07 März 2010

Wir haben alle unser(e) Päckchen zu tragen



Der aufregendste Moment heute beim Spiel HSV gegen Hertha (1:0, Jansen, 40.) war keiner, der auf dem Spielfeld passierte. Sondern der, als mir mein Etui mit der Sonnenbrille ins Klo fiel.

Zum Glück hatte mein Vorgänger ordnungsgemäß gespült. Danke, Unbekannter. Dennoch war das Ganze eine recht unangenehme Sache. Immerhin konnte ich das Etui spitzfingrig von der Wasseroberfläche klauben, weil es aufschwamm. Die Brille alleine hingegen wäre zweifellos sofort untergegangen, und ob ich mental in der Lage gewesen wäre, meinen halben Oberkörper im Abfluss zu versenken wie einst Ewan McGregor in „Trainspotting”(Foto) – nun, da bin ich mir nicht so sicher. Doch das war ja auch dank des Etuiauftriebs nicht nötig.


Das Wasser hatte sich gleichwohl ohne Umschweife durch die Ritzen des Behälters gezwängt und drinnen ein bisschen umgeguckt, zuungunsten meiner Sonnenbrille. Eine (zumindest subjektiv) ekle Entwicklung, der schleunigst entgegengetreten werden musste. Doch selbstverständlich war der in Sachen Hygiene liederliche HSV nicht auf die Idee gekommen, seine Klos mit etwas so Absurdem wie Toilettenpapier auszustatten.

Wer dem Verein jetzt beispringen und einwenden möchte, das Papier sei eben unterm Ansturm harndranggeplagter Massen irgendwann ausgegangen, dem muss ich leider lauthals entgegenschleudern, dass sich mein Missgeschick noch vorm Anpfiff zutrug, und wenigstens zu diesem Zeitpunkt hätte doch irgendwo in dieser gottverlassenen Kabine zumindest eine kümmerliche Rolle auffindbar sein müssen, NICHT WAHR?

Wie auch immer: Ich konnte nicht direkt vor Ort mit ersten Trocknungsmaßnahmen beginnen, und das verbesserte meine Laune keineswegs. Derweil hatte der Stadiondebütant German Psycho draußen auf der Tribüne ganz andere Sorgen:

a) schämte er sich aus ästhetischen Gründen in Grund und Boden für seine über die Jeans gezogene Jogginghose („Sie passte nicht drunter!“). Außerdem fror er b) erbärmlich am Kopf, weil er sich weigerte, die von mir angebotene Wollmütze zu tragen („Damit sehe ich scheiße aus!“ „Aber du siehst dich doch damit gar nicht.“ „Aber ich weiß, dass ich damit scheiße aussehe!“).

c) bekam er Eishände, weil er nicht an Handschuhe gedacht hatte, aber dennoch entschlossen war, sich an zwei Grad kaltem Bier zu delektieren. Und schließlich hatte er d) noch immer daran zu knabbern, dass er mit seinem Outfit vorhin bei McDonalds nicht weiter aufgefallen war, er war praktisch einer von diesen Leuten gewesen …

Das Etui habe ich übrigens weggeworfen.

06 März 2010

Wie ich mal vergeblich der Mediamarkt-Werbung vertraut habe

Von: Matt Wagner
Datum: 5. März 2010 21:43:46 MEZ
An: kontakt@mediamarkt.de

Lieber Mediamarkt,

heute erhielt ich dein neues Werbefaltblatt und war augenblicklich elektrisiert: Du offeriertest Elvis’ „Comeback Special“ von 1968 in der „Deluxe Edition“ für sagenhaft schmale 5,90 Euro. Das ist für drei DVDs des Kings ein richtig gutes Angebot.

Sofort warf ich mich aufs Rad und strampelte gen Altona, um das Teil zu erwerben, und zwar gleich mehrfach, denn ich habe Freunde, die scheuten bisher die Kosten. Vor Ort allerdings fand ich Dutzende von 5,90-Angeboten, doch ausgerechnet dieses nicht. Nur die lächerliche „Special Edition“, ein Machwerk auf lediglich einer DVD, das zurecht für unter 6 Euro verramscht wird.

Also fragte ich einen Mitarbeiter nach der „Deluxe Edition“. Der Schnauzbart zuckte die Schultern: „Ich mach nur Fernsehen.“ Immerhin zeigte er mir die vage Richtung der DVD-Abteilung: „Da hinten hinterm Pfeiler.“ Ich taperte dorthin und fragte eine junge Frau in Mediamarktrot nach der Triple-DVD.

Sie wusste gar nichts, wandte sich aber an einen Kollegen. Der sagte, das Teil sei wohl noch auf den Paletten. „Außerdem“, sekundierte die Frau, „gilt der Prospekt erst ab heute Abend“. Warum er dann schon am hellichten Morgen der Mopo beiliegt, vermochte sie nicht zu sagen.

„Etwas, das im Prospekt beworben wird, sollten Sie auch im Angebot haben“, formulierte ich eine – wie mir schien – Binsenweisheit. Die junge Frau zog die Schultern hoch bis an die Ohren, lächelte schief wie der Turm von Pisa und giggelte nervös: „Da kann ich ja nichts dafür! Außerdem habe ich gerade erst angefangen!“

So kam ich nicht weiter, das war klar. Daher wandte ich mich an den Informationsschalter vorne an der Kasse und schilderte mein Problem, indem ich meine Binsenweisheit wiederholte: „Etwas, das im Prospekt beworben wird, sollten Sie auch im Angebot haben.“

Der Mann hinterm Tresen gab mir sofort und bedingungslos recht, und die Frau an seiner Seite telefonierte eilfertig mit der zuständigen Abteilung. Fernmündlich erfuhr sie von einer nur hälftig erfolgten Lieferung, und unter der fehlenden Hälfte müsse sich auch die Elvis-„Deluxe Edition“ befinden. Außerdem sei man beim Umbauen.

Was das eine mit dem anderen zu tun hatte, wurde mir spontan nicht klar, doch die beiden am Infoschalter hatten gleich einen praktischen Rat für mich, so dass ich dieser Dialektik nicht auf den Grund gehen mochte: Ich solle doch einen anderen Mediamarkt aufsuchen, zum Beispiel den in Harburg.

Gute Idee. Für die „Deluxe Edition“ für 5,90 würde ich zur Not auch nach Graceland fahren. Also bestieg ich die S-Bahn nach Harburg. Für die folgenden Ereignisse kannst du nichts, Mediamarkt, trotzdem schildere ich sie kurz. Bereits am Bahnhof Dammtor nämlich stockte die Fahrt. Eine Lautsprecherstimme informierte uns über eine „betriebsfremde Person im Gleis zwischen Hauptbahnhof und Berliner Tor“, so dass diese Bahn „auf unbestimmte Zeit“ hier verweilen müsse.

Zehn zähe Minuten später meldete sich die Stimme noch einmal. Man müsse nun wegen der betriebsfremden Person im Gleis den Strom abstellen. Und schon erloschen alle Lichter. Ich seufzte und radelte nach Hause, innerlich Elvis’ Klassiker „Devil in disguise“ vor mich hinsummend.

Abends um sechs wollte ich es noch einmal probieren. „Ruf lieber vorher beim Mediamarkt in Harburg an“, riet meine Gattin, „nicht, dass du umsonst die Reise antrittst.“ Und eine Reise ist das vom Kiez aus, weiß Gott. Also rief ich an.

Es meldete sich eine Frau Suhrmann. Ich schilderte ihr mein Anliegen, erläuterte den Flop in der Altonaer Filiale und erkundigte mich explizit nach „Elvis Presley's '68 Comeback Special Deluxe Edition“. Sie eruierte das Ganze und gab Entwarnung: „Davon sind ausreichend Bestände vorhanden.“

Großartig. Also ging ich neuerlich auf Weltreise, durchs wilde Hammerbrook über die Elbe gen Süden, die betriebsfremde Person war längst aus dem Gleis, ob am Stück oder nicht, werde ich morgen aus der Mopo erfahren, und irgendwann stand ich im Mediamarkt Harburg vor den 5,90-Stapeln und fand die „Deluxe Edition“ nicht.

Ich wandte mich an einen Mitarbeiter. Er durchwühlte die Stapel und hielt mir die gelassen triumphal die lächerliche „Special Edition“ vor die Nase. „Nein“, sagte ich, „schauen Sie mal auf Ihren Prospekt: Dort ist die ,Deluxe Edition' abgebildet, die hat ein ganz anderes Cover.“

Grummelnd ging er zu seinem Computer, ich folgte ihm. Er tippte und grummelte, und nach ungefähr drei Minuten fand er immer wieder nur die Schmalspurversion. „Aber ich suche die mit den drei DVDs“, insistierte ich. „Drei DVDs für 5,90 Euro?“, sagte er vorwurfsvoll, „das geht ja auch nicht.“ „Aber SIE bewerben sie doch!“, rief ich, „in Ihrem eigenen Prospekt!“

Und dann kam der Mann mir mit dem Totschlagsargument schlechthin: Es handele sich um einen Druckfehler. Die Leute, die das Layout für den Prospekt entwürfen, hätten keine Ahnung von Filmen, die suchten sich die Cover aus dem Web, und dabei ginge halt manchmal was schief. Wie jetzt gerade bei Elvis.

„Aber deswegen habe ich doch vor der Weltreise angerufen!“, jammerte ich. „Wen denn?“, frage er. „Frau Suhrmann!“, heulte ich. „Wir sind auch nur Menschen. Menschen machen Fehler.“

Sein zweites Totschlagsargument binnen fünf Minuten. Für ihn war die Sache damit erledigt, und ich schlich geschlagen davon. Er kam nicht mal auf die Idee, mir irgendeine Art der Kompensation für den vergeudeten halben Tag anzubieten, zum Beispiel ein Bonbon, einen Espresso, zwei 4-GB-USB-Sticks oder wenigstens die Stanley-Kubrick-Box als Blu-ray.

Aber es ist ja noch nicht zu spät.

Mit erschöpften Grüßen, Mediamarkt, dein elvisdeluxeeditionsloser

Matt

05 März 2010

Udo Lindenberg wird immer präsenter



Manche dürften an der Wachsversion von Udo Lindenberg vor allem die Tatsache schätzen, dass sie nicht so was wie „Keine Panik!“ nuscheln kann. Ich zum Beispiel.

Die Figur ist die jüngste Errungenschaft des Hamburger Panoptikums am Spielbudenplatz, nur wenige Meter entfernt von Lindenbergs Stern auf der Reeperbahn. Verantwortlich für die erschreckend lebensechte Nachbildung des sog. „Panikrockers“, der seit vielen Jahren in der Atlantic-Bar ungestraft verhaltensauffällig werden darf, indem er absichtlich Likör verschüttet, ist die Bildhauerin Saskia Ruth.

Die Kleidung des wächsernen Udo – samt Hut und Sonnenbrille – wurde übrigens vom Original höchstpersönlich getragen und dann gespendet. Sie ist also durch und durch mit Udos DNS imprägniert, und wer die Figur stibitzt oder auch nur den hässlichen Hut, der könnte Lindenberg klonen.

Doch wer will das schon.

Foto: Panoptikum


02 März 2010

Fundstücke (69): Netter Versuch



Entdeckt in einer Konditorei in der Wohlwillstraße.


Weggeknurrt



Wie man Huren, Koberer und „Hasse-ma-n-Euro?“-Schnorrer elegant abtropfen lässt, weiß ich dank 15-jährigen Kieztrainings inzwischen aus dem Eff-eff. Aber Leute vom WWF?

Ich wäre ratlos gewesen, hätte mich vielleicht sogar auf ein höflich-ablehnendes Gespräch eingelassen, doch zum Glück hatte ich den Franken an meiner Seite.

Als der Typ vom WWF seinen Stand verließ, um uns anzusprechen, knurrte der Franke ihn auf unnachahmliche Weise final weg. Und zwar mit folgenden, souverän im Majestatis pluralis formulierten Worten:

„Wir hassen Tiere.“

Genial. Und übertragbar: Sollten mich demnächst Katholiken in der Fußgängerzone missionieren wollen, wüsste ich schon, wie ich sie abschmettern könnte. Zum Beispiel mit dem Satz: „Sorry, ich stehe auf Sex mit Erwachsenen.“

Müsste klappen.

PS: Natürlich hasse ICH keine Tiere. Auch nicht die Beispielkaninchen auf dem Foto.



01 März 2010

Super Schnäppchen

Auf dem Flohmarkt in den Messehallen erstand ich heute die originalverschweißte Klaus-Kinski-DVD „Roland - Die Horden des eisernen Ritters“, und zwar für laue zweifünfzig.

Super Schnäppchen, dachte ich, und sollte sich der Streifen als doof entpuppen (was bei einem Kinski-Film sehr wahrscheinlich ist; ich weiß das, bin schließlich sein größter Fan), dann kann ich ihn immer noch bei Amazon weiterverkaufen.

Natürlich ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass die DVD dort gebraucht nur 1,99 brächte und selbst neu weniger kostet als das, was ich heute auf dem Flohmarkt hinlegen musste.

Einschließlich Gebühren und Porto ist demnach selbst Verschenken deutlich lukrativer – zumindest wenn ich die mir unweigerlich entgegenschlagende Dankbarkeit pekuniär umrechne.

Wer in meinem Freundeskreis demnächst Geburtstag hat, sollte sich also schon mal unauffällig wegducken.

28 Februar 2010

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (24)



Im Klartext: Du kannst dir bei uns die Kante geben, bis du delirierst, aber fürs Pieseln zahlst du 50 Cent extra, denn wir kennen dich nicht.

Entdeckt in der Kleinen Schänke, Wohlers Allee.

27 Februar 2010

Fundstücke (68): „Sie sparen: EUR 0,01“

1. Sehr merkwürdige Fehlermeldung meines Powerbooks:


2.
„Jeder Mensch sollte zu etwas gut sein. Manche verändern den Lauf der Weltgeschichte oder schreiben Sinfonien. Andere trinken Bier.“ Kramer über den Franken.

3. Aus der schriftlichen Einladung zur Mitgliederversammlung des FC St. Pauli: „Es unterbleibt vor und während der Versammlung der Ausschank alkoholhaltiger Getränke.“ Sag mal, FC St. Pauli, was denkst du eigentlich, wer wird sind – Prolls???

4. „Mich füttert keiner, ich kann in jede Hand beißen.“ Entdeckt bei Don Alphonso.

5. Geile Rabattaktion von Amazon, ein Killer:

26 Februar 2010

Der Sandalenbuddha

Im 112er-Bus auf der letzten Bank hinten links, wo ich immer gern sitze, weil ich dort den linken Fuß schön hochstellen und mich überhaupt recht bequem und breitbeinig hinfläzen kann, da sitzt schon einer. Ich setze mich daneben.

Augenblicks hüllt mich seine Dunstglocke ein. Es ist ein Mix aus dieses Jahr noch nicht geduscht und letztes Jahr auch nicht.

Aus dem Augenwinkel sehe ich seine struppigen langen, mit Grau durchwirkten Haare, die trägt er auf dem Kopf genauso wie vorne im Gesicht, seine Jacke hat Weltkriegspatina.

Den linken Fuß – das finde ich rührend vertraut – hat er schön hochgestellt, etwa so, wie ich es tun würde. Allerdings trage ich gemeinhin feste Schuhe, zumal im Winter, und seine fahlgelben Füße stecken barfuß in halb zerfallenen Sandalen.

Ein bemitleidenswertes Wesen, dessen Äußeres nicht mit der buddhaesken, ja geradezu sandalesken Ruhe in Einklang zu bringen ist, die es ausstrahlt. Doch der Mann strahlt noch mehr aus, und das kann meine Nase nun schlicht nicht mehr ertragen.

Ich setze mich zwei Reihen weiter nach vorne. An der Haltestelle Reeperbahn steigt ein großer Mann afrikanischer Provenienz zu, sein dicker Stoffmantel mit dem Riesenkragen wirkt edel. Zielsicher steuert er (natürlich) die Rückbank an, setzt sich – und steht zwei Sekunden später wieder auf, um mir gegenüber Platz zu nehmen, obwohl er jetzt rückwärts fahren muss. Ich schmunzle, aber natürlich weiß er nicht warum.

So sorgt der struppige ungeduschte Sandalenbuddha die ganze Zeit für Verkehr im Bus, obwohl er nichts weiter tut, als ganz hinten links schön den Fuß hochzustellen und ansonsten sinnierend aus dem Fenster in eine wenig verheißungsvolle Zukunft zu starren.

Seine Barfüßigkeit erinnert mich an den Frühling, und das ist doch ein recht schönes Gefühl.


24 Februar 2010

Was Kirche und Kiez trennt



Wer aktuell erwägt, zum Christentum zu konvertieren, hat die Qual der Wahl, aber buchstäblich.

Wo soll er bloß hin – zu den Kinderf*ckern, die vor jeder neuen Vergewaltigung die letzte einfach wegbeichten? Oder doch lieber zu den Suffköppen, die den Abendmahlswein wegkippen, als gäbe es selbst für sie kein Morgen?

Hach, es ist ein Krux mit dem Kreuz. Da lobe ich mir doch den Kiez: Hier ist der Sex nicht ganz so tabulos, und wer besoffen Auto fährt, ist in der Regel noch clever genug, sich nicht erwischen zu lassen.

Womit wir völlig unelegant überleiten können zum legendären Tittenmaler Erwin Ross, den Günter Zint, der unermüdlichste Kiezfotograf aller Zeiten, unzählige Male in seinem Leben abgelichtet hat.

Heute mailte mir Günter – selbst ein Kiezoriginal wie viele seiner Motive – einige sehr schöne Ross-Fotos, von denen ich hier eins dokumentiere.

Will sagen: Wer für Bücher, Filme oder was weiß ich St.-Pauli-Bilder aus knapp fünf Jahrzehnten braucht, der kommt an Günters Archiv nicht vorbei – und sollte sich einfach mal mit ihm in Verbindung setzen.

PS: Nein, er bezahlt mich NICHT für diesen Blogbeitrag.
Er wusste nicht mal was davon.


23 Februar 2010

Skurrilitäten des Alltags

Im Hans-Albers-Eck mitten im Rotlichtviertel sahen wir vier Jungs von allenfalls knapp 18, die wie an der Schnur aufgereiht an einem Wandtresen saßen.

Die Wand vor ihnen war verspiegelt, und statt miteinander zu sprechen, starrten die Jungs die ganze Zeit ihr jeweils eigenes Spiegelbild an. Ab und zu nippten sie an ihrem (höchstwahrscheinlich illegal ausgeschenkten) Bier, ansonsten waren sie sich selbst genug. Ein irgendwie friedliches Bild. So voller Narzissmus und vielversprechender Zukunft.

Ein irgendwie unheimliches Bild
hingegen präsentierte sich mir heute Mittag im Ottenser Restaurant Zinken. Auf der Herrentoilette gibt es zwei Waschbecken im Meterabstand, und wenn du bei einem den Hahn aufdrehst, läuft synchron auch der andere. Verblüfft deklinierte ich alle Möglichkeiten durch: Der Effekt war immer der gleiche.

Zurück im Gastraum sprach ich einen Kellner darauf an. „Auf dem Herrenklo laufen immer beide Wasserhähne, wenn man einen aufdreht. Wissen Sie das eigentlich?“ Kellner: „Ja.“ Matt: „Und welchen Zweck hat das?“ Kellner: „Das ist ein Defekt.“

… Der allerdings schon jahrelang besteht, wie ich später vom Franken hörte, der diese Geschichte dereinst bereits vom Syrer erzählt bekommen hatte (der Franke selbst nämlich besucht niemals Toiletten in Gaststätten und richtet es immer so ein, dass er zu Hause … Aber lassen wir das.).

Die Waschbecken des Zinken jedenfalls verbrauchen seit Jahren ungestraft eine doppelt so hohe Wassermenge wie nötig, dabei würde man in der Sahelzone töten für zwei Tropfen davon und auf Haiti …

Aber lassen wir das.

PS: Mein Beispielfoto ist schon älter. Inzwischen heißt der Laden Zum kleinen Zinken, Untertitel: „Restaurant für Arm und Reich“. Die Herrenklohähne übten sich aber auch schon zum damaligen Zeitpunkt im Synchronfließen.


21 Februar 2010

Kein Risiko



Matt
zum alten Freund C: „Wie geht es eigentlich deiner Tochter?“

Junge frische Freundin des alten Freundes C. mit aufgerissenen Augen zum alten Freund C.: „Was: Du hast eine TOCHTER?“

Exakt wegen dieses denkbaren Gesprächsverlaufs fragte ich meinen alten Freund C. (M., scharf) in Gegenwart seiner jungen frischen Freundin dann doch lieber nicht nach dem Befinden seiner Tochter. Und als sie mal nicht dabei war, dachte ich nicht dran.

Vielleicht ist das aber auch alles völlig unwichtig.



20 Februar 2010

Blasphemie!



„Ich habe schlechte Nachrichten“, sagte C. am Telefon, „wir kommen euch besuchen.“

„Ach, es gibt schlechtere Nachrichten“, antwortete ich – und dachte: zum Beispiel das Abschmelzen der Polkappen. Das stimmt natürlich gar nicht, im Gegenteil: Ich freute mich auf den Besuch von C. und N., zumal sie gleich am zweiten Tag in die „Pop Life“-Ausstellung in der Kunsthalle gehen wollten.

Dort stießen wir auf Maurizio Cattelans blasphemische Pferdeinstallation und dachten, es handele sich um ein ausgestopftes Tier, weil wir kurz zuvor über Damen Hirsts in Formaldehyd eingelegtes echtes Kalb mit den goldenen Hufen gestolpert waren, doch Cattelan hatte Fiberglas genommen und ein Pferdefell drübergezogen, was uns hätte beruhigen sollen.

Und das tat es dann auch, irgendwie (doch nicht).



18 Februar 2010

Fundstücke (67)



Die Kneipe Blauer Peter am Hamburger Berg übt sich in Galgenhumor.

Danke für Hinweis und Beweisfoto an Meister Miele.

17 Februar 2010

Rubens ist tot



Wieder ein Kiezoriginal weniger.

Nach Stefan Hentschel, Käse-Renate, Opa Edi und Domenica hat es nun auch den Maler Erwin Ross erwischt.

Bis zuletzt hat der 83-Jährige – Kampfname: Rubens von der Reeperbahn – in seinem Atelier Bilder produziert. Seine saftigen Porträts draller Nackter zieren flächendeckend den Kiez. Auch die gespreizten Beine, durch die man die Ritze an der Reeperbahn betritt, sind sein Werk, und zwar sein berühmtestes.

Ross’ malte Frauen immer so, wie Klischeemachos sie sich vorstellen: üppig, kurvig, verspielt und mit sinnlichem Blick.

Die Härte des Sexgeschäfts, den Schmuddel, die emotionale Verrohung, die auf dem Kiez ja auch zu Hause sind, hat er stets rausgehalten aus seinen Bildern. Stattdessen verkörpern sie das Versprechen auslebbarer Lust – und zugleich die Chance, dass die porträtierte Sexbombe dir irgendwann zwei Kinder schenkt und ihr glücklich werdet im Treppenviertel mit Elbblick.

Seit dem 12. Februar ist Ross nicht mehr da. Seine Nackten aber werden es noch lange sein.



16 Februar 2010

Karneval bei Lillo



Lillo ist ein untersetzter schwarz- und kulleräugiger Italiener sowie unumschränkter Cheffe des Restaurants Don Camillo e Peppone in der Seilerstraße, wo wir heute zu viert einfielen.

Lillo musste einige Pannen erklären im Laufe des Abends, zum Beispiel die rhythmischen Stromausfälle, die zum Glück durch die vorsorglich aufgestellten Kerzen vorzüglich kompensiert wurden. Oder die vergessenen Antipasti. Und er tat das mit so viel Charme und – was noch wichtiger war – generös spendierten Likören, Schnäpsen und Weinflaschen, dass wir ihm nicht die Spur böse sein konnten, ganz im Gegenteil.

„Tute mir leide mit de vergessene Antipasti“, barmte er kulleräugig. „Macht nix“, kalmierte ich verständnisvoll die Lage, „wir kommen trotzdem wieder.“ Lillo erstrahlte wie eine Lichterkette und rief: „I love you!“, wobei er eine irgendwie kugelrunde römische Version von Michael Jackson abgab, nur vokal tieffrequenter.

Zwischendurch erfreute er uns mit einer kaluaähnlichen Kreszenz namens „Jack Russell“. „So etwasse habese noch nie e-getrunke!“, versprach Lillo beim Verteilen des pechschwarzen Trunks, den ich auf 16 Umdrehungen schätzte.

„Nein, sinde 42“, korrigierte er mit plötzlich verschwörerhaft gedämpfter Stimme und informierte uns über einen erst neulich stattgefundenen Exzess zu viert, an dem er federführend beteiligt war und dessen Bilanz am Ende einen Verbrauch von sechs Flaschen Jack Russell ergab.

„Und wisse was? Wir ware nich betrunke!“, schwor Lillo und schickte einen Gehilfen aus, damit wir den kaluaähnlichen Geschmack zeitnah mit einem Kräuterlikör übertünchen konnten.

Schließlich beschwor er uns, unbedingt zu seiner Karnevalsparty am 27. Februar zu kommen. „Aber übermorgen ist doch schon Aschermittwoch“, staunte Ms. Columbo, „dann ist doch alles vorbei.“

Lillo schaute mitleidig. „In welche Monat isse Karneval?“, fragte er rhetorisch. „Im Februar“, antworteten wir unisono. „Un sibbe un zwansiste? Isse nich Fäbbuar?“, triumphierte der Philosoph vom Appenin.

Dieser Logik konnten wir uns natürlich nicht verschließen, zumal wir nach Jack Russell, Averna und sizilianischem Vino Bianco eh zu jeder Konzession bereit gewesen wären. „Bitte kommese vorbei am
sibbe un zwansiste un bringe Freunde mit“, sagte Lillo, während er die Gesamtrechnung um acht Prozent kürzte, wegen der ganzen Pannen. Man müsse sich nicht mal verkleiden, versprach er, für Getränke sei ebenfalls gesorgt, alles natürlich kostenlos. „Machese Werbung für de Karneval!“, rief Lillo.

Doch dieses Blog ist werbefrei, das würde ich natürlich niemals tun.


15 Februar 2010

Fundstücke (66)



Dieser reizvolle Veranstaltungshinweis findet sich auf dem Monatsprogramm des Sommersalons am Spielbudenplatz – ein Killerargument für einen baldigen Besuch.

Außerdem kann man im Rahmen der Veranstaltung „SCHEISSE AUSSEHEN – SCHEISSE TANZEN“ seine hässlichste Klamotte gegen ein Astra tauschen.


Ich wühl schon mal im Kleiderschrank.


14 Februar 2010

Nur mit Ausweis

Sonnabend vergangener Woche war ein großer Tag für Ms. Columbo. Sie hatte im Mediamarkt eine FSK-18-Blu-ray aufs Kassenband gelegt – und wurde doch wahrhaftig nach ihrem Personalausweis gefragt.

Nicht, dass sie auch nur annähernd ihrem Alter entsprechend aussähe, keineswegs; doch ernste Zweifel an ihrer Volljährigkeit hatte selbst ich noch nie, der sie seit langem durch die rosarote Brille des vergötternden Gatten betrachtet. Jedenfalls war das ein toller Tag für Ms. Columbo; ihr Strahlen glühte noch nach bis zum frühen Abend.

Heute stand ich ebenfalls an der Mediamarktkasse mit einer FSK-18-Blu-ray. Und da sagte der Kassierer: „Wir müssen uns neuerdings von jedem den Personalausweis zeigen lassen, der Ab-18-Produkte kauft.“ Ich war perplex. „Auch wenn man so aussieht wie ich?“, fragte ich zurück. „Ja, von jedem“, sagte der Kassierer. Also zum Beispiel auch von Nelson Mandela (91).

Und deshalb darf Ms. Columbo von diesem Vorfall nie erfahren.


13 Februar 2010

Lecker: gebackene Kortaffel



Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten:

a) Der Kumpirbräter bat den Schildermaler per schriftlicher Vorlage, „Baked Patoto“ aufs Schild zu pinseln, und der Schildermaler dachte, kein Problem, Kunde, du bist König, und malte schweigend wie bestellt.

Oder …

b) … der Schildermaler verschrieb sich versehentlich, doch der Kunde – eher des Kumpirbratens als des Englischen mächtig – merkte zum Glück nichts, und jetzt ist der Fauxpas längst verjährt.

Wie auch immer: Das Ergebnis ist …

a) … am Grindelhof 8 verewigt und
b) einem wintertagversüßenden Schmunzeln recht dienlich.