13 November 2011

Hundstage

Beim Anschließen des Fahrrads am Schlachthofflohmarkt passierte mir etwas, das zwar auf St. Pauli unablässig droht, dem ich aber seit vielen Jahren dank Disziplin, Daueralarmiertheit und wahrscheinlich auch viel Glück stets entgangen war: in die Hinterlassenschaft eines Hundes zu treten.

Die Sohlen meiner Straßenschuhe entpuppten sich als für diesen Fall optimal gerillt, und man sah mich in der Folge durch die Umgebung der Marktstraße streifen auf der Suche nach raren Rasenflächen, die ich zur Verwunderung von Passanten dann im Stile eines Skilangläufers überquerte. Sogar rückwärts.

Kurz: Es war ein Scheißtag – und ein später hämischer Kommentar des Schicksals zu einem anderen Tag vergangene Woche. Ich hatte mit dem Rad an einem Baum in der Großen Bergstraße gestoppt und, um nicht absteigen zu müssen (denn absteigen ist die Pest), den Fuß an einem Gitter abgestützt, welches rund um den Baum herum angebracht war.

Während ich irgendwas ins iPhone tippte – wahrscheinlich den Kalauertweet „Betreiber von Legebatterien: Eiertollahs“ – hörte ich plötzlich eine männliche Stimme etwas sagen, von dem mir nur die Worte „… Hundehaufen getreten …“ ins Bewusstsein drangen.

„Wie bitte“, fragte ich alarmiert den Mann, der inzwischen auf dem Rundgitter Platz genommen hatte, „ich habe in einen Hundehaufen getreten?“ Ich stieg ab und inspizierte die Sohle.

„Nein, ich habe gesagt: Hoffentlich haste nich in einen Hundehaufen getreten“, sagte der Mann, ein anscheinend bereits seit einigen Jahren verrenteter Grauschopf. „Das hier iss nämlich ’n Sitzplatz.“

„Oh …“, machte ich, „ich dachte, das wäre so eine Art … Baumschutz … Entschuldigung.“ Er grummelte irgendwas, und ich fuhr weiter.


Unterwegs überlegte ich, ob seine verklausulierte Form, mich auf mein Fehlverhalten hinzuweisen, vielleicht typisch deutsch sei, und kam zu dem Schluss: auf jeden Fall.

An all das musste ich jedenfalls heute wieder denken, als ich wie ein Skilangläufer über Rasenstücke rutschte, um die tiefen, gewundenen, scheißscheißegeeigneten Rillen meiner Straßenschuhe vom Hundekot zu befreien.

Dem Verklausulierer aus der Großen Bergstraße wäre gewiss ein zufriedenes „Siehste“ entfahren. Doch er wird es zum Glück nie erfahren.


PS: Das kongenialste Foto zu diesem Beitrag erspare ich Ihnen, zumal ich es auch gar nicht angefertigt habe. Stattdessen irgendwelche Hunde, die bemüht unbeteiligt in den Edekaladen in der Paul-Roosen-Straße starren. Sie gehören natürlich zum Kreis der Verdächtigen.


11 Kommentare:

  1. Es gibt so viele Geschichten, die einen herzlich schmunzeln lassen und die einem einfach Freude machen, weil sie herrlich geschrieben sind. Und dann weiß man nicht, was man für einen Kommentar hinterlassen soll, weil man hat ja seine Freude dran und das will man den Urheber in irgendeiner Form ja auch wissen lassen, weil so ein unkommentierter Eintrag den Blogger ja immer ein bisschen traurig macht. Und weil ich nicht möchte, dass der Herr Matt ein bisschen traurig ist, wenn er doch so eine schöne Geschichte schreibt und kein Leser auch nur mit dem Ohrwaschel wackelt, sage ich einfach:
    *schmunzel*
    :^)

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  2. Das reicht schon, um mich weiterbloggen zu lassen. Molto grazie!

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  3. Just einen Tab von diesem Blog entfernt las ich bei FM4, dem besten Radiosender Österreichs, dass Berlin die hundefreundlichste Stadt Deutschlands sei, was sich unter anderem in 55 Tonnen Hundekot (täglich!) äußere: http://fm4.orf.at/stories/1690385/

    Überdies führte ich mir gestern, im Einklang mit dem Titel dieses Eintrages, den Film "Hundstage" zu Gemüte. Sehr sehenswert!

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  4. Oha! Sehr guter Film! Schlägt ein wenig auf den Magen, aber das ist eben Seidl at his best!

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  5. Also ich kenne nur den Lumet.

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  6. Da bin ich doch gerade beim ersten Draufsehen in der drittletzten Zeile über das Wort Edelarkaden gestolpert. Aber noch bevor ich darüber grübeln konnte, wo es solche in Reeperbahnnähe geben mag, stand da plötzlich doch nur ein schnöder Edekaladen ...
    Seitdem grüble ich stattdessen darüber nach, ob der vom Hausherrn vielgeschmähte "Deppen-Bindestrich" nicht doch manchmal gute Dienste leisten könnte.

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  7. Zweifellos. In diesem Fall wäre das wegen des Eigennamens denkbar gewesen. Aber dann ist er ja auch kein Deppenbindestrich mehr … ;)

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  8. blogg-hittn-wirtin14.11.11, 23:20

    Ich meine diesen:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Hundstage_(2001)

    Und nachdem Andreas Österreich und FM4 erwähnt, schätze ich, dass auch er diesen Film meinte.
    Unbedingt sehenswert. Aber Vorsicht: Es schnürt einem 121 Minuten lang und etwas darüber hinaus die Kehle zu.

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  9. Keine Sorge, ich bin ausgiebig Haneke-gestählt. Kennen Sie z. B. „Der siebte Kontinent“? Dann wissen Sie, was ich meine.

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  10. Scheisse war das herzerwaermend!

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