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08 Dezember 2010
Der Tag, an dem John Lennon starb
Es war heute vor 30 Jahren. Wir saßen gerade am Mittagstisch, meine Eltern und ich. Das Radio lief, die Nachrichten begannen, und die erste Meldung war die von John Lennons Ermordung.
Mich traf das wie eine Dampframme. Lennon war immer dagewesen. Zwar hatte ich die Beatles durch die Gnade der späten Geburt erst nach ihrer Auflösung kennengelernt, doch seither gehörten sie unverrückbar zur Belegschaft meines persönlichen Olymps. Und Lennon war ich – im Gegensatz zu McCartney – auch nach dem Ende der Beatles treu geblieben.
Songs wie „Mother“ oder „God“ gehörten (und gehören) fest zum Kanon meiner Lieblingslieder, von Lennon lernte ich, was Entzugserscheinung auf Englisch heißt („Cold turkey“) und wie man mit pseudonaiven Slogans („Give peace a chance“) derart die Welt rocken kann, dass sich sogar der Geheimdienst für einen interessiert.
Sicher, die Welt erschien mir ziemlich trübe Ende der 70er, doch so lange Lennon da war, war sie zumindest ein kleines bisschen besser als völlig schlecht. Und plötzlich sagt irgend so ein dahergelaufener Nachrichtensprecher, John Lennon sei erschossen worden.
Meine Eltern aßen weiter, als sei nichts passiert. Für sie war ja auch nichts passiert. Der mit diesem „Yeah, yeah, yeah!“, das sie immer so verachtet hatten, war jetzt tot. Ihr ungerührtes Weiteressen war ein einziges „so what?“, während ich dasaß und mit einem Gefühlswirrwarr aus Schockstarre und der Empörung über fehlende elterliche Schockstarre zurechtkommen musste.
Die innerfamiliäre Entfremdung begann zwar nicht erst an jenem 8. Dezember 1980, doch im fernen New York City hatte sie ein Psychopath namens Mark Chapman gerade nicht unwesentlich beschleunigt.
16 Jahre später zog ich dorthin, wo John Lennon sich das Handwerkszeug zum Superstar geholt hatte: nach Hamburg St. Pauli. Heute, an seinem 30. Todestag, würde ich liebend gerne sagen können, dass es da einen Zusammenhang gibt.
Und deswegen sage ich es einfach mal.
Nachtrag vom 8. 12. 2010, 19:27 Uhr: Man hat mich zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass die Szene am Küchentisch nur am 9. Dezember 1980 stattgefunden haben kann, und das stimmt. Die Tat geschah am 8. Dezember abends nach New Yorker Zeit, da war bei uns schon Mitternacht vorbei.
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Ich lese hier wirklich schon eine ganze Weile und immer sehr gerne, weil man sich häufig eine gute Dosis Grinsen abholen kann! Gänsehaut gab es heute zum ersten Mal. Danke dafür. Ihre persönliche Erinnerung an diesen Tag, hat mich berührt.
AntwortenLöschenWissen Sie, ich habs ja nicht so mit den Beatles. Aber wenn sie dazu beigetragen haben, Sie nach Hamburg zu locken, dann find ich das schon ganz in Ordnung von denen.
AntwortenLöschenHaben Sie – wie gesagt – nicht. Aber wenn dieser Irrtum dazu beigetragen hat, Ihnen ein Lob zu entlocken, dann finde ich das schon ganz in Ordnung von denen.
AntwortenLöschenKatja, das freut mich aufrichtig.
Ich muß meinen Eltern dankbar sein, denn obwohl ich mit Jahrgang '71 viel zu jung dafür war, bin ich trotzdem mit den Beatles groß geworden. Okay - nicht ausschliesslich, sondern auch mit anderen Auswüchsen der 70er ("The Teens", anyone?) - das blieb nicht aus - aber bei allem Schrott, muß dank den Beatles in mir ein gewisses Grundinteresse für Pop verankert worden sein.
AntwortenLöschenVor ein paar Jahren hatte ich die Biographie "Ich bin der Fänger im Roggen" über den Lennon-Mörder gelesen. Wie in dieser Geschichte zwei meiner kulturellen Jugendlieben, nämlich die Beatles und J.D. Salinger, zu einer unglücksseeligen Mischung verbunden wurden, konnte zum Glück nicht dazu beitragen, dass mir auch nur einer der Beiden verleidet wurde.
Thies, dann muss ich Ihnen wärmstens die DVD/Blu-ray „Chapter 27“ empfehlen, zu der ich zufällig eine Rezension verfasst habe.
AntwortenLöschenLieber Matt,
AntwortenLöschendie Nachricht von der Ermordung Lennons wurde mir durch mein altes Grundig-Röhrenradio zugestellt. Ich rannte dann zum TV, wo McCartney ein erstes Statement (ich glaube sogar im Namen der Beatles) ablieferte, was ich allerdings nie mehr als Aufzeichnung fand. Vielleicht haben Sie einen passenden Link in Ihrem Fundus?
Danke für diesen intensiven Blogeintrag!
Ja, Pauls Reaktion gibt es hier, auf YouTube.
AntwortenLöschenDanke - Volltreffer. Mit Pauls Reaktion und dem zur Schau gestellten Kaugummi im Mund konnte und kann ich wohl bis heute nichts anfangen. Ich gehe davon aus, es war einfach eine Reaktion...
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