Von: Matt
Betreff: Die Uhr geht, und die Gurké
Datum: 8. September 2009 00:21:57 MESZ
An: v?@hamburg-altona.intercityhotel.de
Liebes „InterCityHotel“ am Paul-Nevermann-Platz,
jeden Morgen komme ich so gegen 9:20 Uhr an dir vorbei, und jeden Morgen steht deine Uhr verlässlich auf drei Minuten nach halb 11. Das ist falsch, doch gleichwohl schon sehr, sehr lange so; ich glaube, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich von Jahren spreche.
Jedesmal, wenn ich an der Fußgängerampel stehe und den stoischen immergleichen Zeigerstand deiner Uhr sehe, „InterCityHotel“, dann durchzuckt mich der kleine Blitz eines sanften Schreckens, doch inzwischen habe ich Routine beim augenblicklichen Selbstberuhigen und weiß praktisch in der gleichen Sekunde, wenn ich deine Uhr sehe, dass ich doch nicht verschlafen habe.
Allerdings wäre es mir dennoch erheblich lieber, könnte ich an deiner Uhr schlicht und einfach das tun, was sie der Umgebung rund um den Bahnhof Altona tagein, tagaus in stoischer Gleichmut signalisiert: die Zeit ablesen.
Doch das geht nicht, denn sie steht ja. Hast du, liebes „InterCityHotel“ am Paul-Nevermann-Platz, eigentlich schon mal darüber nachgedacht, dass man denken könnte oder gar sollte, wo draußen die Uhr nicht geht, würden drinnen eventuell auch die Betten nicht gemacht, die Toiletten nicht geputzt und die Bratenreste von gestern zum Gammelgulasch von heute?
Da denk bitte mal drüber nach, „InterCityHotel“. Und dann bring endlich deine Uhr zum Laufen, verdammt noch mal.
Mit hoffnungsvollsten Grüßen
Matt
PS: Bei der Gelegenheit könntest du eigentlich auch gleich deine beiden hässlichen Binnenmajuskeln („InterCityHotel“) entsorgen, aber das entscheidet wahrscheinlich mal wieder irgendeine Zentrale, ich weiß. Trotzdem.
PPS: Die Überschrift habe ich übrigens entlehnt aus Gert Mattenklotts „Versuch über die Albernheit“.
Mit dem Hotel hat sichs eh bald erledigt...
AntwortenLöschenDie Uhr geht doch immerhin 2x am Tag ganz genau. Bei "Binnenmajuskeln" habe ich erst an was medizinisches, dann an was maritimes gedacht. Komisches Wort für einen Großbuchstaben.
AntwortenLöschenMit dem Hotel kann man ja leben - da InterCity als Marke ja hierzulande auch mit Delle geschrieben wird und man mit gutem Willen den Farbwechsel zwischen Rot und Weiß als Leerzeichen deuten kann.
AntwortenLöschenSchlimm aber die HafenCity. Wohl von irgendeinem KulturSchaffenden im Rahmen einer teuren Studie erdacht, wird es nicht lange dauern, dann wird aus dem Stadtteil des Hotels ein schlichtes und genauso zeitgemäßes 41t0n4...
Vermutlich ist es ein DenkMal. Und da Sie das Straßenschild mit ins Bild nahmen tippe ich auf den Satz von Paul Nevermann „Es ist ja die historische Tragik der demokratischen Kräfte, daß sie immer dann ihre Aufgabe antreten müssen, wenn ein autoritäres Staatssystem ein Volksvermögen in die Luft gepulvert hat.“ Die Zeit steht still.
AntwortenLöschenLuc
was mich an Ihrem Schreiben durchaus irritiert, werter Herr Matt: Sie duzen das Hotel. Von Anfang an und sehr konsequent. Das wäre Ihnen umgekehrt nicht so einfach durchgegangen. Oh nein! Oder kennen Sie sich näher? Die nicht gemachten Betten, das ungereinigte WC ... ?
AntwortenLöschenWas mich jetzt noch interessiert, ist die "Gurké" aus der Überschrift. Was hat es damit auf sich? Verstehe ich da gerade eine hintersinnige Anspielung oder ein originelles Wortspiel nicht?
AntwortenLöschen(Ich hatte nach Lesen des Beitrags die Hoffnung, hier in den Kommentaren Antworten zu finden ... Manchmal ist man ja nicht der einzige, der es nicht kapiert. Na ja, so muss ich mich halt nach langem passivem Mitlesen mal selbst zu Wort zu melden und um Aufklärung bitten. Vielleicht kann das anstelle des Hausherren jemand aus dem Leserkreis übernehmen, es ist ja doch immer etwas unangenehm, Witze erklären zu müssen ...)
@ Anonym 10:17
AntwortenLöschenDer Verfasser hat sich offenbar vertippt und meinte wohl nicht "Gurké" sondern "Gourmé" - was auf französisch soviel wie "steif" bedeutet. Das macht in Bezug auf die Uhr doch durchaus Sinn. Ja, genauso wird es der Verfasser gemeint haben.
P.S. lauter Anonyme hier.
Herr Matt, ich fürchte Sie haben das alles nicht richtig erkannt.
AntwortenLöschenDas Intercityhotel (um es mal korrekt niederzuschreiben) befindet sich in einer Zeitschleife. Das Haus ist quasi voll mit Dienstreisenden, die sich vor Jahrzehnten dort einquartiert haben (in der Hoffnung auf eine ruhige Dienstreisenacht) und seitdem dort gefangen sind. Immer die gleiche Uhrzeit und (leider nicht sichtbar) immer der gleiche Tag.
Ich tippe auf den 21.6.1987.
Es gibt somit auch keine ungeputzten Klos oder vergammelte Essensreste, da überhaupt nicht genug Zeit ist, um WCs zu verschmutzen oder Bakterien ihr Werk tun zu lassen.
Leider kann ich Sie jetzt nicht um Überprüfung meiner Theorie bitten, da Sie dann auch in der Zeitschleife gefangen sind und damit nicht mehr als Berichterstatter taugen.
@Elbkind: Das war mir auch sofort beim Lesen aufgefallen, und ich schwanke zwischen Verwirrung und Empörung. Was geht gerade in Hamburg vor, dass Herr Matt sich derartig hinreissen lässt? Ich bin ja eine nichtanonyme Berlinerin und damit keine Insiderin....
Binnenmajuskeln, das ist doch auf Ihrem Mist gewachsen, oder?
AntwortenLöschenLuc, danke für Ihre weisen Nevermann-Worte. Er scheint mir seiner Zeit voraus gewesen zu sein. Es lebe die Demokratie!
AntwortenLöschenElbkind, Sie haben grundsätzlich völlig Recht, wenn Sie meine unhöfliche Form bemängeln. Allein, das Hotel ist ein Gebäude und als solches sächlich, also habe ich mir in Abgrenzung zu meinem Umgang mit Humanoiden das Duzen erlaubt. Außerdem kann es sich nicht wehren, das ist ein Vorteil.
Anonym 10:17: Wenn Sie nur die Überschrift einmal anklickten, ginge Ihnen ein Licht auf, wenn nicht sogar eine Gurké. Womit auch Ihr Namenskollege von 11:25 widerlegt wäre.
Frau Nihilistin, Ihre Theorie ist mir am sympathischsten, ehrlich gesagt, auch wenn Sie gruselig ist. Sie erinnert mich aber an „Hotel California“ von den Eagles, und das ist etwas sehr Begrüßenswertes.
Dein Koenig, Sie enttäuschen mich. In Ihrer Position sollten Sie täglichen Umgang mit Binnenmajuskeln haben.
Ich bewege mich seit Jahren (!) nicht mehr raus aus Altona. Höchstens, dass ich noch mal nach Ottensen rueber schwarwenzel, so aus Versehen durch den Bahnhof hindurch.
AntwortenLöschenUeberall woanders in der Welt stehen die Uhren nämlich auf 5 vor 12. Da ist so sein 3 Minuten nach 1/2 11 doch irgendwie heimilicher. Altona, du hast es besser.
Verdammt, Herr Matt, ich werde alt. Hielt ich dies doch für mein ganz eigenes, selbst entworfenes Szenario. Nicht ahnend, dass der Songtext sich so tief in mein Unbewusstes gegraben hat, dass ich noch nicht mal mehr mitgekriegt habe, dass es NICHT meine Idee war.
AntwortenLöschenHerr Matt,
AntwortenLöschenden Clou mit der "Gurké" verstehe ich einfach nicht, auch nicht nach Anklicken der Überschrift hin zum Link.
Oder ist da gar kein Gag in dem ganzen ?
Wahrscheinlich bin ich nur zu blöde.
Olaf, ich glaube, dazu muss man ein bisschen gaga sein, um das witzig zu finden. Wie ich.
AntwortenLöschenFrau Nihilistin, so geht es uns doch allen mal. Neulich dachte ich zum Beispiel: Wäre eigentlich eine geniale Idee, wenn Fahrzeuge auf runden statt eckigen Rädern fahren könnten. Und musste feststellen: Das gibt's schon!
Ottoerich, seit Ihrem Kommentar fühle ich mich sogar im Büro in Ottensen/Altona richtig wohl. Danke sehr.
Herr Matt,
AntwortenLöschendas hat mir jetzt sehr weitergeholfen ;-)
Aber klingt optimistisch.
allen ein schönes Wochenende.