12 Juli 2011

Grenzerfahrung in der Hafencity



Vor zwei Jahren nahm ich schon einmal das spezifische Flohmarktsortiment in der Hafencity unter die Lupe und kam zu interessanten soziologischen Erkenntnissen. Am Sonntag waren wir mal wieder da, um erneut die Anwohner von Magellanterrassen und Sandtorkai beim Ausmisten zu beobachten.

Diesmal auffällig oft vertreten: Nippes, den man von Flugreisen übrigbehält. Also Schirmmützen der Lufthansa, Rucksäcke von Condor, Einwegschlappen aus Luxushotels – sowie ein zauberhafter Strohhut mit der Banderolenaufschrift „Sheraton-Grande Lacuna Beach Phuket“, den ich augenblicks erstehen musste (aus Gründen), und zwar für faire drei Euro. Der Herr in den besten Jahren, der ihn mir verkaufte, begründete seine Entscheidung damit, sein Kopf sei mittlerweile „zu groß geworden“.

Ich fand das merkwürdig, weil gemeinhin mit dem Alter eher Körperpartien wie Bauch, Hüfte oder Oberschenkel dazu neigen, Lebensjahre kongenial in Speckzuwachs umzusetzen, doch vielleicht unterscheidet ja gerade das die Hafencitybewohner essenziell von Kiezianern oder Eimsbüttlern.

Gleichwohl verstörte mich etwas anderes weitaus mehr, nämlich das Cover der abgebildeten Vinylsingle.

Klar, die Popgeschichte ist überreich an ästhetischen Verirrungen, ja Vollkatastrophen, doch dieses Exemplar einer gewissen Claudia Phillips, die den Begriff „Brustimplantat“ auf bestürzende Weise neu interpretiert und dazu grellstens grimassiert, als schöbe man ihr gerade einen Skorpion ins Rektum, gehört in seiner Scheußlichkeit sicherlich zu den herausragenden Beispielen.

Es ist also völlig nachvollziehbar, weshalb ein Hafencitybewohner sich lieber vorgestern als übermorgen von der dreiköpfig mutierten Frau Phillips trennen möchte. Die entscheidende Frage aber lautet doch: Wie ist er überhaupt in den Besitz dieser Platte gelangt? Wurde er irgendwo auf der Welt, vielleicht im Folterkeller des Sheraton-Grande Lacuna Beach Phuket, unter Androhung roher körperlicher Gewalt zum Kauf gezwungen?

Ich habe mich nicht getraut zu fragen. Schließlich gibt es Grenzen.

8 Kommentare:

  1. Irgendwann ist eben auch der gerümpeligste Keller mal ausgemistet und es bleiben nur noch die Reste zum Verkauf.
    Übrigens gibt es inzwischen auch Anwohner in den Strassen Hübenerstrasse, Am Dalmannkai, Am Sandtorpark, Überseeallee und Überseeboulevard, auch wenn man es vielleicht nicht glauben mag.

    LG
    Leonia

    AntwortenLöschen
  2. Die musikalische Qualität korrespondiert jedenfalls in hohem Maße mit der künstlerischen Gestaltung des Covers. Ich kann mich noch nicht entscheiden, was ich schrecklicher finde.

    AntwortenLöschen
  3. Haben Sie etwa im Netz nach Tonbeispielen gesucht? Sie sind ja wagemutiger, als ich dachte!

    AntwortenLöschen
  4. Eher neugierig als wagemutig. Solange man selber die Hand am Regler hat kann nicht viel passieren.

    AntwortenLöschen
  5. Noch nie etwas von schockinduzierter Totalparalyse bei weiter astreinem Hörvermögen gehört?

    AntwortenLöschen
  6. Ein guter Freund von mir schmeißt seine Besucher morgens gerne mit Heino aus dem Bett, Sie glauben gar nicht wie das abhärtet. Dagegen ist 80er Jahre Plastikpop aus Fronkreisch sowas von harmlos.

    AntwortenLöschen
  7. 'errliiiiisch, diese "Musik":

    http://www.youtube.com/watch?v=pYokDJR7ris

    AntwortenLöschen
  8. Zaphod, meine erste Single war von Heino, also erzählen Sie mir nichts.

    mt, ich traue mich nicht, Ihrem Link zu folgen.

    AntwortenLöschen