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02 Dezember 2009
Schtand licht hat viele Vorteile
Der Fahrradladen meines bedingungslosen Vertrauens kam hier im Blog schon mal vor, und zwar auf etwas delikate Weise.
Nach einem mehrmonatigen Interimsdomizil in der Clemens-Schultz-Straße ist er vor einiger Zeit wieder zurückgezogen in sein Stammhaus in der Talstraße, und ebendort wurde ich heute mal wieder erzwungenermaßen und dennoch freudig vorstellig. Nach meinem dilettantischen Versuch nämlich, die hintere Lampe zu reparieren, ging nun auch die vordere nicht mehr. Irgendetwas Rumpeldummes hatte ich mit den Kabeln angestellt, mir passiert so was immer.
Eine komplett defekte Belichtungsanlage ist dummerweise ein Manko, welches die Hamburger Polizei derzeit mit einer Gnadenlosigkeit verfolgt, die an die damalige Fahndung nach Albaner-Willi erinnert. Deshalb musste ich in den Fahrradladen.
Als ich dort meinen Anteil am Problem beschönigungslos geschildert hatte, kümmerte sich sogleich der Chef um mich. Er ist ein kleiner gedrungener Mann mit gemütlicher Frontwölbung, der stets schüchtern lächelt und so eine grundsympathische Melancholie verströmt. Da die augenblicklich in Angriff genommene Reparatur etwas länger dauerte, konnte ich mich umsehen.
Erstmals in meiner langen Karriere als Ladenbesucher nahm ich die Ausstattungsmerkmale der Fahrräder auf den angehefteten gelben Zetteln in Augenschein. Ein hochinteressantes Studienobjekt. Sie sind per Hand beschriftet, wahrscheinlich vom Chef persönlich.
Da gibt es zum Beispiel ein „Renrad“ mit beeindruckender „Rahmen grose“. Viele Modelle verfügen lobenswerterweise über eine „Rücktred Brems“, was ich aus Sicherheitsgründen unterstützenswert finde.
Und hätte ich just ein paar Euro mehr zur Hand gehabt, wäre es gewiss eine Überlegung wert gewesen, Ms. Columbos allzu schmalen Fahrzeugpark um das ausgelobte Damenrad mit „schtand licht“ und „und plad bare Reifen“ zu erweitern. Zumal es über „3 gönge“ verfügte, wenn auch nicht über „Bremz scheiben“.
Inzwischen war Cheffe fertig, er hatte meinem Fahrrad hinten ein „schtand licht“ montiert. „Mit LED“, sagte er stolz und melancholisch, „die lade auf, wenn trede. Un brenne weider an Ampel.“
Genauso muss es sein. Hoffentlich geht bald wieder was kaputt an meinem Rad.
01 Dezember 2009
Effizienz am Arbeitsplatz
Matt: (stellt der vermeintlich zuständigen Mitarbeiterin das defekte Homehandy auf den Tisch): „Putt.“
Vermeintlich zuständige Mitarbeiterin: „Sarah.“
Matt: „Ist nicht da.“
Vermeintlich zuständige Mitarbeiterin (nimmt Telefon, drückt ein paar Tasten, es funktioniert sofort wieder): „Da.“
Matt: „Wtf?”
Vermeintlich zuständige Mitarbeiterin: „Vorführeffekt.“
Matt (geht. Kann ab sofort wieder angerufen werden.)
Vermeintlich zuständige Mitarbeiterin: „Sarah.“
Matt: „Ist nicht da.“
Vermeintlich zuständige Mitarbeiterin (nimmt Telefon, drückt ein paar Tasten, es funktioniert sofort wieder): „Da.“
Matt: „Wtf?”
Vermeintlich zuständige Mitarbeiterin: „Vorführeffekt.“
Matt (geht. Kann ab sofort wieder angerufen werden.)
30 November 2009
Echt dufte
Blogleserin Susanne betreibt einen Parfümladen in Halle und hat sich entschieden, drei Prozent ihres Gesamtumsatzes im November und Dezember an die Deutsche Kinderkrebsstiftung zu spenden.
Das ist natürlich klasse, doch weshalb sie sich mit der Bitte um Erwähnung dieser Aktion ausgerechnet an mich wendet, war mir zunächst schleierhaft. Dann dämmerte mir aber, dass es bestimmt mit der Fülle ofaktorisch bedenklicher Beiträge wie diesem zusammenhängt.
Warum sie aber glaubt, dieses kleine Kiezblog würde außer ihr noch von irgendeinem weiteren Hallenser (Hallener? Haller? Hallo?) gelesen – was ja erst die Grundlage für einen gleichwohl höchst unwahrscheinlichen Werbeeffekt wäre –, bleibt mir auch nach längerem Grübeln unklar.
(Eigentlich müsste ich diesen Beitrag von der Steuer absetzen können. Leider hat er keine Kosten verursacht.)
Das ist natürlich klasse, doch weshalb sie sich mit der Bitte um Erwähnung dieser Aktion ausgerechnet an mich wendet, war mir zunächst schleierhaft. Dann dämmerte mir aber, dass es bestimmt mit der Fülle ofaktorisch bedenklicher Beiträge wie diesem zusammenhängt.
Warum sie aber glaubt, dieses kleine Kiezblog würde außer ihr noch von irgendeinem weiteren Hallenser (Hallener? Haller? Hallo?) gelesen – was ja erst die Grundlage für einen gleichwohl höchst unwahrscheinlichen Werbeeffekt wäre –, bleibt mir auch nach längerem Grübeln unklar.
(Eigentlich müsste ich diesen Beitrag von der Steuer absetzen können. Leider hat er keine Kosten verursacht.)
29 November 2009
Nichts wie raus
Die beiden jungen Blondinen, die kurz nach Mitternacht in Altona unseren S-Bahnwagen betraten, lachten und scherzten. Zwei fröhliche Teenager auf dem Weg in die Nacht.
Es war keineswesgs abzusehen, dass eine der beiden sich unmittelbar vor Erreichen der Station Reeperbahn exorbitant erbrechen würde, und zwar in mehreren kräftigen Schüben, die gelbrot und lautstark auf den Boden pladderten.
Noch während dies in unserer unmittelbaren Nähe geschah, hielt die Bahn, und selten zuvor in unserer HVV-Geschichte war das Aussteigen von einem derartigen Gefühl der Erleichterung geprägt wie diesmal.
Mein Mitgefühl galt den uns entgegenbrandenden Massen, die nun nichtsahnend hineindrängten. Ihr Schicksal war besiegelt, daran war nichts mehr zu ändern.
Die beiden Kreuztaler Anwälte haben mit dieser ganzen Geschichte übrigens nicht das Geringste zu tun.
Es war keineswesgs abzusehen, dass eine der beiden sich unmittelbar vor Erreichen der Station Reeperbahn exorbitant erbrechen würde, und zwar in mehreren kräftigen Schüben, die gelbrot und lautstark auf den Boden pladderten.
Noch während dies in unserer unmittelbaren Nähe geschah, hielt die Bahn, und selten zuvor in unserer HVV-Geschichte war das Aussteigen von einem derartigen Gefühl der Erleichterung geprägt wie diesmal.
Mein Mitgefühl galt den uns entgegenbrandenden Massen, die nun nichtsahnend hineindrängten. Ihr Schicksal war besiegelt, daran war nichts mehr zu ändern.
Die beiden Kreuztaler Anwälte haben mit dieser ganzen Geschichte übrigens nicht das Geringste zu tun.
28 November 2009
Die falsche Schlange
Aldi im Brauquartier (Foto), an einem nassen dunklen Novemberfreitag. In der einzigen Kassenschlange nehme ich eine mittlere Position ein.
Schräg neben mich gesellt sich plötzlich ein grobschlächtig wirkender Narben- und Mützenträger mit einem Sechserpack Holsten im Arm. Klar, er will reingelassen werden, doch wenn er nicht fragt, kriegt er auch keine Antwort. So ist das.
Außerdem – und da ist geradezu der Kategorische Imperativ voll auf meiner Seite – darf man keinesfalls einen Menschen in mittlerer Schlangenposition als ersten ums Vorlassen ersuchen, sondern muss fairerweise hinten anfangen.
Schließlich kann niemand, der bereits ansteht, das Einverständnis jedes Einzelnen hinter sich voraussetzen – und das wäre unbedingt erforderlich, denn der Holsten-, Narben- und Mützenträger scherte ja nicht nur vor mir ein, sondern auch vor allen anderen dahinter.
Wie auch immer: Ich ignoriere den Mann und rücke ungerührt und schweigsam vor. Er nutzt allerdings die sich dadurch kurz öffnende Lücke, um sich wortlos hinter mir in die Schlange zu mogeln. Keiner sagt was. Präadventsdumpfheit.
Die Schlange ist inzwischen so lang wie ein Reisebus. Endlich bequemt sich Aldi, das Öffnen einer weiteren Kasse per Klingelzeichen anzukündigen. „Das wurde aber auch Zeit, dass es hier mal klingelt!“, blökt der Holstenmann hinter mir. Keiner sagt was.
Jetzt kommt der neue Kassierer, und vor und hinter mir stürzen sie alle ans frisch eröffnete Förderband. Mister Undgeduld ist nun Nummer 4 in der neuen Schlange, ich in meiner Nummer 6.
Doch es flutscht außergewöhnlich prächtig, mein Kassierer ist ein echtes As, eine Art Ribéry des Warenscanners, ich schiebe mich praktisch kontinuierlich vor und bin auf einmal auch schon dran. Als ich alles in den Wagen geräumt habe, linse ich hinüber zur anderen Schlange. Die Kasse ist schon wieder verwaist, es gab wohl ein Problem, ein technisches wahrscheinlich, so ist das ja meistens.
Der Grobschlächtige jedenfalls ist die kochende Nummer 3. Er hat also nur eine Position gutgemacht, ich fünf. Jetzt steht er da neben seinem Sechserpack und schüttelt bitter lächelnd den Kopf, seine Augen sind geschlossen.
Ich weiß, es ist nicht gerade ein weihnachtliches Gefühl und es wirft kein gutes Licht aufs Niveau meiner sittlich-moralischen Grundausstattung, doch ich lasse es einfach stillvergnügt zu, dieses kleine Bisschen Häme.
Zumal der Holstenmann sich noch nicht mal zum Trost an einer Flasche laben kann – er hat sie ja noch nicht bezahlt.
Schräg neben mich gesellt sich plötzlich ein grobschlächtig wirkender Narben- und Mützenträger mit einem Sechserpack Holsten im Arm. Klar, er will reingelassen werden, doch wenn er nicht fragt, kriegt er auch keine Antwort. So ist das.
Außerdem – und da ist geradezu der Kategorische Imperativ voll auf meiner Seite – darf man keinesfalls einen Menschen in mittlerer Schlangenposition als ersten ums Vorlassen ersuchen, sondern muss fairerweise hinten anfangen.
Schließlich kann niemand, der bereits ansteht, das Einverständnis jedes Einzelnen hinter sich voraussetzen – und das wäre unbedingt erforderlich, denn der Holsten-, Narben- und Mützenträger scherte ja nicht nur vor mir ein, sondern auch vor allen anderen dahinter.
Wie auch immer: Ich ignoriere den Mann und rücke ungerührt und schweigsam vor. Er nutzt allerdings die sich dadurch kurz öffnende Lücke, um sich wortlos hinter mir in die Schlange zu mogeln. Keiner sagt was. Präadventsdumpfheit.
Die Schlange ist inzwischen so lang wie ein Reisebus. Endlich bequemt sich Aldi, das Öffnen einer weiteren Kasse per Klingelzeichen anzukündigen. „Das wurde aber auch Zeit, dass es hier mal klingelt!“, blökt der Holstenmann hinter mir. Keiner sagt was.
Jetzt kommt der neue Kassierer, und vor und hinter mir stürzen sie alle ans frisch eröffnete Förderband. Mister Undgeduld ist nun Nummer 4 in der neuen Schlange, ich in meiner Nummer 6.
Doch es flutscht außergewöhnlich prächtig, mein Kassierer ist ein echtes As, eine Art Ribéry des Warenscanners, ich schiebe mich praktisch kontinuierlich vor und bin auf einmal auch schon dran. Als ich alles in den Wagen geräumt habe, linse ich hinüber zur anderen Schlange. Die Kasse ist schon wieder verwaist, es gab wohl ein Problem, ein technisches wahrscheinlich, so ist das ja meistens.
Der Grobschlächtige jedenfalls ist die kochende Nummer 3. Er hat also nur eine Position gutgemacht, ich fünf. Jetzt steht er da neben seinem Sechserpack und schüttelt bitter lächelnd den Kopf, seine Augen sind geschlossen.
Ich weiß, es ist nicht gerade ein weihnachtliches Gefühl und es wirft kein gutes Licht aufs Niveau meiner sittlich-moralischen Grundausstattung, doch ich lasse es einfach stillvergnügt zu, dieses kleine Bisschen Häme.
Zumal der Holstenmann sich noch nicht mal zum Trost an einer Flasche laben kann – er hat sie ja noch nicht bezahlt.
26 November 2009
Ein salomonisches Stöckchen
Eigentlich wollte ich hier und jetzt demonstrativ genervt aufstöhnen, weil es die unverschämte Sinnsphäre gewagt hat, mir eins jener unseligen Stöckchen zuzuwerfen, die eigentlich längst von der Genfer Konvention geächtet wurden.
Ich bin doch kein Dackel!, wollte ich ihm bereits aufgebracht entgegenschleudern, war aber davon sediert, dass er im Zusammenhang mit mir das Adjektiv „genial“ gebrauchte, und wer kann sich dagegen schon wehren?
Allerdings ist das Aufnehmen eines Stöckchen mit Arbeit verbunden, und als jemand, der die Bequemlichkeit weit mehr schätzt als den Schweiß, läge mir kaum etwas ferner. Dass ich es dennoch aufnehme, liegt aber nur zum Teil an der Schmeichelei.
Nein, der entscheidende Grund ist der, dass ich im Grunde die mir auferlegte Arbeit schon längst getan habe, nämlich im Rahmen dieses Interviews.
Eine salomonische Lösung – zumal ich das unlängst in Wien geknipste Foto in einem inhaltlich gerechtfertigten Zusammenhang endlich verbloggen kann.
So ist allen geholfen.
25 November 2009
In Wind, Wetter und aller Ruhe
Es gibt kaum einen lächerlicheren Anblick als Menschen, die mit aufgespanntem Schirm Fahrrad fahren.
Einhändig karriolte heute ein älterer Herr dergestalt die Straße lang, während der hanseatische Sprühregen ihn gleichwohl von allen Seiten einnässte, und zwar hämisch.
Menschen, die mit aufgespanntem Schirm Fahrrad fahren, müssen Zugezogene sein. Hamburger tun so etwas nicht. Hamburger ziehen sich einfach wetteradäquat an, in jeder Situation, auch und vor allem, wenn sie Fahrrad fahren wollen.
Andererseits kann nicht jeder Dödel, der bei Sturm mit offenem Schirm die Straße betritt, ein Zugezogener sein. Dafür sieht man zu viele dieser hilflosen Trottel mit wild um sich schlagenden Schirmen ringen, und dafür liegen dieser Tage viel zu viele logischerweise zerfetzte Schirme im Rinnstein.
Doch es geht auch anders. Heute Abend sah ich auf der Reeperbahn einen Radfahrer im hochgeschlagenen Trenchcoat, der hielt kurz an, um sich in Wind, Wetter und aller Ruhe eine Pfeife anzuzünden, statt einen Schirm aufzuspannen. Dann radelte er weiter, kleine Rauchwolken in die Kieznacht pustend wie Emma, die Lok von Jim Knopf.
Ich werde es zwar nie beweisen können, aber das war mit Sicherheit kein Zugezogener.
Einhändig karriolte heute ein älterer Herr dergestalt die Straße lang, während der hanseatische Sprühregen ihn gleichwohl von allen Seiten einnässte, und zwar hämisch.
Menschen, die mit aufgespanntem Schirm Fahrrad fahren, müssen Zugezogene sein. Hamburger tun so etwas nicht. Hamburger ziehen sich einfach wetteradäquat an, in jeder Situation, auch und vor allem, wenn sie Fahrrad fahren wollen.
Andererseits kann nicht jeder Dödel, der bei Sturm mit offenem Schirm die Straße betritt, ein Zugezogener sein. Dafür sieht man zu viele dieser hilflosen Trottel mit wild um sich schlagenden Schirmen ringen, und dafür liegen dieser Tage viel zu viele logischerweise zerfetzte Schirme im Rinnstein.
Doch es geht auch anders. Heute Abend sah ich auf der Reeperbahn einen Radfahrer im hochgeschlagenen Trenchcoat, der hielt kurz an, um sich in Wind, Wetter und aller Ruhe eine Pfeife anzuzünden, statt einen Schirm aufzuspannen. Dann radelte er weiter, kleine Rauchwolken in die Kieznacht pustend wie Emma, die Lok von Jim Knopf.
Ich werde es zwar nie beweisen können, aber das war mit Sicherheit kein Zugezogener.
23 November 2009
Saugen für die Wissenschaft
Wie langjährige Besucher der Rückseite der Reeperbahn wissen, wirke ich als Lenker meines Staubsaugers nicht immer segensreich und oftmals nur vage handbuchkompatibel.
Zum Beispiel gelang es mir beim Reinigen des Multifunktionsgerätes im Büro schon einmal versehentlich, ein bis heute unbekannt gebliebenes Schreiben an eine bis heute unbekannt gebliebene Frankfurter Nummer zu faxen.
Heute hingegen saugte ich turnusmäßig die Tastatur meines MacBook Pro und generierte nebenbei unverhofft ein munter aufploppendes Dialogfensterchen, das mich fragte, ob ich das sogenannte „Caret Browsing“ einschalten wolle.
Caret Browsing? Nie gehört. Wie jeder getriebene Forscher seit Galilei entschloss ich mich gleichwohl zum Einschalten, und siehe da: Caret Browsing entpuppte sich als recht nützliches Feature, das ich hinfort nicht mehr missen möchte – und alles nur, weil ich es unerschrocken wage, mit der brachialen mechanischen Urgewalt eines Staubsaugers besinnungslos und blind in die Welt des Digitalen vorzustoßen.
Auf ähnliche Weise sind wahrscheinlich auch das Penicillin, die Spaltbarkeit des Atoms und Amerika entdeckt worden. Um mir die okkulten Tiefen aller Programme des MacBook Pro erschließen zu können, müsste ich allerdings noch einige Äonen lang weitersaugen.
Aber soooo dreckig ist es auf der Rückseite der Reeperbahn nun auch wieder nicht.
P.S.: Eigentlich hätte ich im obigen Text die Tätigkeit des Staubsaugens gern als Blowjob minus Sex bezeichnet, doch das wäre mir im Kontext dieses Blogs doch etwas zu gewollt vorgekommen. Also habe ich es gelassen, und zwar komplett.
Zum Beispiel gelang es mir beim Reinigen des Multifunktionsgerätes im Büro schon einmal versehentlich, ein bis heute unbekannt gebliebenes Schreiben an eine bis heute unbekannt gebliebene Frankfurter Nummer zu faxen.
Heute hingegen saugte ich turnusmäßig die Tastatur meines MacBook Pro und generierte nebenbei unverhofft ein munter aufploppendes Dialogfensterchen, das mich fragte, ob ich das sogenannte „Caret Browsing“ einschalten wolle.
Caret Browsing? Nie gehört. Wie jeder getriebene Forscher seit Galilei entschloss ich mich gleichwohl zum Einschalten, und siehe da: Caret Browsing entpuppte sich als recht nützliches Feature, das ich hinfort nicht mehr missen möchte – und alles nur, weil ich es unerschrocken wage, mit der brachialen mechanischen Urgewalt eines Staubsaugers besinnungslos und blind in die Welt des Digitalen vorzustoßen.
Auf ähnliche Weise sind wahrscheinlich auch das Penicillin, die Spaltbarkeit des Atoms und Amerika entdeckt worden. Um mir die okkulten Tiefen aller Programme des MacBook Pro erschließen zu können, müsste ich allerdings noch einige Äonen lang weitersaugen.
Aber soooo dreckig ist es auf der Rückseite der Reeperbahn nun auch wieder nicht.
P.S.: Eigentlich hätte ich im obigen Text die Tätigkeit des Staubsaugens gern als Blowjob minus Sex bezeichnet, doch das wäre mir im Kontext dieses Blogs doch etwas zu gewollt vorgekommen. Also habe ich es gelassen, und zwar komplett.
21 November 2009
Alle Menschen werden prüder
Seit Jahren wird die Welt immer sexualisierter. Schon 12-Jährige gehen auf Gangbangs, jede C-Promi-Tusse lässt unaufgefordert die Glocken baumeln, und wenn wirklich noch kein Blowjob von dir auf Youporn zu sehen ist, bist du von gestern oder prüde.
Doch ausgerechnet der Kiez stemmt sich gegen diesen Trend – zumindest legt das renovierte Mauerbild an der Reeperbahn/Ecke Hein-Hoyer-Straße das nahe.
Erstmals fotografierte ich das Motiv 2006 (links). Gerade wurde es generalüberholt, nicht nur farblich, und siehe da: An pikanter Stelle tat sich äußerst Signifikantes. Ob bei der Dame noch alles fit im Schritt ist, vermag man neuerdings nicht mehr zu beurteilen, dafür fehlt jetzt die phänomenologische Basis.
Wird also ausgerechnet das Rotlichtviertel allmählich zu jener Tabuzone, die der Rest der Welt längst nicht mehr ist? Und was kommt als nächstes: Wickelhosen für die gespreizten Beine am Eingang der Ritze? Zuhälter, die „Was guckst du?“ blaffen, wenn man ihr Personal mustert? Huren, die mit dir für 50 Euro nur noch über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan diskutieren wollen?
Ich werde das weiter beobachten, und zwar mit Sorge und Bestürzung.
20 November 2009
Das Kreuz mit dem X
„Nein, tut mir Leid“, sagt der Polizist auf der Davidwache zu dem streng riechenden Mann, der vor ihm am Tresen steht, „gegen Sie liegt kein Haftbefehl vor. Ich habe im Computer nachgeschaut.“
Kein ganz uncleverer Versuch. Gleichwohl kann sich der Duftbolzen die geplante Nacht in der warmen Zelle nun abschminken. Scheißcomputer.
Ersatzweise durfte er sich die Novembersonne auf den Pelz brennen lassen – und ein kapitales Kondensstreifenkreuz am Hamburger Himmel bewundern, das uns alle schon mal einzustimmen versuchte auf den Advent, ob wir nun ein Dach über dem Kopf haben oder nicht.
Vielleicht war es aber auch nur ein X.
Foto: Ms. Columbo
19 November 2009
(K)ein Abend für Fußfetischisten
Während des Essens vorm Fernseher auf arte damit konfrontiert zu werden, wie jemand einem kranken Schaf die Klauen kürzt, bis sie bluten, erzwingt natürlich sofortiges fahriges Umschalten, trotz meiner kulinarischen Erfahrungen mit Lammfüßen.
Bei der ziellosen Flucht verschlägt es mich auf Phoenix, wo ich jedoch prompt in eine Sendung über misslungene Arktisexpeditionen stolpere und es nicht mehr rechtzeitig vermeiden kann zu sehen, wie ein Forscher einem anderen den verfaulten Fuß absägt.
Zum Glück mümmelte ich gerade kein Eisbein, sondern „Ritter Sport Voll-Nuss“, aber trotzdem. Jedenfalls war das kein Abend, der Fußfetischisten in ihrer Neigung hätte bestätigen können.
Oder gerade.
Bei der ziellosen Flucht verschlägt es mich auf Phoenix, wo ich jedoch prompt in eine Sendung über misslungene Arktisexpeditionen stolpere und es nicht mehr rechtzeitig vermeiden kann zu sehen, wie ein Forscher einem anderen den verfaulten Fuß absägt.
Zum Glück mümmelte ich gerade kein Eisbein, sondern „Ritter Sport Voll-Nuss“, aber trotzdem. Jedenfalls war das kein Abend, der Fußfetischisten in ihrer Neigung hätte bestätigen können.
Oder gerade.
„Ich such diesen Button nicht!“
Normalerweise gibt es hier nur selbstgefilmte Clips. Heute mal nicht, aus gegebenem Anlass.
Voilà, eine unglaubliche Performance: Pigor ist der Mount St. Helens des HipHop, die Nemesis der Digitalära, der Ikonoklast des Internet, der rasende Berserker im Porzellanladen des Hier und Jetzt – und heute Abend live in Hamburg zu sehen, in Sichtweite der Crackhuren vom Steindamm, nämlich im Polittbüro um 20 Uhr.
Es gibt noch Karten; man sieht sich.
Ergänzung von 23:15 Uhr: Auch morgen und übermorgen ist Pigor noch im Polittbüro am Werkeln. Und es ist g.r.a.n.d.i.o.s., versprochen.
17 November 2009
Heute gehen wir den Dingen mal auf den Grund
Wahrscheinlich gibt es kaum jemanden unter uns, der in den vergangenen Tagen nicht mit einem panischen Kettenbrief behelligt wurde, der praktisch allen gegen Schweinegrippe Geimpften – also auch mir – ein künftiges Siechtum dank Golfkriegssyndrom prophezeiht.
Man fragt sich natürlich schon, was intelligente junge Menschen dazu bringt, sich ungeprüft zum Büttel einer anscheindend paranoiden Ärztin zu machen, die seit Jahren die Welt nervt mit Antiimpfmails und die sogar die Existenz des HI-Virus abstreitet.
Warum verbreiten so viele Leute – darunter auch diverse aus meinem Bekanntenkreis – eine Mail mit Horrorzahlen, ohne vorher auch nur ansatzweise nachzurecherchieren? Offensichtlich ist der Reiz, jedweden abstrusen Grusel glauben zu wollen, größer als das natürliche Bedürfnis der Ratio, seltsam scheinenden Dingen auf den Grund zu gehen.
Ich neige manchmal zum anderen Extrem. Unlängst etwa schrieb mir eine Dame vom Spiegel, und deren Name las sich, als hätte man die Buchstaben eines anderen Namens in einen Würfelbecher gekippt und den dann kräftig geschüttelt: Die Gute heißt Gartred Alfeis.
Das schrie geradezu nach einer amtlichen Anagrammierung, also nahm ich den Wörterwürfelbecher, schüttelte und rüttelte, und das erste und naheliegendste neue Wort, das sich wundersam herausbildete, war ein Männername: Alfred Trageis.
Im Lauf einer höchst spaßigen Viertelstunde offenbarte die gute Gartred auch so hübsche Sachen wie „saftiger Adler“, „Strafgeldarie“, „fader Lagerist“ oder das ökologisch unbedenkliche „radelt gasfrei“. Man darf allerdings auch den unheimlichen und an Hannibal Lecter gemahnenden Komparativ „Alfred ist garer!“ keinesfalls verschweigen.
Manchmal macht es halt einfach Spaß, den Dingen auf den Grund zu gehen. Gerade als Geimpfter.
PS: Das heutige Foto zeigt übrigens keinesfalls Australien, sondern eine kunstvoll unrenovierte Wand im Restaurant Bullerei.
Man fragt sich natürlich schon, was intelligente junge Menschen dazu bringt, sich ungeprüft zum Büttel einer anscheindend paranoiden Ärztin zu machen, die seit Jahren die Welt nervt mit Antiimpfmails und die sogar die Existenz des HI-Virus abstreitet.
Warum verbreiten so viele Leute – darunter auch diverse aus meinem Bekanntenkreis – eine Mail mit Horrorzahlen, ohne vorher auch nur ansatzweise nachzurecherchieren? Offensichtlich ist der Reiz, jedweden abstrusen Grusel glauben zu wollen, größer als das natürliche Bedürfnis der Ratio, seltsam scheinenden Dingen auf den Grund zu gehen.
Ich neige manchmal zum anderen Extrem. Unlängst etwa schrieb mir eine Dame vom Spiegel, und deren Name las sich, als hätte man die Buchstaben eines anderen Namens in einen Würfelbecher gekippt und den dann kräftig geschüttelt: Die Gute heißt Gartred Alfeis.
Das schrie geradezu nach einer amtlichen Anagrammierung, also nahm ich den Wörterwürfelbecher, schüttelte und rüttelte, und das erste und naheliegendste neue Wort, das sich wundersam herausbildete, war ein Männername: Alfred Trageis.
Im Lauf einer höchst spaßigen Viertelstunde offenbarte die gute Gartred auch so hübsche Sachen wie „saftiger Adler“, „Strafgeldarie“, „fader Lagerist“ oder das ökologisch unbedenkliche „radelt gasfrei“. Man darf allerdings auch den unheimlichen und an Hannibal Lecter gemahnenden Komparativ „Alfred ist garer!“ keinesfalls verschweigen.
Manchmal macht es halt einfach Spaß, den Dingen auf den Grund zu gehen. Gerade als Geimpfter.
PS: Das heutige Foto zeigt übrigens keinesfalls Australien, sondern eine kunstvoll unrenovierte Wand im Restaurant Bullerei.
16 November 2009
15 November 2009
An einem ganz normalen Sonntag
Vor der Fischmarktbude steht eine weißhaarige und -häutige Schaufensterpuppe, deren Kopf und Haare sich kaum abheben vom Hintergrund. Ich zücke die Kamera.
„Fünf Euro pro Foto“, scherzt der hinzutretende Budenbesitzer, der gerade am Abbauen ist. „Nur wenn mich die Dame selbst darum bittet“, kontere ich in einem extremst raren Anfall von Schlagfertigkeit, der deshalb auch sofort verbloggt werden muss, um mich hinfort daran zu erinnen, dass ich es wirklich einmal war: schlagfertig.
Jedenfalls komme ich um die fünf Euro herum, denn die Dame bleibt stumm. Im Gegensatz zu diesem schmerbäuchigen Riesen bei Penny an der Reeperbahn, der seine Halbglatze mit kragenlangen fettigen Ringellöckchen zu kompensieren versucht. Er steht in der Kassenschlange und wird von einem alten Graukopf mit Schiebermütze und drei Tetrapacks unterm Arm angesprochen.
Es ist nicht zu hören, was der Alte sagt, doch klar ist: Er möchte angesichts seiner überschaubaren Einkäufe gern vorgelassen werden. Was der schmerbäuchige Riese antwortet, ist drei Schlangen weit zu hören. „Die Antwort ist ein ganz klares Nein!“, schnappt er. Dabei schaut er schräg unter sich. „Ein ganz klares Nein!“
Der Alte murmelt etwas und trottet den Gang hinab, ans Ende der Schlange – vorbei an dem Mittdreißiger mit Bandana und Ziegenbärtchen, der gerade einen unrasierten Mann in seinem Alter anspricht. „Sach ma, kann ich das ma kurz in deinem Wagen zwischenlagärn?“
Umstandslos wuchtet er seine Einkäufe in den Wagen des Fremden, ohne eine Antwort abzuwarten. Der Überrumpelte ist hilflos, denn er telefoniert gerade. Wortfetzen wehen herüber „… Ware angekommen … überprüft … das ist bei der Ware so … kümmer mich drum …“
Pennygeschichten. Solche Dialoge hört man bei Edeka nie. Vor allem nicht innerhalb von drei Minuten.
„Fünf Euro pro Foto“, scherzt der hinzutretende Budenbesitzer, der gerade am Abbauen ist. „Nur wenn mich die Dame selbst darum bittet“, kontere ich in einem extremst raren Anfall von Schlagfertigkeit, der deshalb auch sofort verbloggt werden muss, um mich hinfort daran zu erinnen, dass ich es wirklich einmal war: schlagfertig.
Jedenfalls komme ich um die fünf Euro herum, denn die Dame bleibt stumm. Im Gegensatz zu diesem schmerbäuchigen Riesen bei Penny an der Reeperbahn, der seine Halbglatze mit kragenlangen fettigen Ringellöckchen zu kompensieren versucht. Er steht in der Kassenschlange und wird von einem alten Graukopf mit Schiebermütze und drei Tetrapacks unterm Arm angesprochen.
Es ist nicht zu hören, was der Alte sagt, doch klar ist: Er möchte angesichts seiner überschaubaren Einkäufe gern vorgelassen werden. Was der schmerbäuchige Riese antwortet, ist drei Schlangen weit zu hören. „Die Antwort ist ein ganz klares Nein!“, schnappt er. Dabei schaut er schräg unter sich. „Ein ganz klares Nein!“
Der Alte murmelt etwas und trottet den Gang hinab, ans Ende der Schlange – vorbei an dem Mittdreißiger mit Bandana und Ziegenbärtchen, der gerade einen unrasierten Mann in seinem Alter anspricht. „Sach ma, kann ich das ma kurz in deinem Wagen zwischenlagärn?“
Umstandslos wuchtet er seine Einkäufe in den Wagen des Fremden, ohne eine Antwort abzuwarten. Der Überrumpelte ist hilflos, denn er telefoniert gerade. Wortfetzen wehen herüber „… Ware angekommen … überprüft … das ist bei der Ware so … kümmer mich drum …“
Pennygeschichten. Solche Dialoge hört man bei Edeka nie. Vor allem nicht innerhalb von drei Minuten.
Die ökoorthografische Katastrophe
Am Hafen, gegenüber vom alten Elbtunnel (Foto), sah ich heute ein Graffito, welches bereits beim ersten Lesen die Dicke des Brettes vorm Kopf seines Verfassers unmittelbar verdeutlichte. Dort stand nämlich:
„25 MRD RAUS FÜR'N UMWELTSCHUTZ ODER BERLIN BRENNT!“
Das erinnert in seiner hirnrissigen Paradoxie an Abtreibungsgegner, die Ärzte umbringen. Beim Brennen, lieber unbekannter Synapsenmissbraucher, entstehen nämlich umweltschädliche Gase in beträchtlicher Menge – selbstverständlich auch und sogar gerade dann, wenn Berlin brennt, eine Stadt von immerhin fast 900 Quadratkilometern Fläche.
Pi mal Daumen genauso schlimm wie dein argumentativer Schuss ins eigene Knie ist jedoch nicht das fehlende Komma vor „oder“, sondern auf jeden Fall der Deppenapostroph in „FÜR’N“. Kurz: Gesamtaussage inklusive Orthografie bedürfen einer dringenden Überarbeitung.
Morgen schau ich mal vorbei und checke das Ergebnis.
„25 MRD RAUS FÜR'N UMWELTSCHUTZ ODER BERLIN BRENNT!“
Das erinnert in seiner hirnrissigen Paradoxie an Abtreibungsgegner, die Ärzte umbringen. Beim Brennen, lieber unbekannter Synapsenmissbraucher, entstehen nämlich umweltschädliche Gase in beträchtlicher Menge – selbstverständlich auch und sogar gerade dann, wenn Berlin brennt, eine Stadt von immerhin fast 900 Quadratkilometern Fläche.
Pi mal Daumen genauso schlimm wie dein argumentativer Schuss ins eigene Knie ist jedoch nicht das fehlende Komma vor „oder“, sondern auf jeden Fall der Deppenapostroph in „FÜR’N“. Kurz: Gesamtaussage inklusive Orthografie bedürfen einer dringenden Überarbeitung.
Morgen schau ich mal vorbei und checke das Ergebnis.
13 November 2009
Weisheiten über Partys
(FOTO AUF BITTE DES ABGEBILDETEN ENTFERNT)
Wieder mal ein Abend im Toten Salon. Zum Glück. Denn er lieferte eine der definitiv großartigsten Argumente dafür, eine Party weiter am Laufen zu halten:
„Das Kerzenwachs ist noch nicht trocken.“
Das Copyright dafür gebührt Salongastgeber Richard Kähler. Der Mann auf dem heutigen Foto indes benötigte solche Ermunterungen nicht, zumal seine Party eher solistischer Natur war.
Ich finde allerdings, wenn man schon an einer Kiezhauptstraße abends im Souterrain kokst, sollte man wenigstens die Gardinen vorziehen.
Wieder mal ein Abend im Toten Salon. Zum Glück. Denn er lieferte eine der definitiv großartigsten Argumente dafür, eine Party weiter am Laufen zu halten:
„Das Kerzenwachs ist noch nicht trocken.“
Das Copyright dafür gebührt Salongastgeber Richard Kähler. Der Mann auf dem heutigen Foto indes benötigte solche Ermunterungen nicht, zumal seine Party eher solistischer Natur war.
Ich finde allerdings, wenn man schon an einer Kiezhauptstraße abends im Souterrain kokst, sollte man wenigstens die Gardinen vorziehen.
12 November 2009
Monochrom statt molekular
Gestern Abend wurde ich im Rahmen einer CD-Präsentation von Tim Mälzer bekocht. Natürlich nicht ich alleine, aber auch ich.
Vorher schwor der TV-Koch uns auf die Modalitäten ein: Wer den jeweils als Auftakt eines Ganges servierten Jelly Shot nicht zu sich nähme, bekäme nichts zu essen. Punkt. „Und wenn trockene Alkoholiker dabei gewesen wären?“, gab Ms. Columbo später zu bedenken, als ich ihr davon erzählte. Tja. Soweit hatte Mälzer wohl nicht gedacht.
Bei einem Wodka Jelly Shot handelt es sich übrigens um eine Art Wackelpudding mit Umdrehungen. Scheußlich, aber knallt. Der erste war grün, weil Mälzer heute nach Farben kochte, und als erster Gang war Zander in Kräuterkruste mit Erbsenpüree dran. Das war alles sehr grün, also musste auch der Shot grün sein. Er schmeckte fern nach Waldmeister, aber darauf kam es nun wirklich nicht an.
Während Mälzer wuselte und kochte, standen wir um ihn herum, reichten ihm Pfannen oder stellten dumme Fragen. Die beantwortete er im Dampfplauderstil, während er ohne hinzusehen in einem Affenzahn Knoblauch oder Schalotten schnitt. Verstohlen musterte ich seine Fingerkuppen. Sie waren seltsamerweise alle noch dran. Oder wieder.
Beim Flambieren eines Carpaccios vom Iberico-Schwein gab er Einblick in die Ausstattung seines Restaurants Bullerei. „Ich habe eine Hightechküche, ich habe alles, ALLES!“, bellte er, „aber das Einzige, was ich bedienen kann, ist der Ofen. Und mein Herd zu Hause kann auch nur heiß werden, aber er kostet 20 000 Euro!“
Zu diesem Zeitpunkt war der zweite Wodka Jelly Shot, ein roter, schon Geschichte, und es drohte ein gelber. Denn inzwischen hatte Mälzer sich pochiertem Kabeljau mit Currysoße, Gewürzbirne und Kumquats zugewandt.
„11 Prozent aller Deutschen sagen, das liebste Tier, das sie auf dem Teller haben, sei Hack“, gluckste Mälzer, und schon stand der rosa Jelly Shot an, denn das geräucherte, gepökelte Rinderfilet auf Rote-Bete-Püree mit Rotweinrauchaalbutter war so pink, wie Floyd niemals waren.
Zwischendurch, das muss Erwähnung finden, sprachen wir übrigens kräftig den Bullerei-Hausweinen zu, die allerdings im Gegensatz zu den gepimpten Wackelpuddingvarianten nur zwei Farbnuancen aufzuweisen hatten.
Inzwischen war Mälzer richtig in Fahrt. „Kobe-Rinder werden massiert, hören klassische Musik und bekommen Bier zu saufen – das ist wie bei mir zu Hause!“, johlte er, während er daran scheiterte, die Kindersicherung am Handmixer zu deaktivieren.
Der letzte Shot (blau) war aus mindestens zwei Gründen kongenial koloriert, und nur einer davon war das Dessert (blaues Schokomus mit Blaubeeren).
Mälzer war übrigens auch schon mal in Spanien, um sich an Ferran Adriàs Molekularküche zu wagen. War aber nix für ihn. „Das ist ganz viel Kokolores. 38 Gänge, und 36 davon hättest du in die Tonne treten können. Mir war wirklich schlecht, ich musste brechen. Aber ich hab’s zweimal runtergeschluckt.“
Das hätte an diesem Abend in der Bullerei höchstens ein weiterer Wodka Jelly Shot schaffen können, doch kurz vor eins gelang mir die Flucht. Grandioser Abend.
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