Also jetzt mal Klartext, aus gegebenem Anlass: Touchscreengeräte wie das iPhone sind nichts weiter als Körperfettverschmieroberflächen.
Besonders effektiv nutzt sie, wer nach dem Klogang aufs Händewaschen verzichtet. Sich danach seine Körperfettverschmieroberfläche an Lippen, Ohr und Wange zu halten, das hat den diskreten Charme einer Mülltonne mit Krankenhausabfällen. Und der visuelle Effekt, mit dem das iPhone ein Trinkgefäß zu simulieren vermag, wirkt in diesem Kontext geradezu zynisch.
Spätere Generationen werden angewidert den Kopf schütteln, wenn sie in alten Aufzeichnungen vom Irrweg der Touchscreenära lesen. Immerhin, werden sie sagen, überlebten damals nur diejenigen mit dem stärksten Immunsystem.
Evolutionär gesehen verbessert das iPhone also den menschlichen Genpool. Ein Prozess, den ich mir weiterhin gern von außen anschaue.
Foto: Apple
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08 November 2008
06 November 2008
O du nölige
Bei Penny. „Nenn mir ein Wort mit vier tz“, fordert der Franke mich unvermittelt auf.
„Weiß nicht“, muffle ich, erschüttert und fasziniert von der scheußlichen Weihnachtsdeko, die uns umgibt wie ein terroristischer Anschlag. Meine geistige Trägheit freut den Franken, denn jetzt kann er glänzen. Das tut er auch.
„Atzventzkrantzkertzen!“, triumphiert er in einer Lautstärke, welche Pennykunden verschüchtert darüber nachdenken lässt, das nächste Mal besser zu Aldi zu gehen. Sie wissen ja nicht, dass der Franke auch dort regelmäßig seine sonischen Duftmarken zu setzen weiß.
Atzventzkrantzkertzen also. Wer ist da eigentlich als erster drauf gekommen, irgendein Komiker? Der Franke jedenfalls nicht von alleine, es gibt 80 Treffer bei Google.
Später erhalte ich eine Spammail mit dem Betreff: „Ihre Anfrage nach Kunsttannen“, und beim Thailänder in der Taubenstraße servieren sie zum Likör einen wohl weihnachtsmäßig gemeinten Langhaarschrat mit Wallebart.
Diese ganze Atzventzzeit ist von höchst zweifelhafter Provenienz, wenn ihr mich fragt.
„Weiß nicht“, muffle ich, erschüttert und fasziniert von der scheußlichen Weihnachtsdeko, die uns umgibt wie ein terroristischer Anschlag. Meine geistige Trägheit freut den Franken, denn jetzt kann er glänzen. Das tut er auch.
„Atzventzkrantzkertzen!“, triumphiert er in einer Lautstärke, welche Pennykunden verschüchtert darüber nachdenken lässt, das nächste Mal besser zu Aldi zu gehen. Sie wissen ja nicht, dass der Franke auch dort regelmäßig seine sonischen Duftmarken zu setzen weiß.
Atzventzkrantzkertzen also. Wer ist da eigentlich als erster drauf gekommen, irgendein Komiker? Der Franke jedenfalls nicht von alleine, es gibt 80 Treffer bei Google.
Später erhalte ich eine Spammail mit dem Betreff: „Ihre Anfrage nach Kunsttannen“, und beim Thailänder in der Taubenstraße servieren sie zum Likör einen wohl weihnachtsmäßig gemeinten Langhaarschrat mit Wallebart.
Diese ganze Atzventzzeit ist von höchst zweifelhafter Provenienz, wenn ihr mich fragt.
W. C. Fields hatte doch Recht
Da, wo ich herkomme, gab es weniger Bohei um einen Laternenumzug.
Man wählte die Bürgersteige unbelebter Seitenstraßen, und die Restwelt blieb unbeeinträchtigt. So einfach war das. Heute ist das anders, zumindest in Hamburg.
Ich stand an der Haltestelle Barner Straße und sah den Bus schon kommen in der Ferne. Dieser Anblick ist stets verbunden mit einem wohligen Gefühl, das ich sehr schätze.
Die quälende Ungewissheit, wann wohl die notorisch launische Linie 37 ihren nächsten Bus vorbeizuschicken geruht, ist schlagartig vorbei; der Anblick des Gefährts, dessen Nahen man hier über einen ganzen Kilometer hinweg verfolgen kann, überzuckert die restlichen Minuten des Wartens mit Behaglichkeit und der schmeichelhaften Illusion, im Übermaß mit Nachsicht und Geduld ausgestattet zu sein.
Ein Getrommel von links stört indes meine Kontemplation: Es ist ein Laternenumzug. Er nähert sich der Kreuzung im rechten Winkel zum Bus, und eins wird schnell klar: Sollte der Umzug sie vorher erreichen, wird der Bus zu seiner eh schon beträchtlichen Verspätung noch erheblich mehr aufgebrummt bekommen – und damit auch ich.
Das von mir nun fieberhaft verfolgte Rennen bleibt offen bis kurz vor Schluss, dann siegen die Laternen. Der Bus verharrt vor der nutzlos grünen Ampel, während sich die trommelnden Kinder samt ihrer verantwortungslosen Erziehungsberechtigten in einem Tempo über die Kreuzung wälzen, gegen das die Grönlandgletscherschmelze wirkt wie ein Zeitrafferfilm.
Nun aber zurück auf Anfang: zum Bohei. Dieser Laternenumzug nämlich hat – im Gegensatz zu dort, wo ich herkomme – etwas eklig Professionelles. Vorneweg marschieren zwei wichtigwichtige Herren mit Kellen und Reflektoren auf den Jacken; sie sind die Hauptschuldigen für das Stoppen meines Busses.
Dahinter folgen mitten auf der Hauptverkehrsstraße die ursächlich Verantwortlichen für den ganzen sinnlosen Unfug, und nach hinten wird die entropiebeschleunigende Veranstaltung abgesichert von einem schillblauen Streifenwagen sowie einem kapitalen Feuerwehrauto in vollem Ornat.
Was glauben die Behörden eigentlich, was von diesen Kindern mit ihren Teelichtern alles stadtteilgefährdend abgefackelt werden kann – der Teer?
Die Blondine neben mir, die ebenfalls schon eine Viertelstunde auf den Bus gewartet hat, bevor die Laternen kamen, trägt einen kurzen Pferdeschwanz und einen harten Zug um die Lippen, der sie intelligent wirken lässt. Sie flucht jetzt leise.
Später, sehr viel später, steht sie im Fitnessclub zufällig neben mir auf dem Crosstrainer, aber das hat bestimmt nichts zu bedeuten, auch wenn unsere Schicksale seit dem Laternenumzug unverhofft eine kleine Schnittmenge aufweisen, für immer.
Man wählte die Bürgersteige unbelebter Seitenstraßen, und die Restwelt blieb unbeeinträchtigt. So einfach war das. Heute ist das anders, zumindest in Hamburg.
Ich stand an der Haltestelle Barner Straße und sah den Bus schon kommen in der Ferne. Dieser Anblick ist stets verbunden mit einem wohligen Gefühl, das ich sehr schätze.
Die quälende Ungewissheit, wann wohl die notorisch launische Linie 37 ihren nächsten Bus vorbeizuschicken geruht, ist schlagartig vorbei; der Anblick des Gefährts, dessen Nahen man hier über einen ganzen Kilometer hinweg verfolgen kann, überzuckert die restlichen Minuten des Wartens mit Behaglichkeit und der schmeichelhaften Illusion, im Übermaß mit Nachsicht und Geduld ausgestattet zu sein.
Ein Getrommel von links stört indes meine Kontemplation: Es ist ein Laternenumzug. Er nähert sich der Kreuzung im rechten Winkel zum Bus, und eins wird schnell klar: Sollte der Umzug sie vorher erreichen, wird der Bus zu seiner eh schon beträchtlichen Verspätung noch erheblich mehr aufgebrummt bekommen – und damit auch ich.
Das von mir nun fieberhaft verfolgte Rennen bleibt offen bis kurz vor Schluss, dann siegen die Laternen. Der Bus verharrt vor der nutzlos grünen Ampel, während sich die trommelnden Kinder samt ihrer verantwortungslosen Erziehungsberechtigten in einem Tempo über die Kreuzung wälzen, gegen das die Grönlandgletscherschmelze wirkt wie ein Zeitrafferfilm.
Nun aber zurück auf Anfang: zum Bohei. Dieser Laternenumzug nämlich hat – im Gegensatz zu dort, wo ich herkomme – etwas eklig Professionelles. Vorneweg marschieren zwei wichtigwichtige Herren mit Kellen und Reflektoren auf den Jacken; sie sind die Hauptschuldigen für das Stoppen meines Busses.
Dahinter folgen mitten auf der Hauptverkehrsstraße die ursächlich Verantwortlichen für den ganzen sinnlosen Unfug, und nach hinten wird die entropiebeschleunigende Veranstaltung abgesichert von einem schillblauen Streifenwagen sowie einem kapitalen Feuerwehrauto in vollem Ornat.
Was glauben die Behörden eigentlich, was von diesen Kindern mit ihren Teelichtern alles stadtteilgefährdend abgefackelt werden kann – der Teer?
Die Blondine neben mir, die ebenfalls schon eine Viertelstunde auf den Bus gewartet hat, bevor die Laternen kamen, trägt einen kurzen Pferdeschwanz und einen harten Zug um die Lippen, der sie intelligent wirken lässt. Sie flucht jetzt leise.
Später, sehr viel später, steht sie im Fitnessclub zufällig neben mir auf dem Crosstrainer, aber das hat bestimmt nichts zu bedeuten, auch wenn unsere Schicksale seit dem Laternenumzug unverhofft eine kleine Schnittmenge aufweisen, für immer.
04 November 2008
Hä?
Wer sich heute gegen Barack Obama entscheidet, ist nicht automatisch ein Rassist.
Das Gegenteil aber stimmt keinesfalls.
Und wenn doch: auch egal.
Foto: Wikipedia
Das Gegenteil aber stimmt keinesfalls.
Und wenn doch: auch egal.
Foto: Wikipedia
Der Abend des Rezensenten
Matt: „Guckst du mit? Ich muss noch einige DVDs rezensieren. Aber alles Sachen ab 18.“
Ms. Columbo: „Also sind Brüste zu sehen und nicht Kopf ab?“
Matt: „Nein, Brüste sind ab 16, Kopf ab ab 18.“
Ms. Columbo: „Ja-ha, das würde einem der gesunde Menschenverstand sagen – aber in Wahrheit ist es doch genau umgekehrt!“
Matt: „Nur in den USA.“
Am Ende sahen wir einen Film von Uwe Boll.
Ohne Brüste.
Foto: Kinostar
Ms. Columbo: „Also sind Brüste zu sehen und nicht Kopf ab?“
Matt: „Nein, Brüste sind ab 16, Kopf ab ab 18.“
Ms. Columbo: „Ja-ha, das würde einem der gesunde Menschenverstand sagen – aber in Wahrheit ist es doch genau umgekehrt!“
Matt: „Nur in den USA.“
Am Ende sahen wir einen Film von Uwe Boll.
Ohne Brüste.
Foto: Kinostar
03 November 2008
Im Ikeawachkoma
Bei Ikea werde ich regelmäßig schon nach kurzer Zeit quasi kataleptisch.
Wie ein Zombie wanke ich durch den Laden, stumpf und handlungsunfähig, doch wenigstens entlang der vorgegebenen Pfade.
Wahrscheinlich blasen sie eine Droge durchs Lüftungssystem, die alle anderen zu willenlosen Powerkonsumenten macht, aber mich einfach nur schläfrig. Dank Ms. Columbo bringen wir es dennoch auf zwei Stofftiere und 18 Trinkgläser.
Zu Hause stelle ich jedoch fest, im Ikeawachkoma ebenfalls etwas erstanden zu haben: ein paar Plüschpuschen für zweifünfzig.
Mann, der Besuch bei Ikea sollte unbedingt unters Betäubungsmittelgesetz fallen.
Wie ein Zombie wanke ich durch den Laden, stumpf und handlungsunfähig, doch wenigstens entlang der vorgegebenen Pfade.
Wahrscheinlich blasen sie eine Droge durchs Lüftungssystem, die alle anderen zu willenlosen Powerkonsumenten macht, aber mich einfach nur schläfrig. Dank Ms. Columbo bringen wir es dennoch auf zwei Stofftiere und 18 Trinkgläser.
Zu Hause stelle ich jedoch fest, im Ikeawachkoma ebenfalls etwas erstanden zu haben: ein paar Plüschpuschen für zweifünfzig.
Mann, der Besuch bei Ikea sollte unbedingt unters Betäubungsmittelgesetz fallen.
02 November 2008
Abgang Jerry Lee
Innerhalb von 24 Stunden besuchten wir Konzerte von zwei Künstlern, die zusammen 147 Jahre alt und beide Mitglieder in der Rock’n’Roll Hall of Fame sind.
Im Vorprogramm von Jerry Lee Lewis spielte Schildkröte. Als er so dasaß am E-Piano, halslos, grau und rund, da konnte ich mich trotz aktivierter Anstandsspamfilter innerlich nicht wehren gegen die stille Frage: Ob Schildkröte wohl noch Sex hat, und zwar unbezahlten?
Ich bin schlecht, ich weiß.
Dann kam Jerry Lee auf die Bühne des CCH (Foto), mit krummem Rücken, dem Hemd in der Hose und selbige hochgezogen bis knapp unter die Achseln. Vor über 50 Jahren inszenierte er mit ein paar Kumpels die wildeste Jugendbewegung, welche die Welt bis dahin gesehen hatte, und es ist auf schmerzliche Weise rührend, ihn ein halbes Jahrhundert später noch immer die Stücke von damals spielen zu hören. Es ist Gnade und Fluch.
Am Ende, bei „Whole lotta shakin’ goin’ on“, stand Lee auf vom Klavier, dreht sich um und setzte sich kurz auf die Tastatur – ein Schlussakkord vom, aber nicht fürn Arsch.
Dann ging er ab, krumm und alt, das Hemd tief vergraben in der Hose, ein Geist aus der Rock’n’Roll Hall of Fame, der nie mehr wiederkehren wird.
Im Vorprogramm von Jerry Lee Lewis spielte Schildkröte. Als er so dasaß am E-Piano, halslos, grau und rund, da konnte ich mich trotz aktivierter Anstandsspamfilter innerlich nicht wehren gegen die stille Frage: Ob Schildkröte wohl noch Sex hat, und zwar unbezahlten?
Ich bin schlecht, ich weiß.
Dann kam Jerry Lee auf die Bühne des CCH (Foto), mit krummem Rücken, dem Hemd in der Hose und selbige hochgezogen bis knapp unter die Achseln. Vor über 50 Jahren inszenierte er mit ein paar Kumpels die wildeste Jugendbewegung, welche die Welt bis dahin gesehen hatte, und es ist auf schmerzliche Weise rührend, ihn ein halbes Jahrhundert später noch immer die Stücke von damals spielen zu hören. Es ist Gnade und Fluch.
Am Ende, bei „Whole lotta shakin’ goin’ on“, stand Lee auf vom Klavier, dreht sich um und setzte sich kurz auf die Tastatur – ein Schlussakkord vom, aber nicht fürn Arsch.
Dann ging er ab, krumm und alt, das Hemd tief vergraben in der Hose, ein Geist aus der Rock’n’Roll Hall of Fame, der nie mehr wiederkehren wird.
01 November 2008
Leonard Cohen, Weltrekordler
Der Grad von Leonard Cohens Grandseigneurhaftigkeit ist Guinness-Buch-der-Rekorde-reif. Außerdem hat er den leisesten Drummer der Welt.
Wie es sonst war beim Cohen-Konzert? So wie es Wildgans anlässlich seines Frankfurter Auftritts beschrieb. Also sehr ergreifend.
Übrigens bin ich erstaunt, wieso nicht alle 80 Millionen Deutsche sofort versuchen, Karten zu bekommen, wenn einer wie er auf Tour kommt. Was um alles in der Welt kann die Alternative sein – etwa Halloweenkürbisse schnitzen …?
Cohen gehört zu jenen Künstlern, von denen ich auratische Devotionalien besitze, obwohl ich sonst nicht zu den Signierbettlern gehöre. Den herrlich wackligen Eintrag in mein uraltes Exemplar seiner gesammelten Werke schrieb er mit der gleichen Hand, die einst „Suzanne“ verfasste oder den dunklen Bildungsroman „The favorite game“.
Außerdem vermachte er mir sein mit der Maus gemaltes Selbstporträt „Happy at last“. Heute Abend sah er sich sehr ähnlich, nur nicht so blau im Gesicht und dank Hut und Maßanzug weitaus grandseigneurhafter.
Und hätte er Maastrix nicht schon im Vorfeld mit einem Knebelvertrag verärgert, ich würde ihn glatt adoptieren. So aber schoss ich aus Protest ein pixeliges Foto von der Videoleinwand und wandere halt jetzt in den Knast.
30 Oktober 2008
Fahrlässiges Feixen und Flachsen
Spiegel online hat als Pseudonym für einen Vergewaltiger ausgerechnet den bürgerlichen Namen des bekanntesten deutschen Krawallbloggers auserkoren, der sich übrigens auch in meiner Blogrolle befindet.
Irgendwie ist das unschön – und zwar ganz generell. Man könnte schließlich auch mit Initialen arbeiten, statt in vielen deutschen Sozialzusammenhängen nun fahrlässig hämisches Feixen und Flachsen hervorzurufen. Immerhin zeichnet sich der von Spon verwendete Name nicht gerade durch endemische Seltenheit aus.
Beim Kölner Express heißt der Mann übrigens „Jens H.“, ka-news.de aus Karlsruhe schafft es sogar ganz ohne Namensfantastereien. Geht doch.
29 Oktober 2008
Betrag zu hoch!
Seit bekannt geworden ist, welch apokalyptische Folgen der Individualverkehr hat, fährt ja praktisch niemand mehr Auto.
Wir aber waren Ende der 90er echte Avantgardisten, als wir nach dem Diebstahl des Fiats einfach sagten: Du wirst nicht ersetzt, Uno!
Vorher waren wir mit ihm für den Wocheneinkauf stets zu Toom in Altona gefahren, wo am Eingang des Parkplatzes eine Schranke war, die sich hob, wenn man eine Parkkarte zog.
Kurioserweise waren die Ausfahrtschranken meist oben, so dass ich die jeweilige Parkkarte gar nicht am Toom-Automaten auslösen musste. Eine vergessene alte Karte befand sich daher schon seit einiger Zeit in meiner Börse. Spaßeshalber steckte ich sie eines Tages mal in den Automaten, um die inzwischen aufgelaufenen Parkgebühren zu ermitteln. Sie waren dreistellig. Das war lustig.
In den Folgemonaten, ja -jahren wurde die alte Parkkarte zum running gag. Meine Schuld beim Toom-Parkplatz wuchs und wuchs. Irgendwann sagte der Automat Sachen wie „30 553 DM – Betrag zu hoch!“.
Wenn dann gerade zufällig ein Toom-Kunde in der Nähe war, starrte ich länger als notwendig aufs Display, seufzte tief auf, zog kopfschüttelnd die Karte aus dem Automaten und schlurfte von dannen – einer düsteren Zukunft als Fußgänger entgegen, während mein Wagen den Rest seiner rostigen Jahre unausgelöst auf dem Parkplatz von Toom verbringen musste. Denn 30 553 Mark hatte ich selten dabei.
Irgendwann hatten wir dank der Diebe kein Auto mehr. Wir kauften nun dort ein, wo man zu Fuß hingehen konnte. Toom, sein Parkplatz und der Automat gerieten in Vergessenheit. Doch heute morgen, viele Jahre und eine Währungsumstellung später, fand ich die Parkkarte wieder. Sie lag in einem verstaubten ehemaligen Gewürzgurkenglas, in dem sich außerdem noch ein Klebezettelblock und viele kleine Münzen befanden, darunter sogenannte „Groschen“, die Älteren unter uns werden sich noch erinnern.
Die Parkkarte jedenfalls weckte nostalgische Gefühle – und führte mich in Versuchung. Ich brach etwas früher zur Arbeit auf, um vorher noch bei Toom vorbeizufahren. Einfach mal schauen, wie hoch der Betrag jetzt wäre, ungefähr acht Jahre nach der historischen Meldung „30 553 DM – Betrag zu hoch!“.
Ich betrat Toom voll nervöser Vorfreude. Der Parkautomat stand noch immer im Eingangsbereich, wie damals. Ich ging hin und führte die Karte ein. Meine Hände zitterten leicht. Was würde er sagen? Läge ich schon bei einer Million, und zwar Euro?
Der Automat surrte und summte, er checkte die Karte, und dann … spuckte er sie wieder aus wie ein trockener Alkoholiker die Weinbrandbohne.
Welch eine Enttäuschung: Der Parkautomat gehörte einer neueren Generation an. Es handelte sich um ein anderes, aktualisiertes Modell. Mein alte Parkkarte war ihm so fremd wie meinem MacBook eine Floppydisc. Wie schade.
Ich seufzte tief auf, obwohl kein anderer Toom-Kunde in der Nähe war, zog kopfschüttelnd die Karte aus dem Automaten und schlurfte geschlagen von dannen.
Vielleicht haben sie den alten Automaten ja nur deswegen ausgetauscht, weil ihn die Meldung „30 553 DM – Betrag zu hoch!“ irgendwann depressiv gemacht hatte.
Ja, so war es, bestimmt.
Wir aber waren Ende der 90er echte Avantgardisten, als wir nach dem Diebstahl des Fiats einfach sagten: Du wirst nicht ersetzt, Uno!
Vorher waren wir mit ihm für den Wocheneinkauf stets zu Toom in Altona gefahren, wo am Eingang des Parkplatzes eine Schranke war, die sich hob, wenn man eine Parkkarte zog.
Kurioserweise waren die Ausfahrtschranken meist oben, so dass ich die jeweilige Parkkarte gar nicht am Toom-Automaten auslösen musste. Eine vergessene alte Karte befand sich daher schon seit einiger Zeit in meiner Börse. Spaßeshalber steckte ich sie eines Tages mal in den Automaten, um die inzwischen aufgelaufenen Parkgebühren zu ermitteln. Sie waren dreistellig. Das war lustig.
In den Folgemonaten, ja -jahren wurde die alte Parkkarte zum running gag. Meine Schuld beim Toom-Parkplatz wuchs und wuchs. Irgendwann sagte der Automat Sachen wie „30 553 DM – Betrag zu hoch!“.
Wenn dann gerade zufällig ein Toom-Kunde in der Nähe war, starrte ich länger als notwendig aufs Display, seufzte tief auf, zog kopfschüttelnd die Karte aus dem Automaten und schlurfte von dannen – einer düsteren Zukunft als Fußgänger entgegen, während mein Wagen den Rest seiner rostigen Jahre unausgelöst auf dem Parkplatz von Toom verbringen musste. Denn 30 553 Mark hatte ich selten dabei.
Irgendwann hatten wir dank der Diebe kein Auto mehr. Wir kauften nun dort ein, wo man zu Fuß hingehen konnte. Toom, sein Parkplatz und der Automat gerieten in Vergessenheit. Doch heute morgen, viele Jahre und eine Währungsumstellung später, fand ich die Parkkarte wieder. Sie lag in einem verstaubten ehemaligen Gewürzgurkenglas, in dem sich außerdem noch ein Klebezettelblock und viele kleine Münzen befanden, darunter sogenannte „Groschen“, die Älteren unter uns werden sich noch erinnern.
Die Parkkarte jedenfalls weckte nostalgische Gefühle – und führte mich in Versuchung. Ich brach etwas früher zur Arbeit auf, um vorher noch bei Toom vorbeizufahren. Einfach mal schauen, wie hoch der Betrag jetzt wäre, ungefähr acht Jahre nach der historischen Meldung „30 553 DM – Betrag zu hoch!“.
Ich betrat Toom voll nervöser Vorfreude. Der Parkautomat stand noch immer im Eingangsbereich, wie damals. Ich ging hin und führte die Karte ein. Meine Hände zitterten leicht. Was würde er sagen? Läge ich schon bei einer Million, und zwar Euro?
Der Automat surrte und summte, er checkte die Karte, und dann … spuckte er sie wieder aus wie ein trockener Alkoholiker die Weinbrandbohne.
Welch eine Enttäuschung: Der Parkautomat gehörte einer neueren Generation an. Es handelte sich um ein anderes, aktualisiertes Modell. Mein alte Parkkarte war ihm so fremd wie meinem MacBook eine Floppydisc. Wie schade.
Ich seufzte tief auf, obwohl kein anderer Toom-Kunde in der Nähe war, zog kopfschüttelnd die Karte aus dem Automaten und schlurfte geschlagen von dannen.
Vielleicht haben sie den alten Automaten ja nur deswegen ausgetauscht, weil ihn die Meldung „30 553 DM – Betrag zu hoch!“ irgendwann depressiv gemacht hatte.
Ja, so war es, bestimmt.
27 Oktober 2008
Das lange Warten auf Amy
Nach einem dienstlichen Termin im Alten Wandrahm entschließe ich mich in einem Anfall von montäglichem Masochismus, längs durch die Speicherstadt gen St. Pauli zu radeln. Also immer lang am Fleet über Stock und vor allem Stein.
Tausende Wackermänner später fühle ich mich eher geschüttelt als gerührt und vor allem bestens durchmassiert. Ein idealer Zustand, um abends das Konzert von Amy MacDonald in der Großen Freiheit zu besuchen.
Die Frau aus Bishopbriggs redet ein mühsam als Schottisch zu deutendes Kauderwelsch, das – wäre sie Deutsche – wohl dem Vollsächsischen entspräche und entsprechend für Heiterkeit sorgte. Wenn sie zum Beispiel „about“ zu sagen versucht, klingt das eher nach „a boat“, und das bedeutet ja etwas ganz anderes. Das aber sollen wir erst viel später erfahren, denn die Dame ziert sich.
Wir warten. Und warten. Zeit zum Umschauen. Empirisches Ergebnis: Wir haben hier ein erstaunlich gesetztes Publikum.
Es gibt Lederjackenmänner mit Holstenhüftgold und Warsteinerwampe, es stehen herum Bubikopfblondinen in Puffärmelblusen und koketten Kunstlederwestchen, deren graumelierte Begleiter farblich fein darauf abgestimmte Jacketts zu Designerjeans tragen.
Es gibt doppelbekinnte Bank-, vielleicht auch Versicherungsangestellte mit dezent linierten weißen Oberhemden, deren Ärmel die ganze Zeit zugeknöpft bleiben. Zudem ist die Quote der leicht bis mittel Adipösen erstaunlich hoch für einen Abend mit Amy MacDonald, die so langsam aber wirklich mal anfangen darf.
Ich frage mich, wie lange sie noch ihren Auftritt verzögern könnte, ehe die Bubikopfblondine, der Lederjackenmann, der zugeknöpfte Hemdsärmel und die Armada der leicht bis mittel Adipösen empört genug wären, um als verschmolzener Mob die Bühne zu stürmen und ein für alle mal ein Fanal zu setzen gegen zu spät auftretende Künstler.
Meine Schätzung: drei Stunden. Doch dazu kommt es nicht – dafür aber Amy und ihr „a boat“.
Zeit, über den Transenstrich nach Hause zu radeln. Nirgends Kopfsteinpflaster.
Hören, sehen, sagen
Heute um 17 Uhr auf Byte.fm geht es eine Stunde lang um Comebacker und Newcomer.
Wer nicht reinhört, verpasst die unvergleichliche GRACE JONES, die mich überhaupt nicht an de Leuchtdame am Altonaer Balkon (Foto) erinnert.
Ich kenne übrigens schon jetzt das Wort des Jahres. Selbstverständlich lautet es „Finanzkrise“. Doch welches wird zum Unwort des Jahres – „Ypsilanti“?
Vorschäge bitte in den Kommentaren.
Wer nicht reinhört, verpasst die unvergleichliche GRACE JONES, die mich überhaupt nicht an de Leuchtdame am Altonaer Balkon (Foto) erinnert.
Ich kenne übrigens schon jetzt das Wort des Jahres. Selbstverständlich lautet es „Finanzkrise“. Doch welches wird zum Unwort des Jahres – „Ypsilanti“?
Vorschäge bitte in den Kommentaren.
26 Oktober 2008
Das Ensemble des Todes
Seit Wochen müssen sie der absolute Hit bei Penny in Ottensen sein, sonst wären sie längst aus dem Sortiment verschwunden: Grablampen.
Allerdings konzentriert Penny sich voll auf das Modell „Grablampe mittel“, als gäbe es nicht auch eine ungestillte Sehnsucht nach S oder XXL.
Um diese Lücken im Sortiment zu verschleiern, hat Penny den Grablampen seit neuestem ein Gespenst von 24 Zentimetern Höhe zur Seite gestellt. Grundsätzlich gar nicht mal unsinnig; schließlich gehören Gespenster ebenfalls jener Sphäre an, die Grablampen gemeinhin zu erhellen versuchen.
Doch warum lacht das terrakottafarbene Gespenst halloweenesk auf und wedelt mit der Rute? Im Angesicht von „Grablampen mittel“ ist das pietät-, geschmack- und würdelos.
Anders gesagt: Gefällt mir richtig gut.
24 Oktober 2008
Zwischen zwei Sätzen
Als ich hörte, er sei heute in die Psychiatrie eingeliefert worden, nachdem er zuvor mit einem Messer durch die Wohnung geirrt sei und gestammelt habe: „Mein Vater hat mich seit Wochen nicht angerufen“, da fiel mir wieder jener Tag vor 32 Jahren ein, an dem sein Vater starb.
Ich setzte mich zu ihm aufs Moped an jenem Tag. Wir fuhren zum Baggersee und setzten uns auf die Steine. Dann sagte er: „Jetzt haben wir die Scheiße.“
Er hatte Recht.
Er wurde, was er schon war: ein Egomane, der von seiner Mutter erwartete, jeden Wunsch erfüllt zu bekommen, jetzt, wo er „Herr im Hause“ war.
Dann gründete er eine Familie und begann sie systematisch zugrunde zu richten. Er versoff alles, die Liebe seiner Frau, seiner Kinder, seiner Mutter, er versoff den Führerschein, den Job, sein Geld, das Haus, seine Würde, sein ganzes verdammtes ziviles Leben.
Aus jeder Therapie haute er ab. Immer wieder ging er im Dorf von Tür zu Tür, klingelte und bat um Geld für Essen. Seine Mutter hungere, erzählte er, und dann versoff er alles. Manche geben ihm immer noch etwas.
Er und seine Mutter leben seit Jahren im Dreck, wie die Ratten.
„Jetzt haben wir die Scheiße“, 1976.
„Mein Vater hat mich seit Wochen nicht angerufen“, 2008.
Die ganze Tragödie seines verpfuschten Lebens liegt in der Verbindung zwischen diesen beiden Sätzen über eine Distanz von 32 Jahren.
Ich sollte das seinem Psychiater erzählen.
23 Oktober 2008
Nachts in der Anatomie
So sah es heute Abend im Uebel & Gefährlich aus, als die Band Bohren & Der Club Of Gore dort spielte.
Selbst Maastrix, dessen Kamera dir normalerweise selbst die dunkle Seite des Mondes mit allen Nuancen abbildet, beschränkte sich resignierend darauf, mein Display zu fotografieren, während ich versuchte, die diffus mit dem Dunkel verschmelzenden Gestalten auf der Bühne zu fotografieren.
Zu den ultralangsamen Klängen der Mülheimer Düsterfreaks assoziierten wir Geschichten. Maastrix fühlte sich an den Geruch einer sogar namentlich benennbaren Frau erinnert, die vor acht Jahren in seinem Bett gelegen hatte; meine verkümmerte Fantasie hingegen faselte was von „postindustrieller Kohlerevierbrache“ und „Film-noir-Detektiven im Trenchcoat, die nachts durch regennasse Stadtrandviertel schlurfen“.
In Wahrheit fühlte ich mich über weite Strecken, als hätte man mich nachts in der Anatomie eingeschlossen, und plötzlich regt sich was unter den Leichentüchern.
Maastrix hingegen beömmelte sich die ganze Zeit. Für ihn war das eher Quatsch-Comedy-Club als todernster Slomojazz. Obwohl Bohren auch lustig waren, vor allem die Ansagen. „Früher hat man uns erzählt“, sprach eine Stimme ohne Gesicht von irgendwo auf der Bühne, „wenn du deinen Teller nicht leer isst, dann kriegst du Aids.“
So unterschiedlich sind die Erziehungsmethoden: Mir hat man in der gleichen Lage noch für morgen mit schlechtem Wetter gedroht. (Ohne zu ahnen, dass es auch Tage gab, an denen ich Regen ganz unterhaltsam fand.)
Vor der Zugabe lasse ich einen immer wieder haltlos glucksenden Maastrix zurück. Aus irgendeinem Grund formuliere ich innerlich auf der Heimfahrt ein hinfort gültiges ehernes Gesetz: Fernsehsendungen mit Werbeunterbrechungen niemals live gucken.
Und jetzt schlafen.
Selbst Maastrix, dessen Kamera dir normalerweise selbst die dunkle Seite des Mondes mit allen Nuancen abbildet, beschränkte sich resignierend darauf, mein Display zu fotografieren, während ich versuchte, die diffus mit dem Dunkel verschmelzenden Gestalten auf der Bühne zu fotografieren.
Zu den ultralangsamen Klängen der Mülheimer Düsterfreaks assoziierten wir Geschichten. Maastrix fühlte sich an den Geruch einer sogar namentlich benennbaren Frau erinnert, die vor acht Jahren in seinem Bett gelegen hatte; meine verkümmerte Fantasie hingegen faselte was von „postindustrieller Kohlerevierbrache“ und „Film-noir-Detektiven im Trenchcoat, die nachts durch regennasse Stadtrandviertel schlurfen“.
In Wahrheit fühlte ich mich über weite Strecken, als hätte man mich nachts in der Anatomie eingeschlossen, und plötzlich regt sich was unter den Leichentüchern.
Maastrix hingegen beömmelte sich die ganze Zeit. Für ihn war das eher Quatsch-Comedy-Club als todernster Slomojazz. Obwohl Bohren auch lustig waren, vor allem die Ansagen. „Früher hat man uns erzählt“, sprach eine Stimme ohne Gesicht von irgendwo auf der Bühne, „wenn du deinen Teller nicht leer isst, dann kriegst du Aids.“
So unterschiedlich sind die Erziehungsmethoden: Mir hat man in der gleichen Lage noch für morgen mit schlechtem Wetter gedroht. (Ohne zu ahnen, dass es auch Tage gab, an denen ich Regen ganz unterhaltsam fand.)
Vor der Zugabe lasse ich einen immer wieder haltlos glucksenden Maastrix zurück. Aus irgendeinem Grund formuliere ich innerlich auf der Heimfahrt ein hinfort gültiges ehernes Gesetz: Fernsehsendungen mit Werbeunterbrechungen niemals live gucken.
Und jetzt schlafen.
22 Oktober 2008
anal.jpg
Irgendetwas an dieser Grafik zur Besucherentwicklung der Kieler und Lübecker Nachrichten online, die Dirk Mantheys Mediendienst Meedia.de verbreitet, kommt mir schwerstens spanisch vor. Und das liegt nicht nur am Dateinamen „anal.jpg“.
Eine seit 2003 geradezu unerbittlich kruppstahlhaft schnurgerade bergan marschierende Linie, die Mitte 2007 urplötzlich von wirrsten Zuckungen geschüttelt wird – also ich weiß nicht, Manthey.
Lieber vertraue ich künftig weiter den Statistiken, die ich selbst gefälscht habe.
21 Oktober 2008
Von Winzern, Wünschen und betrunkenen Kindern
Wurde gerade eingeladen zu einer Veranstaltung namens „Winzerstreicheln auf Weingut Wellanschitz“. Aber da geh ich nicht hin, keinesfalls.
In der Sendung „Nano“ auf 3Sat informierte man uns heute Abend über die Tatsache, das Leben als Diabetiker sei „kein Zuckerschlecken“. Das ist zweifellos völlig korrekt – und letztlich doch nicht so „Hohlspiegel“-würdig wie die Forderung der „heute“-Moderatorin wenig später, man müsse „Gas geben für den Klimaschutz“.
Sprache ist Glückssache und oft auch sehr beglückend. Die kleine Stieftochter eines Freundes mutmaßte neulich, der Muezzin benutze zur Verstärkung seines Rufes ein „Mekkafon“. Landet bestimmt bald im Duden, die Schreibweise.
Sein Stieftöchterchen hatte übrigens einen Spitzentag und noch was anderes aufgelesen, das leicht verbogen war: „Betrunkene Kinder sagen die Wahrheit“ – ja, und die ist sogar gleich doppelt abgesichert.
Übrigens sähe ich gelegentlich gern mal einem Diabetker mit Umtopffolienturban beim Winzerstreicheln zu, während ein betrunkenes Kind zwischen zwei wahrheitsgemäßen Rufen durchs Mekkafon am Zucker schleckt und hintenrum Gas gibt für den Klimaschutz.
Doch dieser Wunsch geht wahrscheinlich mal wieder genausowenig in Erfüllung wie der Lottogewinn, danke auch.
(Warenbezeichnungsschild entdeckt bei Tchibo.)
In der Sendung „Nano“ auf 3Sat informierte man uns heute Abend über die Tatsache, das Leben als Diabetiker sei „kein Zuckerschlecken“. Das ist zweifellos völlig korrekt – und letztlich doch nicht so „Hohlspiegel“-würdig wie die Forderung der „heute“-Moderatorin wenig später, man müsse „Gas geben für den Klimaschutz“.
Sprache ist Glückssache und oft auch sehr beglückend. Die kleine Stieftochter eines Freundes mutmaßte neulich, der Muezzin benutze zur Verstärkung seines Rufes ein „Mekkafon“. Landet bestimmt bald im Duden, die Schreibweise.
Sein Stieftöchterchen hatte übrigens einen Spitzentag und noch was anderes aufgelesen, das leicht verbogen war: „Betrunkene Kinder sagen die Wahrheit“ – ja, und die ist sogar gleich doppelt abgesichert.
Übrigens sähe ich gelegentlich gern mal einem Diabetker mit Umtopffolienturban beim Winzerstreicheln zu, während ein betrunkenes Kind zwischen zwei wahrheitsgemäßen Rufen durchs Mekkafon am Zucker schleckt und hintenrum Gas gibt für den Klimaschutz.
Doch dieser Wunsch geht wahrscheinlich mal wieder genausowenig in Erfüllung wie der Lottogewinn, danke auch.
(Warenbezeichnungsschild entdeckt bei Tchibo.)
20 Oktober 2008
Aufstieg und Fall des Pennerbären
Das obdachlose Pärchen an der Simon-von-Utrecht-Straße hatte Zuwachs bekommen: einen riesenhaften Plüschbären. Genauer gesagt den größten Plüschbären, den der Kiez je gesehen hat.
Insgesamt kam der Trumm circa auf einen Kubikmeter Volumen. Im gleichen Maße förderte er auch die Heimeligkeit dieser traditionell tristen Stelle an der Simon-von-Utrecht-Straße, die geprägt ist von einer großen Werbefläche in der Vertikalen und einem wärmespendenden Abluftgitter in der Horizontalen, wobei Letzteres für die Obdachlosen gewiss die Killerapplikation dieses Standortes liefert.
Der Riesenbär jedenfalls gab der Szenerie schlagartig eine rührende Pseudoidylle. Finanzkrise hin oder her: Hier unten, auf dem Abluftgitter an der Simon-von-Utrecht-Straße, konnte es eh nicht mehr schlimmer kommen, sondern nur besser, und dafür sorgte nun dieser Plüschbär unbekannter Herkunft.
Das musste fotografiert werden, so viel war mir schnell klar, schon aus Gründen der Sozialromantik. Also radelte ich hin, um das Trio um Erlaubnis zu bitten – und fand mich prompt in einer Warteschlange wieder.
Denn wer stand fotografierend vor dem Trio? Zwei Streifenpolizisten in gedecktem Schillblau. Er mit Handy, sie mit einem Lächeln und das Pärchen samt Bärchen entspannt posierend – ähnlich wie einst John Lennon und Yoko Ono beim Bed-in in New York City, nur ohne deren Bankkonto.
Ein Gefühl sagte mir gleich: So was gibt es nur auf dem Kiez. Woanders – sagen wir in Rostock-Lichtenhagen oder Castrop-Rauxel – hätten die Polizisten wohl eher auf sofortige Entsorgung des Plüschbärmonsters gedrungen, statt grinsend das Handy zu zücken.
Wie auch immer: Ich kam, sah und stellte mich hinten an. Als ich dran war, erhielt ich umstandslos die zweckgebundene Fotoerlaubnis. Mein Obolus in den hingestellten Porzellanteller war keineswegs Bedingung, doch hellte er die eh gelöste Stimmung zusätzlich auf.
Das ist erst ein paar Tage her. Danach sah ich den Bären noch einmal allein im Regen sitzen, mit Plastikplane überm Quadratschädel und aufgestecktem Regenschirm. Ein surreales Bild. Und jetzt ist er plötzlich ganz verschwunden, der Pennerbär von der Utrecht.
Alles ist wieder so, wie es dort immer war und immer sein muss, Finanzkrise hin oder her: sozial ziemlich unromantisch.
Insgesamt kam der Trumm circa auf einen Kubikmeter Volumen. Im gleichen Maße förderte er auch die Heimeligkeit dieser traditionell tristen Stelle an der Simon-von-Utrecht-Straße, die geprägt ist von einer großen Werbefläche in der Vertikalen und einem wärmespendenden Abluftgitter in der Horizontalen, wobei Letzteres für die Obdachlosen gewiss die Killerapplikation dieses Standortes liefert.
Der Riesenbär jedenfalls gab der Szenerie schlagartig eine rührende Pseudoidylle. Finanzkrise hin oder her: Hier unten, auf dem Abluftgitter an der Simon-von-Utrecht-Straße, konnte es eh nicht mehr schlimmer kommen, sondern nur besser, und dafür sorgte nun dieser Plüschbär unbekannter Herkunft.
Das musste fotografiert werden, so viel war mir schnell klar, schon aus Gründen der Sozialromantik. Also radelte ich hin, um das Trio um Erlaubnis zu bitten – und fand mich prompt in einer Warteschlange wieder.
Denn wer stand fotografierend vor dem Trio? Zwei Streifenpolizisten in gedecktem Schillblau. Er mit Handy, sie mit einem Lächeln und das Pärchen samt Bärchen entspannt posierend – ähnlich wie einst John Lennon und Yoko Ono beim Bed-in in New York City, nur ohne deren Bankkonto.
Ein Gefühl sagte mir gleich: So was gibt es nur auf dem Kiez. Woanders – sagen wir in Rostock-Lichtenhagen oder Castrop-Rauxel – hätten die Polizisten wohl eher auf sofortige Entsorgung des Plüschbärmonsters gedrungen, statt grinsend das Handy zu zücken.
Wie auch immer: Ich kam, sah und stellte mich hinten an. Als ich dran war, erhielt ich umstandslos die zweckgebundene Fotoerlaubnis. Mein Obolus in den hingestellten Porzellanteller war keineswegs Bedingung, doch hellte er die eh gelöste Stimmung zusätzlich auf.
Das ist erst ein paar Tage her. Danach sah ich den Bären noch einmal allein im Regen sitzen, mit Plastikplane überm Quadratschädel und aufgestecktem Regenschirm. Ein surreales Bild. Und jetzt ist er plötzlich ganz verschwunden, der Pennerbär von der Utrecht.
Alles ist wieder so, wie es dort immer war und immer sein muss, Finanzkrise hin oder her: sozial ziemlich unromantisch.
19 Oktober 2008
Kann man tiefer sinken?
Andreas und ich sind auf dem Weg in die Hasenschaukel (Foto). Wir laufen die Reeperbahn entlang und müssen jetzt nur noch die üblichen Hurenattacken überstehen.
Als wir flugs vorüberhuschen wollen, lösen sich zwei falkengleich aus der Reihe, stöckeln behende heran und – noch behender an uns vorbei. An zwei benachbarten Passanten – völlige Durchschnittstypen, wie ich sagen muss – erproben die beiden Huren stattdessen überraschend ihre Überredungskünste.
So nützlich das für unser Vorankommen Richtung Hasenschaukel auch ist, so sehr düpiert uns doch diese Ignoranz. Sehen wir denn plötzlich nicht mehr aus wie potenzielle Kunden? Wirken wir etwa sexu- wie finanziell nicht hinreichend potent?
Genug Gründe zum Grübeln, auch hinterher noch, beim Bier in der Hasenschaukel. Ja, verdammt, das macht uns zu schaffen. Von Huren ignoriert zu werden: Kann man tiefer sinken?
Gegen halb zwei geht es nach Hause. An der Reeperbahn paradieren sie noch immer. Wir nähern uns bang.
Und kaum erreichen wir die Koberzone, stürzen sie sich auf uns, halten uns fest, bedrängen und bequatschen uns mit diesen mädchenhaft tuenden Prostituiertenstimmchen, die all das signalisieren sollen, was diese Frauen in Wahrheit längst nicht mehr sind, im Gegenteil.
Und wir sind versöhnt mit diesem Tag.
18 Oktober 2008
Ohne Worte (17): Von Klagenfurt nach Köln
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