Während sich MILLIONEN unten an den Landungsbrücken beim 817. Hafengeburtstag die Kante geben, tun es rund 100 im proppevollen Fools Garden bei der Bloggerlesung. Das Gros der Promille erarbeitet man sich hier aber erst nach der Prosa, soviel Anstand muss sein. In nur fünf Minuten radle ich von der Rückseite der Reeperbahn dorthin: ein Entgegenkommen bei der Auswahl des Veranstaltungsortes, das ich spaßeshalber kurzzeitig auf mich münze.
Versammelt ist die Crème de la Crème der Szene. Es lesen Burnster (über einen großen Affen aus der Sicht einer kleinen Frau), MC Winkel (über Schwanzvergleiche auf dem Herrenklo), Kid37 (über das Schwimmengehen mit phallischen Baguettes), Don Dahlmann (über Lachanfälle beim Tantrakurs), die Schwadroneuse (über die komplexe Verbindung zwischen Hundehaufen und Flirtchancen), Lu (über … hm, weiß nicht mehr, waren aber mehrere klasse Kurztexte), Lyssa (über das Schicksal, beim Ballett wegen eines „soliden“ Körperbaus immer als Herrenersatz herhalten zu müssen), Herr Paulsen (über das versehentliche Verlieren der späteren Verlobten während einer Überfahrt nach Sylt), Merlix (über etwas … ganz großartig Witziges, das mir aber gerade beim Niederschreibenwollen gedanklich entflutscht) und weitere, die mir just nicht mehr einfallen.
Im Publikum sichtet man weitere Blogger, darunter ix und mspro, und das Ganze wird zu einem höchst kurzweiligen Dreistundenabend, der eins klar beweist: Blogs sind eine wunderbare Kreativmaschine, in denen es so witzig wie tabulos zugeht, so tragikomisch wie rabenschwarz – und die einzige Dame, die garantiert kein Visum kriegt fürs wilde, weite, schillernde Blogsurdistan, ist Frau Langeweile.
Das alles hat – zum Glück – noch immer viel von fröhlich legerem Untergrund, was man auch an kleinen Vorfällen am Rande merkt. Auf meinen Fünfzigeuroschein kann man an der Kasse nicht herausgeben (die lachhaften drei Euro Eintritt definieren übrigens – wie sich später herausstellen wird – ein Kosten/Nutzen-Verhältnis, für das jeder Großfirmensanierer töten würde); trotzdem kriege ich nach meiner treuherzig-pathetisch vorgebrachten Versicherung „Ich zahle später, ihr könnte mir vertrauen!“ den Einlassstempel auf den Daumenballen gedrückt.
Als ehrliche Haut marschiere ich sofort zum Tresen, um zum einen den Bierpegel auf bloglesungskompatibles Niveau zu hieven und zugleich meinen Fünfziger in handliche Teilmengen zu zerlegen, damit ich rasch meine Schulden am Einlass begleichen kann. Eine Minute später habe ich zusätzlich Schulden an der Bar, weil man auch dort vor der Gewaltigkeit des Fuffis kapitulieren muss – gleichwohl aber bereit ist, mir ein Flens auf Pump auszuhändigen.
Ich und mein unkaputtbarer Fünfziger müssen uns also im Lauf des Abends nicht nur auf die Lesung konzentrieren, sondern auch darauf, die anwachsende Zahl der Gläubiger zeitnah zu bedienen. Beides klappt.
Auf dem Rückweg muss ich feststellen, dass die Brandung der MILLIONEN Besucher des Hafengeburtstags inzwischen hochgeschwappt ist bis in Reeperbahnrückseitennähe. Autos stauen sich, sie hupen wütend, ihre Fenster sind offen, und aus einem, das vollbesetzt ist mit türkischen Teenagertestosteronbomben, kreischt mir beim Vorüberfahren ein Gesicht scatartige Lautfolgen vors Rad, als wollte es meine Reifen zum Platzen bringen. Seine Augen sind weitaufgerissen unterm Druck der pulsierenden Energie verbotener Substanzen, und sie leuchten, als unterzöge sich der junge Mann gerade einer Elektroschocktherapie.
Der ganze Kiez: ein einziger Fools Garden.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Lesebezug
1. „A day in a life“ von The Beatles
2. „Summertime in England“ von Van Morrison
3. „Book artists and poets“ von Steve Miller
Das mit dem Fünfzigeuroschein würde ich mir glatt merken, wenn ich nicht so vergeßlich wäre.
AntwortenLöschenAn so einer Bloggerlesung würde ich auch gern mal teilnehmen. Aktiv?! :)
AntwortenLöschenUnd Sie haben brav bezahlt. Ich wusste, Ihnen kann ich vertrauen. ;) Bei den Texten ist übrigens ein Dreher in Ihrer Zuordnung. Hundeliebe war Lu, die Kurztexte gehörten der Schwadroneuse.
AntwortenLöschenHoppla, Du warst aber fix! Das lob´ ich mir. Danke für die Review, nun brauch´ ich ja keine mehr zu schrieben... :)
AntwortenLöschenDanke für´s Vorbeikommen, Zuhören und diesen Text hier,
Grüße,
MC
opa, wir haben Sie alle vermisst, besonders Burnster, der Ihr Erscheinen herbeisehnte..
AntwortenLöschencekado, das ist ganz einfach: selber organisieren!
bud, danke für die Korrektur meines Eintrags, den interessierte Leserinnen und Leser hoffentlich diesem Kommentar entnehmen. Und danke für den Vertrauensvorschuss an der Kasse. Übrigens ein sehr schönes Bloggerpseudonym. Ich weiß ja nicht, wie viele Ihrer Fans es wissen, dass es sich dabei um Georges erträumten Pornodarstellername in „Seinfeld“ handelt. Ich jedenfalls werde mir zeitnah die entsprechende Folge aus meiner „Seinfeld“-Komplettausgabe heraussuchen und noch mal gucken – zum ungefähr 20. Mal.
Mr. Winkel, ich finde, es gibt keine überzeugende Ausrede dafür, nicht auch selbst einen Bloggerlesungsrückblick zu verfassen. Auch Ihnen danke fürs Spitzenentertainment.
George war das Vorbild. Er hatte jedoch "Buck Naked" geplant, wie neulich ein aufmerksamer Leser und Seinfeld-Fan herausfand. Bud fand ich dann doch noch ein bisschen witziger. Es freut mich aber, zu sehen, dass es doch noch ein paar Seinfeld-Junkies neben mir gibt. ;)
AntwortenLöschenStimmt … Das wäre mir beim 20. Mal anschauen bestimmt aufgefallen.
AntwortenLöschenherr matt, sie haben es erst 19 mal geshen?! ist mir unbegreiflich... ;-)
AntwortenLöschenWir hädden alle Post-its tragen solln,
AntwortenLöschendamit man sich jegenseidig erkennt :-)
- Grussregierung.
Danke, lieber Matt.
AntwortenLöschenDer Affe war aber die Frau und der arme Mann war in ihrer übermächtigen Pranke. So spielt das Leben:)
Lieber burnster, immerhin KONNTE ich mich noch an gewisse Details deiner Geschichte erinnern; mein Gehirn schaltete nämlich irgendwann – input- und bierbedingt – in den Energiesparmodus … ;-)
AntwortenLöschenLiebe Weltregierung, wenn jemand fürs erzwungene Tragen von Post-its hätte sorgen können, dann doch wohl Sie, nicht wahr? Einfach beim nächsten Mal einen Erlass herausgeben.
Ja, ad, aber diese Schmach wird bald behoben sein.
Great site loved it alot, will come back and visit again.
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