Zwischen Training und Dusche suche ich die Toilette auf, und zwar so, wie die Evolution mich schuf, aber plus Handtuch. Es gibt zwei Kabinen, eine ist besetzt. Als ich meiner dort üblichen Beschäftigung nachgehe, erhalte ich unfreiwillig akustisch Kunde von den erstaunlichen Vorgängen in der Nachbarkabine.
Ohne ins Detail gehen zu wollen – die Geräuschkulisse erinnert an Bombenangriffe. Könnte man Schall riechen, müsste ich sofort in Ohnmacht fallen, niedergestreckt von einem olfaktorischen Overkill. Auch Dauer und Dynamik der Attacken sprengen jede Vorstellung, zumindest meine.
Ich drücke kräftig aufs Tempo und verlasse diesen ungastlichen Ort, so schnell es geht. Im Vorraum leert gerade eine nette Reinigungskraft mit Migrationshintergrund den Mülleimer. Mir wird plötzlich klar, wie wenig schallisoliert die Kabinen sind und wie wenig gedämpft man gewisse Geschehnisse auch hier, an den Waschbecken, vernehmen kann. Und mir wird zugleich bewusst, was die nette Reinigungskraft mit Migrationshintergrund jetzt denken muss. Schließlich weiß sie nichts von einem weiteren in Frage kommenden Kandidaten.
Ein sehr, sehr unangenehmer Gedanke. Ich darf mir das, was eben in der Nachbarkabine geschah, keinesfalls anhängen lassen, soviel ist sicher. Aber soll ich sie wirklich ansprechen und die Sachlage wahrheitsgemäß aufschlüsseln? Soll ich, ein nackter Mann mit Handtuch, mich wirklich vor diese Frau hinstellen und beschwörend murmeln: „Hören Sie, ich weiß, was Sie jetzt denken, aber ich war das nicht, ehrlich!“? Hmm.
Sie ist weiter mit dem Leeren des Behälters beschäftigt und hat bisher höflicherweise nicht hochgeschaut; immerhin bewegt sie sich tagtäglich im Reich nackter Männer und weiß, was sich gehört. Und darin liegt meine Chance, doch noch ohne Plädoyer und Stigma aus der Sache rauszukommen. Also stehle ich mich rasch hinaus. Sie hat mich gewiss nicht gesehen, geschweige denn erkannt; erleichtert fliehe ich unter die Dusche.
Und dort, unter der schütztenden Kaskade, fällt mir nicht nur ein ähnliches Erlebnis vom Januar ein, sondern auch eine Geschichte von David Sedaris. Er erzählt davon, wie er auf einer Gartenparty das Klo aufsucht und dort etwas Unbeschreibliches im Becken vorfindet, was sich partout nicht wegspülen lassen will; also beginnt er fiebrig zu rätseln, wie er die dort dümpelnde Elefantenwurst los wird, um nicht mit ihr in Verbindung gebracht zu werden.
Eine Geschichte, die mir bislang extrem witzig vorkam, aber im Licht der heutigen Ereignisse deutlich an Komik eingebüßt hat.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Toilettenbezug
1. „Waterloo“ von Abba (haha …)
2. „Pissing in a river“ von Patti Smith
3. „Aliens broke my toilet seat“ von Sir Oliver Mally's Blues Distillery
Ich dachte bisher immmer, ich sei der Einzige, dem es so geht. Aber ich kann nichts weiter darüber schreiben. Sonst bekomme ich wieder einen Würgreiz. Vor allem, wenn ich an meinen letzten Kongreß denke.
AntwortenLöschenEgal.
Danke.
Jedenfalls werde ich am 14. genauestens auf die Gästetoilette achten!
Auch so ein Problem, das die Wissenschaft bis heute nicht zu lesen vermochte. Ignorantes Pack!
AntwortenLöschenWas ich mich allerdings frage: war es denn überhaupt ein Problem?
Hat der geräuschvolle Nachbar etwa blitzartig das Donnern einzustellen vermocht, als Sie die Sitzung verließen? Oder hatten Sie vielleicht nicht doch ein ganz klein wenig eingestimmt in das Konzert?
Insofern wirft die Geschichte für mich nur zusätzliche Fragen auf. Interessant vor allem deshalb, weil ich mich gerade in einer analen Phrase befinde. Bitte klären Sie uns auf. Danke.
Die Sedaris-Geschichte hab ich auch gelesen und musste damals schon (bei ihrem Bericht natürlich auch) an eine Episode aus "Chaos-City" (kenne den Original-Titel nicht) denken:
AntwortenLöschenMichael J. Fox ist auf einer Party und will Heidi Klum, die er auf dem Flur entdeckt, aus dem Weg gehen (warum weiß ich nicht mehr). Er sieht jemanden aus dem Klo kommen, der sich zügig verzieht und nutzt die Chance, selbst hinein zu huschen und die Tür zu verriegeln. Nur um im selben Moment erstens von der Duftwolke seines Vorgängers umgehauen zu werden und gleichzeitig ein Klopfen an der Tür zu hören: Frau Klum muss auch mal.
Äußerst, äußerst dumme Situation. Ich glaube, er ist aus dem Fenster geklettert - sicher bin ich mir aber nicht mehr.
Ich bekomme immer ein be / ver - klemmtes Gefühl wenn ich in der Nebentoilette Geräusche höre!
AntwortenLöschenOh ja, die Geschichte von Sedaris. Seitdem habe ich eine Turdphobie.
AntwortenLöschen@gp: Stets zu Diensten. Und bitte keine Sorge um Ihre Gästetoilette. Die ist bei mir in besten … äh … Händen.
AntwortenLöschen@tropengewitter: Ich schwöre, ich musste nur klein! Doch der Donnergott in der Nachbarschaft ließ nichts mehr von sich hören, als ich den Vorraum betrat.
@ramses: Ja, ich erinnere mich auch dunkel an diese Geschichte. Ich glaube, das lief auf Fenster und Feuerleiter hinaus.
@mone: Ich ebenfalls. Aber noch viel beklemmender ist es, selbst Verursacher zu sein, wenn man jemand in der Nähe weiß … Ganz übel.
@frau klugscheisser: Sie machen Ihrem Namen alle Ehre – „Turdophobie“ ist ganz großes Klugscheißertennis! ;-)
Ich bin schon immer gegen diese Kabinen gewesen. Feste Mauern gehören um eine Toilette herum, allein schon aus Sicherheitsgründen.
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