An dieser Stelle muss jetzt mal German Psychos Ruf zerstört werden. Also: Er warf für uns heute nicht nur den Videobeamer an und projizierte das Spiel Deutschland-Polen auf eine eigens aufgehängte Leinwand; nein, er gewährte auch bereitwillig Zugang zu seinem Kühlschrank, in dem offenbar unerschöpfliche Astravorräte einer zweckdienlichen Verwendung entgegenbangten oder -fieberten; das weiß man bei Bier generell nicht so genau.
Seine zuvorkommende Art gipfelte im generösen Angebot, mir als Dauerleihgabe sein aussortiertes Nokiahandy zu überlassen, weil sich hinterm Display meines schraddeligen Siemensteils inzwischen derart viele Fusseln verfangen haben, dass ich mich wundere, wieso ich zu Hause überhaupt noch staubsaugen muss.
Kurz: German Psycho war ein vollendeter Gastgeber. Nur die direkt neben der Leinwand geparkte Chromaxt wirkte beunruhigend. Warum nur war sie so überaus blitzeblank gewienert …?
Als wir auf dem Heimweg die Reeperbahn erreichen, übersteigt der Trubel nach dem Sieg alle Vorstellungen. Tausende von Fans springen, hüpfen und singen auf der Meile herum, was einer Vollsperrung gleichkommt (das um 0:03 dokumentierte Bild der Kiezcam zeigt das nur sehr unzureichend). Dem Verkehr aus den Nebenstraßen bleibt nichts anderes übrig, als still zu verzweifeln. Und das war nur ein Vorrundenspiel …
Ein großer bulliger Mann in der Menge fasst plötzlich meine Hand und fragt: „Du Deutscher?“ Ich bejahe mit dem Konter „Und du bist Pole?“ Mit wehem Lächeln bestätigt er. „Tut mir Leid“, sage ich, eingedenk der polnischen Niederlage in letzter Sekunde. Er drückt meine Hand noch fester.
Weitaus merkwürdiger mutet indes der korpulente Typ unter unserem Balkon an, der um kurz vor halb eins an die Hauswand gegenüber schifft und dies mit einem dröhnenden „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland!“ begleiten zu müssen glaubt; mit passablem Bariton übrigens.
Pissende Patrioten sind mir gleichwohl lieber als brandschatzende, weshalb ich die zag aufkeimenden Chromaxtfantasien recht erfolgreich niederkämpfen kann.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über fatalen Waffengebrauch
1. „Careful with that axe, Eugene“ von Pink Floyd
2. „If I had a rocket launcher“ von Bruce Cockburn
3. „The man who shot Liberty Valance“ von James Taylor
Das Video erinnert mich ein wenig an die Aufnahmen von der Mauereröffnung damals. Und auch diesmal kann ich sagen: Ich war dabei! Was für ein Spaß. So viel zu gucken gabs schon lange nicht mehr auf der sündigsten Meile der Welt. Während des Spiels allerdings war ich nicht zugegen. Warum das so war werde ich heute auf meinem Blogg erzählen.
AntwortenLöschenMensch, Maunamea, und ich habe dich gar nicht gesehen!
AntwortenLöschen"Pissende Patrioten" ist für mich definitiv die Alliteration des Abends!
AntwortenLöschenDanke für die lobenden Worte, Sie beschämen mich.
Übrigens krieg ich mich kaum ein, wenn ich mir bildlich vorstelle, wie ein korpulenter Fußballfan, den Willie in der Hand, freie Fahrt für freie Fäkalien fordert. Und Einigkeit.
Besser den Willie in der Hand als das Sturmgewehr. Sage ich immer.
AntwortenLöschenZumindest seit gestern Nacht.
Ach, Sturmgewehre haben ihren ganz eigenen Charme. Vertrauen Sie mir, ich weiß, was ich tue
AntwortenLöschen;-)
AntwortenLöschenNachdem ich gestern das ja eigentlich eher links-alternative Schulterblatt vor Nationalstolz hab ausrasten sehen, will ich den Kiez gar nicht erst betreten.
AntwortenLöschenVor allem: Wie soll das erst bei den Finalspielen werden?
Ich glaube übrigens nicht, daß man diese Flaggen mit Nationalstolz gleichsetzen muß. Letztlich ist es ungefähr das Gleiche, als liefe ein Paulianer mit einer Totenkopfflagge herum.
AntwortenLöschenPatriotismus steht da wohl tatsächlich nicht dahinter, beziehungsweise nur in fußballerischer Hinsicht.
Immerhin sehe ich endlich mal wieder deutsche Flaggen. Hatte schon vergessen, wie die aussehen.
bitte, ich will nicht dumm sterben, was ist Chromax?
AntwortenLöschenEine Axt aus Chrom (Sie hatten das t überlesen).
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