09 November 2008

Keine Liebe mehr unter den Menschen

In der Schmuckstraße steht eine noch nie gesehene Transe im erhöhten Hauseingang. Sie versucht, arrogant dreinzuschauen, um ihre Novizennervosität zu übertönen (so reime ich mir das jedenfalls zusammen).

Ihre übertrieben blonde Langhaarperücke leuchtet im Mondlicht, ihr schwarzer, per Gürtel brutalstmöglich taillierter Lackmantel glänzt wie eine Speckschwarte. Sehr beeindruckend.

Radfahrer beachtet sie traditionsgemäß nicht, was mir zupass kommt, denn ich bin auf dem Weg in die Große Freiheit, wo die wortlose schottische Band Mogwai spielt.

Ihr Gitarrensound ist zäh wie Akazienhonig, der über Nacht draußen auf dem Balkon gestanden hat, und wenn man Richtung Bühne geht, mutiert man peu à peu zum Sandsack, auf den gerade Vladimir Klitschko einschlägt, dem irgendwer die Reifen seines Ferrari plattgestochen hat, oder was immer auch der Ukrainer für ein Auto fährt.

Jedenfalls verziehe ich mich schleunigst wieder nach hinten in Thekennähe, wo
mir ausreichend dämmende Leiber die Trommelprügel vom Leib halten. Dreimal drücke ich die Kamera an einen Pfeiler, um im Schummerlicht das Foto nicht zu verwackeln, dreimal rempeln mich tumbe Biertransporteure an, ohne sich zu entschuldigen.

Es ist keine Liebe mehr unter den Menschen.
Und Mogwai sind heute Abend langweilig.

Der Slalomkurs nach Hause führt vorbei an Pisspfützen, Scherbenhaufen und taumelnden Biertransporteuren, die mir hirnlos vors Rad stolpern und sich nicht mal entschuldigen.

Vielleicht liegt es daran, dass ich traditionsgemäß auf dem Gehweg fahre.


3 Kommentare:

  1. oh, die Werbegitarre kenn ich noch gar nicht. zumindest habe ich sie nie bewusst wargenommen. Sieht schick aus.

    Entschuldigen fuer Rempler ist schon seit Jahren out.

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  2. Vielleicht ist für die Liebe die Reeperbahn auch der falsche Ort.

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  3. Ich hingegen, aquiiinla, entschuldige mich noch für Rempler, aber ich bin ja auch „voll 80er“, wie mir hier schon mehrfach bescheinigt wurde. Dabei mag ich die 80er nicht mal.

    beraternase, Sie haben mit hoher Wahrscheinlichkeit Recht. Aber man wird ja wohl noch weltverbessernde normative Forderungen erheben dürfen.

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