11 November 2011

Eine Frage der (Un-)Moral



„Hey, warte mal“, pfeife ich den Franken auf dem Weg zum Feierabendbier zurück, „ich habe da mal eine juristische Frage.“

Sie bezieht sich, wie der Franke nur wenige Sekunden später erläutert bekommt, auf die im ganzen Viertel flashmobartig verteilten Sattelmützen, ein Werbegag des Mercado. Mein Fahrrad wurde nicht bedacht, weil es in den Zeisehallen stand und nicht draußen; deshalb verfüge ich jetzt über keinen Überzug.

„Wenn jetzt der Besitzer dieses Fahrrads“, schildere ich dem Franken die Sachlage und zeige auf ein Fremdvelociped, neben dem ich meins gerade ankette, „noch gar nicht mitgekriegt hat, dass jemand seinem Rad eine Sattelmützte überzog, und ich sie jetzt abziehe, um sie meinem überzuziehen: Ist das dann Diebstahl?“

Der Franke ist keineswegs elektrisiert von dieser hochmoralischen Fragestellung, sondern reagiert darauf wie ein sibirischer Tiger, dem man mit einer gedünsteten Karotte vorm Maul herumwedelt. Ihn, den Franken, zieht es mit Macht zum Fassbier und weg von sophistischen Diskussionen über Recht und Moral in der Novemberkälte.

Also schließe ich vorläufig die Akte Sattelmütze, mein Fahrrad an den gleichen Pfosten wie das fremde und mich seufzend dem Franken an, der bereits ins Aurel vorgelaufen ist. Dort geht es hoch her und irgendwann um Monty Python’s.

Kramer erzählt von einem Gagvideo auf YouTube, das die Kritik, die einst nach der Veröffentlichung von „Das Leben des Brian“ aufbrandete, karikiert, in dem es sie umdreht. Im Video regt sich ein Plenum über dieses sogenannte Christentum auf, das ja ganz offenkundig eine Parodie auf „Das Leben des Brian“ sei. Dessen Hauptprophet Jesus Christus sei empörenderweise sogar mit den gleichen Initialen ausgestattet worden wie der heilige John Cleese!

Darauf noch ein Helles. „Ich habe den Sinn des Lebens für 5,99 € gekauft“, informiert uns der Monty-Python’s-kundige Franke. „War trotzdem überteuert – denn den gibt es gar nicht“, proste ich ihm heiter zu, und irgendwann heißt es aufbrechen.

Die beiden Fahrräder sind immer noch einträchtig zusammengebunden, eins davon hat einen rotleuchtenden Sattel.

Und so eins – ups – steht jetzt auch in der Seilerstraße auf St. Pauli.

13 Kommentare:

  1. war gar net überteuert, auf Ämäsen gibts den für 9,99. Der Franke war also noch gut bedient mit seinen 5,99... Ansonsten, ja, glaub ich. Das wäre auch schon Diebstahl... Das mit dem Sattelfromm... Bin mir aber nicht sicher, ist ja auch schon spät.

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  2. Ich gebe es zu, ich hab auch schon mal...ups...versehentlich einen Sattelschutz geklaut...

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  3. Immerhin zeigen Sie dem Mercado - symbolisch - den Arsch (sorry, die Glutaei...). Ob die das wollten, weiß ich nicht.

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  4. Ich bin dann wohl auch eine Diebin, allerdings nicht im Besitz so eines Sattelschutzes. *peif* Tütelü

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  5. Here it comes (Strafgesetzbuch):

    § 242 Diebstahl
    (1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
    (2) Der Versuch ist strafbar.

    Etc.
    Man könnte jetzt chronisch darüber grübeln, ob jemand Eigentümer sein kann, ohne von seinem Eigentum zu wissen, das ihm Mercadologobedrucktesattelschutzüberzugsverteilungsbeauftragte als solches übertragen wollten oder haben, ohne ihn davon in Kenntnis zu setzen.
    Egal, ab hier können Sie so richtig systematisch leiden, Herr Matt. Lustvoll. Ab Abschnitt B:

    http://www.go-jura.de/plus/pdf/sk_strafrecht_BTI.pdf

    Ihr persönlicher Dozent...

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  6. Man müsste auch klären, ob das Platzieren einer Sattelmütze auf einem fremden Fahrrad nicht sogar möglicherweise eine Sachbeschädigung darstellt, die ich durch Herstellung des Status quo ante wieder geheilt habe.

    Nur eins ist sicher: Das Mercado wollte den Überzug freiwilig hergeben. Ob der Fahrradinhaber das Ding allerdings überhaupt hätte haben wollen, sofern er davon erfahren hätte, ist weiterhin offen.

    Wäre vielleicht mal ein Thema für eine juristische Hausarbeit.

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  7. So kompliziert ist das gar nicht. Es kommt bloß darauf an, dass die Sache fremd war und Sie eine Zueignungsabsicht hatten. Dabei ist egal, wer der rechtmäßige Eigentümer ist.
    Und die Sachbeschädigung ist nur dann zu bejahen, wenn die Sache zerstört wurde oder in ihrer Funktion erheblich eingeschränkt wurde. Beiden ist wohl nicht der Fall.

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  8. Das ist nicht gerade das, was ich hören möchte, Mensch!

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  9. Anonym 20:4912.11.11, 12:37

    Das war ich nicht, Herr Matt.
    Ab es ist wohl inhaltlich zutreffend.
    Aber anstatt "Beiden" hätte ich wohl "beides" geschrieben.

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  10. Ach, ich bin sicher, ein kundiger Jurist haut Sie da raus aus der Gewissensfrage. Vermutlich hat das Mercadowerbeverteilungsinstitut keine Eigentumsübertragung vorgenommen, weil der Emfpänger nichts davon wusste. Entsprechend fand nur ein Angebot zur Übertragung mit alternativer Eigentumsaufgabe statt. Sie kamen der Antwort zuvor und schon ging alles in die Hose.
    Oder so, ich ja weder kundig noch Jurist.

    Aber: das gilt natürlich nur, wenn der Eigentümer des Fahrrads nichts davon wusste. Vielleicht hatte er sein Fahrrad ja zuvor woanders abgestellt gehabt und war dort von einer Mercado-Sattel-Mütze überrascht und höchst erfreut worden, fuhr dann glücklich seines Weges, stellte sein Fahrrad ab, verließ es, nichts böses ahnend, und fand bei der Widerkehr zum Rad das Ergebnis Ihrer Tat vor. Ich finde, präventiv, nur weil die Möglichkeit besteht, sollten Sie sich kräftig mit Gewissensbissen plagen.

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  11. Damit bin ich einverstanden. Ich werde den heutigen Sonntag damit verbringen.

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  12. Werter Herr Matt,
    Die größten Verzückungen löste die mehrfache Verwendung der Syllepsis im fünften Absatz bei mir aus.
    Der neuzeitliche, unwissende Mensch vermutet ja eher eine twittersche Notwendigkeit zur kreativen Zeichenreduktion und ist gar sehr verwundert, dass der Ursprung weit vor dem digitalen Zeitalter liegt.
    In diesem Sinne danke ich Ihnen für den Erhalt des modernen Zeugmas und nehme mir einen weiteren Kaffee und noch etwas Zeit für den lukullischen Wortgenuss Ihres Internettagebuchs.
    Mit den besten Grüßen von der Vorderseite der Reeperbahn,
    Gerrit

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  13. Ah, noch ein Zeugmaverehrer! Da sind wir ja schon zwei und uns einig … ;)

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