02 Oktober 2009

Nur der Hund ist stubenrein

Wir sind zurück auf St. Pauli, dafür gibt es auch äußere Indizien. Zum Beispiel die Tatsache, dass es in der Postfiliale an der Ecke nach Urin riecht.

Nicht vor, in der Fililale. Es ist wohl besser, die näheren Ursachen dieses Umstandes nicht zu kennen.


Drinnen herrscht der üblich raue Ton, jeder motzt und meckert, auch und gerade die Leute hinterm Tresen, und die olfaktorischen Basisbedingungen tragen nicht gerade dazu bei, die allgemeine Stimmung ins Karnevaleske kippen zu lassen.

Eine Kundin beklagt sich in gebrochenem Deutsch, ihre Post käme nicht mehr an. Wie sich herausstellt (in der Schlange bleibt kein Problem geheim), hat sie es nach ihrem Umzug versäumt, ein Klingelschild anzubringen.

„Sie müssen ein Klingelschild anbringen“, belehrt sie daher die blonde Postbrillenschlange mit der Hannelore-Kohl-Gedächtnisfrisur, „und zwar mit Ihrem Namen drauf. Verstehen Sie? Nur dann kann der Zusteller die Post in den richtigen Kasten werfen.“

Die Kundin schaut verdattert. Nur peu à peu scheint sie zu begreifen, dass die heutigen Zusteller sie nicht mehr telepathisch orten können; dazu werden sie einfach zu schlecht bezahlt.

Zu Füßen der Kundin zerrt schwanzwedelnd ein Zauselhund mit gelblich verfärbtem Fell an der Leine. Zum Glück bellt er nicht. Auch scheint er stubenrein zu sein und demnach nicht verantwortlich für den Uringeruch, der hinsichtlich seiner Aromastruktur sowieso deutlich auf humanoide Herkunft verweist.


In dieser Filiale zu arbeiten ist gewiss nicht der feuchte Traum eines jeden Postangestellten, gerade am Monatsanfang nicht, wenn die Hartz-IV-Armada dank wochenlangen Darbens in besonders derangiertem Zustand den Tresen bestürmt, um ihren kärglichen Obolus abzuheben, der wiederum nur bis maximal Mitte des Monats reicht, was sie für die restlichen zwei Wochen einer progressiven Derangierung aussetzt, die hier am nächsten Monatsanfang erneut zu einem verzweifelten Ansturm samt eventueller Duftmarkensetzung in der Filiale führt.

Wenn man länger in der Schlange steht, gewöhnt man sich übrigens ganz gut an den Geruch. Und irgendwan riecht man gar nichts mehr.

14 Kommentare:

  1. Beraternase02.10.09, 08:20

    Irgendwie ist Stuttgart doch nicht so schlecht...

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  2. Herr Matt, ich glaube Sie dürfen aus politischen, aus moralischen, aus ethischen, aus demokratischen, aus liberalen Gründen nicht öffentlich bemerken, dass Hartz-IVler in der zweiten Monatshälfte eventuell nicht gut riechen. Sowas Ähnliches hat schon mal jemand gemacht und dann dafür von allen Seiten mächtig einen auf den Sack gekriegt. Allerdings glaube ich er formulierte seinen Gedanken mitten ins Sommerloch.

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  3. Und der Sommer ist ja wohl vorbei.

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  4. Gedenken wir heute bei 8° C und Regen aller Hamburger Postboten: Seid nett zu ihnen, schreibt euren Namen deutlich lesbar und platziert ihn sichtbar auf den Briefkasten.

    Übrigens: nur wer dort, auf dem Briefkasten, ein "Keine Werbung, bitte!" klebt, bekommt auch keine. Einreden auf den Zusteller, schimpfen gar, allgemeine Hinweise auf der Eingangstür bringen nichts.

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  5. @ottoerich: Wer den Aufkleber auf den Briefkasten pappt, bekommt keine Werbung? Außer von sämtlichen Pizzadiensten der Stadt, die sich einen Dreck drum scheren und ihre Speisekarten munter in alles stecken, was nach Briefschlitz aussieht.

    Lediglich den Ikea Katalog und die sonnabendliche Supermarktwerbung durch den Briefträger bekommt man nicht mehr.

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  6. ich habe auch so einen aufkleber auf dem kasten und die meisten halten sich daran. ausnahmen: die wöchentliche komprimierte werbung, die sich unter dem deckmäntelchen einer wochen"zeitung" durch den briefschlitz presst und gelegentlicher brauner werbemüll der npd, über den man sich wohl aus gesundheitlichen gründen besser nicht beschwert...

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  7. Und ich dachte ernsthaft der Geruch kommt von außen...
    Ich werd nachher mal innen schnuppern gehen.

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  8. Das war gestern. Inzwischen dürften Sie seiner Herr geworden sein.

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  9. der vorletzte absatz: pures gold! =)

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  10. Tja, die Story über den Uringeruch erinnert mich doch unschön an eine Begebenheit gestern bei uns, bekanntlich etwas weiter ab vom Kiez. Und auch wir sind nicht davor gefeit, das eine Kundin nicht nur ihre leere Weinflasche zurückbringen will, sondern auch noch deren Inhalt nach Durchlaufen der Magen-Darm-Blasen-Passage.
    Und das mitten im mittlerweile ach so gediegenen Ottensen :-)

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  11. > "Uringeruch, der hinsichtlich seiner
    > Aromastruktur sowieso deutlich auf
    > humanoide Herkunft verweist."

    Also Herr Wagner, ich weiß nicht ganz, ob ich entsetzt oder beeindruckt sein soll ob der Fähigkeiten Ihres Riechsystems.
    Ist das angeboren oder mühsam auf der Rückseite der Reeperbahn antrainiert? ...

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  12. Antrainiert. Hundepisse riecht anders als Menschenpisse. Glauben Sie’s mir.

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  13. Gewonnen hat das Wort
    "Aromastruktur"-
    für heute mal....

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