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05 September 2008
Fundstücke (40)
1. An der Kühltruhe von Real in der Feldstraße hängt ein Schild mit Platzierungsempfehlungen für die einzelnen Eissorten. Es propagiert vier Kategorien, die unterschiedlicher nicht sein könnten: „Magnum“, „Hörnchen“, „Klassiker“ und „Kids“. Das eine ist eine Marke, das andere eine Form, das dritte ein Erfolgsprodukt und das vierte eine Zielgruppe. Eine Spitzenleistung in der Disziplin Wirrwarr.
2. „In einer ehemaligen afrikanischen Kolonie Englands überlegte die Regierung, den Rechtsverkehr einzuführen. Um diesen Fortschritt nicht zu übereilen, entschloss man sich, die neue Regelung vorerst nur für Lastwagen gelten zu lassen.“ (Aus einem Brief André Müllers an Peter Hacks vom 7. 11. 1988)
3. Wir rätseln rum, in welchem Kinofilm man mal gehen könnte. Vielleicht in „Elegy“? „Wir könnten Penelope Cruz nackt sehen und Ben Kingsley angezogen“, sage ich zu Ms. Columbo. „Ja, so rum find ich’s auch besser“, sagt sie. Gleichwohl schauen wir seit Tagen die DVD „Mein neuer Freund“ des begnadeten Christian Ulmen – und parallel dazu die exklusiven Folgen im Web.
4. Neulich wurde dieses Blog überflutet von verirrten Schäfchen, die bei Google nach der Wortkombi „marietta slomka schwanger“ gesucht hatten und wohl deswegen hier gelandet waren. Daraus schließe ich: Marietta Slomka ist möglicherweise schwanger. Die Yellow Press brauche ich praktisch nicht mehr zu studieren, mir reicht die Blogbesucherstatistik.
5. Heute las ich die schönste Begründung für die Pleite eines Unternehmens, die ich seit langem gehört habe: „Wir sind ein Opfer der eigenen visionären Kräfte geworden.“
6. Wie ist es Cosimas Verehrer wohl gelungen, der U-Bahnbrücke am Schulterblatt seine Gefühle zu gestehen, ohne das ein oder andere Verkehrsmittel letal zu kontaktieren? Und warum überhaupt wandte er sich mit seinem Anliegen nicht direkt an Cosima, sondern an eine U-Bahnbrücke? Begründung bitte als Kommentar, es interessiert mich wirklich.
04 September 2008
Wes Brot ich ess
Heute war ein Tag wie aus den glorreichen Zeiten des Pop Mitte der 90er, als das Schlaraffenland für eine kurze Ewigkeit Wirklichkeit war und einem die gebratenen Tauben nur so zuflogen: drei Einladungen, dreimal Büffet. Man muss nur zum richtigen Zeitpunkt auch das Maul aufsperren, doch dazu später.
Das Mittagsmahl im Anschluss an eine von gedrückter Stimmung geprägte Pressekonferenz geriet mangels Masse zum umkämpften Leichenschmaus. Der erste von zwei Abendterminen führte mich dann um 18 Uhr in den Kaiserkeller, wo die Beatles 1960 ihren Hamburger Debütauftritt hatten.
Unter Zeitdruck – der nächste Termin dräute bereits um 7 – musste ich trotz vernehmbaren Hungers schon vor Eröffnung des ganz augenscheinlich großartigen Büffets (Scampi! Fisch! Antipasti!) den höchst gastlichen Ort verlassen, um im Internationalen Maritimen Museum in der Hafencity die nächste Präsenzpflicht zu erfüllen.
Bei meiner Ankunft standen allerdings nur verhärmte Teller auf dem grundsätzlich büffetverdächtigen Tisch, doch Warmhalteplatten oder ähnliche Indizien für metabolisch Verwertbares waren nirgends zu sehen. Ich hielt mich deshalb erst einmal mit Chardonnay über – ähem – Wasser.
Eine Stunde später – mein Magen übertönte bereits mühelos die just begonnenen musikalischen Darbietungen – traf die wohlgelaunte Kollegin K. ein, die sich, wie sie mir mit düpierendem Behagen erzählte, zunächst in Ruhe das Essen im Kaiserkeller hatte munden lassen, um erst dann von aller Sorge befreit gen Museum aufzubrechen. Zweifellos eine Taktik, die meiner von spießbürgerlicher Pünktlichkeit dominierten weit überlegen war.
Erst nach einer weiteren Stunde – Mitternacht war nicht mehr fern – tischte man auch hier auf, doch statt Fisch gab’s Frikadellen und statt Panacotta Rote Grütze.
Dafür war der Blick über die Stadt quasi sättigend, und ich frönte wieder mal meiner notorischen Kranophilie.
03 September 2008
Die Folgen der Wohnlage
02 September 2008
Das Killerargument
Heute wollte mir eine Promoterin zum Abschluss ihrer Mail die Frage stellen: „Oder wie wollen wir das machen?“ Das glaube ich zumindest herausfiltern zu dürfen aus der Zeile, die wirklich da stand:
„Doer wie wollen wir das amchen?“
Das zugegeben leicht bäurisch wirkende Verb „amchen“ hat einen scheuen Charme, der viel zu selten gewürdigt wird – ebenso wie die schlichte Überzeugungskraft meines Obst- und Gemüsehändlers Thorsten.
Natürlich hätte er alle möglichen Argumente sammeln und kommunizieren können, die seine Orangen zum Must-have geamcht hätten. Aber einfach „Lecker“, ohne Ausrufezeichen: Killer!
Gekauft habe ich trotzdem Rauke, Feldsalat und eine Avocado.
„Doer wie wollen wir das amchen?“
Das zugegeben leicht bäurisch wirkende Verb „amchen“ hat einen scheuen Charme, der viel zu selten gewürdigt wird – ebenso wie die schlichte Überzeugungskraft meines Obst- und Gemüsehändlers Thorsten.
Natürlich hätte er alle möglichen Argumente sammeln und kommunizieren können, die seine Orangen zum Must-have geamcht hätten. Aber einfach „Lecker“, ohne Ausrufezeichen: Killer!
Gekauft habe ich trotzdem Rauke, Feldsalat und eine Avocado.
31 August 2008
Lechner wird zerschrötert
Heute bat mich mein kleiner Stadtteilverein, der FC St. Pauli, in den sogenannten Ballsaal im Innern des Stadions, um dort seine neue Sammelbildchenaktion im Paninistil vorzustellen.
Der Ballsaal ist trotz seines Namens von eng begrenzter Mondänität. Wie praktisch alles im Stadion des FC St. Pauli ist auch dieser glamourös betitelte Ort nichts weiter als ein Container, auf dem halt diesmal nicht so was wie „Herren WC“ steht, sondern „Ballsaal“. Auch ist seine Fassade zwar eigenwillig, doch sehr kiezkompatibel gestaltet, wie das Foto oben zeigt.
Die Sammelbildaktion läuft ausschließlich online, und zwar nicht mit den üblichen Brustporträtfotos im Saisontrikot, sondern mit Comicbildchen von Guido Schröter. Der malt seit 20 Jahren St.-Pauli-Männchen, alle riesennasig, großmäulig und mit oftmals irrem, delirierendem Blick. Ich stand also auf dieser Pressekonferenz im Ballsaal herum und trank schon mittags Bier. Das beflügelte mich derart, dass ich am Ende den Spieler Florian Lechner bekniete, für mich neben seinem zerschröterten Porträt zu posieren.
Der Mann ist zurzeit verletzt, deshalb konnte er sich nicht wehren und muss sich nun hier im Blog dem Vergleichstest stellen. Die Ähnlichkeit ist, wie ich finde, durchaus verkennbar, um mal ein selten benutztes Wort in die Runde zu werfen.
Danach gewann St. Pauli gegen Oberhausen glorios mit 4:1, und jetzt bin ich heiser, aber nicht vom Bier und trotz eines Sitzplatzes auf der Haupttribüne, so.
Schein und Sein
Mit diesem Bild wirbt das Fotostudio Colonnet am Bahnhof Jungfernstieg für seine Dienste, die es so zusammenfasst: „Wir retuschieren, collagieren und kreieren.“
Was allerdings mental und tiefenpsychologisch beim Personalchef passiert, wenn statt des makellosen Babyface’ vom Bewerbungsfoto eine Akneruine hereinwankt, das sagt uns die Firma Colonnet natürlich nicht.
Im Zweifelsfall lag es dann an einer „fehlenden Zusatzqualifikation“, klar.
30 August 2008
Nur sechs Stunden
Das vorletzte Mal, dass ich im kleinen St. Paulianer Live- und Indietanzclub Grüner Jäger war, lernte ich morgens gegen 3 unversehens einen aufgeräumten jungen Burschen kennen, und zwar auf der Toilette.
Als ich die Kabine verließ, sprach er mich recht verschwommen an, ohne auch nur im geringsten die intensive Nutzung des Pissoirs zu unterbrechen. Seine Absichten mir gegenüber freilich waren nichtwasihrdenkt, sondern hehr, er wollte nur jemand von seinem Schicksal erzählen, und wahrscheinlich war ich eher der zwölfte als der erste.
Sechs Stunden habe er noch, erklärte er mir zungenlahm und pimmelschwenkend, dann ginge es unvermeidlich hinaus auf hohe See für viele, viele Wochen. In diesen sechs Stunden, so fuhr er fort, müsse er unbedingt noch eine weibliche Bekanntschaft machen, von deren zwar kurzem, doch hoffentlich um so süßerem Verlauf er draußen auf See wochenlang erinnernd zehren könne.
Ich wünschte ihm viel Glück dabei und empfahl mich. Sechs Stunden später tuckerte er vorbei an Teufelsbrück (Foto) Richtung Westen, hinaus auf hohe See, und ob ihm eine süße Erinnerung im ankerschweren Kopf herumspukte oder nicht, werden wir nie erfahren.
Die Chance war aber eher klein.
Als ich die Kabine verließ, sprach er mich recht verschwommen an, ohne auch nur im geringsten die intensive Nutzung des Pissoirs zu unterbrechen. Seine Absichten mir gegenüber freilich waren nichtwasihrdenkt, sondern hehr, er wollte nur jemand von seinem Schicksal erzählen, und wahrscheinlich war ich eher der zwölfte als der erste.
Sechs Stunden habe er noch, erklärte er mir zungenlahm und pimmelschwenkend, dann ginge es unvermeidlich hinaus auf hohe See für viele, viele Wochen. In diesen sechs Stunden, so fuhr er fort, müsse er unbedingt noch eine weibliche Bekanntschaft machen, von deren zwar kurzem, doch hoffentlich um so süßerem Verlauf er draußen auf See wochenlang erinnernd zehren könne.
Ich wünschte ihm viel Glück dabei und empfahl mich. Sechs Stunden später tuckerte er vorbei an Teufelsbrück (Foto) Richtung Westen, hinaus auf hohe See, und ob ihm eine süße Erinnerung im ankerschweren Kopf herumspukte oder nicht, werden wir nie erfahren.
Die Chance war aber eher klein.
29 August 2008
Sie hatte zehn Taschen
Eigentlich wollte ich diesen Eintrag mit einer ausufernden Selbstbeschimpfung beginnen. Ich plante mich Noppensohle zu nennen, alternativ auch Rumpelhirn und Leergutverwalter, Intelligenzlemming, IQ-Funzel, Hirnrisspfleger und Glatzenbatzen.
Dann entschied ich mich doch, damit erst einmal zu warten und lieber mit dem Essen bei Senait anzufangen. Während sie uns meisterlich bekocht (Viktoriabarsch), lasse ich ihren Sohn immer wieder Richtung Decke fliegen. Der Kleine quiekt vor Glück – genau wie ich nur wenige Stunden später, aber aus ganz anderen Gründen.
Bei Esprit in der Mönckebergstraße plane ich eine Jacke zu kaufen. Mein wichtigstes Jackenkaufkriterium, welches sich übrigens exakt deckt mit meinem wichtigsten Hosenkaufkriterium, ist folgendes: viele Taschen. Und Esprit hatte mich per Mail mit der Aussicht auf zehntaschige Jacken in die Mö gelockt. Zehn Taschen!
Trunken vor Vorfreude radle ich hin und probiere eine um die andere Jacke an, doch jede hat irgendeinen Makel. Entweder ist mir der Kragen am Hals nicht kommod, oder die schrägen Seitentaschen sind unangenehm weit hinten angetackert. Auch eine Frontknopfleiste überm Reißverschluss (wer denkt sich so was AUS?) führt zur Abwertung in der B-Note. Jede innen applizierte Westensimulation erregt zuverlässig mein Missfallen. Gewisse Farben sind so gar nicht meine, o nein, und mancher Jacke gebricht es einfach – man ahnt es schon – an der nötigen Anzahl Taschen.
Und wenn sie da sind, die Taschen, dann müssen sie natürlich auch das Volumen haben, um etwa meiner Geldbörse eine sichere Heimstatt zu bieten. Ein Test ergibt: Die Börse passt. Dennoch hänge ich in letzter Sekunde die bis dahin favorisierte Jacke zurück und verlasse nur mäßig frustriert den Laden.
Zwar trage ich nun weiterhin eine lediglich viertaschige Jacke, doch immerhin umging ich trotz aller Versuchungen jeglichen Konsumakt, was stets mit innerem Behagen einhergeht – und ja, ich weiß, diese Haltung macht die deutsche Wirtschaft kaputt, mündet direkt in die Rezession, führt zur Machtübernahme der Linken und löst unweigerlich einen Tsunami aus, der Hamburg weg- und sämtliche Jacken in die Nordsee spült, unabhängig von der Anzahl ihrer Taschen. Mir ist das aber egal.
Eine Stunde später klingelt zu Hause das Telefon. Es ist Esprit, ich höre Bestürzendes: Man verfüge, heißt es, über meine Geldbörse. Sie war in einer Jacke, genauer gesagt: in einer ihrer zehn Taschen.
Ein Kunde hatte das Exemplar anprobiert und stieß baff auf meine Börse inklusive Bargeld, Kredit-, Bank-, Krankenkassen- und Fitnessclubmitgliedskarten, Nummernlisten, Personal- und Presseausweisen, Führerschein, Quittungen, HVV-Abokarte, Lunchbonuskarten vom Nachschlaginder und Pastaitaliener, nutzlosem FC-St.-Pauli-Mitgliedsausweis (ich kriege trotzdem keine Dauerkarte), der Bahncard 25 (zweite Klasse) und nicht zuletzt der Espritclubkarte, dank der ich bei Nichtverweigerung des Konsumaktes Ermäßigung auf die zehntaschige Jacke bekommen hätte.
Der knutschenswerte und anonym gebliebene Finder muss nach seiner Entdeckung ohne jeden Kampf mit seinen inneren Dämonen zur Kasse gegangen sein, wo er meine Börse abgab. „Ein junger Mann“, erzählt mir die Verkäuferin ganz aufgekratzt vom Vergnügen, gute Nachrichten überbringen zu können, „in meinem Alter.“
Noch während meines Telefonats mit Esprits entsteht ein leichter Schweißfilm auf Stirn und Unterarmen. Ich ahne, wie sich Senaits Sohn beim Fliegen gefühlt haben muss. Das Quieken vor Glück habe ich mir aber für danach aufgespart; am Telefon wäre das zu intim gewesen.
GP vertritt übrigens die These, der Ort des Geschehens sei entscheidend für den weiteren Verlauf gewesen; ein H&M-Kunde hätte die Börse nicht abgegeben. Mir hingegen scheint das alles eher eine generelle Charakterfrage zu sein.
Allerdings bin ich Noppensohle, Rumpelhirn, Leergutverwalter, Intelligenzlemming, IQ-Funzel, Hirnrisspfleger und Glatzenbatzen nicht bereit, das in einem weiteren Feldversuch zu verifizieren. Das dann doch nicht.
Dann entschied ich mich doch, damit erst einmal zu warten und lieber mit dem Essen bei Senait anzufangen. Während sie uns meisterlich bekocht (Viktoriabarsch), lasse ich ihren Sohn immer wieder Richtung Decke fliegen. Der Kleine quiekt vor Glück – genau wie ich nur wenige Stunden später, aber aus ganz anderen Gründen.
Bei Esprit in der Mönckebergstraße plane ich eine Jacke zu kaufen. Mein wichtigstes Jackenkaufkriterium, welches sich übrigens exakt deckt mit meinem wichtigsten Hosenkaufkriterium, ist folgendes: viele Taschen. Und Esprit hatte mich per Mail mit der Aussicht auf zehntaschige Jacken in die Mö gelockt. Zehn Taschen!
Trunken vor Vorfreude radle ich hin und probiere eine um die andere Jacke an, doch jede hat irgendeinen Makel. Entweder ist mir der Kragen am Hals nicht kommod, oder die schrägen Seitentaschen sind unangenehm weit hinten angetackert. Auch eine Frontknopfleiste überm Reißverschluss (wer denkt sich so was AUS?) führt zur Abwertung in der B-Note. Jede innen applizierte Westensimulation erregt zuverlässig mein Missfallen. Gewisse Farben sind so gar nicht meine, o nein, und mancher Jacke gebricht es einfach – man ahnt es schon – an der nötigen Anzahl Taschen.
Und wenn sie da sind, die Taschen, dann müssen sie natürlich auch das Volumen haben, um etwa meiner Geldbörse eine sichere Heimstatt zu bieten. Ein Test ergibt: Die Börse passt. Dennoch hänge ich in letzter Sekunde die bis dahin favorisierte Jacke zurück und verlasse nur mäßig frustriert den Laden.
Zwar trage ich nun weiterhin eine lediglich viertaschige Jacke, doch immerhin umging ich trotz aller Versuchungen jeglichen Konsumakt, was stets mit innerem Behagen einhergeht – und ja, ich weiß, diese Haltung macht die deutsche Wirtschaft kaputt, mündet direkt in die Rezession, führt zur Machtübernahme der Linken und löst unweigerlich einen Tsunami aus, der Hamburg weg- und sämtliche Jacken in die Nordsee spült, unabhängig von der Anzahl ihrer Taschen. Mir ist das aber egal.
Eine Stunde später klingelt zu Hause das Telefon. Es ist Esprit, ich höre Bestürzendes: Man verfüge, heißt es, über meine Geldbörse. Sie war in einer Jacke, genauer gesagt: in einer ihrer zehn Taschen.
Ein Kunde hatte das Exemplar anprobiert und stieß baff auf meine Börse inklusive Bargeld, Kredit-, Bank-, Krankenkassen- und Fitnessclubmitgliedskarten, Nummernlisten, Personal- und Presseausweisen, Führerschein, Quittungen, HVV-Abokarte, Lunchbonuskarten vom Nachschlaginder und Pastaitaliener, nutzlosem FC-St.-Pauli-Mitgliedsausweis (ich kriege trotzdem keine Dauerkarte), der Bahncard 25 (zweite Klasse) und nicht zuletzt der Espritclubkarte, dank der ich bei Nichtverweigerung des Konsumaktes Ermäßigung auf die zehntaschige Jacke bekommen hätte.
Der knutschenswerte und anonym gebliebene Finder muss nach seiner Entdeckung ohne jeden Kampf mit seinen inneren Dämonen zur Kasse gegangen sein, wo er meine Börse abgab. „Ein junger Mann“, erzählt mir die Verkäuferin ganz aufgekratzt vom Vergnügen, gute Nachrichten überbringen zu können, „in meinem Alter.“
Noch während meines Telefonats mit Esprits entsteht ein leichter Schweißfilm auf Stirn und Unterarmen. Ich ahne, wie sich Senaits Sohn beim Fliegen gefühlt haben muss. Das Quieken vor Glück habe ich mir aber für danach aufgespart; am Telefon wäre das zu intim gewesen.
GP vertritt übrigens die These, der Ort des Geschehens sei entscheidend für den weiteren Verlauf gewesen; ein H&M-Kunde hätte die Börse nicht abgegeben. Mir hingegen scheint das alles eher eine generelle Charakterfrage zu sein.
Allerdings bin ich Noppensohle, Rumpelhirn, Leergutverwalter, Intelligenzlemming, IQ-Funzel, Hirnrisspfleger und Glatzenbatzen nicht bereit, das in einem weiteren Feldversuch zu verifizieren. Das dann doch nicht.
28 August 2008
Prost!
Die sogenannte Blogolympiade ging merkwürdigerweise zu meinen Gunsten aus.
Dabei werden hier doch unablässig derbe Wörter benutzt, unschuldige Ethnien beleidigt, Ex-Kiezgrößen glorifiziert – und Beiträge salbadert, die dieses Blog bei Google auf Platz 1 hieven, wenn man nach „nackte Opas“ sucht. Versteh einer die Menschen. Trotzdem danke.
Ich jedenfalls weiß seit heute, wie Michael Phelps sich fühlen muss. Und er stellte sich nach der Olympiade bestimmt sofort die gleiche Frage wie ich und das abgebildete Haus in der Lerchenstraße.
Dabei werden hier doch unablässig derbe Wörter benutzt, unschuldige Ethnien beleidigt, Ex-Kiezgrößen glorifiziert – und Beiträge salbadert, die dieses Blog bei Google auf Platz 1 hieven, wenn man nach „nackte Opas“ sucht. Versteh einer die Menschen. Trotzdem danke.
Ich jedenfalls weiß seit heute, wie Michael Phelps sich fühlen muss. Und er stellte sich nach der Olympiade bestimmt sofort die gleiche Frage wie ich und das abgebildete Haus in der Lerchenstraße.
27 August 2008
Fundstücke (39)
25 August 2008
Die untaugliche Frankenbremse
Der Franke hat eine neue kulinarische Theorie. Je mehr er zum Frühstück äße, behauptet er, desto heißhungriger müsse er sich zwangsläufig aufs Mittagessen stürzen. Anders gesagt: Viel hilft wenig.
Bisher begründete er allerdings die Tonnen an Lebensmitteln, die er zum Lunch in sich hineinschaufelte, stets mit dem genauen Gegenteil: einem höchst kargen Frühstück nämlich, welches lediglich aus einer Tasse Espresso bestanden habe.
Heute früh aber sah man ihn bereits zum Arbeitsantritt mit zwei kapitalen Mettbrötchen von der Größe je eines Turnschuhs ins Büro hetzen. Schon unterwegs hatte er sich gierig in eins verbissen wie ein Zombie in Tine Wittlers Oberschenkel, und am Schreibtisch setzte er diesen unästhetischen Vorgang auf eine Weise fort, deren Beschreibung jeden augenblicklich zum Gebrauch von Kernseife zwänge.
Kurz gesagt: Der Franke war schon in aller Herrgottsfrüh voll wie ein Walhai. Gleichwohl brachte er mittags plötzlich oben zitierte Theorie vor. Waidwund in unserem Essen stochernd mussten wir daraufhin mittags beim Inder in der Bahrenfelder Straße mit ansehen, wie er ein ums andere Mal durchs Buffet marodierte, mit vollbeladenen Tassen und Tellern zurückkehrte und zwischen zwei Bissen seine neue Theorie argumentativ zu fundieren suchte, was dank seiner unsauberen, reis- und hühnchengedämpften Spreche aber schon rein phonetisch nicht fruchtete.
Es ist übrigens nicht so, als seien nur die Mengen unzumutbar, die sein ganz offensichtlich außerirdischer Metabolismus ohne größere sichtbare Folgen zu verwerten imstande ist. Es ist auch die pure Geschwindigkeit, mit der er sich das alles zuführt. Manchmal hat man das Gefühl, man sähe dem Krümelmonster beim Keksfressen zu, aber im Zeitraffer.
Unlängst versuchten wir daher heimtückisch sein Esstempo zu senken, indem wir ihn zu extrem unhandlichen Lebensmitteln überredeten. Schauplatz war der Italiener im Mercado. Das Ergebnis indes war ernüchternd: Spaghetti mit Tomatensoße sind keine Frankenbremse, o nein. Sie sorgen lediglich dafür, dass er nach dem Mahl auch obenrum nicht mehr repräsentabel aussieht.
Wieso er trotz alledem auf schroffe Art nicht bereit ist, sich im Rahmen eines Workshops von emotionalem Essen heilen zu lassen, versteht wahrscheinlich nicht mal Tine Wittler.
Bisher begründete er allerdings die Tonnen an Lebensmitteln, die er zum Lunch in sich hineinschaufelte, stets mit dem genauen Gegenteil: einem höchst kargen Frühstück nämlich, welches lediglich aus einer Tasse Espresso bestanden habe.
Heute früh aber sah man ihn bereits zum Arbeitsantritt mit zwei kapitalen Mettbrötchen von der Größe je eines Turnschuhs ins Büro hetzen. Schon unterwegs hatte er sich gierig in eins verbissen wie ein Zombie in Tine Wittlers Oberschenkel, und am Schreibtisch setzte er diesen unästhetischen Vorgang auf eine Weise fort, deren Beschreibung jeden augenblicklich zum Gebrauch von Kernseife zwänge.
Kurz gesagt: Der Franke war schon in aller Herrgottsfrüh voll wie ein Walhai. Gleichwohl brachte er mittags plötzlich oben zitierte Theorie vor. Waidwund in unserem Essen stochernd mussten wir daraufhin mittags beim Inder in der Bahrenfelder Straße mit ansehen, wie er ein ums andere Mal durchs Buffet marodierte, mit vollbeladenen Tassen und Tellern zurückkehrte und zwischen zwei Bissen seine neue Theorie argumentativ zu fundieren suchte, was dank seiner unsauberen, reis- und hühnchengedämpften Spreche aber schon rein phonetisch nicht fruchtete.
Es ist übrigens nicht so, als seien nur die Mengen unzumutbar, die sein ganz offensichtlich außerirdischer Metabolismus ohne größere sichtbare Folgen zu verwerten imstande ist. Es ist auch die pure Geschwindigkeit, mit der er sich das alles zuführt. Manchmal hat man das Gefühl, man sähe dem Krümelmonster beim Keksfressen zu, aber im Zeitraffer.
Unlängst versuchten wir daher heimtückisch sein Esstempo zu senken, indem wir ihn zu extrem unhandlichen Lebensmitteln überredeten. Schauplatz war der Italiener im Mercado. Das Ergebnis indes war ernüchternd: Spaghetti mit Tomatensoße sind keine Frankenbremse, o nein. Sie sorgen lediglich dafür, dass er nach dem Mahl auch obenrum nicht mehr repräsentabel aussieht.
Wieso er trotz alledem auf schroffe Art nicht bereit ist, sich im Rahmen eines Workshops von emotionalem Essen heilen zu lassen, versteht wahrscheinlich nicht mal Tine Wittler.
24 August 2008
Besserwissermodus: an
Alles wirbt zurzeit mit Olympia und Sport, auch die „PSD Bank Nord eG“, von der ich bisher noch nie gehört hatte. Seit heute aber schon, denn sie pflasterte mit einer ganzen Serie von kleinen rechteckigen Eckwerbungen die Mopo.
Darin will uns die PSD Bank mit Sportfakten wie diesen beeindrucken:
Auf der Seite gegenüber landet sie dann unvermittelt bei eigenen Höchstleistungen:
Das eine soll also die Glaubwürdigkeit des anderen untermauern. Dazu aber wäre es nützlich gewesen, wenn Bob Beamon wirklich den Weltrekord im Weitsprung hielte. Doch Beamon wurde bereits im letzten Jahrtausend von Mike Powell entthront; am 30. August 1991, ich habe den Sprung persönlich gesehen, im Fernsehen.
Bei der PSD Bank Nord eG ist das aber noch nicht angekommen. Und deshalb – weil sie mit einem falschen Beamon ihre Angebote beglaubigen will – zweifle ich automatisch auch an ihrer „Top-Guthaben-Verzinsung“. Ja, ich bin so einfach gestrickt.
Am Ende jedes dieser Werbekästchen steht dann auch noch ein völlig dämlackiger Satz: „WISSEN WAS SINN MACHT“. Er enthält nicht nur zwei Interpunktionsfehler, sondern auch einen Deppenanglizismus, der Brechreiz verursacht. Und wer soll bloß einer Bank sein Geld anvertrauen, die Quatsch erzählt, keine Kommas kann und uns den Magen umdreht?
Wie man sieht, ist heute sonst nichts Wichtiges passiert. Besserwissermodus: aus.
Darin will uns die PSD Bank mit Sportfakten wie diesen beeindrucken:
Auf der Seite gegenüber landet sie dann unvermittelt bei eigenen Höchstleistungen:
Das eine soll also die Glaubwürdigkeit des anderen untermauern. Dazu aber wäre es nützlich gewesen, wenn Bob Beamon wirklich den Weltrekord im Weitsprung hielte. Doch Beamon wurde bereits im letzten Jahrtausend von Mike Powell entthront; am 30. August 1991, ich habe den Sprung persönlich gesehen, im Fernsehen.
Bei der PSD Bank Nord eG ist das aber noch nicht angekommen. Und deshalb – weil sie mit einem falschen Beamon ihre Angebote beglaubigen will – zweifle ich automatisch auch an ihrer „Top-Guthaben-Verzinsung“. Ja, ich bin so einfach gestrickt.
Am Ende jedes dieser Werbekästchen steht dann auch noch ein völlig dämlackiger Satz: „WISSEN WAS SINN MACHT“. Er enthält nicht nur zwei Interpunktionsfehler, sondern auch einen Deppenanglizismus, der Brechreiz verursacht. Und wer soll bloß einer Bank sein Geld anvertrauen, die Quatsch erzählt, keine Kommas kann und uns den Magen umdreht?
Wie man sieht, ist heute sonst nichts Wichtiges passiert. Besserwissermodus: aus.
23 August 2008
Wischen und wedeln
Stammleser wissen, warum wir kein Auto mehr haben: Es wurde uns vor vielen Jahren gestohlen, das nahm uns alle Lust.
Nun fuhr ich unlängst mal wieder einen Leihwagen und hatte gleich Probleme. An der Tankstelle griff ich zunächst versehentlich nach einem Zapfhahn, den ein zu Recht verärgerter Automobilist gerade erst zurückgehängt hatte. Meine Tankfüllung wäre auf seine Rechnung gegangen. Irgendwie schien er meinem Entschuldigungswunsch nur unwillig zu entsprechen.
Schließlich stand ich doch noch mit der richtigen Pistole vorm Wagen, wusste aber nicht, wie bei diesem Leihwagen der Tankdeckel aufging. Es dauerte eine Weile, das Problem zu lösen, da ich mir nicht die Blöße geben wollte, einen Tankstellenangestellten um Hilfe zu bitten.
Vollends doof wurde es auf der Weiterfahrt. Es begann zu regnen, aber denkst du, ich hätte den Schalter für den Scheibenwischerdauerbetrieb entdeckt? Nein, jeden verdammten Einzelwischer musste ich manuell auslösen.
Beide Hände waren also dauerhaft ausgelastet, die eine steuerte, die andere schaltete und startete alle zwei Sekunden den Scheibenwischer. Manchmal auch zweimal pro Sekunde, denn zeitweilig pladderte es heftig. Ich konnte nur dann mal an der Mineralwasserflasche nippen, wenn der Regen etwas nachließ.
Diesen blamablen Nachmittag würde ich gern komplett dem Auto in die Schuhe schieben, doch dann versuchte ich gestern, mir im Aurel die Hände zu waschen.
Es kam allerdings kein Wasser aus dem Hahn. Zunehmend verzweifelt wedelte ich daran herum, denn ich wähnte ihn mit einem optischen Sensor ausgestattet. Vergebens.
Bis ich den kleinen Kippschalter an der Seite entdeckte.
Bei diesen ständigen Beweisen meiner Alltagstauglichkeit ist es wohl ganz nützlich, ausdrücklich zu erwähnen, dass mir, als ich das abgebildete Schild am Alten Wandrahm fotografierte, keine einzige Palette mit Perserteppichen auf den Kopf fiel.
PS: Die Blogolympiade läuft noch drei Tage.
22 August 2008
19 August 2008
Der gestoppte Countdown
Renate vom Käse- und Weinladen ist tot. Das ist unfassbar.
Im Kühlschrank steht noch ein angebrochenes Döschen ihres sagenhaften roten Pestos, ich habe es ihr am letzten Freitag abgekauft. Und einen Tag später legt sie sich schlafen und wacht nicht mehr auf.
Renate Reinecke war Mitte 60 und eine unglaubliche Type. Wäre sie mit ihrer Lache damals in Jericho dabeigewesen, man hätte die Trompeten wegschmeißen können. Jeder, der ihr je begegnete, hat sie nie mehr vergessen. Ihre Bereitschaft zur dröhnenden Fröhlichkeit wurde legendär auf St. Pauli, sie war auf eine Weise herzlich, die dich berührte.
Als ich anfing zu bloggen, habe ich sofort über sie geschrieben, gleich am ersten Tag. Besser konnte man ein Kiezblog schließlich nicht starten als mit einem Original wie Renate. „Schon wieder Freitag? Schon wieder eine Woche rum?“, begrüßte sie mich praktisch jedes Mal, und ich rechnete ihr vor, dass man rund 4000 Wochen zur Verfügung habe im Leben und jeder Gang zu ihr somit eine Art Countdown sei.
Immer mal wieder kam sie vor in diesem Blog, und wie auch nicht. Kunden brachten ihr manchmal Ausdrucke der Beiträge mit, sie beömmelte sich darüber mit dröhnender Lache. So erfuhr sie auch von meinem Fremdgehen, und als ich das nächste Mal über sie bloggte, hatte sie endlich einen eigenen „Combjuder“, konnte schon „gugeln“, war also aus erster Hand informiert – und selbst dann noch höchst amüsiert, als ich sie liebevoll auf die Schippe nahm.
Im Oktober wollte Renate ihren Laden aufgeben, er rechnete sich nicht mehr. Viele Leute auf St. Pauli haben kein Geld mehr für gut abgehangenen Reblochon, Parmaschinken und Renates sagenhaftes Pesto, sie müssen jetzt Butterkäse kaufen bei Spar gegenüber.
Wo der Aufschwung der vergangenen Jahre landete, weiß kein Mensch, hier jedenfalls nicht, Renate verdiente zuletzt kaum noch etwas. Ein Vierteljahrhundert stand sie hinter der Theke, doch jetzt ging es nicht mehr weiter.
Ihr, der Frau mit der grandiosesten Lache diesseits von Jericho, standen Tränen in den Augen, als sie mir das erzählte. Gerade hatte sie hier auf St. Pauli eine neue Wohnung bezogen, gar nicht weit weg vom Käseladen. Vor ihr lag ein neues Leben, ein geruhsameres.
Doch der Countdown wurde abgebrochen, am Ende kam Renate auf nicht mal 3400 Wochen. Es ist schön, dass sie im Schlaf gestorben ist, wer wünscht sich das nicht. Doch das hätte unbedingt erst in 30 Jahren passieren dürfen, frühestens.
„Drei Sprochen muss du hier sprächen“, sagte Renate über St. Pauli, „Hochdeudsch, Pladddeudsch und über annäre Leude.“ Mit einer solchen Reibeisenstimme, mit so rauer Herzlichkeit und diesen blitzenden Augen unterm forschen Blondschopf konnte das aber nur eine: Renate vom Käse- und Weinladen.
Am Samstag werden wir wie immer ein Lachsfilet bestreichen, mit dem Rest ihres sagenhaften roten Pestos aus dem Kühlschrank. Zum letzten Mal. Das ist unfassbar.
Foto: hotzenplotz
PS: Auch das Blog djdeutschland bringt einen Nachruf.
Man hat Maßnahmen ergriffen
Immer wenn ich zu Budnikowsky ging, um eine neue Kohlensäurepatrone für unseren Aufsprudler zu kaufen, stibitzte ich beim Rausgehen unbemerkt vom Kassierer ein paar der großen braunen Papiertüten, die für die Kundschaft in der Warenablage hinter der Kasse bereitlagen.
Es sind ideale Sammelbehälter für Altpapier, weil sie problemlos mitentsorgt werden können. Keine Rückstände, kein Separieraufwand bei der Sammelstelle, eine Win-win-Situation. Außer für Budnikowsky.
Wohl durch mich geriet dort der Tütenschwund in ein ungünstiges Verhältnis zum Abverkauf des Sortiments. Und jetzt liegen nur noch kleine Papiertüten da, doch leider nicht mehr hinter der Kasse. Über die komplett unbrauchbaren Plastiktüten brauchen wir gar nicht erst zu reden.
Kurz: Budni baut Mist; seine Strategie ist unökologisch und streut Sand ins Getriebe unserer monatlichen Abläufe. Also, wo kann ich mich beschweren?
Mir fehlt dafür nur noch eine anständige Verbrämung, um keinen abschlägigen Bescheid zu erhalten, der zum Beispiel so lauten könnte: „Unsere Tüten sind verdammt noch mal keine Altpapiersammelbehälter, und jetzt schwirr ab, Schnorrer!“
Gnadenlos tickt die Uhr. Ich zehre bereits von einem Restbestand kleiner Tüten. Lösungsvorschläge sind hochwillkommen.
Es sind ideale Sammelbehälter für Altpapier, weil sie problemlos mitentsorgt werden können. Keine Rückstände, kein Separieraufwand bei der Sammelstelle, eine Win-win-Situation. Außer für Budnikowsky.
Wohl durch mich geriet dort der Tütenschwund in ein ungünstiges Verhältnis zum Abverkauf des Sortiments. Und jetzt liegen nur noch kleine Papiertüten da, doch leider nicht mehr hinter der Kasse. Über die komplett unbrauchbaren Plastiktüten brauchen wir gar nicht erst zu reden.
Kurz: Budni baut Mist; seine Strategie ist unökologisch und streut Sand ins Getriebe unserer monatlichen Abläufe. Also, wo kann ich mich beschweren?
Mir fehlt dafür nur noch eine anständige Verbrämung, um keinen abschlägigen Bescheid zu erhalten, der zum Beispiel so lauten könnte: „Unsere Tüten sind verdammt noch mal keine Altpapiersammelbehälter, und jetzt schwirr ab, Schnorrer!“
Gnadenlos tickt die Uhr. Ich zehre bereits von einem Restbestand kleiner Tüten. Lösungsvorschläge sind hochwillkommen.
18 August 2008
Die nächste Radiosendung auf ByteFM
Heute (Mo.) um 17 Uhr läuft die nächste von mir konzipierte „Mixtape“-Sendung auf ByteFM; sie schlägt eine Brücke von Osteuropa nach Nordamerika, unter anderem werden Pink Floyd einer radikalen Polkakur unterzogen.
Wer mag, kann hier seinen Kommentar dazu abgeben. Wiederholungstermine: kommenden Mittwoch um 11 und Donnerstag um 6 Uhr.
Wer mag, kann hier seinen Kommentar dazu abgeben. Wiederholungstermine: kommenden Mittwoch um 11 und Donnerstag um 6 Uhr.
Unser Antikinokarma
Fotopingpong mit dem Don: Er stellt meiner Bilderstrecke von gestern eine eigene gegenüber, die eine idyllische Gartenszene zeigt, deren um sorglose Enten bereichertes Pendant ich wiederum just in Planten un Blomen vorfand.
Dort im Park, nur wenige Meter entfernt von Bettlern und Bordellen, wirkt St. Pauli wie eine andere Welt. Ich weiß nicht warum, doch niemals sieht man sozial inkompatible Heckenpinkler, dort lagern weder Punks noch Obdachlose, nie taumeln Betrunkene durch die Botanik, niemand missbraucht in Ermangelung einer heimischen Dusche die Wasserspiele.
Ja, es fährt nicht mal jemand Rad in diesem Park, und Hunde müssen draußen bleiben, was sie seltsamerweise auch tun – gut für alle, die mitten auf der Wiese ihr Lager aufschlagen, seien es Enten oder Picknicker.
Wir laufen stets durch Planten un Blomen, wenn wir ins Kino am Dammtor wollen, das dauert zu Fuß knapp 30 Minuten. Als wir auf den Kiez zogen, gab es hier noch diverse Kinos, und ich meine nicht die ganzen Pornoschuppen. Kurz nach unserer Ankunft aber schloss das Oasekino auf der Reeperbahn, wenig später das nicht weit entfernte Aladin.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt begann ich das Kinosterben mit unserer Anwesenheit in Verbindung zu bringen. Dabei sind wir sehr filmaffin. Nicht selten bin ich abends spontan noch rübergehuscht zur Reeperbahn, um mir als Betthupferl eine Spätvorstellung anzuschauen; ich war jung und hatte das Geld.
Doch damit war es bald vorbei; Kinos, die teils Dekaden hier überdauert hatten, sahen sich angesichts unseres Herzugs nach kurzer Zeit zum Schließen gezwungen, ein anticineastischer Fluch schien von uns auszugehen. Zuletzt erwischte es das Studio, womit sich unser schlechtes Karma also vorgekämpft hat bis in die Bernstorffstraße.
Übriggeblieben ist nur noch das gemütlich schmuddelige B-Movie, eine Schuhschachtel mit Sitzgelegenheiten, in der wacklige Edgar-Wallace-Streifen oder liebevoll zusammengeklebte und während der Vorstellung weiterhin unverdrossen reißende Trashfilme aus den 70ern oder so gezeigt werden.
Tolle Sache natürlich, doch für den neusten Film der Coen-Brüder müssen wir halt doch durch Planten un Blomen, vorbei an Enten, Kindern und kontemplativen Kiezianern, die sich hier erholen wollen vom Lärm und Ludentum um die Ecke.
Wahrscheinlich müssten wir wegziehen, um auf St. Pauli einen Kinoneugründungsboom auszulösen. Doch das kommt natürlich überhaupt nicht in Frage.
17 August 2008
16 August 2008
Mist.
Der Kasten Bier auf dem Gepäckträger schien mir eigentlich recht stabil befestigt gewesen zu sein.
Warum er dennoch in dem Moment, als ich losfuhr, mitten auf der Paul-Roosen-Straße zerschellte, während die Beatles schräg gegenüber zu feixen schienen, ist mir auch jetzt, acht Stunden nach dem Desaster, noch nicht ganz klar.
Angesichts der empört aufschäumenden Bierlache und den bösartigen Veltinsscherben kam der Verkehr in diesem Teil St. Paulis jedenfalls minutenlang zum Erliegen. Während meiner Aufräumarbeiten (auch ein Sechserpack Eier und mehrere Jogurtbecher verlangten nach artgerechter Entsorgung) begann es kraftvoll zu regnen, was immerhin den Biergestank, den ich inzwischen angenommen hatte, etwas minderte.
Was mich am meisten erstaunt, ist die Gelassenheit, mit der meine Neurotransmitter das alles wegsteckten. Das spontane, klanglich irgendwie ausrufezeichenlose „Mist.“, mit dem ich die Situation unmittelbar nach dem Aufprall des Bierkastens unwillentlich kommentierte, bewegt sich auf dem Erregungsniveau von Bernd dem Brot.
Es folgten wort- und weitgehend gedankenloses Aufräumen, der Heimtransport der überlebenden fünf Flaschen und die Rückkehr zum Laden, um den Eierverlust auszugleichen.
Und jetzt kann es beginnen, das Wochenende. Angeblich soll es sonnig werden.
Warum er dennoch in dem Moment, als ich losfuhr, mitten auf der Paul-Roosen-Straße zerschellte, während die Beatles schräg gegenüber zu feixen schienen, ist mir auch jetzt, acht Stunden nach dem Desaster, noch nicht ganz klar.
Angesichts der empört aufschäumenden Bierlache und den bösartigen Veltinsscherben kam der Verkehr in diesem Teil St. Paulis jedenfalls minutenlang zum Erliegen. Während meiner Aufräumarbeiten (auch ein Sechserpack Eier und mehrere Jogurtbecher verlangten nach artgerechter Entsorgung) begann es kraftvoll zu regnen, was immerhin den Biergestank, den ich inzwischen angenommen hatte, etwas minderte.
Was mich am meisten erstaunt, ist die Gelassenheit, mit der meine Neurotransmitter das alles wegsteckten. Das spontane, klanglich irgendwie ausrufezeichenlose „Mist.“, mit dem ich die Situation unmittelbar nach dem Aufprall des Bierkastens unwillentlich kommentierte, bewegt sich auf dem Erregungsniveau von Bernd dem Brot.
Es folgten wort- und weitgehend gedankenloses Aufräumen, der Heimtransport der überlebenden fünf Flaschen und die Rückkehr zum Laden, um den Eierverlust auszugleichen.
Und jetzt kann es beginnen, das Wochenende. Angeblich soll es sonnig werden.
15 August 2008
Kein Scheiß, keinesfalls
Als ich mich bei Saturn arglos der Kasse nähere, schießt aus dem Nichts plötzlich ein massiger Kerl an mir vorbei.
Er stürzt sich in den Engpass des Kassengangs und rast zwischen den Kunden hindurch, ohne im Geringsten auf die ungeschriebenen Normen sozialer Distanz Rücksicht zu nehmen. Erschreckt zucken die Schlangensteher zurück.
Hinter ihm her jagen vier Sicherheitsleute, einer davon noch erheblich massiger als der Flüchtende. Ungefähr 1,90 groß, gewölbter Bauch, das blaue Oberhemd nachlässig in die Hose gestopft – aber wahnwitzig behende, der Mann ist ein hochbeschleunigter Riesenrammbock auf zwei Beinen.
Auch dieser Bulle donnert durch den Kassengang wie damals die Sandmonster in „Tremors“ durch den Wüstenboden. Seine Kollegen nehmen andere Kassengänge, durch die Glasscheiben sehe ich, wie der Fliehende draußen einen Haken schlägt und nach links hetzt.
Trotz seines zunächst beträchtlichen Vorsprungs haben sie ihn plötzlich; direkt an der Ecke, nach höchstens zehn Metern Flucht im Freien. Auch der rasende Rammbock ist bereits dort. Er und seine Kollegen werfen den Mann auf den Bauch, jeder will ran, jeder kommt ran. Zwei Männer knien sich auf ihn, reißen ihm die Arme nach hinten, Handschellen blitzen, doch sie klirren nicht.
Denn all das spielt sich in völliger Lautlosigkeit ab, ich betrachte die Szenerie durch die großen schallisolierenden Scheiben von Saturn. Die Abfertigung an den Kassen geht derweil ungerührt weiter, das alles ist wohl Alltag hier, und als ich auf den Vorplatz trete, kommen mir die Sicherheitsleute mit ihrem Jagdwild entgegen.
Ich schaue mir den Burschen näher an. Er ist jung, vielleicht 18, sein Schnurrbart verunziert die Oberlippe als lächerlich dünner Flaum, für den er sich irgendwann in Grund und Boden schämen wird. Doch zurzeit hat er andere Sorgen.
An seinen auf dem Rücken gefesselten Armen zerren sie ihn Richtung Eingang; es ist ein richtiger Scheißtag für ihn, und der fängt gerade erst an. „Ich mach kein Scheiß“, hechelt er fistelig, überfordert von der sportlichen Leistung der letzten Minute und überschwemmt von Adrenalin, „ich mach kein Scheiß“ – und plötzlich weiß ich mit großer Klarheit und schlösse darauf eine Wette ab, was ihm einer der Sicherheitsbullen nur wenige Sekunden vorher gesagt hat: „Mach bloß kein Scheiß!“
Und daran hielt er sich auch, bis ich ihn aus den Augen verlor.
PS: Das heutige Foto hat natürlich mit all dem nicht das Geringste zu tun, sondern ist meine persönliche Erinnerung ans Neil-Young-Konzert von gestern Abend. Näheres dazu bei GP, der auch für die künsterlische Gestaltung des Motivs verantwortlich ist.
Er stürzt sich in den Engpass des Kassengangs und rast zwischen den Kunden hindurch, ohne im Geringsten auf die ungeschriebenen Normen sozialer Distanz Rücksicht zu nehmen. Erschreckt zucken die Schlangensteher zurück.
Hinter ihm her jagen vier Sicherheitsleute, einer davon noch erheblich massiger als der Flüchtende. Ungefähr 1,90 groß, gewölbter Bauch, das blaue Oberhemd nachlässig in die Hose gestopft – aber wahnwitzig behende, der Mann ist ein hochbeschleunigter Riesenrammbock auf zwei Beinen.
Auch dieser Bulle donnert durch den Kassengang wie damals die Sandmonster in „Tremors“ durch den Wüstenboden. Seine Kollegen nehmen andere Kassengänge, durch die Glasscheiben sehe ich, wie der Fliehende draußen einen Haken schlägt und nach links hetzt.
Trotz seines zunächst beträchtlichen Vorsprungs haben sie ihn plötzlich; direkt an der Ecke, nach höchstens zehn Metern Flucht im Freien. Auch der rasende Rammbock ist bereits dort. Er und seine Kollegen werfen den Mann auf den Bauch, jeder will ran, jeder kommt ran. Zwei Männer knien sich auf ihn, reißen ihm die Arme nach hinten, Handschellen blitzen, doch sie klirren nicht.
Denn all das spielt sich in völliger Lautlosigkeit ab, ich betrachte die Szenerie durch die großen schallisolierenden Scheiben von Saturn. Die Abfertigung an den Kassen geht derweil ungerührt weiter, das alles ist wohl Alltag hier, und als ich auf den Vorplatz trete, kommen mir die Sicherheitsleute mit ihrem Jagdwild entgegen.
Ich schaue mir den Burschen näher an. Er ist jung, vielleicht 18, sein Schnurrbart verunziert die Oberlippe als lächerlich dünner Flaum, für den er sich irgendwann in Grund und Boden schämen wird. Doch zurzeit hat er andere Sorgen.
An seinen auf dem Rücken gefesselten Armen zerren sie ihn Richtung Eingang; es ist ein richtiger Scheißtag für ihn, und der fängt gerade erst an. „Ich mach kein Scheiß“, hechelt er fistelig, überfordert von der sportlichen Leistung der letzten Minute und überschwemmt von Adrenalin, „ich mach kein Scheiß“ – und plötzlich weiß ich mit großer Klarheit und schlösse darauf eine Wette ab, was ihm einer der Sicherheitsbullen nur wenige Sekunden vorher gesagt hat: „Mach bloß kein Scheiß!“
Und daran hielt er sich auch, bis ich ihn aus den Augen verlor.
PS: Das heutige Foto hat natürlich mit all dem nicht das Geringste zu tun, sondern ist meine persönliche Erinnerung ans Neil-Young-Konzert von gestern Abend. Näheres dazu bei GP, der auch für die künsterlische Gestaltung des Motivs verantwortlich ist.
14 August 2008
Lose Zusammengekehrtes (3)
1. Wenn man die Seite wetter.de besuchen möchte, sollte man sich nicht vertippen und auf weter.de landen. Es sei denn, man ist spottresistent. Wie ich.
2. Das sind sie also, unsere lebenslangen Steueridentifikationsnummern. Ms. Columbo schaut sich den Brief an und fragt: „Warum steht da 03 unter Straße und Hausnummer?“ „Dritter Stock“, sage ich. „Aber warum?“, fragt Ms. Columbo. „Na, überleg doch mal“, erläutere ich, „wenn die GSG 9 hier rein will, dann weiß sie genau, welches Stockwerk sie stürmen muss.“ „Nein“, sagt sie, „die stehen doch dann da und überlegen: Zählt das Parterre jetzt mit oder nicht?“ Meine Theorie ist also doch nicht so tragfähig, wie ich dachte.
3. Erkenntnis des Monats: Wenn man ein Moskitonetz hermetisch ums Bett herum drapiert, sollte man unbedingt darauf achten, dass der ursächliche Moskito sich auch außerhalb des Netzes befindet.
4. Bei der Blogolympiade liegt dieses Blog angeblich auf Goldkurs. Sollte es klappen, verspeche ich schon jetzt: Ich werde keinesfalls in die Medaille beißen.
13 August 2008
Ruhe sanft, Citystar
Es ist immer das Gleiche, verdammt. Alle zwei bis vier Jahre schlurfe ich – enttäuscht von der Menschheit im Allgemeinen und den Kiezgestalten im Besonderen – zur Davidwache und melde dort den Diebstahl meines Fahrrads.
Mein guter, alter Citystar-Drahtesel: Jetzt hat es auch dich erwischt, direkt vor der Haustür. Obwohl ich stets ein altes billiges Fahrrad auf dem Flohmarkt schieße, um die Klaugefahr zu minimieren, trage ich es in den ersten Wochen abends stets hoch in die Wohnung und am nächsten Morgen wieder runter.
Nach einer gewissen Karenzzeit folgt dann eine Phase, in der die Hochtragdisziplin zu bröckeln beginnt. Zunächst noch selten, bald immer öfter schließe ich es vorm Haus an Geländerstangen an, meist, wenn ich eine gute Ausrede habe, zum Beispiel eine Saftkiste unterm Arm. Irgendwann aber wird das Nichthochschleppen zur Gewohnheit, auch ohne Saftkiste. Bei Wind und Wetter steht hinfort das treue Gefährt duldsam im Freien und wartet auf Herrchens nächsten Ausritt.
So geht das zwei bis drei Jahre lang, und dann ist es wieder soweit: Ich schlurfe – enttäuscht von der Menschheit im Allgemeinen und den Kiezgestalten im Besonderen – zur Davidwache und melde dort den Diebstahl.
Diesmal traf es also das Citystarrad. Nie werde ich seine robusten sieben Gänge vergessen. Oder seine regelmäßig versagenden Lampen, vorne wie hinten. Der Lenker schien immer ein klein wenig schief zu stehen, dennoch fuhr das sympathische Rad zuverlässig geradeaus – ein kleines Kunststück, welches ich bis zuletzt an ihm bewundert habe. Na gut, das mit dem kaputten Tretlager (40 Euro) hätte nicht sein müssen, zumal es geruhte, erst kurz vor dem gewaltsamen Verlust um Austausch zu betteln. Doch jetzt ist es über alle Berge, das komplette Rad. Samt futschneuem Tretlager, schiefem Lenker und kaputter Lampe hinten.
Selbst der eigentlich immer wirksame Trostspruch „Du bist ja nicht weg, dich hat nur ein anderer“ will auf dem Weg zur Davidwache nicht recht zünden. Der mich am Tresen verständnisvoll empfangende Polizist fragt, ob ich alles dabei hätte. „Personalausweis? Klar, habe ich dabei“, antworte ich und nestle an der Brieftasche. „Auch die Rahmennummer?“, fragt der Polizist. „Äh, nein“, sage ich. Er legt schon mal den bereits gezückten Stift wieder hin und sagt: „Kaufvertrag?“ Hüstel …
Dann, sagt der Davidwachenmann, könnten wir's auch gleich sein lassen mit der Anzeige, schließlich könnte ich meinen Besitzanspruch selbst dann nicht beweisen, wenn er das Rad wiederfände – was ungefähr so wahrscheinlich sei wie ein segensreicher Meteoriteneinschlag aufs Haus von Albaner-Willi, dem Kiezpaten.
Das sagte der Polizist nicht wörtlich, schließlich ist mit Albaner-Willi nicht zu spaßen; es ist eher so, dass mir seine Ausführungen vorkommen, als könne man sie mithilfe dieser Allegorie treffsicher wiedergeben.
Jedenfalls schlurfe ich noch am gleichen Tag – enttäuscht von der Menschheit im Allgemeinen und den Kiezgestalten im Besonderen – zu jenem Fahrradladen, wo der Irokesenassistent, der den Franken gefragt hatte, ob er Rechts- oder Linksträger sei, inzwischen nicht mehr arbeitet, und erstehe ein neues altes Rad. Der Flohmarkt hatte sich zuvor als unergiebig erwiesen.
Warum ich mir allerdings erst vier Fahrräder klauen lassen muss, um endlich auf die Idee zu kommen, all ihre Details fotografisch festzuhalten und die Rahmennummer zu notieren, kann mir selbst Ms. Columbo nicht verklickern.
Mal sehen, ob ich in zwei bis drei Jahren die entsprechenden Unterlagen wiederfinde. Das scheint mir die nächste unüberwindliche Hürde zu sein.
Mein guter, alter Citystar-Drahtesel: Jetzt hat es auch dich erwischt, direkt vor der Haustür. Obwohl ich stets ein altes billiges Fahrrad auf dem Flohmarkt schieße, um die Klaugefahr zu minimieren, trage ich es in den ersten Wochen abends stets hoch in die Wohnung und am nächsten Morgen wieder runter.
Nach einer gewissen Karenzzeit folgt dann eine Phase, in der die Hochtragdisziplin zu bröckeln beginnt. Zunächst noch selten, bald immer öfter schließe ich es vorm Haus an Geländerstangen an, meist, wenn ich eine gute Ausrede habe, zum Beispiel eine Saftkiste unterm Arm. Irgendwann aber wird das Nichthochschleppen zur Gewohnheit, auch ohne Saftkiste. Bei Wind und Wetter steht hinfort das treue Gefährt duldsam im Freien und wartet auf Herrchens nächsten Ausritt.
So geht das zwei bis drei Jahre lang, und dann ist es wieder soweit: Ich schlurfe – enttäuscht von der Menschheit im Allgemeinen und den Kiezgestalten im Besonderen – zur Davidwache und melde dort den Diebstahl.
Diesmal traf es also das Citystarrad. Nie werde ich seine robusten sieben Gänge vergessen. Oder seine regelmäßig versagenden Lampen, vorne wie hinten. Der Lenker schien immer ein klein wenig schief zu stehen, dennoch fuhr das sympathische Rad zuverlässig geradeaus – ein kleines Kunststück, welches ich bis zuletzt an ihm bewundert habe. Na gut, das mit dem kaputten Tretlager (40 Euro) hätte nicht sein müssen, zumal es geruhte, erst kurz vor dem gewaltsamen Verlust um Austausch zu betteln. Doch jetzt ist es über alle Berge, das komplette Rad. Samt futschneuem Tretlager, schiefem Lenker und kaputter Lampe hinten.
Selbst der eigentlich immer wirksame Trostspruch „Du bist ja nicht weg, dich hat nur ein anderer“ will auf dem Weg zur Davidwache nicht recht zünden. Der mich am Tresen verständnisvoll empfangende Polizist fragt, ob ich alles dabei hätte. „Personalausweis? Klar, habe ich dabei“, antworte ich und nestle an der Brieftasche. „Auch die Rahmennummer?“, fragt der Polizist. „Äh, nein“, sage ich. Er legt schon mal den bereits gezückten Stift wieder hin und sagt: „Kaufvertrag?“ Hüstel …
Dann, sagt der Davidwachenmann, könnten wir's auch gleich sein lassen mit der Anzeige, schließlich könnte ich meinen Besitzanspruch selbst dann nicht beweisen, wenn er das Rad wiederfände – was ungefähr so wahrscheinlich sei wie ein segensreicher Meteoriteneinschlag aufs Haus von Albaner-Willi, dem Kiezpaten.
Das sagte der Polizist nicht wörtlich, schließlich ist mit Albaner-Willi nicht zu spaßen; es ist eher so, dass mir seine Ausführungen vorkommen, als könne man sie mithilfe dieser Allegorie treffsicher wiedergeben.
Jedenfalls schlurfe ich noch am gleichen Tag – enttäuscht von der Menschheit im Allgemeinen und den Kiezgestalten im Besonderen – zu jenem Fahrradladen, wo der Irokesenassistent, der den Franken gefragt hatte, ob er Rechts- oder Linksträger sei, inzwischen nicht mehr arbeitet, und erstehe ein neues altes Rad. Der Flohmarkt hatte sich zuvor als unergiebig erwiesen.
Warum ich mir allerdings erst vier Fahrräder klauen lassen muss, um endlich auf die Idee zu kommen, all ihre Details fotografisch festzuhalten und die Rahmennummer zu notieren, kann mir selbst Ms. Columbo nicht verklickern.
Mal sehen, ob ich in zwei bis drei Jahren die entsprechenden Unterlagen wiederfinde. Das scheint mir die nächste unüberwindliche Hürde zu sein.
12 August 2008
Sei kein Frosch!
Das gestern schon gewürdigte westhessische Dorf frönt nicht nur konfessionellen Kabbeleien, sondern kurioserweise auch allem, was alpenartig, süddeutsch oder heimatfilmhaft daherkommt – und das nicht nur architektonisch.
In einem Wohnzimmer fand ich das abgebildete Schnitzwerk vor. Es trägt die Aufschrift: „Vom Birkhahn die Feder, vom Hirsch das Geweih und vom Dirndel die Treu.“ Übersetzt in die Sprache des 21. Jahrhunderts hieße das wohl: „Mein Haus, meine Frau, mein Pool.“
Wenn geheiratet wird, fordert in dieser Gegend übrigens auch die aktuelle Männergeneration noch wie selbstverständlich vom Dirndel die Hergabe des Namens – mit manchmal unschönen Folgen, wie aus den Hochzeitsanzeigen des Lokalblattes hervorgeht.
Dabei meine ich nicht einmal jene Katharina Theresa Marianne Lux, die von nun an gewillt ist, künftg jeden Tag aufs Neue die rauschhafte Sinfonie ihrer Vornamen mit einem Misston wie „Runkel“ an die Wand zu fahren. Auch die Entscheidung der doch eigentlich grundsoliden Nicole Weber, keinen Prinzen, sondern einen gewissen Swen Frosch zu ehelichen, muss man nun mal grummelnd hinnehmen.
Doch dann entdeckte ich eine Vera Hammann. Dank ihrer Heirat heißt sie nun Vera Braun. Klingt erst mal harmlos. Doch man muss das mal innerlich nachhallen lassen, dem Subtext nachschmecken: Früher hieß die Vera beinah wie ein Serienkiller aus den 20ern – und jetzt, nach dem Jawort, heißt sie wie die Frau eines Massenmörders aus den 40ern.
Das gibt dem Verb „hochschlafen“ eine ganz neue Bedeutung. Ein Satz, den ich hiermit sofort wieder zurückziehe und durch die aufrichtigsten Gückwünsche ersetzt sehen möchte.
In einem Wohnzimmer fand ich das abgebildete Schnitzwerk vor. Es trägt die Aufschrift: „Vom Birkhahn die Feder, vom Hirsch das Geweih und vom Dirndel die Treu.“ Übersetzt in die Sprache des 21. Jahrhunderts hieße das wohl: „Mein Haus, meine Frau, mein Pool.“
Wenn geheiratet wird, fordert in dieser Gegend übrigens auch die aktuelle Männergeneration noch wie selbstverständlich vom Dirndel die Hergabe des Namens – mit manchmal unschönen Folgen, wie aus den Hochzeitsanzeigen des Lokalblattes hervorgeht.
Dabei meine ich nicht einmal jene Katharina Theresa Marianne Lux, die von nun an gewillt ist, künftg jeden Tag aufs Neue die rauschhafte Sinfonie ihrer Vornamen mit einem Misston wie „Runkel“ an die Wand zu fahren. Auch die Entscheidung der doch eigentlich grundsoliden Nicole Weber, keinen Prinzen, sondern einen gewissen Swen Frosch zu ehelichen, muss man nun mal grummelnd hinnehmen.
Doch dann entdeckte ich eine Vera Hammann. Dank ihrer Heirat heißt sie nun Vera Braun. Klingt erst mal harmlos. Doch man muss das mal innerlich nachhallen lassen, dem Subtext nachschmecken: Früher hieß die Vera beinah wie ein Serienkiller aus den 20ern – und jetzt, nach dem Jawort, heißt sie wie die Frau eines Massenmörders aus den 40ern.
Das gibt dem Verb „hochschlafen“ eine ganz neue Bedeutung. Ein Satz, den ich hiermit sofort wieder zurückziehe und durch die aufrichtigsten Gückwünsche ersetzt sehen möchte.
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