06 Mai 2011

Käse, Metal, Polizei



Wenn Ina Finn (Foto), eine der besten Hamburger Sommelières, erneut die großartigsten Käsesorten Frankreichs für lau sowie passende Spitzenweine für einen angemessenen Preis offeriert, dann sollte man eigentlich meinen, halb Hamburg begehrte entschlossen Einlass an der Tür der Villa Verde, doch es waren nur ungefähr 30 – darunter der Franke, Ms. Columbo, ramses101 und ich.

Während ein wagenradgroßer Brie de Meaux majestätisch zerfloss, fühlten wir uns wie Gott in Frankreich (zumindest im Sinne der aktuellen Lesart, denn einst – in gottesfeindlichen jakobinischen Zeiten –, bedeutete der Spruch ja bekanntlich genau das Gegenteil). Für den Fall, wir müssten für fünf Jahre ins Gefängnis, wäre die Villa Verde zu Käsestammtischzeiten zweifellos ein geeigneter Ort, um die Zeit würdig abzusitzen. „Außer mit Laktoseintoleranz“, ergänzte der Franke lakonisch, ehe er sich wieder mit verheerenden Folgen am Büffet zu schaffen machte.

Nicht vor Ort war natürlich der bekennende Käse-, Wein- und Aquaphobiker German Psycho. Gäbe es bereits olfaktorische Tweets, hätte ich ihm dem Duft des Brie de Meaux getwittert. So aber konnte ich nur twitternd die Nichtexistenz olfaktorischer Tweets bedauern.

Die ältliche Dame neben mir, eine strengfrisierte Erscheinung von hanseatischer Steifheit, nutzte die Aufmerksamkeit meines halben Ohres, um mir von ihren zahlreichen Reisen zu berichten („Schon 35-mal in Italien, aber immer woanders.“). Doch nur ein einziges Mal ergatterte sie meine ganze Aufmerksamkeit, und zwar mit dem frappierenden Satz: „Ich bin von der Klassik zum Heavy Metal gekommen.“

Dann plapperte sie strengfrisiert über ihre Vorliebe für Sepultura und Annihilator und offenbarte, bereist siebenmal Motörhead im Docks gesehen zu haben. Ich nur zweimal. Verdammt.

Auf dem Heimweg fand ich den Personalausweis einer jungen Frau aus der Annenstraße, den ich ihr gern vorbeibringen wollte, doch Ms. Columbo bestand auf Ablieferung bei der Polizeiwache um die Ecke.

Ein Vorschlag mit Folgen, denn die Einreichung eines aufgefundenen Personalausweises setzt einen bürokratischen Prozess ungeahnten Ausmaßes in Gang. „Ein Personalausweis gehört der Bundesrepublik Deutschland“, dozierte Wachtmeister Gohlke, während er meine persönlichen Daten aufnahm, „Sie sind nur der Besitzer.“

Derweil tippte er eine Zeile nach der anderen voll und löcherte mich mit Fragen, unter anderem dieser: „Wünschen Sie einen Finderlohn?“ Ein Danke würde mir reichen, winkte ich generös ab, doch später bereute ich es. „Ich hätte einen Euro verlangen sollen“, sagte ich zu Ms. Columbo. „Dann wäre die Geschichte weitergegangen.“

Und darum geht es doch im Leben, oder nicht: dass die Geschichten weitergehen.

Der nächste Käsestammtisch findet übrigens am 16. Juni statt. Dies als Botschaft an halb Hamburg.

8 Kommentare:

  1. Fremdwörter für Männer: olfaktorisch und haptisch!

    Ansonsten Villa verde - dekadent

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  2. Dekadent? Ach Mist. Manchmal hasse ich mich für meine Abneigung gegenüber Käse.

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  3. Vielleicht bekehrt Sie ja diese weitere Chance auf Dekadenz. Wir drücken die Daumen!

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  4. Wieder was gelernt: hanseatisch steif und streng frisiert ist nichts was guten Musikgeschmack wirklich abhält sich durchzusetzen.
    DAS rettet mir den Tag!
    Frau-Irgendwas-ist-immer, auf der Suche nach einem Käsebrot

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  5. German Psycho! Wie kann man bloß eine Abneigung gegen Käse haben?
    Ohne Käse wäre mein Leben öd und leer .... Jedenfalls mein kulinarisches!

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  6. Sie sprechen mir so sehr aus dem Herzen, verehrtes Frl. Krise, das glauben Sie gar nicht.

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  7. Ich bin ja grundsätzlich ein Fan davon, Leuten verlorene Sachen wieder zukommen zu lassen. Aber es ist doch sehr die Frage, ob man wirklich zur Polizei gehen sollte (die wenigsten Ausweise, die man findet, werden gefälscht sein), um sich dann durch irgendwelche trivialen Belehrungen subalterner Uniformträger im Grunde kostbare Lebenszeit stehlen zu lassen. Außerdem sehe ich immer weniger ein, denen meine Daten zu überlassen, ich habe ja nichts verloren. (Interessant vielleicht, das Gesicht solcher Beamtenseelen zu sehen, wenn man ihnen erklärte, daß man nicht bereit ist, als Finder ihnen irgendwelche persönlichen Daten zu überlassen.)

    Nein, ich habe mit der Polizei im Regelfall nie was zu tun und habe ein Interesse daran, daß es dabei bleibt. Zu groß ist doch für mich immer das theoretische Risiko, daß man sich über einzelne Personen da aufregt, und sei es nur für sich selber.

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  8. Ich liebe Käse und kann es auch nicht verstehen wie man keinen Käse mögen kann.

    Aber in den Köpfen der Menschen, da steckt man ja auch nicht wirklich drin ;-)

    Liebe Grüße

    Claudia

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