17 Oktober 2008

Auf Blondinentour

Am Mittwoch war ich beim Konzert von Heather Nova in der Großen Freiheit.

Von der Bermuderin hatte ich analog zu ihrem neuen Album seelenstreichelnden Folk zur Akustikgitarre erwartet und deshalb die Ohrstöpsel daheim gelassen. Stattdessen pulverisierte die hinterhältige Insulanerin neben meinen Erwartungen auch die Hälfte meines Hörvermögens.

Anders die überraschend unblonde Annett Louisan am Donnerstag beim Foyerkonzert des NDR: Im öffentlich-rechtlichen Proseccoambiente blieb ihre Dynamik kongenial gedimmt. Doch vielleicht lag mein Eindruck des angenehm Mittellauten auch nur an jenem Resthörvermögen, das Blondine Nummer 1 am Tag davor übriggelassen hatte.

Plötzlich tauchte Maastrix auf und begann, Louisan zu fotografieren, was GP und ich zum Anlass nahmen, The Maastrix zu fotografieren.

So hatten wir alle unseren Spaß.

15 Oktober 2008

Matt, der Restauranttester



Ständig öttelt der Sternekoch Christian Rach durch die deutsche Provinz, um kulinarische Katastrophen zu beheben und lausige Restaurants vorm Ruin zu retten. Doch wie geht es bei Rach selbst so zu, nämlich im Tafelhaus?

Mal schauen. Sein Restaurant, das in der Boulevardpresse reflexhaft unter „Gourmettempel“ subsumiert wird, liegt an der Elbe, hat einen Michelinstern und lässt ihn sich auch bezahlen, holla …

Als wir reinkommen, sitzt Cheffe auf einer Bank an der Wand, wo er traute Gespräche mit einem jungen Paar führt, offenbar Freunde. Im Gastraum herrschen dezenter Barjazz und dunkle Holztöne, hier schummert’s schön, damit das Hafenpanorama auch abends nicht von den Fensterscheiben weggespiegelt wird. Von der hohen Decke zielen Punktstrahler auf die Tischmitte; so bleiben die Gesichter der Gäste im mysteriösen Halbdunkel.


Wir stellen uns ein Drei-Gänge-Menü zusammen, die Kellnerin lächelt und notiert sich … nichts. Mich macht so etwas immer nervös. Stets bange ich bis zum erfolgreich absolvierten Serviervorgang ums Gedächtnis des Bedienpersonals. Heute Abend jedoch grundlos; schließlich sind wir hier bei Sternekoch Rach, das ist keiner, der sich sein Personal an der Unipinnwand zusammensucht, nein, wahrscheinlich hat hier jede Kellnerin mindestens Philosophie und Mathe studiert (wie er selbst).

Drüben bespaßt Rach noch immer seine Freunde. Manchmal lacht er derart laut auf, dass wir denken, wir seien im Fernsehen.

Die Portionen sind überschaubar, doch das ist nicht schlimm, denn Rach verfolgt ein raffiniertes Prinzip: Zahl drei, krieg acht. Denn immer, wenn man gerade nicht damit rechnet, eilt eine Kellnerin herbei und entrichtet einen kleinen Gruß aus der Küche. Mal ist es Brot mit Aalbutter, mal Gänseleberpastete, mal ein Champagnersüppchen mit Minze und Mango, mal ein Sortiment feinster Chocolaterie, und der Rest fällt mir nicht mehr ein.

Den Hauptgang serviert dann Rach persönlich, mit schlenkernden Armen und Fernsehstimme erläutert er Kombinationen und Ingredienzen. Was also liegt überhaupt im Argen hier im Tafelhaus? Nach langem Sinnieren fällt mir etwas ein: der Fauxpas beim Fischbesteck!

Eine Kellnerin legt es Ms. Columbo hin, obwohl doch ich den kross gebratenen Zander mit Kraut, Knöpfle und Traubenchutney bestellt habe (Foto o.) und sie die Roulade vom Kaninchen mit Backpflaumen, Rahmwirsing und gebackenem Sellerie.

Abzug in der B-Note, Herr Rach! So nicht!

Wir nehmen schließlich ein Taxi zum Kiez und werden noch lange an diesen Abend denken – das ist schon jetzt so sicher wie der kühn geschwungene Tafelhaus-Schriftzug an der roten Wand zum Klo.

14 Oktober 2008

50 Prozent SEINER Gene



Man kann von keinem Sänger der Welt erwarten, Bob Dylans künstlerisches Gewicht zu erreichen, warum also sollte ausgerechnet sein Sohn dazu in der Lage sein?

Dank dieser Überlegung prophylaktisch milde gestimmt, kommt mir das Konzert von Jakob Dylan in der Fabrik gar nicht mehr so mittelmäßig vor, obwohl es das natürlich weiterhin ist.

Wir stehen zunächst oberhalb, dann neben der Bühne, vielleicht vier Meter von ihm entfernt, und mir wird klar, dass ich wohl niemals näher an Bob Dylan herankommen werde als an die dort drüben Gitarre spielenden 50 Prozent seiner Gene.

Zurück vom Konzert, das wir vorzeitig verlassen, rege ich an, als Betthupferl noch ein wenig „24“ zu schauen. „Aber nur eine Folge“, mahnt Ms. Columbo.

„Okay, aber eine ist keine, also können wir noch eine zweite schauen, das ist dann eine, und dann geht auch noch eine dritte, weil die zweite ja genau genommen auch keine ist“, erwidere ich.

„Wir können’s auch ganz lassen“, sagt Ms. Columbo.

12 Oktober 2008

Gesichtszwillinge (15)



Bisher vermutete ich arglos, die Kunstfigur Knut Hansen (r.) werde von Christian Ulmen dargestellt.

Seit gestern aber habe ich eine neue aufregende Theorie: Die Kunstfigur Christian Ulmen wird von Opa Edi (l.) dargestellt, der sich als Knut Hansen verkleidet hat.

Das Leben war auch schon mal weniger kompliziert.

11 Oktober 2008

(Fast) Ohne Worte (15): Kippenkippe



Es hat definitiv auch seine Nachteile, wenn Raucher vor die Tür müssen.
Gesehen in der Davidstraße,
gegenüber der Phalanx der Huren.

09 Oktober 2008

Ciao, Kapitalismus!



Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie mit bunter Kreide auf den Gehweg vor der Kita Zapperlot in der Seilerstraße kritzelt.

Mutig war gestern auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Dort geschah etwas Ungeheuerliches, etwas so Unvorstellbares, dass ich noch immer nicht sicher bin, ob es wirklich stimmt. Denn Nils Minkmar, Autor der FAZ, schrieb einen langen, traurigpoetischen Abgesang auf den Neoliberalismus – in der FAZ.

Das muss man sich mal vorstellen, kann es aber nicht.

Die FAZ ist berühmt dafür, das Goldene Kalb des Neoliberalismus jahrzehntelang unermüdlich umtanzt zu haben. Und jetzt sagt FAZ-Autor Minkmar in einer epischen Elegie, diese Geschichte sei nun zu Ende. Es müsse eine neue folgen.

Und erst jetzt, wo ausgerechnet die FAZ den Neoliberalismus fallen lässt wie einst die Menschen ihren Glauben an die Scheibenform der Erde, erst jetzt, wo ausgerechnet die FAZ vom verlorenem Glauben spricht und eine Ahnung durchscheinen lässt von der Esoterik, die in der Vorstellung von der Selbstregulierung eines freien Marktes liegt, erst jetzt glaube ich es wirklich, ausgerechnet dank der FAZ:

Dass der globalisierte Kapitalismus am Ende ist.



08 Oktober 2008

Letzte Geheimnisse: Das Herrenklo (9)



Im Bambi am Hamburger Berg gerate ich beim Versuch, mir die Hände zu waschen, an eine sanitäre Einrichtung unbekannter Funktion.

Das quadratische Metallbecken mit mittigem Abfluss verfügt nur über einen Druckspüler, doch den Hahn suche ich vergeblich. Stattdessen rinnt plötzlich von allen Seiten Wasser ins Becken und gurgelt ostentativ durch den Abfluss.

Ratlos stehe ich davor, mit weiterhin qualvoll ungewaschenen Händen. Der direkt neben mir unverdrossen pinkelnde Mensch am Pissoir dreht sich um und empfindet die Situation nicht derart, dass er nicht parlieren könnte. Im Gegenteil.

Er – pissend, doch wissend – klärt mich auf über die Funktion dieses Dings. „Das ist ein Kotzbecken“, erläutert er zum Soundtrack seines schniedelinduzierten Plätscherns, „und ich kenne keine andere Hamburger Kneipe, in der es so etwas gibt.“

Mir geht es genauso, gebe ich ihm zu verstehen, und entdecke derweil um die Ecke ein astrein funktionierendes Waschbecken, das meine hygienischen Bedürfnisse voll und ganz zu erfüllen weiß. Zurück am Platz bitte ich Ms. Columbo, die Damentoilette zu investigieren und nach einem baugleichen Kotzbecken Ausschau zu halten. Sie kommt ergebnislos zurück.

Das Kotzen, so meine empirisch jedoch nicht ganz wasserdicht abgesicherte Erkenntnis, scheint eine männliche Domäne zu sein. Denn eins ist sicher im Kapitalismus, in dem wir trotz Finanzkrise noch immer ganz kregel zu leben verpflichtet sind: Nachfrage
induziert Angebot, und nur deshalb gibt es im Bambi ausschließlch auf dem Herrenklo ein Kotzbecken.

Ich bin mir nicht ganz sicher, was das für mein Selbstverständnis als Mann bedeutet, aber das finde ich bestimmt noch heraus.

07 Oktober 2008

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (6)

 
Der eh nicht ganz repräsentable Boden unseres Lichtschachts im Hausflur barg seit der EM monatelang ein armseliges Deutschlandfähnchen, schnöde entsorgt nach dem Kater, der hierzulande jedem patriotischen Rausch ordnungsgemäß zu folgen hat.

Neuerdings aber ist das Fähnchen überraschend in den Müllraum umgezogen. Dort steckt es an der Wand und schaut dir traurig zu, wenn du deine Tüten in die Tonne stopfst.

Wahrscheinlich hofft es auf Erlösung, doch was soll ich machen? Es ebenfalls in den Müll zu geben ist bestimmt illegal.

Genau wie verbrennen.


06 Oktober 2008

Das Wort zum Montag

Mit großem Bedauern vernahm ich just Charlotte Roches Absage an eine Fortsetzung ihres Erfolgsromans „Feuchtgebiete“.

Für den gegenteiligen Fall nämlich hatte ich bereits seit längerer Zeit einen Killertitel für die entsprechende Buchkritik parat, den ich schwuppdiwupp aus dem Köcher ziehen wollte.

Dieser nunmehr obsolete Titel vereinigte aufs Trefflichste meine notorische Kalaueritis mit einer profunden Bibelkenntnis, die noch aus Jugendtagen herrührt. Nun aber, da Frau Roche keine Fortsetzung schreiben will, ist das alles perdu, und ich werde dafür niemals Ruhm und Ehre ernten.

Deshalb kann ich den Titel der nie verfassten Rezension auch in die Tonne treten – aber erst nach dem Verbloggen. Er hätte geheißen: „Das zweite Buch Möse“.

Wehe, sie schreibt jetzt doch noch „Feuchtgebiete 2“!

Foto: Wikipedia


05 Oktober 2008

Ein letzter Sommergruß



Ab jetzt heißt es bis März: Sudelwetter; schirmvernichtende Böen; heimtückisch
als Regengeniesel getarnte Vollduschen; kalte Sonnentage; wildes Wolkenhalali.

Und Menschen wie jener, der uns heute beim Einkaufen begegnete, werden von nun an seltener zu sehen sein. Sein graues Haupthaar strebte mit der gleichen Entschlossenheit nach oben wie sein ebenso grauer marxscher Bart gen Boden; ein schwarzer Umhang verortete ihn modisch in Nazareth um 9 nach Christus, seine Akustikgitarre hingegen, die er nur beschränkt virtuos zupfte beim Queren der Hein-Hoyer-Straße, verwies mehr aufs Hier und Jetzt.

Sockenlos tapste er vorüber in monströsen Sandalen, und auch das wird bald vorbei sein, sofern ihn keine religiösen Gründe zu dieser Selbstkasteiung zwingen (was ich aber für sehr wahrscheinlich halte). Denn ab jetzt heißt es: Sudelwetter
, schirmvernichtende Böen, wildes Wetterhalali zuungunsten sockenloser Marx- & Jesusfreaks in schwarzen Umhängen.

Tja, der Sommer ist vorbei, und er war nicht mal groß. Das Bild täuscht.

04 Oktober 2008

Die Frage aller Fragen

Wahrscheinlich steht die Verpflichtung zu dieser Frage im Arbeitsvertrag sämtlicher Pennyverkäufer. Wer bei Penny an der Kasse sitzt, muss sie stellen, unabhängig vom Wert des Einkaufs oder der Reputation des Kunden.

Jeder vollendete Bezahlvorgang muss mit dieser Frage abgeschlossen werden, sonst Abmahnung. So weit, so gut. Als aber heute die Pennyverkäuferin dem Obdachlosen, der lediglich einen Tetrapak billigsten Rotweins aufs Band gelegt hatte, die in ihrem Arbeitsvertrag festgelegte Frage stellte, wurde das Surreale dieser Vorschrift doch sehr evident.

Sie blickte hoch zu dem Obdachlosen, der nach seinem Tetrapak griff, und fragte sie, die Frage aller Fragen.

Sie lautet: „Kassenbon?“

Der Mann schüttelte Kopf und Bart und ging hinaus. Genau wie ich wenig später, mit der gleichen Frage als Echo zwischen den Ohren – und vier Frühstücksbrötchen in der Tasche.

Vielleicht sollte man ihn sich wirklich mal geben lassen, den Kassenbon, und nachmittags mit einem angebissenen Brötchen wiederkommen: „Sorry, das war nicht gut, ich möchte es umtauschen, hier ist der Kassenbon.“

Eventuell nächsten Sonntag.



02 Oktober 2008

Ohne Worte (14): Norwegian wood



Entdeckt in Oslo.


Raus damit, FC St. Pauli!



Ich weiß, ich weiß: Die Modelabels Lonsdale, Dr. Martens, Fred Perry, Ben Sherman und Alpha zielen nicht explizit auf rechte Käuferschichten. Gleichwohl finden Neonazis diese Klamotten cool.

Und deshalb ist es jeden Monat sehr befremdlich, ausgerechnet in der Vereinszeitschrift des „linken“ FC St. Pauli, „Im Blickpunkt“, die Daueranzeige eines Hamburger Ladens zu finden, der uns mit
Lonsdale, Dr. Martens, Fred Perry, Ben Sherman und Alpha locken will.

Ich weiß, ich weiß: Auch Normalos und linke Skinheads tragen das Zeugs. Trotzdem. Könnte der FC St. Pauli dort nicht eine Anzeige von American Apparel reinholen oder Greenpeace das Eckchen schenken?

Es ist sowieso unklar, ob für diese Anzeige überhaupt Geld fließt. Da gab es nämlich mal eine jahrelang schlichtweg vergessene Wal-Mart-Werbung, die noch ewig nach der Schließung des Ladens halbseitig im Heft war und erst in der neusten Ausgabe fehlt. Leider ganz im Gegensatz zu der mit
Lonsdale, Dr. Martens, Fred Perry, Ben Sherman und Alpha.

Die muss auch raus, FC St. Pauli! Denn wenn man richtig antifa sein will, muss man manchmal auch ein bisschen ungerecht sein.


01 Oktober 2008

Kreuzfahrtnachklapp



Noch eine kleine Episode vom Schiff. Ich stand erschöpft und schweißnass im Aufzug auf Deck 10, als dieser alte Herr mit der Gehhilfe zustieg, dessen Hupe die Philippinos (Foto) aus dem Speisesaal immer so gerne drücken.

Er wackelte mit winzigen Trippelschrittchen herein, schaute mich an und fragte mit zittriger Stimme: „Ka-ann e-es sa-ain, dass Sie schwit-zen?“ „Nun“, antwortete ich, „es ist eben mörderanstrengend, eine 110 Kilo schwere Vettel zu entbeinen.“

Ms. Columbo schaut mich entgeistert an, als ich das erzähle. „Das hast du nicht wirklich gesagt, oder?“ Nein, natürlich nicht. Aber ich kenne einen, der das getan hätte. Ich Langweiler hingegen sagte natürlich bloß die Wahrheit: Dass ich vom Fußball käme.

Der alte Herr nahm es still hin. Aber er starrte mich an, als hätte ich gesagt, es sei mörderanstrengend, eine 110 Kilo schwere Vettel zu entbeinen.

Bis zum Aussteigen herrschte Schweigen im Aufzug. In der Kabine ging ich dann sofort duschen.

29 September 2008

Zurück im echten Leben

Der blonde obdachlose Russe vor Budni an der Simon-von-Utrecht-Straße hat den rechten Arm komplett in Gips, zur Entschädigung aber auch neuerdings eine dunkelhäutige Obdachlose im Schlafsack.

Vor unserem Hauseingang hinterließ wieder mal jemand einen Haufen, und der Jemand war allem Anschein nach kein Hund.

An der Bushaltestelle Davidstraße ist eine riesige Pfütze strahlenförmig eingetrocknet, von der ich keinesfalls Quelle und chemische Zusammensetzung erfahren möchte, und auf das Halteverbotsschild am Millerntorplatz hat jemand einen „Na toll“-Sticker gepappt.

Kurz, wir haben Skagerrak und Kattegat wieder gegen den Kiez eingetauscht. Und verdammt: Wir lieben es!



Attentat in Kopenhagen

Wenn ich früher in fremde Länder und Städte reiste, suchte ich stets nach den besten Plattenläden und kam nach Hause mit einem Stapel Vinyl, der einen beträchtlichen Teil meines Reisebudgets verschlungen hatte.

Wenn ich heute in fremde Länder und Städte reise, suche ich noch immer nach den besten Plattenländen und komme nach Hause mit – nichts. Es gibt keine Plattenläden mehr.

Die ganze Woche über stromerten wir durch skandinavische Großstädte, ohne Erfolg. „Die Schuhgeschäfte sind auch öde“, sagt Ms. Columbo, „wenn dich das tröstet.“ Nun: tut es nicht.

In Kopenhagen scheint man übrigens auch die Qualität aktueller Modetrends zu missbilligen, wie die Schussverletzung der abgebildeten Schaufensterscheibe nahelegt. Irgendwie ist der Kapitalismus halt auch nicht mehr das, was er mal war.

28 September 2008

Der doppelte Vogel

An Bord sind lauter Doppelgänger. Das fängt beim Kapitän an, der zwar Morten Arne Hansen heißt, aber aussieht wie Niki Lauda. Und gestern Abend in der Casablanca Bar saß am Nachbartisch Rita Süßmuth.

„Nein“, widerspricht Ms.Columbo, „das ist höchstens Jutta Limbach.“ Bei dem weißhaarigen Herrn mit den nach oben breiter werdenden Graulocken sind wir uns allerdings einig: ganz klar Hans-Jochen Vogel (Foto) – obwohl sich Ms.Columbo lange Zeit unsicher war, ob es sich dabei überhaupt um einen Mann handelte.

Verstohlen schaue ich mir den Menschen länger an. „Vielleicht ist das wirklich Hans-Jochen Vogel“, flüstere ich Ms. Columbo zu. „Hätte er dann nicht Personenschutz?“, wendet sie ein. „Der ist doch längst pensioniert und wohnt im Seniorenheim“, versuche ich ihr stichhaltiges Argument zu widerlegen.

Andererseits traf ich in einem Hamburger Klaviergeschäft mal Altkanzler Helmut Schmidt, und der war in Begleitung eines auffällig unauffälligen Mannes von kräftiger Statur, der auffällig interessiert tuend seine desinteressierte Nase in Notenblätter steckte.

Aber Schmidt war mal Kanzler, und was war Vogel? Nein, nicht jeder retirierte Expolitiker kriegt zeitlebens Personenschutz.

Schon gar nicht mit dieser Frisur.

23 September 2008

Alter Schwede



Schwupps, Goeteborg. Die Ost- war wie die Nordsee: ein funkelndes Silbertablett. Seestaerke 1 also. Und die Windgeschwindigkeit ist identisch mit unserem Fahrtempo, aber auch nur, WEIL wir uns bewegen; sonst waere sie null.

Selbst die Norweger und Schweden reiben sich die Augen, weil sie so einen Spaetsommer noch nicht erlebt haben. Wir aber nehmen ihn einfach persoenlich.


Normalerweise passiert uebrigens immer etwas Ungewoehnliches, wenn wir irgendwo urlauben, und ich muss meine Eltern telefonisch beruhigen. In Rom zum Beispiel entgleiste gleich an unserem Ankunftstag die U-Bahn. Auch das ist diesmal anders: Es gibt lediglich einen Amoklauf in Finnland. Wahrscheinlich muss ich meine Eltern trotzdem telefonisch beruhigen.


Unsere Stadtrundfahrt durch Goeteborg leitete heute ein Herr, der bei uns scheel angeschaut wuerde, wenn er nur versuchte, allein die Strasse zu ueberqueren. Also ein echter alter Schwede ...


Jedes Land, das meine Kalaueritis nicht hemmt, ist mir uebrigens sehr sympathisch.

22 September 2008

Pimp our city!

Seltsam, waehrend der Mahlzeiten im Schiffsrestaurant laufen staendig die Soundtracks von "Titanic" und "Das Boot" - aber waren das nicht beides Wasserfahrzeuge, die sich unversehens in recht unangenehmen Situationen befanden, und sollte man die Teilnehmer einer Kreuzfahrt nicht eher ablenken von so etwas ...?

Dazu kommt: Es sind nicht die Originalscores, sondern an Scheusslichkeit nicht zu ueberbietende Panfloetenversionen. Wenigstens werden wir so mitten auf dem Meer an die Heimeligkeit festverankerter Fussgaengerzonen erinnert.

Hier in Oslo haengen an Muelleimern uebrigens Schilder, auf denen steht: "Pimp our city!" Die Einwohner werden also ersucht, ihre sympathische Stadt moeglichst auf Zuhaelterniveau zu hieven.

Da fuehlen wir uns doch gleich wie zu Hause auf der Reeperbahn.

So, heute Nacht geht es nach Schweden.