„3000 Plattenkritiken“ | „Die Frankensaga – Vollfettstufe“ | RSS-Feed | In memoriam | mattwagner {at} web.de |
07 Juli 2011
Ein bisschen (viel) Schwund ist immer
Klar, die Deutsche Post ist schon lange keine Behörde mehr, doch manches Relikt aus jenen glorios seriösen Jahrzehnten steckt ihr noch immer tief in den Genen. Ich werde weiter unten auf diese These zurückkommen.
Seit der Privatisierung hat sich bei der Post, wahrscheinlich durch Lohndrückerei, eine Selbstbedienungsmentalität breit gemacht, die einst, als Schwarz-Schilling noch Postminister war, niemals denkbar gewesen wäre. Die Quote der Umschläge mit CDs und DVDs, die an unsere Redaktion adressiert sind und „verschwinden“, beträgt fünf bis zehn Prozent, mit deutlichen Spitzen in der Vorweihnachtszeit.
In der Regel verdunstet das ganze Zeug spurlos, und da es fast immer als einfache Briefsendung verschickt wird, ist die Post stets auf der sicheren Seite. Sie kann schließlich nur Einschreiben und Pakete zurückverfolgen, tja.
Enttarnt wird der Schwund meist erst durch telefonische Nachfragen der Absender bei mir. Manchmal schicken sie eine Platte dreimal, ehe die Post endlich so gnädig ist, sie bis zu uns durchzuwinken.
Doch zurück zum eingangs erwähnten Gen, welches sich als Relikt hie und da noch bemerkbar macht. Neulich war es mal wieder so weit: Ich fand das oben abgebildete Objekt in meinem Postfach. Es handelt sich dabei um einen unverhohlen grobmotorisch aufgerissenen DIN-A5-Umschlag in einer Plastikhülle.
Nachdem Herr Werauchimmer die CD entnommen hatte – und jetzt wird’s bürokratisch –, steckte er den zerstörten Umschlag in eine Klarsichttasche, verschweißte sie sorgfältig und gab dieses völlig nutzlose Ensemble dann wie zum Hohn doch noch in die Zustellung.
Mal ehrlich, Post: Dann doch lieber einfach stillschweigend einsacken. Der aufgedruckte Text – „Die Sendung wurde leider beschädigt und deshalb von der Deutschen Post mit Kunststoffhülle versehen“ – düpiert mich nämlich mehr als eine vorerst unbekannt gebliebene Mopserei. Zumal dieser Text zu allem Überfluss auch noch Dankbarkeit einfordert – für eine Fürsorge, die gar nicht nötig gewesen wäre, hätte man diesen Umschlag einfach ordnungsgemäß zugestellt, statt ihn zu flöhen.
Übrigens ist die Verzweiflung auch auf Absenderseite groß. Da die Labels sich das Porto für Einschreiben nicht leisten können (weil Sie alle, meine Damen und Herren, wild downloaden, jawohl), versuchen sie es mit bisweilen rührenden kleinen Tricks. Promo-CDs von besonders begehrten Künstlern etwa tragen immer seltener den wahren Namen. Statt Eric Clapton steht dann zum Beispiel „Ian Snodgrass“ drauf (schon erlebt), in der Hoffnung, Herr Werauchimmer kratzte sich darob ratlos am Kopf und ließe unwissentlich den Clapton passieren.
Übrigens möchte ich meine obigen Ausführungen hiermit in aller Deutlichkeit als spekulativ klassifizieren; alle angedeuteten Beschuldigungen sind lediglich stilistisch und rhetorisch motiviert.
Einschreiben und Pakete verschwinden übrigens nie. Doch dafür gibt es bestimmt eine ganz einfache Erklärung. Die mir nur gerade nicht einfällt.
Nachtrag vom 11.8.2011: Die Sendung „Kerner“ dokumentierte heute Abend einen Test mit Bargeldsendungen. Ergebnis: 30 Prozent aller Briefe werden von Postdieben geöffnet, gefleddert und teils leer weitergeschickt.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Als bekennender Nerd habe ich seit Jahren die c't im Abo. Und hatte monatelang Stress, bis ich sie auch regelmäßig bekomme habe, denn irgendjemand hat sie immer abgezweigt. Und zwar nicht aus unserem Briefkasten, sondern von unterwegs.
AntwortenLöschenSeit ich sie in einem neutralen Umschlag (nein, nicht aus Flensburg) erhalte, ist da aber Ruhe und Regelmäßigkeit eingekehrt.
Pakete verschwinden nie? Doch meines gerade gestern! Und das konnte nicht klein sein wie eine CD. Enthalten war oder ist, das kann ich von hier aus nicht beurteilen, ein Fahrradmontageständer wie Er in Fachwerkstätten gern benutzt wird plus kleinkram und warscheinlich eine menge Verpackungspolstermaterial.
AntwortenLöschenVielleicht nutzt der aktuelle Besitzer dieses neue Werkzeug um Ihren alten Drahtesel, Herr Matt, wieder auf vordermann zubringen.
einen sonnigen gruß
mexico
Lieber Matt, deine hier geschilderten Erfahrungen sprechen eindeutig für das Downloaden von Musik.
AntwortenLöschenUnd ich hab letztens noch n Paket aufgerissen und mich auf Ian Snodgrass gefreut und was war drin? Ne lumpige Clapton-CD... :(
AntwortenLöschenvon wegen "pakete verschwinden nie": vor jahren habe ich einen ähnlich in plastikhülle kondomierten leeren karton an die haustür geliefert bekommen, jedoch die annahme verweigert. darin hatte sich ursprünglich ein cd-brenner befunden (als diese noch richtig schweineteuer waren). die wollten wahrhaftig einen leeren an der seite aufgerissenen karton bei mir loswerden. in der post habe ich den vorfall dann angezeigt und der beamte schrub in die beschwerde - "sendung offensichtlich beraubt". ach was...
AntwortenLöschenDann spricht doch einiges dafür, dass die Labels, anstatt CDs zu versenden, einfach die Journalisten die Lieder herunterladen lassen. Spart viel Porto!
AntwortenLöschenMeine Schwester arbeitet in Kapstadt: Dort ist es inzwischen gängige Praxis Post nur noch persönlich vorbeizubringen, da angeblich 80 bis 90% aller Pakete geöffnet werden. Einerseits ist diese Methode recht sicher, andererseits führt sie natürlich die Idee "Postversand" ad absurdum.
AntwortenLöschenBei Päckchen aus Deutschland hat es sich aber bewährt, dass ich immer mehrsprachig auf den Umschlag den deutlichen Hinweis "Diebstahl zwecklos; Sendung enthält nur deutsche Bücher, mit denen Sie nichts anfangen können" schreibe.
Von wegen glorios, unter Schwarz-Schilling herrschte auch nicht immer eitel Sonnenschein. Außerdem ließ sich 30cm Vinyl wohl nicht ganz so einfach stibitzen, wie eine kleine CD.
AntwortenLöschenHallo Anonym!
AntwortenLöschenDa könnte man doch eine Firma im Kapstadt gründen, die die Zustellung übernimmt und sie Tsop nennen (wie hier in Rostock die Ostseepost)
Man muß dazu sagen das harte Gegenstände in normalen Briefumschlägen gerne von den Sortiermaschinen gefressen werden bzw. der Inhalt quasi aus dem Umschlag geschleudert wird. So hat man das zumindest mir mal vor ein paar Jahren versucht zu erklären...
AntwortenLöschenMatt, sagen Sie bloß, die zehntausend Euro, die ich Ihnen letztens per Post geschickt habe - nur so zum Spaß, denn ich könnte sie Ihnen natürlich einfach so in die Hand drücken - sind nicht angekommen?
AntwortenLöschenDabei war das Ihr Praktikantengehalt! Also meins. Vielmehr das, was ich Ihnen zahlen muss, damit ich für Sie arbeiten.. Ach, Sie wissen schon!
Was bitte meinen Sie mit „zehntausend“? Ich hatte das Dreifache angesetzt, wenn Sie sich geflissentlich erinnern mögen. Zahlungsfrist bis Mitternacht, pronto?
AntwortenLöschenDenis, diese Ausrede ist wirklich herzallerliebst. Danke, dass Sie sie mit uns teilen.
Zaphod, für die mediale Schrumpfung kann nun Herr Schwarz-Schilling wirklich nichts.
Anonym 11:10 Uhr: Ihr Kapstädter Modell ist von bestechender Brillanz. Allerdings dürfte das wieder mal an Kostengründen scheitern.
Anonym 11:02: Die Downloadbemusterung ist auch inzwischen gängig. Leider auch die Streambemusterung, und das ist die Pest.
Tommy, mexico: Wenn Pakete verschwinden, erhalten Sie immerhin den Schaden ersetzt. Das heißt, er entsteht dem Verursacher, nämlich der Post. Und das ist fein.
Trillian, die Neutralisierung des Umschlags funktioniert aber nicht, wenn ein Absender draufsteht. Die Postler sind ja auch nicht doof – und wissen, was drin ist, wenn ein Sony- oder Universal-Stempel drauf ist.
Problemlösung. Einfach den Umschlag zukleben lassen. Mit einem Film. Aber dat kostet richtig! Von der Schnacke (Tesa, nahe der Müllverbrennungsanlage) nach DOM ;-) In diesem Sinne...
AntwortenLöschenAlso, ohne den vorletzten Absatz (der mit den Spekulatius) wäre ich jetzt ein wenig stutzig geworden, was Ihre Anmerkung mit "unseren" wilden Downloads betrifft.
AntwortenLöschenDa war ich ja im ersten Moment fast versucht, den Hut rumzureichen, damit Jay-Z seine Beyonce weiter mit dem Fliederbüschel peitschen kann, wenn sie ihren Kaviar nicht aufessen mag ...
Den Effekt habe ich bei einem DVD Film Verleih erlebt. Da bekam man eine neue DVD von der Warteliste, wenn die alte wieder beim Verleih angekommen war.
AntwortenLöschenWar dann blöd, wenn man auf eine neue DVD wartete die alte aber nie zum Verleih zurück kam.
Nachdem ich dann 4 Mal eine Verlustmeldung geschrieben hatte, bin ich verstärkt zum örtlichen Video / DVD Verleih gegangen.
Ich denke das Geschäftsmodell ist wegen der Diebstähle zum scheitern verurteilt.
Harte Gegenstände dürfen nicht in einen normalen Briefumschlag gesteckt werden. Die Post sortiert nämlich Sendungen nicht mehr von Hand, wie offensichtlich manche zu glauben scheinen.
AntwortenLöschenDie Gegenstände werden von den Sortiermaschinen herausgerissen. Besonders beliebt dabei sind USB Sticks, Schlüssel etc.
Eine CD sollte man zwischen einer geknickten, dünnen Pappe die man dann in den Umschlag packt, verschicken. Damit verschwindet die Kante einer CD.
Unsinn. Die stecken alle in Luftpolster- oder Pappumschlägen; die Kanten sind nicht mal zu ertasten. Außerdem kommen ja 95 % dieser Sendungen an.
AntwortenLöschen