13 Dezember 2010

„Denkst du, ich bin Sozialamt?“



Auf dem Fischmarkt morgens um zehn. Das ist die Zeit, um tabula rasa zu machen.

Alles muss raus, definitiv, und wer jetzt noch hier herumläuft, weil er auf Ausverkaufspreise spekuliert, der ist garantiert Kiezianer.

Die Busladungen Touristen, die um fünf Uhr im Halbschlaf hierhergekarrt wurden, sind dagegen längst wieder zurück im Hotel. Sie haben den überteuerten Nippes und den Aal für 30 Euro das Kilo in ihren Zimmern abgeladen und sitzen jetzt zerschlagen im Frühstückssaal, mit den Augen auf Halbmast.

Hier auf dem Fischmarkt aber hat die Marktleitung inzwischen schon dreimal die Beschicker per Lautsprecherdurchsage zum sofortigen Schließen ihrer Stände aufgefordert. Allmählich wird es also ernst. Und das ist eine Situation wie gemalt für Schnäppchenjäger, die sich mit Wochenrationen an Obst und Gemüse eindecken wollen. Für Leute wie mich.

Händler (brüllt heiser): „KISTE SECHS MANGO NUR DREI E-URO! SECHS MANGO NUR DREI E-URO!“
Matt: „In dieser Kiste liegen sieben, können wir …“
Händler (sofort aufgebracht): „DENKST DU, ICH BIN SOZIALAMT? DENKST DU?“
Matt: „Na ja, ich dachte, ich frage …“
Händler: „Du denkst, ich BIN Sozialamt!“
Matt: „Na gut, also … ich nehme die sechs für drei.“ (reicht 10-Euro-Schein rüber)
Händler (nimmt den Schein und pfeffert ihn zu Boden): „WAS REDEST DU FÜR SCHEISSE! WIR MÜSSE AUCH LEBE!“
Matt: „Das bezweifle ich keineswegs. Aber sieben statt sechs, jetzt kurz vor Ende …“
Händler (gibt mir mit verächtlicher Geste sieben Euro zurück): „So ein Scheiße redest du! Du denkst, ich bin SOZIALAMT!“
Die Diskussion erscheint mir irgendwie festgefahren. Deshalb verstaue ich verschreckt meine sechs Mangos und trolle mich Richtung Seilerstraße.


Falls du das hier also liest, lieber Fischmarkthändler: Nein, ich glaube nicht, dass du Sozialamt bist, echt nicht.

Nur für den Fall, dass es mir heute Morgen nicht gelungen ist, dies hinreichend zu verdeutlichen.

13 Kommentare:

  1. Soweit ich informiert bin, bekommen Sie beim Sozialamt sogar 8 Mangos für 3 Euro, weswegen ich die Äusserungen des Händlers nicht so recht nachvollziehen kann. Höchstwahrscheinlich hat er sich nur verzählt, das kommt schliesslich schon mal vor, wenn man heiser ist.

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  2. Hallo Matt,

    ich hab mir die Szene so oft bildlich vorgestellt und muss immer wieder lachen...

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  3. Hülfe - dies' wird ein Foodblog.
    Denn mal ganz ehrlich, was machen Sie mit so vielen Mangos?
    Oder helfen die Dinger wenn Mann Rücken hat?
    Fragen über Fragen ....
    Frau-Irgendwas-ist-immer

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  4. Wenn jemand zu mir sagen würde "Was redest du für Scheiße!", würde ich demjenigen seine Mangos sonstwohin stecken. Aber mitsamt der Kiste...
    Und der Theke... Und seinem Lieferwagen...
    Naja, okay. Das mit dem Lieferwagen nehm ich jetzt zurück. Aber den Rest nicht!
    Warum sind Sie zu allen anderen Menschen so gutmütig???

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  5. Sofa_Inferno, sein Tonfall hatte schon eine gewisse Nachdrücklichkeit, die auf starke affektive Erregung hindeutete. Reines Verzählen reicht als Erklärung jedenfalls nicht aus.

    Hans-Holger: Wenigstens haben Sie etwas zu lachen … ;-)

    Frau-irgendwas-ist-immer, Sie hätten erstmal die Kiste Tomaten sehen sollen, die ich ebenfalls nach Hause schaffte. Und die Kiste Avocados. (Jede natürlich für einen Euro.)

    Anna, Sie sind die Einzige, zu der ich IMMER ausgesucht liebenswürdig, gutmütig, zuvorkommend und generös bin. Betrübt und verzweifelt muss ich nun feststellen, dass das bei Ihnen anscheinend nur partiell angekommen ist. Was habe ich falsch gemacht? Wieso konnte ich mich nicht vermitteln?

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  6. Ach so.
    Ich glaube, das liegt dann an mir. Hab Sie wohl missverstanden!
    Naja, bei -15 Grad im Bloggarten schlafen, das kann schon mal an den Nerven zerren. Heute morgen haben mich zudem meinen besten Freunde, die kleinen Schneehasen verlassen. Sie wandern aus nach Alaska, dort ist es wärmer, sagen sie.

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  7. Arrrgh: "meine" , nicht "meinen"!!

    Dann häng ich eben noch einen guten Tipp für Ihren Rücken an, bzw zwei. Wobei einer falsch ist und Sie müssen durch trial and error erraten, welcher der falsche ist.
    Tipp 1: Entfernen Sie die Matratze aus Ihrem Bett und schlafen Sie auf dem hölzernen Lattenrost, den Sie mit ein paar Blättern aus dem Bloggarten verzieren. So wie ich.
    Tipp 2: Dolocyl Öl oder Balsam, Rücken damit einreiben. Fertig.

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  8. Was den Schneehasenersatz angeht, so habe ich gute Nachrichten für Sie: Sobald der diesjährige Weihnachtsbaum seine braun gewordenen Nadeln abwirft, werde ich sie für Sie sammeln und als Auslegeware zur Verfügung stellen. Das wird wahrscheinlich schon im März, April der Fall sein. Was sagen Sie nun? Ja-haa.

    Dolo-was? Dazu werde ich erst einmal ausführlich wissenschaftliche Doppelblindstudien analysieren. Skeptikerpflicht!

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  9. Ein Baum kann doch nie einen Hasen ersetzen und schon gar keine zwei! Aber April wäre schon toll, ja...

    Dolo-Cyl! Am Besten nehmen Sie den Balsam. Entspannt, entkrampft, lindert Schmerzen und hält Ihnen auch den Franken, respektive Kramer vom Leib.
    GEHEIMTIPP!
    (Nein, ich hab keine Dolo-Cyl-Aktien gekauft. Also bisher noch nicht...)

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  10. Diese ganzen Ausführungen zum Rücken haben mich kaltgelassen, aber die vergrämende Wirkung des Präparats auf Kramer und den Franken hat mich geradezu elektrisiert! Das MUSS ich haben!

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  11. Matt (15:15), wenn die eigenen Obstpreise ständig vom Sozialamt unterboten werden und man nicht mehr LEBE kann, ist das doch auch verständlich?

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  12. Verständlich ist praktisch fast alles. Deshalb habe ich auch mit einer gewissen Ruhe seinen Kübel Wut über mich hinwegfluten lassen. Außerdem wusste ich: Darüber kann ich bloggen. Das hilft.

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  13. Sie sehen: ein Minimalwortschatz genügt, um Teil des weltweiten Handels mit tropischen Früchten zu werden.
    Und die Botschaft, dass es auf dem Szialamt keine Mango zusätzlich gibt, stimmt auch.

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