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05 Oktober 2008
Ein letzter Sommergruß
Ab jetzt heißt es bis März: Sudelwetter; schirmvernichtende Böen; heimtückisch als Regengeniesel getarnte Vollduschen; kalte Sonnentage; wildes Wolkenhalali.
Und Menschen wie jener, der uns heute beim Einkaufen begegnete, werden von nun an seltener zu sehen sein. Sein graues Haupthaar strebte mit der gleichen Entschlossenheit nach oben wie sein ebenso grauer marxscher Bart gen Boden; ein schwarzer Umhang verortete ihn modisch in Nazareth um 9 nach Christus, seine Akustikgitarre hingegen, die er nur beschränkt virtuos zupfte beim Queren der Hein-Hoyer-Straße, verwies mehr aufs Hier und Jetzt.
Sockenlos tapste er vorüber in monströsen Sandalen, und auch das wird bald vorbei sein, sofern ihn keine religiösen Gründe zu dieser Selbstkasteiung zwingen (was ich aber für sehr wahrscheinlich halte). Denn ab jetzt heißt es: Sudelwetter, schirmvernichtende Böen, wildes Wetterhalali zuungunsten sockenloser Marx- & Jesusfreaks in schwarzen Umhängen.
Tja, der Sommer ist vorbei, und er war nicht mal groß. Das Bild täuscht.
04 Oktober 2008
Die Frage aller Fragen
Wahrscheinlich steht die Verpflichtung zu dieser Frage im Arbeitsvertrag sämtlicher Pennyverkäufer. Wer bei Penny an der Kasse sitzt, muss sie stellen, unabhängig vom Wert des Einkaufs oder der Reputation des Kunden.
Jeder vollendete Bezahlvorgang muss mit dieser Frage abgeschlossen werden, sonst Abmahnung. So weit, so gut. Als aber heute die Pennyverkäuferin dem Obdachlosen, der lediglich einen Tetrapak billigsten Rotweins aufs Band gelegt hatte, die in ihrem Arbeitsvertrag festgelegte Frage stellte, wurde das Surreale dieser Vorschrift doch sehr evident.
Sie blickte hoch zu dem Obdachlosen, der nach seinem Tetrapak griff, und fragte sie, die Frage aller Fragen.
Sie lautet: „Kassenbon?“
Der Mann schüttelte Kopf und Bart und ging hinaus. Genau wie ich wenig später, mit der gleichen Frage als Echo zwischen den Ohren – und vier Frühstücksbrötchen in der Tasche.
Vielleicht sollte man ihn sich wirklich mal geben lassen, den Kassenbon, und nachmittags mit einem angebissenen Brötchen wiederkommen: „Sorry, das war nicht gut, ich möchte es umtauschen, hier ist der Kassenbon.“
Eventuell nächsten Sonntag.
Jeder vollendete Bezahlvorgang muss mit dieser Frage abgeschlossen werden, sonst Abmahnung. So weit, so gut. Als aber heute die Pennyverkäuferin dem Obdachlosen, der lediglich einen Tetrapak billigsten Rotweins aufs Band gelegt hatte, die in ihrem Arbeitsvertrag festgelegte Frage stellte, wurde das Surreale dieser Vorschrift doch sehr evident.
Sie blickte hoch zu dem Obdachlosen, der nach seinem Tetrapak griff, und fragte sie, die Frage aller Fragen.
Sie lautet: „Kassenbon?“
Der Mann schüttelte Kopf und Bart und ging hinaus. Genau wie ich wenig später, mit der gleichen Frage als Echo zwischen den Ohren – und vier Frühstücksbrötchen in der Tasche.
Vielleicht sollte man ihn sich wirklich mal geben lassen, den Kassenbon, und nachmittags mit einem angebissenen Brötchen wiederkommen: „Sorry, das war nicht gut, ich möchte es umtauschen, hier ist der Kassenbon.“
Eventuell nächsten Sonntag.
02 Oktober 2008
Raus damit, FC St. Pauli!
Ich weiß, ich weiß: Die Modelabels Lonsdale, Dr. Martens, Fred Perry, Ben Sherman und Alpha zielen nicht explizit auf rechte Käuferschichten. Gleichwohl finden Neonazis diese Klamotten cool.
Und deshalb ist es jeden Monat sehr befremdlich, ausgerechnet in der Vereinszeitschrift des „linken“ FC St. Pauli, „Im Blickpunkt“, die Daueranzeige eines Hamburger Ladens zu finden, der uns mit Lonsdale, Dr. Martens, Fred Perry, Ben Sherman und Alpha locken will.
Ich weiß, ich weiß: Auch Normalos und linke Skinheads tragen das Zeugs. Trotzdem. Könnte der FC St. Pauli dort nicht eine Anzeige von American Apparel reinholen oder Greenpeace das Eckchen schenken?
Es ist sowieso unklar, ob für diese Anzeige überhaupt Geld fließt. Da gab es nämlich mal eine jahrelang schlichtweg vergessene Wal-Mart-Werbung, die noch ewig nach der Schließung des Ladens halbseitig im Heft war und erst in der neusten Ausgabe fehlt. Leider ganz im Gegensatz zu der mit Lonsdale, Dr. Martens, Fred Perry, Ben Sherman und Alpha.
Die muss auch raus, FC St. Pauli! Denn wenn man richtig antifa sein will, muss man manchmal auch ein bisschen ungerecht sein.
01 Oktober 2008
Kreuzfahrtnachklapp
Noch eine kleine Episode vom Schiff. Ich stand erschöpft und schweißnass im Aufzug auf Deck 10, als dieser alte Herr mit der Gehhilfe zustieg, dessen Hupe die Philippinos (Foto) aus dem Speisesaal immer so gerne drücken.
Er wackelte mit winzigen Trippelschrittchen herein, schaute mich an und fragte mit zittriger Stimme: „Ka-ann e-es sa-ain, dass Sie schwit-zen?“ „Nun“, antwortete ich, „es ist eben mörderanstrengend, eine 110 Kilo schwere Vettel zu entbeinen.“
Ms. Columbo schaut mich entgeistert an, als ich das erzähle. „Das hast du nicht wirklich gesagt, oder?“ Nein, natürlich nicht. Aber ich kenne einen, der das getan hätte. Ich Langweiler hingegen sagte natürlich bloß die Wahrheit: Dass ich vom Fußball käme.
Der alte Herr nahm es still hin. Aber er starrte mich an, als hätte ich gesagt, es sei mörderanstrengend, eine 110 Kilo schwere Vettel zu entbeinen.
Bis zum Aussteigen herrschte Schweigen im Aufzug. In der Kabine ging ich dann sofort duschen.
29 September 2008
Zurück im echten Leben
Der blonde obdachlose Russe vor Budni an der Simon-von-Utrecht-Straße hat den rechten Arm komplett in Gips, zur Entschädigung aber auch neuerdings eine dunkelhäutige Obdachlose im Schlafsack.
Vor unserem Hauseingang hinterließ wieder mal jemand einen Haufen, und der Jemand war allem Anschein nach kein Hund.
An der Bushaltestelle Davidstraße ist eine riesige Pfütze strahlenförmig eingetrocknet, von der ich keinesfalls Quelle und chemische Zusammensetzung erfahren möchte, und auf das Halteverbotsschild am Millerntorplatz hat jemand einen „Na toll“-Sticker gepappt.
Kurz, wir haben Skagerrak und Kattegat wieder gegen den Kiez eingetauscht. Und verdammt: Wir lieben es!
Vor unserem Hauseingang hinterließ wieder mal jemand einen Haufen, und der Jemand war allem Anschein nach kein Hund.
An der Bushaltestelle Davidstraße ist eine riesige Pfütze strahlenförmig eingetrocknet, von der ich keinesfalls Quelle und chemische Zusammensetzung erfahren möchte, und auf das Halteverbotsschild am Millerntorplatz hat jemand einen „Na toll“-Sticker gepappt.
Kurz, wir haben Skagerrak und Kattegat wieder gegen den Kiez eingetauscht. Und verdammt: Wir lieben es!
Attentat in Kopenhagen
Wenn ich früher in fremde Länder und Städte reiste, suchte ich stets nach den besten Plattenläden und kam nach Hause mit einem Stapel Vinyl, der einen beträchtlichen Teil meines Reisebudgets verschlungen hatte.
Wenn ich heute in fremde Länder und Städte reise, suche ich noch immer nach den besten Plattenländen und komme nach Hause mit – nichts. Es gibt keine Plattenläden mehr.
Die ganze Woche über stromerten wir durch skandinavische Großstädte, ohne Erfolg. „Die Schuhgeschäfte sind auch öde“, sagt Ms. Columbo, „wenn dich das tröstet.“ Nun: tut es nicht.
In Kopenhagen scheint man übrigens auch die Qualität aktueller Modetrends zu missbilligen, wie die Schussverletzung der abgebildeten Schaufensterscheibe nahelegt. Irgendwie ist der Kapitalismus halt auch nicht mehr das, was er mal war.
Wenn ich heute in fremde Länder und Städte reise, suche ich noch immer nach den besten Plattenländen und komme nach Hause mit – nichts. Es gibt keine Plattenläden mehr.
Die ganze Woche über stromerten wir durch skandinavische Großstädte, ohne Erfolg. „Die Schuhgeschäfte sind auch öde“, sagt Ms. Columbo, „wenn dich das tröstet.“ Nun: tut es nicht.
In Kopenhagen scheint man übrigens auch die Qualität aktueller Modetrends zu missbilligen, wie die Schussverletzung der abgebildeten Schaufensterscheibe nahelegt. Irgendwie ist der Kapitalismus halt auch nicht mehr das, was er mal war.
28 September 2008
Der doppelte Vogel
An Bord sind lauter Doppelgänger. Das fängt beim Kapitän an, der zwar Morten Arne Hansen heißt, aber aussieht wie Niki Lauda. Und gestern Abend in der Casablanca Bar saß am Nachbartisch Rita Süßmuth.
„Nein“, widerspricht Ms.Columbo, „das ist höchstens Jutta Limbach.“ Bei dem weißhaarigen Herrn mit den nach oben breiter werdenden Graulocken sind wir uns allerdings einig: ganz klar Hans-Jochen Vogel (Foto) – obwohl sich Ms.Columbo lange Zeit unsicher war, ob es sich dabei überhaupt um einen Mann handelte.
Verstohlen schaue ich mir den Menschen länger an. „Vielleicht ist das wirklich Hans-Jochen Vogel“, flüstere ich Ms. Columbo zu. „Hätte er dann nicht Personenschutz?“, wendet sie ein. „Der ist doch längst pensioniert und wohnt im Seniorenheim“, versuche ich ihr stichhaltiges Argument zu widerlegen.
Andererseits traf ich in einem Hamburger Klaviergeschäft mal Altkanzler Helmut Schmidt, und der war in Begleitung eines auffällig unauffälligen Mannes von kräftiger Statur, der auffällig interessiert tuend seine desinteressierte Nase in Notenblätter steckte.
Aber Schmidt war mal Kanzler, und was war Vogel? Nein, nicht jeder retirierte Expolitiker kriegt zeitlebens Personenschutz.
Schon gar nicht mit dieser Frisur.
„Nein“, widerspricht Ms.Columbo, „das ist höchstens Jutta Limbach.“ Bei dem weißhaarigen Herrn mit den nach oben breiter werdenden Graulocken sind wir uns allerdings einig: ganz klar Hans-Jochen Vogel (Foto) – obwohl sich Ms.Columbo lange Zeit unsicher war, ob es sich dabei überhaupt um einen Mann handelte.
Verstohlen schaue ich mir den Menschen länger an. „Vielleicht ist das wirklich Hans-Jochen Vogel“, flüstere ich Ms. Columbo zu. „Hätte er dann nicht Personenschutz?“, wendet sie ein. „Der ist doch längst pensioniert und wohnt im Seniorenheim“, versuche ich ihr stichhaltiges Argument zu widerlegen.
Andererseits traf ich in einem Hamburger Klaviergeschäft mal Altkanzler Helmut Schmidt, und der war in Begleitung eines auffällig unauffälligen Mannes von kräftiger Statur, der auffällig interessiert tuend seine desinteressierte Nase in Notenblätter steckte.
Aber Schmidt war mal Kanzler, und was war Vogel? Nein, nicht jeder retirierte Expolitiker kriegt zeitlebens Personenschutz.
Schon gar nicht mit dieser Frisur.
23 September 2008
Alter Schwede
Schwupps, Goeteborg. Die Ost- war wie die Nordsee: ein funkelndes Silbertablett. Seestaerke 1 also. Und die Windgeschwindigkeit ist identisch mit unserem Fahrtempo, aber auch nur, WEIL wir uns bewegen; sonst waere sie null.
Selbst die Norweger und Schweden reiben sich die Augen, weil sie so einen Spaetsommer noch nicht erlebt haben. Wir aber nehmen ihn einfach persoenlich.
Normalerweise passiert uebrigens immer etwas Ungewoehnliches, wenn wir irgendwo urlauben, und ich muss meine Eltern telefonisch beruhigen. In Rom zum Beispiel entgleiste gleich an unserem Ankunftstag die U-Bahn. Auch das ist diesmal anders: Es gibt lediglich einen Amoklauf in Finnland. Wahrscheinlich muss ich meine Eltern trotzdem telefonisch beruhigen.
Unsere Stadtrundfahrt durch Goeteborg leitete heute ein Herr, der bei uns scheel angeschaut wuerde, wenn er nur versuchte, allein die Strasse zu ueberqueren. Also ein echter alter Schwede ...
Jedes Land, das meine Kalaueritis nicht hemmt, ist mir uebrigens sehr sympathisch.
22 September 2008
Pimp our city!
Seltsam, waehrend der Mahlzeiten im Schiffsrestaurant laufen staendig die Soundtracks von "Titanic" und "Das Boot" - aber waren das nicht beides Wasserfahrzeuge, die sich unversehens in recht unangenehmen Situationen befanden, und sollte man die Teilnehmer einer Kreuzfahrt nicht eher ablenken von so etwas ...?
Dazu kommt: Es sind nicht die Originalscores, sondern an Scheusslichkeit nicht zu ueberbietende Panfloetenversionen. Wenigstens werden wir so mitten auf dem Meer an die Heimeligkeit festverankerter Fussgaengerzonen erinnert.
Hier in Oslo haengen an Muelleimern uebrigens Schilder, auf denen steht: "Pimp our city!" Die Einwohner werden also ersucht, ihre sympathische Stadt moeglichst auf Zuhaelterniveau zu hieven.
Da fuehlen wir uns doch gleich wie zu Hause auf der Reeperbahn.
So, heute Nacht geht es nach Schweden.
Dazu kommt: Es sind nicht die Originalscores, sondern an Scheusslichkeit nicht zu ueberbietende Panfloetenversionen. Wenigstens werden wir so mitten auf dem Meer an die Heimeligkeit festverankerter Fussgaengerzonen erinnert.
Hier in Oslo haengen an Muelleimern uebrigens Schilder, auf denen steht: "Pimp our city!" Die Einwohner werden also ersucht, ihre sympathische Stadt moeglichst auf Zuhaelterniveau zu hieven.
Da fuehlen wir uns doch gleich wie zu Hause auf der Reeperbahn.
So, heute Nacht geht es nach Schweden.
20 September 2008
Leinen los!
So, hier wird in den nächsten acht Tagen eine gewisse Sporadik Einzug halten, denn diejenige, die bei uns die Blumen gießt und wachsam wie ein Erdmännchen die Wohnung hütet, hat keinerlei Blogbefugnis.
Und ob ich unterwegs auf hoher See zufällig ein offenes WLAN antreffe, ist eher subwahrscheinlich. Zudem soll ich bei Landgängen nach Ms. Columbos Meinung nicht sofort für Stunden in einem Internetcafé verschwinden, sondern mich eher mit ihr der nordischen Kultur und Kulinarik widmen.
Also: Alles ist möglich – natürlich auch nichts.
19 September 2008
Ein Bewerbungsbrief
Liebe Glücksspirale,
Sie loben in Gewinnklasse 7 allwöchentlich eine lebenslange Sofortrente von 7500 Euro aus. Im Grunde ist das für uns Tipper viel attraktiver als die 100 000 Tacken auf einen Schlag aus Gewinnklasse 6 – und für Sie und die das Risiko absichernde Öffentliche Versicherung Braunschweig immens unberechenbar. Denn was, wenn irgend so ein strunzgesunder Slow-Food-Teenager die Rente abräumt und 116 wird? Wissen Sie, was Sie dem nämlich zahlen müssen? Über 8 Millionen!
Ein erhebliches finanzielles Risiko, nicht nur bei einem strunzgesunden Slow-Food-Teenager: Schließlich werden wir alle älter. Doch es gibt eine Möglichkeit, dieses Risiko aus der Welt zu schaffen, und zwar buchstäblich. Ein Freund von mir, dessen Namen ich aus Gründen, die Sie gleich verstehen werden, (noch) nicht nennen kann, möchte nämlich gern für Sie arbeiten, und zwar als Sofortrentnerbetreuer. Er könnte sich um jene Leute „kümmern“, die das – ähem – Glück hatten, Ihre lebenslange Apanage zu gewinnen.
Trotz seines potenziell enormen Effektes auf Ihre Bilanzen ist die Gehaltsvorstellung meines Freundes moderat. Sie liegt bei nur 10 000 Euro monatlich, plus Spesen. Das halten Sie für hoch? Nein, schauen Sie: Selbst wenn er zwischen dem 1. und 30. nur zwei Sofortrentner „betreut“, amortisiert er sich schon. Doch er liegt erfahrungsgemäß deutlich über dieser Quote. Sein Rekord liegt bei zwölf - im Monat! Aber das werden Sie alles seiner beeindruckenden Referenzmappe entnehmen können.
Diese einfache Kosten-Nutzen-Rechnung jedenfalls führt Ihnen sicherlich die Lukrativität seines Angebotes vor Augen. Es ist gleichsam eins, das Sie nicht ablehnen können. Und wenn Sie noch zögern, weil Sie vermuten, auch ich hielte gewiss die Hand auf für meine Vermittlungsdienste, so ist das natürlich richtig. Doch es reicht, mir als Provision eine lebenslange Sofortrente zuzusichern - und die Garantie, mich niemals in den dienstlichen Fokus meines Freundes zu rücken.
Bitte melden Sie sich. Mein Freund könnte sofort loslegen. Prophylaktisch trainiert er schon fleißig, wie Sie mehrfach wöchentlich jedem beliebigen Boulevardblatt entnehmen können … ;-)
Mit geschäftsmäßigen Grüßen
Matt
PS: Ich habe erst im Zuge dieses Schreibens entdeckt, dass Ihr Logo an eine Zielscheibe erinnert. Nun: Wir haben verstanden, haha …
Shampootest beim Iggygig
Als Iggy Pop, der trotz Kälte mit nacktem Oberkörper und kleinem Bäuchlein über die Freilichtbühne im Stadtpark springt, schon nach 20 Minuten Fans auf die Bühne winkt, bricht augenblicklich Chaos aus.
Die Sicherheitleute rasen panisch herum wie kopflose Duracellhasen. Wahllos stürzen sie sich auf einzelne Leute, ringen sie nieder, rollen ineinander verkeilt über den Rasen vor der Bühne.
Iggy sieht das und stürmt heran, um sie zu befreien, er kämpft im Weitersingen selbst mit der Security, und dabei dampft sein Rücken im Scheinwerferlicht.
Mir rammt derweil ein enthemmter Stachelpunk seine Frisur ins Gesicht, und ich stelle fest: Sein Shampoo riecht gut.
Herrlicher Abend. Bis auf die Tatsache, dass ihn meine Kamera zu Hause in der Ladestation verdämmerte. Daher ein vage konnotiertes Archivbild.
Der Rest des Abends war weniger wild, doch nicht minder interessant – alles dazu bei GP.
Die Sicherheitleute rasen panisch herum wie kopflose Duracellhasen. Wahllos stürzen sie sich auf einzelne Leute, ringen sie nieder, rollen ineinander verkeilt über den Rasen vor der Bühne.
Iggy sieht das und stürmt heran, um sie zu befreien, er kämpft im Weitersingen selbst mit der Security, und dabei dampft sein Rücken im Scheinwerferlicht.
Mir rammt derweil ein enthemmter Stachelpunk seine Frisur ins Gesicht, und ich stelle fest: Sein Shampoo riecht gut.
Herrlicher Abend. Bis auf die Tatsache, dass ihn meine Kamera zu Hause in der Ladestation verdämmerte. Daher ein vage konnotiertes Archivbild.
Der Rest des Abends war weniger wild, doch nicht minder interessant – alles dazu bei GP.
18 September 2008
Gut mit Hut
Am Rande des Talstraßenfestes hingen Zeichnungen auf der Wäscheleine. Damit semantisch irgendwie verbunden war das Schild „Schöne Menschen und Weltfrieden“.
Das leicht rätselhafte Arrangement weckte mein Interesse, die Farbgestaltung tat ihr Übriges: Ich fotografierte es. Daraufhin trat eine Frau mit Hut an mich heran und fragte: „Warum haben Sie das gerade fotografiert?“
Ich hätte nun antworten können, das ginge sie einen nassen Kehricht an und sie solle mich bloß nicht von der Seite anmachen, das passiere mir hier auf dem Kiez eh ständig, und jedes Mal sei einmal zu viel – doch danach war mir ganz und gar nicht; so ein Typ bin ich nicht mal.
Also erläuterte ich ihr mein grundsätzliches Interesse an der Phänomenologie St. Paulis, die ich seit Jahren in liebevoller Kleinarbeit ablichte, wofür mir indes nur recht selten Dank widerfahre. Daraufhin enttarnte sie sich als Produzentin der Wäscheleinebilder und erbot sich, mich zu zeichnen, hier und jetzt und in fünf Minuten. Wenn mir das Bild gefiele, dürfe ich es gegen Entrichtung von 5 Euro mitnehmen; wenn nicht, dann eben nicht. Kein Risiko.
Nun: Die Sonne schien, ihr Hocker war bequem, ich setzte mich und hielt still. „Oh“, entfuhr es ihr allerdings nach einigen gedehnten Minuten alarmierend, „jetzt habe ich mich vermalt!“ In der Tat: Diese Lippen schienen mir nicht meine, und die Augen wirkten auf eine Weise entrückt, die ich an mir nicht kannte. „Haben Sie noch ein wenig Zeit? Ich versuch’s noch mal.“
Dann legte sie wieder los, und mir dämmerten allmählich die Probleme beim Porträtsitzen. Man ist verpflichtet, kein dummes Zeug zu reden, am besten gar keins, was mir beides traditionell schwerfällt. Man muss immer Augenkontakt halten, was mir nicht behagt, zumindest bei einer gänzlich fremden Frau mit Hut. Und man hat die ganze Zeit das Gefühl, man simuliere ein bestimmtes Gesicht, anstatt einfach so Gesicht zu sein wie immer, wenn man gerade nicht porträtiert wird.
„Wenn Sie mich zeichnen“, durchbrach ich das verordnete Schweigen, „dann möchte ich Sie auch fotografieren dürfen, für mein Blog.“ Durfte ich dann auch. Und voilà: Hier haben wir Inge Kaliska, die Livezeichnerin. Sie tingelt mit Hut von Fest zu Fest, lässt sich für Feiern buchen (zum Dreistundenfestpreis) und macht generell einen sehr gelassenen Eindruck, der – wenn alle so wären – vielleicht nicht zu mehr schönen Menschen, doch mit Sicherheit zum Weltfrieden führte.
Das zweite Porträt gelang ihr übrigens sehr viel besser. Für meine 5 Euro durfte ich trotzdem beide mitnehmen.
Höchstgebote bitte in den Kommentaren.
17 September 2008
Nutzloses Wissen
Habe gestern glatt den dritten Bloggeburtstag vergessen.
Ms. Columbo hingegen nicht: Sie schenkte mir zur Feier des Tages ein Buch von Ralf „Stromberg“ Husmann, und zwar mit den Worten: „Heute hat auch Oskar Lafontaine Geburtstag. So kannst du dir das immer gut merken.“
Ms. Columbo verdanke ich somit schon das zweite Mal in dieser Woche extrem interessantes nutzloses Wissen. Am Montag bereits war sie beim Blättern in einem Reiseführer auf eine norwegische Vokabel gestoßen, die ich nie mehr vergessen werde.
Weichen Kuchen nennen sie in Oslo & Co. nämlich „Bløedkake“. Steht im Reiseführer. „Ich glaube“, sagt Ms. Columbo, „man kann eine Menge Spaß haben, wenn man Norwegisch lernt.“
Das fände wohl auch das Ballonmännchen über der Talstraße.
16 September 2008
Presspappe, wenigstens paniert
Beim Coldplay-Konzert in der Color Line Arena kam ich plötzlich auf eine wirklich doofe Idee: etwas zu essen.
Hühnchen, dachte ich, sei ein angenehm leichter Begleiter zum Bier. Also orderte ich „Chicken Nuggets“. Mit kleinen Barren Gold hatte das allerdings nichts zu tun, wie sich rasch herausstellte.
Ich erhielt für 4,30 Euro eine rechteckige Pappschachtel und hegte nicht nur dank des gepfefferten Preises durchaus Erwartungen. In der Schachtel lagen auch in der Tat ein paar panierte Hühnchenstücke, doch wo war die Soße? Und die Fritten?
Absent, alle beide. Das Mahl war also höchst frugal; meine üblichen Ansprüche – mehrere frei kombinierbare Esskompomenten – mussten rapide zurückgefahren werden. Damit hatte ich Fastfoodnovize nicht gerechnet. Einer Ergänzungsorder indes stand mein Stolz entgegen.
Also begann ich zu essen. Bereits beim ersten Bissen in ein Nugget wurde mir die Dimension meines Fehlers klar. Ganz ohne Zweifel bemühte sich das amorphe Etwas zwischen meinen Zähnen, panierte Presspappe zu simulieren – mit dem Unterschied, dass Presspappe auch unpaniert erheblich mehr Aroma besitzen dürfte als dieses feuchtigkeitslose weiße Nahrungsimitat.
Hier war kulinarisch praktisch nichts zu retten, höchstens zu übertünchen, am besten mit Hilfe von Soße. Also ging ich zurück zum Tresen und bat darum. Das Stirnrunzeln des recht betagten Herrn mit seiner lustigen Burgermütze verhieß jedoch nichts Gutes.
Die Soße hätte ich extra ordern und somit auch bezahlen müssen, deutete er an. Doch er wolle mal nicht so sein. Irgendwie konspirativ schob er mir ein winziges Aludöschen rüber, auf dem „Barbecue Sauce“ stand. Kostenlos!
Die Soße entpuppte sich als probates Mittel, die Hühnchensimulation mit einem Geschmack plattzumachnen, der mithilfe einer ganzen Armada künstlicher Aromapampe meiner Fantasie so etwas wie die Ahnung eines Grillabends vorzuspiegeln versuchte.
Mühsam mümmelte ich mich durch die Melange. Doch nicht das entwürdigende Essen war das Schlimmste an der ganzen Situation – sondern mein Gefühl der Dankbarkeit gegenüber dem Chicken-Nuggets-Höker, weil er mir ein Aludöschen Soße ausgegeben hatte.
Es ist schwer, kulturell tiefer zu sinken. Coldplay konnten nur zu einer Verbesserung der Lage beitragen, und das taten sie dann auch – vor allem mit ihrem Bühnenschlussbild „Viva“, das mir wie eine persönliche Botschaft der Band an mich vorkam.
15 September 2008
Guckt Kerner!
Ich erkenne mich selbst nicht wieder und tue es trotzdem: Hiermit fordere ich weböffentlich zum morgigen Kernergucken auf.
Ja, da staunen Sie. Doch ich bin weder Masochist, noch geistig umnachtet, sondern mit Gründen gut bestückt: Denn die legendär trinkfeste Autorin Jutta Vey ist dort nicht nur zu Gast, sondern auch jetzt schon saunervös.
Dabei habe ich ihr längst den Killerratschlag schlechthin gegeben: Laaaaaaangsam sprechen. Dass er bei Frau Vey kaum Euphorie auslöste, liegt wohl an meiner lückenhaften Kompetenz auf diesem Gebiet.
Ich bin nämlich das öffentlichkeitsscheuste Geschöpf diesseits des Grottenolms und verstehe von Fernsehauftritten so viel wie eine Trottellumme vom Staubsaugen. Also: Kerner gucken! Dienstagabend um 23 Uhr, ZDF.
Lobpreisungen der Teilnehmerschar dann bitte hier in den Kommmentaren.
Ja, da staunen Sie. Doch ich bin weder Masochist, noch geistig umnachtet, sondern mit Gründen gut bestückt: Denn die legendär trinkfeste Autorin Jutta Vey ist dort nicht nur zu Gast, sondern auch jetzt schon saunervös.
Dabei habe ich ihr längst den Killerratschlag schlechthin gegeben: Laaaaaaangsam sprechen. Dass er bei Frau Vey kaum Euphorie auslöste, liegt wohl an meiner lückenhaften Kompetenz auf diesem Gebiet.
Ich bin nämlich das öffentlichkeitsscheuste Geschöpf diesseits des Grottenolms und verstehe von Fernsehauftritten so viel wie eine Trottellumme vom Staubsaugen. Also: Kerner gucken! Dienstagabend um 23 Uhr, ZDF.
Lobpreisungen der Teilnehmerschar dann bitte hier in den Kommmentaren.
14 September 2008
Kann mir keine Melone kaufen! (2)
Den dicksten Klopfer auf dem Pflaster des Beatles-Platzes hatte ich sogar übersehen, wahrscheinlich aus Selbstschutz.
Zu meinem mentalen Ungllück machte mich heute jedoch Olaf Wunder von der Mopo drauf aufmerksam: Aus dem Song „Baby you can drive my car“ machten die verwantwortlichen Pilzkopfpfeifen „Drive me car“.
Wirkt wie ein Befehl ans vollautomatische Roboauto der Zukunft.
Kann mir keine Melone kaufen!
Wie wir alle wissen, spielten sich die Beatles Anfang der 60er auf dem Kiez den Podex ab. Dabei wurden sie unglaublich gut – und anschließend zur erfolgreichsten Band aller Zeiten; die Zukunft eingeschlossen, wie mir Ms. Columbos Glaskugel soeben bestätigt hat.
Trotzdem gab es im dröseligen Hamburg nie offizielle Gedenkstätten, die an diese Weltsensation erinnerten. Japanische Touristen oder zugereiste Blogger mussten sich mit privaten Publikationen bewaffnet mühsam von Wirkungsstätte zu Wirkungsstätte hangeln.
Und dabei hätte es jetzt auch bleiben sollen. Denn wenn es eine Stadt 48 Jahre lang nicht schafft, den Ruhm der größten Band der Welt touristisch zu nutzen, sollte sie besser für immer schweigen.
Gleichwohl haben wir hier seit Mittwoch einen Beatles-Platz, zwischen Reeperbahn und Großer Freiheit, im Angesicht des Stripschuppens Susis Showbar. Von dort sieht man nun eine kreisrunde Fläche aus dunklem Belag, die an eine Schallplatte gemahnen soll. Darauf stehen fünf Schattenumrisse aus geformten Metallbändern: die vier Beatles und – etwas abseits – der arme Stuart Sutcliffe, der die Band 1960 verlassen hatte und zwei Jahre später in Hamburg einer Hirnblutung anheim fiel.
Wie auch immer: Das Ganze ist ein schmuckloses, geradezu ärmliches Arrangement, zumindest im schonungslosen Licht eines strahlenden Septembertages. Es wirkt hingeschlurt und billig. Man kann es nicht mal richtig fotografieren.
Wie ungemein liebevoll die Stadt an das Projekt ranging, zeigt nicht nur seine betrübliche Schlichtheit, sondern auch die Sorgfalt seiner Ausgestaltung. In die runde Grundform sind Songtitel der Beatles eingelassen, aber man ließ die Inschriften leider nicht Korrektur lesen, dafür war wohl kein Geld mehr da. Denn jetzt fehlt „Sgt. Pepper’s“ für immer sein angestammtes und grammatisch unabdingbares Apostroph:
Und der bedauernswerte Song „Can’t buy me love“ büßte auf dem Weg zum Beatles-Platz ein Leerzeichen ein und endet jetzt auf „melove“. Oder liegt der Tippfehler ganz woanders, nämlich beim v? Vielleicht gibt es ja einen mir unbekannten Beatles-Song, der von einer Kürbisfrucht handelt („Can’t buy a melon“), und statt eines Leerzeichens hat die Stadt den unbestimmten Artikel vergessen, dafür aber hinten ein e zu viel angehängt?
Man weiß es nicht. Man weiß nur eins: Millionen von Touristen und Kiezbesuchern werden künftig feststellen, dass man in Hamburg, wo die Beatles zur größten Band der Welt wurden, nicht mal ihre Songtitel fehlerfrei buchstabieren kann.
Kann hier eigentlich jemand gut mit einem Winkelschleifer umgehen?
13 September 2008
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