen, diesem Bass zu folgen, er ist sein Lakai, sein Diener, er muss sich unterordnen, weil nichts und niemand der Macht dieses Basslaufs widerstehen kann.
Und weil dieser Bass so elementar ist, bricht das Stück auch ausgerechnet im Refrain, der doch eigentlich der Höhepunkt des Songs sein soll, komplett zusammen. Der Bass überlässt das Feld plötzlich der ideenlosen Multiplikation eines ideenlosen Refrains, und es ist jedes mal eine tiefe Erleichterung, wenn er den liegen gelassenen Groove wieder aufnimmt.
Jahrzehntelang hat es gedauert, bis ich endlich das Geheimnis dieses Stückes begriff – und noch einmal einige Jahre, bis mir klar wurde, wer diesen Bass überhaupt spielt: Es ist Lemmy Kilmister. Der Mann, der heute Abend in der Alsterdorfer Sporthalle Motörhead anführt.
Und jetzt erst begreife ich auch, was einen Abend mit Motörhead so euphorisierend, so einmalig macht: vor allem dieser Bass. Lemmy spielt ihn wie 1971 in „Silver Machine“. Es ist immer noch dieses tiefe hektische Sägen, eine Demonstration der Stärke, eine Verkörperung der Essenz des elektrischen Rock’n’Roll.
Dieser Bass prägt jedes, jedes Stück von Motörhead, und deshalb ist es mir auch egal, dass seit einem Vierteljahrhundert alle ihre Platten gleich klingen. Ihr Werk ist eine große, gewaltige Kathedrale, erbaut zu Ehren dieses Basses, der seit dem Pleistozän in der Welt ist, als mein Klassenkamerad Klaus, der Hinkefuß, draußen an der Bushaltestelle seinen Kassettenrekorder anwarf und „Silver Machine“ von Hawkwind herauskam, ein Song, an den ich sofort verloren ging.
Wir trafen heute Abend einen völlig verrückten Kasselaner, der im T-Shirt in der Kälte stand und seinem 132. Motörhead-Konzert entgegenfieberte. Ich frage ihn, was ihn antreibt, was Motörhead für ihn bedeutet.
Seit Jahren reist er Lemmy hinterher, geht auf jedes verdammte Konzert, das irgendwie zeitlich und verkehrstechnisch erreichbar ist, er hat eine ganze Schublade voller abgerissener Motörhead-Eintrittskarten, er hat buchstäblich Monate seines Lebens in Gegenwart von Motörhead verbracht, und doch wusste er auf meine Frage nur hilflos zu antworten:
„Weil sie einfach geil sind.“
Lemmy hat ihn so oft in der ersten Reihe stehen sehen, dass er ihn irgendwann hochwinkte auf die Bühne. Jetzt hat der Kasselaner den bandinternen Status „Superfan“, er bekommt bei jedem Konzert einen V.I.P.-Ausweis (Foto) und darf hinter die Bühne. Heute ist Lemmy ein bisschen erkältet, verrät uns der Superfan, er trinkt vor allem Wasser und nur ein bisschen Jack Daniel’s.
Ich frage mich, ob eine Band taktisch das Richtige tut, wenn sie Superfans auf die Bühne winkt und hinter die Bühne lässt. Ist nicht gerade deren Hingabe Beweis einer für die Band merkantil gesehen lukrativen Glorifizierung, die keineswegs durch Backstageerlebnisse entmystifiziert werden darf?
Aber was weiß ich schon über Lemmy. Nur, dass er den Bass auf eine Art spielen kann, die im limbischen System Dinge dauerhaft verändern kann, über Jahrzehnte.
Und das ist einfach geil.
Foto: German Psycho
Ich war sofort hoffnungslos verloren an diesen Song und wusste jahrzehntelang nicht, woran das eigentlich lag. Jetzt weiß ich es: Es ist der Basslauf. Dieses tiefe hektische Sägen, das dem Stück den Takt gibt.
Selbst der Drummer muss sich ihm unterwerfen. Er kann nur versuchen, diesem Bass zu folgen, er ist sein Lakai, sein Diener, er muss sich unterordnen, weil nichts und niemand der Macht dieses Basslaufs widerstehen kann.
Und weil dieser Bass so elementar ist, bricht das Stück auch ausgerechnet im Refrain, der doch eigentlich der Höhepunkt des Songs sein soll, komplett zusammen. Der Bass überlässt das Feld plötzlich der ideenlosen Multiplikation eines ideenlosen Refrains, und es ist jedes mal eine tiefe Erleichterung, wenn er den liegen gelassenen Groove wieder aufnimmt.
Jahrzehntelang hat es gedauert, bis ich endlich das Geheimnis dieses Stückes begriff – und noch einmal einige Jahre, bis mir klar wurde, wer diesen Bass überhaupt spielt: Es ist Lemmy Kilmister. Der Mann, der heute Abend in der Alsterdorfer Sporthalle Motörhead anführt.
Und jetzt erst begreife ich auch, was einen Abend mit Motörhead so euphorisierend, so einmalig macht: vor allem dieser Bass. Lemmy spielt ihn wie 1971 in „Silver Machine“. Es ist immer noch dieses tiefe hektische Sägen, eine Demonstration der Stärke, eine Verkörperung der Essenz des elektrischen Rock’n’Roll.
Dieser Bass prägt jedes, jedes Stück von Motörhead, und deshalb ist es mir auch egal, dass seit einem Vierteljahrhundert alle ihre Platten gleich klingen. Ihr Werk ist eine große, gewaltige Kathedrale, erbaut zu Ehren dieses Basses, der seit dem Pleistozän in der Welt ist, als mein Klassenkamerad Klaus, der Hinkefuß, draußen an der Bushaltestelle seinen Kassettenrekorder anwarf und „Silver Machine“ von Hawkwind herauskam, ein Song, an den ich sofort verloren ging.
Wir trafen heute Abend einen völlig verrückten Kasselaner, der im T-Shirt in der Kälte stand und seinem 132. Motörhead-Konzert entgegenfieberte. Ich frage ihn, was ihn antreibt, was Motörhead für ihn bedeutet.
Seit Jahren reist er Lemmy hinterher, geht auf jedes verdammte Konzert, das irgendwie zeitlich und verkehrstechnisch erreichbar ist, er hat eine ganze Schublade voller abgerissener Motörhead-Eintrittskarten, er hat buchstäblich Monate seines Lebens in Gegenwart von Motörhead verbracht, und doch wusste er auf meine Frage nur hilflos zu antworten:
„Weil sie einfach geil sind.“
Lemmy hat ihn so oft in der ersten Reihe stehen sehen, dass er ihn irgendwann hochwinkte auf die Bühne. Jetzt hat der Kasselaner den bandinternen Status „Superfan“, er bekommt bei jedem Konzert einen V.I.P.-Ausweis (Foto) und darf hinter die Bühne. Heute ist Lemmy ein bisschen erkältet, verrät uns der Superfan, er trinkt vor allem Wasser und nur ein bisschen Jack Daniel’s.
Ich frage mich, ob eine Band taktisch das Richtige tut, wenn sie Superfans auf die Bühne winkt und hinter die Bühne lässt. Ist nicht gerade deren Hingabe Beweis einer für die Band merkantil gesehen lukrativen Glorifizierung, die keineswegs durch Backstageerlebnisse entmystifiziert werden darf?
Aber was weiß ich schon über Lemmy. Nur, dass er den Bass auf eine Art spielen kann, die im limbischen System Dinge dauerhaft verändern kann, über Jahrzehnte.
Und das ist einfach geil.
Foto: German Psycho
30 November 2011
29 November 2011
Die Menschen sind schlecht
Der Franke hat an seinem Rad zunächst unter ungeklärten Umständen Tretlager und Gangschaltung gefetzt, alles dann für schmerzhafte 163 Euro reparieren und es sich direkt in der Nacht darauf klauen lassen.
Ein Schicksal, welches mich derart rührt, dass ich mir jeden Scherz darüber verkniffen habe, und ich finde, das sollte der Franke mir hoch anrechnen. Ich würde mich allerdings sehr wundern, wenn er das täte.
Jetzt stromern wir gemeinsam über den Schlachthofflohmarkt, um nach einem neuen Rad Ausschau zu halten. Der Franke aber ist unkonzentriert, denn er befindet sich in jenem Opfermodus, den ich auch schon fünfmal durchlaufen habe: Er scannt mit flackerndem Blick die Bestände sämtlicher Fahrradanbieter in der Hoffnung, sein eigenes darunter zu entdecken.
„Ich bin paranoid“, gibt er unumwunden zu – und auch, dass er überlegt hat, ganz Hamburg mit Plakaten zu pflastern, auf denen sein Fahrrad abgebildet ist sowie der putzige Spruch: „Ich kriege dich, du Dreckschwein!“
Traurig zeigt er mir stattdessen die Fotos seines verschollenen Lieblings, die er zufällig mit sich führt, und wäre jetzt das Dreckschwein von Dieb zugegen, er gäbe das Rad vor lauter Mitleid bestimmt freiwillig zurück.
Doch wir müssen nach vorne blicken, ganz generell, und ich mache mich spontan stark für ein ordentlich wirkendes TCM-Alurad (Foto), für das der Franke nach Händlerangaben 95 Euro latzen soll.
„Fahren Sie Probe!“, lockt der Verkäufer, als er den Franken zweifeln sieht – und schon schwingt sich der Gebeutelte aufs Rad und karriolt damit munter davon. Der Händler will ihn noch stoppen, doch zu spät: Gäbe es hier Berge, der Franke wäre längst über alle.
„Keine Sorge, ich bleibe hier als Pfand“, beruhige ich den unruhigen Mann, der, wie sich herausstellt, zurecht besorgt dem entschwindenden Franken hinterherschaut, denn schon zweimal ist er Opfer unehrlicher Probefahrer geworden. Einmal, erzählt er mir (seiner Geisel) habe eine sympathisch wirkende Frau ihn betuppt.
„Sie war jung und charmant, sie sah harmlos aus“, sagt er, „wie eine Studentin.“ Er betont Studentin auf eine Weise, die ein verwunderliches Grundvertrauen in diese Spezies Mensch signalisiert, welches allerdings längst den Gang alles Irdischen gegangen ist.
Denn die junge Frau kam nicht wieder mit dem Rad, für das der Händler eigentlich 250 Euro haben wollte. Ein andermal ließ ein Probefahrer als Pfand eine Tasche da, die sich allerdings, nachdem er auf Nimmerwiedersehen geflohen war, als öd und leer entpuppt hatte.
Der Händler ist also ein gebranntes Kind. Er scheint daher entschlossen, so etwas nie mehr geschehen zu lassen, und sollte der Franke nicht zurückkehren, wird er mich zweifellos für den Rest meines Lebens Ketten ölen lassen.
Doch da kommt der unheilbar katholisch kontaminierte Würzburger auch schon wieder angeeiert, stellt das Rad ab und sagt: „Nein, doch nicht.“ Wie viel er denn geben würde statt der 95, fragt der Händler, und der Franke sagt „70“, und der Händler sagt: „Geht klar.“
Fast habe ich das Gefühl, als sollte nicht das Rad, sondern ich ausgelöst werden. Und so ganz falsch ist das ja auch nicht.
28 November 2011
Die Theorie steht wie ein 3:1
Wie bitte: ein Bollbecher? Aber beim letzten Heimspiel hieß es doch noch von Ausschankseite, die Becher mit Namen seien aus, und zwar bis nach der Winterpause!
„Nein“, korrigiert mich die Tresenfrau mit einer Gelassenheit, als ginge es hier lediglich um Leben und Tod und nicht um so viel mehr, „sie waren nur eine Weile nicht verfügbar.“
Die Nichtverfügbarkeitsweile ist jedenfalls ganz offensichtlich schon vor der Zeit rum, nämlich zum heutigen Spiel gegen Dynamo Dresden; zum Glück. Zitternd vor freudiger Erregung fingere ich die erforderlichen fünf Euro raus, eile mit schwappendem Bollbecher zu meinem Platz, fotografiere ihn rituell (Foto) und warte ab der 66. Spielminute (0:1, Dedic) stillvergnügt auf den Ausgleichs- (natürlich Boll!), Führungs- und Entscheidungstreffer.
All das klappt selbstverständlich wie am Schnürchen, und damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat die mittlerweile weltberühmte Namensbechertheorie, welche einen St.-Pauli-Heimsieg prophezeiht, postuliert und garantiert, sofern ich nur einen Bierbecher mit Spieleraufdruck erwische und vorm Anpfiff fotografiere, die komplette Hinrunde unfalsifiziert überstanden. Die komplette Hinrunde! Unfalsifiziert!
Ungefähr so muss sich Einstein gefühlt haben, als er „mc²“ hinter das Istzeichen schrieb. Entsprechend euphorisiert betrete ich kurz nach dem Spiel die Domschänke, die jetzt schon qualmt wie der Vesuv anno 79 – und dass mich dort der twitternde Berliner FC-St.Pauli-Fan Foxxibaer als Matt, das Orakel, identifiziert und mir augenscheinlich erfreut die Hand schüttelt, rundet diesen Festtag aufs Wunderbarste ab.
Was ich mit all diesem Gestammel sagen will: Die Eintracht kann kommen. Oder besser: getrost zu Hause bleiben.
Denn es gibt – verdammte Hacke – wieder Namensbecher!
27 November 2011
Wohin mit der Weinbar?
Halb St. Pauli und mindestens ein Viertel der Schanze feierte heute Abend Abschied von der Weinbar am Neuen Kamp. Sie musste schließen, weil ein Mitbewohner im Haus über zu viel Krach geklagt und der Vermieter der Weinbar daraufhin gekündigt hatte.
Jetzt stehen wir im Novemberwind auf dem Bürgersteig, weil sich drinnen die Massen stapeln, trinken Silvaner, Riesling, Grauburgunder und schauen ab und zu vorwurfsvoll hoch an der Fassade, wo alle Fenster dunkel sind, auch die des klagenden Mieters.
Wahrscheinlich wäre ihm das Geplauder wieder mal zu laut, die Bengalos zu hell, die Klientel zu weinselig und der Glühweinkessel auf dem Gehweg zu aromatisch gewesen – ohne verdammt noch mal etwas dagegen tun zu können, denn eine Abschiedsfeier hat nun mal die nervige Eigenschaft, sich um Sanktionsdrohungen nicht mehr kümmern zu müssen.
Ob die Weinbar woanders wieder aufmachen wird, ist noch völlig ungewiss. Dabei braucht der Kiez zwischen all den Stripteasebars, Kneipen, Clubs und Discos unbedingt einen Ort, an dem man auch dionysischen Freuden frönen kann. Der Mensch lebt ja nicht von Astra allein.
Wer also von einem erschwinglichen leerstehenden oder bald verfügbaren Laden weiß, der Bacchus wohlgefällig wäre, sollte das in den Kommentaren kundtun.
Ich plädiere übrigens dringend für eine Neueröffnung in der Seilerstraße, doch das nur nebenbei.
25 November 2011
Motörhead, 30. 11., Sporthalle
Am 23.11.2011 um 22:06 schrieb Matt:
Lieber German Psycho,
den kommenden Mittwoch wir haben ein Datum mit Motörhead. Ist es, dass wir schon einen Plan der Anreise haben, der Sinn macht für die beiden von uns? Hoffe zu hören von dir bald.
Am 23.11.2011 um 22:58 schrieb German Psycho:
Ich denke, es ist gut zu sehen, du machst bereits Pläne.
Wann gehts los? Das Konzert? Sollen wir mit dem Auto fahren?
Am 23.11.2011 um 22:06 schrieb Matt:
Es startet an 8 Uhr nach dem Mittag. Es tut nicht kümmern mich, ob wir gehen bei Auto. Was tust du mögen am meisten?
Seither: Funkstille. Hoffentlich kein schlechtes Zeichen. Wobei mir einfällt, dass ich in einer älteren Motörhead-Plattenkritik mal einen Song über einen Serienkiller besonders hervorgehoben habe. Unheimlich.
Foto: www.imotorhead.com
Nachtrag
Am 26.11.2011 um 8:13 schrieb German Psycho:
Ich denke, wir sollten gehen bei Zug. I mag sein Lust haben auf ein zweites Bier.
24 November 2011
Der Schlösserflop
Nimmt man die überschaubare Anzahl der Freundschafts- und Liebesschlösser als Maßstab, die neben der Kneipe Rutsche in der Friedrichstraße an einem eigens zu diesem Behufe angebrachten Gitter befestigt wurden, dann steht es ausgerechnet hier im Rotlichtviertel gar nicht gut ums Zwischenmenschliche.
Andererseits würde ich – selbst wenn ich die Absicht hätte, gemeinsam mit Ms. Columbo als Zeichen unserer unverbrüchlichen Liebe irgendwo ein Schloss anzubringen und sodann den Schlüssel in die Elbe zu werfen – einen extra dafür künstlich geschaffenen Ort wie diesen tunlichst meiden.
Und so scheinen auch die lieben Liebenden auf dem Kiez zu denken. Zumal der Verdacht naheliegt, dass die meisten der wenigen dort hängenden Schlösser auch noch von der Rutsche selbst befestigt wurden – sonst gäbe es wohl eine deutlich höhere Varianz. Doch im Grunde hängen dort nur zwei verschiedene Modelle.
Na ja: nice try, wie der Brite sagt.
Andererseits würde ich – selbst wenn ich die Absicht hätte, gemeinsam mit Ms. Columbo als Zeichen unserer unverbrüchlichen Liebe irgendwo ein Schloss anzubringen und sodann den Schlüssel in die Elbe zu werfen – einen extra dafür künstlich geschaffenen Ort wie diesen tunlichst meiden.
Und so scheinen auch die lieben Liebenden auf dem Kiez zu denken. Zumal der Verdacht naheliegt, dass die meisten der wenigen dort hängenden Schlösser auch noch von der Rutsche selbst befestigt wurden – sonst gäbe es wohl eine deutlich höhere Varianz. Doch im Grunde hängen dort nur zwei verschiedene Modelle.
Na ja: nice try, wie der Brite sagt.
23 November 2011
Die Dekoration der Leere
21 November 2011
Seid umschlungen, Neuronen!
Den Briefkasten an der Postfiliale (l. o.) unten an der Ecke hat jemand mehrfach mit einem rotweißen Sperrzonenband umschlungen. Jetzt stehe ich davor mit meinen wichtigen Briefen wie ein Freier aus Heinsberg-Waldfeucht vor einer Schmuckstraßentranse: relativ ratlos.
Klar, aller Wahrscheinlichkeit nach ist hier ein Witzbold am Werk gewesen, und die Funktionsfähigkeit dieses Briefkastens wird vom Sperrzonenband in keiner Weise eingeschränkt. Gleichwohl gibt es – zumindest in meiner von wichtigen Briefen kontaminierten Fantasie – diese winzige Wahrscheinlichkeit, dass es sich vielleicht doch um eine neue schrullige Kommunikationsmethode der Post handeln könnte, die mir signalisieren soll:
Dieser Kasten wird bis auf Weiteres nicht mehr geleert.
Werfen Sie nichts hinein, es würde erbarmungslos verrotten.
Psychologisch und neuronal gesehen verrät dieses bang imaginierte Szenario natürlich einen erschreckenden Mangel an Risikofreude. Und obgleich mir das völlig bewusst ist, schlurfe ich mit meinen wichtigen Briefen wieder nach Hause. Heute werde ich sie – sicher ist sicher – am Schalter abgeben.
Bitte lachen Sie JETZT.
20 November 2011
Schwer benebelt
Küstennebel mit 21,8 Umdrehungen wäre uns natürlich lieber gewesen als diese seit Tagen überm Nordseestrand hängende trübe Suppe.
Immerhin war das Meer zumindest akustisch präsent. Und es hat sogar seine ästhetischen Reize, jeglicher Weitsicht beraubt zu sein, wie das Foto hoffentlich ein wenig verdeutlicht.
Den Durchblick verschaffen wir uns dann ab morgen wieder auf dem Kiez. Selbst der dickste Nebel kann dort nicht den Weg zur nächsten Kneipe verbergen; dazu ist sie einfach zu nah.
Und das Stöffchen mit den 21,8 Umdrehungen gibt’s garantiert in jeder.
19 November 2011
18 November 2011
Vom Dürfen und Müssen
Sogar die Einwohner von St. Peter-Ording selbst sind sich nicht ganz sicher, wie man ihren Ortsnamen überhaupt richtig schreibt.
Auf Verkehrsschildern, Autobeschriftungen und Reklametafeln sieht man diverse Varianten – mal mit und mal ohne Leerzeichen hinterm Punkt, mal mit und mal ohne Bindestrich zwischen Peter und Ording.
Alles ein bisschen verwirrend für Hamburger auf Nordseetour – aber egal: Viel wichtiger ist das freie (!) WLAN hier im Hotel, und wer jetzt sagt, aber gestern haben Sie doch noch von „Internetmist“ und so gesprochen, dem halte ich entgegen, dass ich auch von einer „Anwandlung“ gesprochen habe und keineswegs vom endgültigen Abschiednehmen.
Jedenfalls kann man sich hier im Hotel umsonst ins Web einloggen, und das tun durchaus einige der Gäste, wie mir der Inhalt des Ordners Freigaben unverblümt verrät. Erstaunlicherweise sind auch jetzt, im Jahr 2011 n. Chr., noch immer sonnige Gemüter darunter, die ihren Rechner ohne jeden Zugangsschutz betreiben.
Diese Nachlässigkeit würde es jedem moralisch ungefestigten Naseweis erlauben, ungestört auf ihren Festplatten herumzuschnüffeln, sich von dort Musik zu stibitzen, spaßeshalber Ordner zu löschen oder in Fotosammlungen herumzustöbern, die vielleicht doch eher privat hätten bleiben sollten, aber so was von …
Wer weiß, vielleicht gibt es hier im Hotel sogar einen solchen moralisch ungefestigten Naseweis, der diese Gelegenheit gerade schamlos ausnutzt, und wenn ja, sollte das unbedingt angeprangert werden.
Draußen am Strand hingegen gibt es kein WLAN, sondern nur das gute alte schneckige Edge – und jenseits der Salzwiesen eine Strandlandschaft von derart ungezügelter Breite, Weite und Langgestrecktheit, dass man sich schon bang fragen muss, was wohl passieren würde, wenn man jetzt mal sehr dringend wohin müsste.
Aber das ist eine andere Geschichte, die – sofern sie stattgefunden hätte – eher in die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Dummy gehörte als hierher.
17 November 2011
Eine gefährliche Anwandlung
Als der Franke nach seinem, meinem und zwei anderen Büros im Verlag auch noch das Domizil der Grafik als place bei Foursquare anlegte und seither fünfmal am Tag mit gesenktem Kopf und hektisch auf dem Smartphone herumtippend auch noch dort hinrennt, um seinen Mayorstatus bis in alle Ewigkeit und dreimal drüber hinaus zu zementieren, wurde mir klar:
Ich muss meinen Account wieder löschen.
Und das habe ich gestern auch getan.
Wenn ich künftig mal wieder bei Andronaco ehrfürchtig vor einem Parmesankrater stehen sollte, kann ich den Anblick, den Duft und das Pröbchen genießen, ohne dort „einzuchecken“. Es ist wie eine Befreiung.
Vielleicht sollte ich auch diesen ganzen Internetmist sein lassen. Keine Mails mehr, kein Blog, nix Facebook, null Twitter – was wäre das Leben leicht und heiter, zwänge einen die virtuelle Welt nicht tagtäglich hundertmal zum Hingucken, Abrufen, Einloggen, Checken, Hoch- und Runterladen.
Wenn jemand zufällig gerade eine Auslastungslücke bei seiner Zeitmaschine feststellt, dann bitte ein Beam in die späten Siebziger.
Nicht mich – den Franken.
16 November 2011
15 November 2011
Sprechdurchfall ist wohl nicht strafbar
Es war schon eine ganze Ecke nach Mitternacht, die Straßenlampen tünchten die Seilerstraße ins allnächtliche matschiggelbe Licht, als von draußen wieder einmal Lärm jenes Zuschnitts erscholl, der mich bewog, seufzend ans Fenster zu treten.
Verantwortlich für die sonische Belästigung war eine Männerstimme, und zwar ganz allein. Der Mann stand gegenüber am Straßenrand, er laberte und salbaderte, gestikulierte und barmte, schimpfte, schrie und zeterte.
Man kann ohne Übertreibung sagen: Der Mann regte sich kapital auf, ab und wieder auf – und hatte dabei wahrscheinlich das dankbarste Publikum seiner bisherigen Karriere als Straßenrethoriker: ein halbes Dutzend Kiezpolizisten.
Das Auditorium stand im Halbkreis um ihn herum und lauschte aufmerksam. Fünf Minuten, zehn Minuten, eine Viertelstunde. Doch was das alles sollte, worum es ging, was des Mannes erstaunlich dauerhaften Adrenalinerguss ausgelöst hatte und somit einen Solovortrag von geradezu kinskiesker Wucht und Epik am Laufen hielt: Das erschloss sich mir auch nach 25 Minuten noch nicht.
Gerade die aus meiner Laiensicht drei opportunsten Optionen – a) verhaften, b) verschwinden oder c) auch mal was sagen, irgendwas – schien die Schmier nicht im geringsten zu erwägen.
Nach ungefähr einer halben Stunde Zeugenschaft ungebremsten Gestikulier- und Sprechdurchfalls wurde mir das Balkonkino allmählich langweilig; schließlich bin ich aus der Vergangenheit erheblich mehr Action gewohnt, und auch „mein Fass hat Grenzen“ (Stromberg).
Heute morgen, als ich noch halb schlaftrunken wieder ans Wohnzimmerfenster trat und den trüben Blick über die Seilerstraße schweifen ließ, waren alle Protagonisten spurlos verschwunden.
Ich war fast ein bisschen überrascht.
14 November 2011
13 November 2011
Hundstage
Beim Anschließen des Fahrrads am Schlachthofflohmarkt passierte mir etwas, das zwar auf St. Pauli unablässig droht, dem ich aber seit vielen Jahren dank Disziplin, Daueralarmiertheit und wahrscheinlich auch viel Glück stets entgangen war: in die Hinterlassenschaft eines Hundes zu treten.
Die Sohlen meiner Straßenschuhe entpuppten sich als für diesen Fall optimal gerillt, und man sah mich in der Folge durch die Umgebung der Marktstraße streifen auf der Suche nach raren Rasenflächen, die ich zur Verwunderung von Passanten dann im Stile eines Skilangläufers überquerte. Sogar rückwärts.
Kurz: Es war ein Scheißtag – und ein später hämischer Kommentar des Schicksals zu einem anderen Tag vergangene Woche. Ich hatte mit dem Rad an einem Baum in der Großen Bergstraße gestoppt und, um nicht absteigen zu müssen (denn absteigen ist die Pest), den Fuß an einem Gitter abgestützt, welches rund um den Baum herum angebracht war.
Während ich irgendwas ins iPhone tippte – wahrscheinlich den Kalauertweet „Betreiber von Legebatterien: Eiertollahs“ – hörte ich plötzlich eine männliche Stimme etwas sagen, von dem mir nur die Worte „… Hundehaufen getreten …“ ins Bewusstsein drangen.
„Wie bitte“, fragte ich alarmiert den Mann, der inzwischen auf dem Rundgitter Platz genommen hatte, „ich habe in einen Hundehaufen getreten?“ Ich stieg ab und inspizierte die Sohle.
„Nein, ich habe gesagt: Hoffentlich haste nich in einen Hundehaufen getreten“, sagte der Mann, ein anscheinend bereits seit einigen Jahren verrenteter Grauschopf. „Das hier iss nämlich ’n Sitzplatz.“
„Oh …“, machte ich, „ich dachte, das wäre so eine Art … Baumschutz … Entschuldigung.“ Er grummelte irgendwas, und ich fuhr weiter.
Unterwegs überlegte ich, ob seine verklausulierte Form, mich auf mein Fehlverhalten hinzuweisen, vielleicht typisch deutsch sei, und kam zu dem Schluss: auf jeden Fall.
An all das musste ich jedenfalls heute wieder denken, als ich wie ein Skilangläufer über Rasenstücke rutschte, um die tiefen, gewundenen, scheißscheißegeeigneten Rillen meiner Straßenschuhe vom Hundekot zu befreien.
Dem Verklausulierer aus der Großen Bergstraße wäre gewiss ein zufriedenes „Siehste“ entfahren. Doch er wird es zum Glück nie erfahren.
PS: Das kongenialste Foto zu diesem Beitrag erspare ich Ihnen, zumal ich es auch gar nicht angefertigt habe. Stattdessen irgendwelche Hunde, die bemüht unbeteiligt in den Edekaladen in der Paul-Roosen-Straße starren. Sie gehören natürlich zum Kreis der Verdächtigen.
Die Sohlen meiner Straßenschuhe entpuppten sich als für diesen Fall optimal gerillt, und man sah mich in der Folge durch die Umgebung der Marktstraße streifen auf der Suche nach raren Rasenflächen, die ich zur Verwunderung von Passanten dann im Stile eines Skilangläufers überquerte. Sogar rückwärts.
Kurz: Es war ein Scheißtag – und ein später hämischer Kommentar des Schicksals zu einem anderen Tag vergangene Woche. Ich hatte mit dem Rad an einem Baum in der Großen Bergstraße gestoppt und, um nicht absteigen zu müssen (denn absteigen ist die Pest), den Fuß an einem Gitter abgestützt, welches rund um den Baum herum angebracht war.
Während ich irgendwas ins iPhone tippte – wahrscheinlich den Kalauertweet „Betreiber von Legebatterien: Eiertollahs“ – hörte ich plötzlich eine männliche Stimme etwas sagen, von dem mir nur die Worte „… Hundehaufen getreten …“ ins Bewusstsein drangen.
„Wie bitte“, fragte ich alarmiert den Mann, der inzwischen auf dem Rundgitter Platz genommen hatte, „ich habe in einen Hundehaufen getreten?“ Ich stieg ab und inspizierte die Sohle.
„Nein, ich habe gesagt: Hoffentlich haste nich in einen Hundehaufen getreten“, sagte der Mann, ein anscheinend bereits seit einigen Jahren verrenteter Grauschopf. „Das hier iss nämlich ’n Sitzplatz.“
„Oh …“, machte ich, „ich dachte, das wäre so eine Art … Baumschutz … Entschuldigung.“ Er grummelte irgendwas, und ich fuhr weiter.
Unterwegs überlegte ich, ob seine verklausulierte Form, mich auf mein Fehlverhalten hinzuweisen, vielleicht typisch deutsch sei, und kam zu dem Schluss: auf jeden Fall.
An all das musste ich jedenfalls heute wieder denken, als ich wie ein Skilangläufer über Rasenstücke rutschte, um die tiefen, gewundenen, scheißscheißegeeigneten Rillen meiner Straßenschuhe vom Hundekot zu befreien.
Dem Verklausulierer aus der Großen Bergstraße wäre gewiss ein zufriedenes „Siehste“ entfahren. Doch er wird es zum Glück nie erfahren.
PS: Das kongenialste Foto zu diesem Beitrag erspare ich Ihnen, zumal ich es auch gar nicht angefertigt habe. Stattdessen irgendwelche Hunde, die bemüht unbeteiligt in den Edekaladen in der Paul-Roosen-Straße starren. Sie gehören natürlich zum Kreis der Verdächtigen.
11 November 2011
Eine Frage der (Un-)Moral
„Hey, warte mal“, pfeife ich den Franken auf dem Weg zum Feierabendbier zurück, „ich habe da mal eine juristische Frage.“
Sie bezieht sich, wie der Franke nur wenige Sekunden später erläutert bekommt, auf die im ganzen Viertel flashmobartig verteilten Sattelmützen, ein Werbegag des Mercado. Mein Fahrrad wurde nicht bedacht, weil es in den Zeisehallen stand und nicht draußen; deshalb verfüge ich jetzt über keinen Überzug.
„Wenn jetzt der Besitzer dieses Fahrrads“, schildere ich dem Franken die Sachlage und zeige auf ein Fremdvelociped, neben dem ich meins gerade ankette, „noch gar nicht mitgekriegt hat, dass jemand seinem Rad eine Sattelmützte überzog, und ich sie jetzt abziehe, um sie meinem überzuziehen: Ist das dann Diebstahl?“
Der Franke ist keineswegs elektrisiert von dieser hochmoralischen Fragestellung, sondern reagiert darauf wie ein sibirischer Tiger, dem man mit einer gedünsteten Karotte vorm Maul herumwedelt. Ihn, den Franken, zieht es mit Macht zum Fassbier und weg von sophistischen Diskussionen über Recht und Moral in der Novemberkälte.
Also schließe ich vorläufig die Akte Sattelmütze, mein Fahrrad an den gleichen Pfosten wie das fremde und mich seufzend dem Franken an, der bereits ins Aurel vorgelaufen ist. Dort geht es hoch her und irgendwann um Monty Python’s.
Kramer erzählt von einem Gagvideo auf YouTube, das die Kritik, die einst nach der Veröffentlichung von „Das Leben des Brian“ aufbrandete, karikiert, in dem es sie umdreht. Im Video regt sich ein Plenum über dieses sogenannte Christentum auf, das ja ganz offenkundig eine Parodie auf „Das Leben des Brian“ sei. Dessen Hauptprophet Jesus Christus sei empörenderweise sogar mit den gleichen Initialen ausgestattet worden wie der heilige John Cleese!
Darauf noch ein Helles. „Ich habe den Sinn des Lebens für 5,99 € gekauft“, informiert uns der Monty-Python’s-kundige Franke. „War trotzdem überteuert – denn den gibt es gar nicht“, proste ich ihm heiter zu, und irgendwann heißt es aufbrechen.
Die beiden Fahrräder sind immer noch einträchtig zusammengebunden, eins davon hat einen rotleuchtenden Sattel.
Und so eins – ups – steht jetzt auch in der Seilerstraße auf St. Pauli.
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