25 November 2010

„Halt’s Maul, du Nazi!“



Manchmal will ich gar nicht wissen, welche Geschichten sich hinter den Gesprächsfetzen verbergen, die ich so mitkriege.

Zum Beispiel neulich die im Fitnessclub. Ich kleidete mich wieder einmal zufällig in Sicht- und Hörweite des Hulk um. Diesmal telefonierte er, und zwar ähnlich brachial, wie Inkasso-Henry gewöhnlich trainiert.

„Du, Torben, grüß dich, ne“, rief der Hulk mit seiner dünnen Stimme, die der bergigen Anmutung seiner Physis Hohn spricht. „Du, der Neger hat sich nicht gemeldet, ne. Jetzt haben wir keine Einnahmen, ne.“

Im Nacken hat der Hulk übrigens ein riesiges eisernes Kreuz tätowiert, das ist mir beim letzten Mal gar nicht aufgefallen. Der Hulk arbeitet bestimmt auf St. Pauli, da würde ich meinen letzten Dollhouse-Dollar drauf verwetten.

Apropos St. Pauli: An einer Fußgängerampel nahe der Kneipe Blauer Peter (Foto) bekam ich unlängst ebenfalls anderthalb Gesprächsfetzen mit, deren Hintergrund mich allerdings schon sehr interessiert hätte.

Gegenüber stand eine Gruppe von Leuten. Als die Ampel grün wurde, löste sich ein Mann aus der Gruppe, der auf eine Ron-Wood-artige Weise gesichtsverwittert war. Seine Augen glühten wie zwei Eierbriketts, und er brüllte, ohne sich umzudrehen: „Halt’s Maul, du Nazi!“

Als er die Mitte der Fahrbahn erreicht hat, brüllte er es noch mal auf die gleiche starre, glühende Weise, und in diesem Augenblick lief ein junger Typ von etwa 20 Jahren aus der Gruppe gegenüber hinter Ron Wood her, gab das Vorhaben aber schon nach wenigen Metern wieder auf.

Sein so schnell wieder erschlaffter Verfolgungsimpuls konnte verschiedene Ursachen gehabt haben. Entweder er war Nazi, mochte aber nicht so genannt werden, oder er war keiner – und wollte erst recht nicht so genannt werden.

Jedenfalls kam es zu keiner weiteren Konfrontation, nur ein zweifach gebrülltes empörtes „Halt’s Maul, du Nazi!“ echote noch eine Weile durch die Simon-von-Utrecht-Straße, zumindest vor meinem inneren Ohr.

Der Hulk jedenfalls hätte sich das alles nicht bieten lassen. Von Ron Wood schon mal gar nicht.


3 Kommentare:

  1. Vielleicht fragen Sie mal oldman und joshuatree. Die könnten ganz gut über die Hintergründe solcher direkten oder auch nur unterschwelligen Vorwürfe, ganz gleich ob berechtigt oder nicht, informiert sein.

    http://rueckseitereeperbahn.blogspot.com/2010/01/unsere-ermordeten-nachbarn.htm

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  2. Diese "platten" Sprüche gab es schon zu meiner Jugendzeit. Daran hat sich anscheinend nichts geändert.
    LG Sabine

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