07 März 2009

Und dann passiert – fast nichts



Gegen 18 Uhr, eine Stunde vorm Spiel, hatte der Kiez allmählich begonnen, die Bürgersteige hochzuklappen.

Denn St. Pauli gegen Rostock, das bedeutet: ein Haufen Ostnazis aus Meck-Pomm läuft durch ein Viertel, das von der Antifa dominiert wird. Nazis, Linke, dazwischen die Polizei: eine Mischung wie Nitro, Dynamit und Glyzerin.

Aber alle wollen auch ihr Geschäft machen. Sogar die kreuzbürgerlichen Thekenmatronen von Feinkost Schnalke in der Clemens-Schultz-Straße haben einen Klapptisch vor den Laden gewuchtet, und jetzt steht da eine Kiste Astra Rotlicht drauf. Das Vorglühen für die Schlacht wird einem heute Abend leicht gemacht.

Wir gehen noch schnell vorm Anpfiff einkaufen. Im Hintergrund, aus Richtung Stadion, singen schon die Polizeisirenen ihr dissonantes Lied von Drama und Schmerz.

Dann Anpfiff. Und Abpfiff. St. Pauli gewinnt 3:2 nach 0:2 Rückstand; aus Sicht der Polizei und der Meck-Pomm-Nazis wären sicherlich deeskalierendere Ergebnisse denkbar gewesen.

Und dann passiert – fast nichts.

Die Seilerstraße liegt verträumt im Nieselregen, das Balkonkino fällt aus, warum auch immer. Erst nach Mitternacht brandet Heidenlärm auf, allerdings auf Türkisch. Vor der Disco schräg gegenüber wollen sich halbnackte Testosteronendlager die Nasen einschlagen.

Nervös blinkende Autos stehen quer, Taxis kommen nicht durch, verzweifelte Miniplihupfdohlen hängen kreischend an den Bizeps ihrer Macker. Blaulicht, Streifenwagen, dunkel gekleidete Männer springen heraus.

Na also. Endlich ist alles wieder normal. Man kann beruhigt schlafen gehen.

5 Kommentare:

  1. "verzweifelte Miniplihupfdohlen hängen kreischend an den Bizeps ihrer Macker"
    Herrlich formuliert. Und ich glaube, Miniplihupfdohlen wird meinen bisherigen Favoriten "Discopalme" wohl ablösen ...
    Ich war in der Nacht von Donnerstag auf Freitag übrigens auch auf dem Kiez - weiß davon aber so gut wie nix mehr. Das ist auch der Grund, warum ich jetzt in den Samstag entschlummern werde :)

    In diesem Sinne,
    haben Sie ein angenehmes Wochenende!

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  2. Danke, gleichfalls. Und denken Sie daran: Ein Kater ist auch nur ein Mensch.

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  3. Also nichts neues auf'm Kiez. Die Eingeborenen sind für jede Krise gewappnet. Gut zu wissen.

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  4. Ach, einen Kater hatte ich überhaupt nicht. So sehr habe ich es nun auch nicht übertrieben. Außerdem lese ich eh gerade "Schmitz' Katze".
    Das sind wirklich nur Menschen, diese Tiere.
    Aber ich habe auf dem Kiez noch nie eine tätliche Auseinandersetzung beobachten können. Ich bin wohl immer am falschen Ort. Oder schrecke mit meinen 2.01m eher ab. In Veddel, wo ich wohne, konnte ich auch nix derartiges erblicken. Außer Einkaufswagen, die überall herum stehen, weil sie gut genug sind, den Einkauf nach hause zu transportieren, aber zurückschieben, das ist dann nicht mehr drin ...

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  5. "Sako (...) und Hoilett (...) drehen das Spiel gegen erbärmliche Hanseaten." Äh, waren das nicht alles Hanseaten...?
    Genauso schön wie die Fangesänge des KSC auf dem Karlsruher Marktplatz vor dem Spiel gegen den HSV vor ein paar Monaten: "Was ist blau und stinkt nach Fisch?"

    Mein persönliches Lieblingswort ist übrigens "Testosteronendlager". Wobei ich es mit Deppenbindestrich noch besser lesen könnte ;-)

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