15 Februar 2007

Attacke auf Senait

Heute Abend kam das NDR-Magazin Zapp mit einer Sensation um die Ecke: Senait Mehari, die mit ihrer grausigen Lebensgeschichte als Kind im Krieg zwei Buchbestseller gelandet hat („Feuerherz“, „Wüstenlied“), habe nie geschossen oder an der Front gestanden.

Ja, unfassbar – nur steht das genauso auch in Senaits Büchern. Offenbar ist das Zapp aber nicht genug. Ein bisschen Töten hätt’s wohl schon sein dürfen, damit sie den gruseligen Adelstitel „Kindersoldatin“ auch führen darf. Zapp hat sogar generelle Zweifel – und Zeugen.

Ominöse Leute, die einst mit ihr zusammen waren, behaupten nun, das sei damals gar kein militärisches Lager gewesen, wo Kinder zu Soldaten gemacht wurden, sondern eine Art Schule. Und Senait, die heute kochend vor Wut in der Redaktion auftauchte, wo ich ihr die NDR-Pressemeldung zu lesen gab, Senait also würde diese Zeugen sehr gerne sprechen, sie herausfordern, in aller Öffentlichkeit. Aber die wollen nicht oder sind unabkömmlich, sagt Zapp.

Dabei wären ihre Interessenlagen vielleicht hochbrisant. Einer etwa soll laut Senait der islamistisch geprägten Rebellenorganisation EFL (Eritrean Liberation Front) angehören. Dass dieser Mann die Glaubwürdigkeit eines Ex-Models, das frei herumläuft und gegen die einstige EFL-Praxis wettert, Kinder zu Soldaten auszubilden, liebend gerne pulverisieren möchte, dürfte klar sein.

Leider war so etwas Zapp egal. Lieber hat die Redaktion in hübscher Kleinarbeit Interviewfetzen von Senait so perfide zusammengeschnipselt, als hätte sie gleichsam ein Geständnis abgelegt.

Zur Klarstellung: Ich kenne Senait seit zwei Jahren, ich mag diese temperamentvolle „Buschtante“ (sie über sich), ich bin auf ihrer Seite. Nicht jede ihrer Erinnerungen mag exakt stimmen – wie könnten sie das auch? Die Ereignisse liegen mehr als ein Vierteljahrhundert zurück, sie war damals ein kleines Kind, und ja, sie verwechselt in ihrem Buch Koyoten mit Hyänen.

Doch das, ein paar dubiose Zeugen, die sich vor ihrer Wut verstecken, und ein tendenziös geschnittener Zehnminutenfilm können nichts daran ändern: Dass ich ihr glaube – und froh bin, dass sie niemals einen Menschen erschossen hat.

42 Kommentare:

  1. Es sind Berichte wie dieser, die mir das Fernsehen völlig verleiden. Und wie jener:

    http://bittersweetchoc.twoday.net/stories/3317927/

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  2. Naja, den Kollegen vom NDR kann man viel vorwerfen (zum Beispiel, dass sie einer abgehalfterten Viertelsberühmtheit noch einmal ein wenig Medienaufmerksamkeit verschaffen), nicht aber, dass sie ungenau recherchieren würden. Fragen wir doch mal, wer Nutzen aus der ganzen Sache haben könnte: Frau Mehari hat ja ein ökonomisches Interesse daran, dass ihre Geschichte geglaubt wird, im Gegenzug kann ich nicht erkennen, was Zapp für ein Interesse verfolgen könnte - bis auf das durchaus legitime, die Öffentlichkeit zu informieren. Dass du aber Merhabis Empörung darüber, dass man ihr die "Zeugen" nicht genannt habe, einfach so als Beweis für die Richtigkeit ihrer Angaben nimmst, wundert mich: Eigentlich ist es doch ein journalistischer Grundsatz, die Namen von Informanten nicht ohne Not preiszugeben.

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  3. Das Interesse des NDR liegt nicht in derAufklärung der Öffentlichkeit sondern darin, eine vermeintliche Knüller-Lügen-Geschichte als erste zu enthüllen. Darunter leidet doch der ganze Journalismus heutzutage: Lieber eine Ente um 16.00 als eine gut recherchierte Story um 20.00 Uhr.

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  4. Die Informanten, lieber Zahnwart, wurden namentlich genannt und traten im Film auf, aber sie weigern sich, mit Senait öffentlich zu sprechen.

    Was man dem NDR vorwerfen muss, ist Einseitigkeit: Warum haben die Kollegen nicht wenigstens versucht zu klären, welches Interesse die Zeugen an der Zerstörung von Senaits Glaubwürdigkeit haben könnten? Zum investigativen Journalismus gehört das doch dazu, oder nicht?

    Deshalb halte ich es für denkbar, dass ramses richtig liegt: Zapp wollte sich den Coup nicht verderben lassen.

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  5. Ach ja, zahnwart, dass mit der „abgehalfterten Viertelberühmtheit“: Da herrscht wohl bei dir ein Recherchedefizit.

    Ihre Bekanntheit wächst gerade über den deutschsprachigen Raum hinaus – durch die Lizenzierung der englischen Übersetzung des Buches und die anstehende Verfilmung ihrer Biografie.

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  6. In der kommenden Verfilmung und Übersetzung liegen evtl. auch die Motive der sog. Zeugen, gerade jetzt einzusteigen. Der NDR war dafür wohl nur ein "nützlicher Idiot".

    Was Senait fehlt, ist eine öffentliche Stellungnahme über diesen Blog hinaus. Ich bin sicher, es gäbe genug Kulturmagazine, die das Thema seriös und neu anfassen würden.

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  7. kein Kulturmagazin und keine Talkshow wird jemals die Geschichte von Senait als "Kindersoldatin" erzählen

    ZAPP hat mehr als zwanzig Zeitzeugen befragt, mehrere unabhängige Wissenschaftler konsultiert und alte Dokumente gesichtet. Nicht alle können im Film zu Wort kommen, aber das Ergebnis ist eindeutig. Große Teile des Buches sind eine Lüge.

    Wir müssen andere Fragen stellen - warum reicht es nicht, das Senait im Krieg schlimmes erlebt hat? Warum muss sie über die "Berge voll Leichen" reden, sie angeblich weggeräumt habe, warum muss sie "Kindersoldatin" gewesen sein? Warum muss sie lügen, wenn doch die wahre Geschichte schlimm genug ist?

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  8. @Sarah: In diesem Blog wird deutlich die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Zeugen vor dem Hintergrund einer eventuellen früheren Zugehörigkeit in der EFL gestellt. Deswegen wäre ich an Ihrer Stelle (an der Stelle "Ihrer" Redaktion?) sehr vorsichtig mit dem Einsatz des Wortes "Lüge".

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  9. Senaits Verlag Droemer Knaur gibt heute folgendes Statement ab:

    München (ots) - "Ich war zu klein, um eine Soldatin abzugeben. Zu jung, zu schwach, zu feige. Außerdem waren die Waffen viel zu schwer für mich (...) Gott sei Dank, denn sonst hätte ich damit schießen und
    auch treffen müssen." So Senait Mehari in ihrem Buch "Feuerherz" (Droemer, 2004). Nichts anderes hat die Autorin gestern Abend im NDR 3 Magazin "Zapp" beschrieben.

    "Wir haben keinen Grund, an der Darstellung unserer Autorin zu zweifeln," sagte die Droemer Knaur-Pressesprecherin Susanne Klein. "Dass Menschen den grausamen Bürgerkrieg in Eritrea unterschiedlich erlebt und verarbeitet haben, ist nicht erstaunlich. Uns wundert allerdings, dass sich eine renommierte Sendeanstalt wie der Norddeutsche Rundfunk in diesem Zusammenhang instrumentalisieren und unsere Autorin als "Lügnerin" verleumden lässt. Besonders bedauerlich
    ist, dass dadurch auch versucht wird, das ehrenamtliche Engagement von Senait Mehari gegen Kindersoldaten zu diskreditieren."

    Die Hilfswerke terre des hommes, Kindernothilfe und Aktion Weißes Friedensband, die Senait Mehari unterstützt, haben ebenfalls eine Stellungnahme zu der gestrigen NDR-Sendung herausgegeben, in der sie auf die UN-Definitionen verweisen, derzufolge Kindersoldat nicht nur der ist, der mit der Waffe kämpfen muss, sondern auch Boten, Späher und jüngere Kinder, die erst auf den Dienst an der Waffe vorbereitet werden. In ihrem Buch "Feuerherz" beschreibt Senait Mehari eindrucksvoll ihre Kindheitserlebnisse in einem Rebellenlager im eritreischen Bürgerkrieg zu Beginn der 80er Jahre.

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  10. Also ich hab an keiner Stelle des Beitrages gesehen, dass Senaits Einsatz für die gute Sache angegriffen oder herabgewürdigt wurde. Darum geht und ging es auch nicht. Warum sollten die Zeitzeugen lügen ? Welches Interesse hätten Sie ? Die einzige, die von allem doch profitiert hat, ist Senait selber. Die Zeitzeugen haben nicht vor, ein Buch zu veröffentlichen - geschweige denn eine Gesangskarriere anzustreben. Nachfragen und Recherchieren muss gestattet und auch erwünscht sein. Und klar, was soll der Verlag auch anderes schreiben ? Und sorry Matt: von Einseitigkeit kann ja nun wirklich nicht die Rede sein: Jeder ist zu Wort gekommen, von Senait über die Zeitzeugen, ein Eritrea-Experte bis hin zum Verlag usw.

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  11. Anonymous, zunächst frage ich mich, warum du anonym bleiben willst. Erklärung?

    Egal: Ich habe eine mögliche Interessenlage der Zeitzeugen in meinem Eintrag genannt, du brauchst es nur nachzulesen.

    Mindestens acht davon – so Recherchen aus Senaits Umfeld – sollen übrigens gar keine Eritreer sein, sondern Äthiopier …

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  12. Hm, ... ich weiß schon, warum ich mich dem Fernsehkonsum weitestgehend entziehe.

    Ohne jenen Bericht gesehen zu haben und auch ohne mir 100% sicher zu ein, dass ich das hier alles richtig verstanden habe, sei die Frage erlaubt und -- vielleicht auch -- vonnöten:

    Verdrehen jetzt schon die seriösen (in An- und Abführung) Sender der Öffentlich-Rechtlichen alle politisch und sozial korrekten Paradigmen und machen Kindersoldaten zu Tätern denn zu Opfern?

    Steht der tendenzielle Wahrheitsgehalt eines Buches demnach über der grundsätzlichen Frage der Moral?

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  13. Der TV-Bericht ist übrigens online zu sehen.

    Matt schrieb: "Mindestens acht davon – so Recherchen aus Senaits Umfeld – sollen übrigens gar keine Eritreer sein, sondern Äthiopier … "

    Ich gestehe, ich habe mich heute ein wenig in der Geschichte Eritreas umgeschaut. Nach der obigen Information kann ich nun noch sicherer davon ausgehen, dass der NDR tatsächlich zu politischen Zwecken missbraucht wurde. Vielleicht soll die chaotische und grausame Geschichte beider Länder und ihrer Bürgerkriege schöngeschrieben werden.

    Ja, es ist gut, dass Senait unpolitisch ist. Aber sie muss sich wehren dürfen.

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  14. Hier die heute veröffentlichte Presseerklärung der Hilfsorganisationen, für die sich Senait engagiert:

    Hilfswerke stellen sich hinter Senait Mehari
    Begriffsklärung "Kindersoldat"/ Verweis auf UN-Kinderrechtskonvention
    15.02.2007 - 13:41 Uhr

    Duisburg (ots) - Kindernothilfe, terre des hommes und Aktion Weißes Friedensband haben keine grundsätzlichen Zweifel am Wahrheitsgehalt der Autobiographie von Senait Mehari. "Allen UN-Definitionen zufolge verstehen wir unter Kindersoldat nicht nur den, der mit der Waffe kämpfen muss. Auch Boten, Späher und jüngere Kinder, die erst auf den Dienst an der Waffe vorbereitet werden, sind Kindersoldaten", so Andreas Rister, Sprecher der Deutschen Koordination Kindersoldaten. Diese Definition ist unstrittig festgehalten in den so genannten "Cape-Town Principles" von 1997. Erst in der vergangenen Woche ist das bei der internationalen Konferenz in Paris gegen den Einsatz von Kindersoldaten bestätigt worden. Auch das Zusatzprotokoll der UN-Kinderrechtskonvention zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten (2002) verbietet die zwangsweise Rekrutierung von unter 18-Jährigen in Streitkräften und bewaffneten Gruppen, unabhängig davon, wie sie eingesetzt werden. Das trägt maßgeblich zum Schutz dieser Kinder bei und gewährt nach Beendigung des Konfliktes den wichtigen Zugang zu Hilfsmaßnahmen.

    Nach eigenen Aussagen verbrachte Senait Mehari die Jahre 1980-1982 in einem Rebellenlager der ELF (Eritrean Liberation Front). Die ELF war eindeutig eine militärische Organisation. Damit waren alle Lager und Einrichtungen der ELF militärischer Natur. Senait Mehari hat den beteiligten Organisationen gegenüber niemals behauptet, mit der Waffe an der Front gekämpft zu haben. "Wir schätzen auch weiterhin ihr Engagement gegen den Einsatz von Kindersoldaten", so Rister.

    Originaltext: Kindernothilfe
    Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=40844
    Pressemappe via RSS: feed://presseportal.de/rss/pm_40844.rss2

    Pressekontakt:
    Andreas Rister, terre des hommes (0541) 7101122
    Sascha Decker, Kindernothilfe, (0203) 7798 230

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  15. Welche Zeugen aus dem Beitrag sollen den Äthiopier sein??? Namen bitte! Acht? So viele kamen im ganzen Film nicht zu Wort. Welche Quellen sind es, die darauf schließen lassen, der NDR habe sich instrumentalisieren lassen. Und von wem? Wo ist der unabhängige Wissenschaftler, der Senaits Version bestätigt? Wo sind alle die ehemaligen Kameraden von Senait, die damls mitgekämpft haben? Alle traumatisiert oder kriminell???

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  16. Sarah, ich bin mir sicher, dass demnächst eine offizielle Stellungnahme von Senait erfolgen wird.

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  17. Nur auf die Gefahr hin, das ich mich in die Nesseln setze: Man kann das Thema auch differenzierter betrachten. Die FAZ kommentiert eher in Matts Sinne (http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~EB1CF90BAAD504498A95B9C705C770963~ATpl~Ecommon~Scontent.html), während die Süddeutsche (http://www.sueddeutsche.de/,panm3/leben/artikel/241/102139/) eher meinen skeptischen Ansatz verfolgt. Und die Realität liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Aber ausschließlich die Ansicht von Frau Mehari zu reproduzieren, das hat für mich nichts mit Journalismus zu tun. Und diesen Anspruch haben Blogs doch, oder?

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  18. @matt - also warum ich hier anonym auftrete, statt mir einen nickname zu geben, der genauso viel aussagt, wie anonym zu bleiben, ist glaube ich völlig uninteressant. sagen wir, mir fehlt die fantasie, mir einen auszudenken. und sorry in keinem deiner einträge steht, welches interesse die zeitzeugen haben könnten. du wirfst lediglich die frage auf, bzw. wirfst der sendung einseitigkeit vor. auch egal...
    es kann jeder, der den beitrag nicht gesehen hat, dies auf der zapp-homepage nachholen. und ich wiederhole: WAS sollen die hilfsorganisationen und der buchverlag denn anderes schreiben, als dass sie senait weiterhin glauben ? wer würde sich denn die blösse geben ? zumindest der buchverlag hat natürlich ein rein finanzielles interesse. nochmal: nachfragen ist erlaubt, auch wenn's vielen nicht passt. und da man hier anscheinend gerne irgendwelche pressemeldungen reinpostet, kommt von mir der artikel aus der heutigen süddeutschen zeitung:

    Ein Gespräch mit Senait Mehari, ungefähr vier Jahre her. Berlin Kreuzberg, ein altes Fabrikgebäude in der Prinzessinnenstraße mit einem Tonstudio im Keller. Schlecht rasierte Musiker schlurften herum, Wollmützen, Dreitagebärte, es roch nach Kaffee, Schweiß und Zigaretten, und Senait Mehari saß auf einem leicht angesifften Sofa und erzählte davon, wie verlogen alles ist, das Musikbusiness und die Medienbranche und das ganze Leben. Kein Mensch kannte damals Senait Mehari, aber bald würde sie beim Grand Prix singen, jedenfalls bei der deutschen Vorentscheidung. Sie bemühte sich um eine Position, einen Standpunkt, und die Ausgangslage war ein wenig paradox. Sie würde beim Grand Prix singen, dabei verachtete sie den Grand Prix und sein Personal. Über Ralph Siegel, den knautschigen Schlagerkomponisten, sagte sie: "Der Typ hat verschissen bei mir." Gitte Haenning, die dänische Sängerin, war ihr einmal bei einer Talkshow vorgestellt worden, aber sie hatte von dieser Frau nie was gehört. "Ey, ich kannte die Alte nicht", rief Senait Mehari, und die Wollmützen und Dreitagebärte im Hintergrund grunzten vor Vergnügen.

    Also, sie würde beim Grand Prix singen, aber sozusagen aus einer Protesthaltung heraus. Sie sagte, die ganzen Schlageraffen nervten sie, die den Grand Prix zu einer Juxveranstaltung gemacht hätten. "Ich glaube, der Anfang vom Grand Prix vor vielen Jahren, der war sauber und clean." Sie wollte den Grand Prix wieder etwas sauber und clean machen. Sie würde rausgehen, ein Lied vortragen, und die Leute würden merken: "Ey, das ist Musik."

    Über ihre Vergangenheit hat sie damals zwar auch geredet, allerdings eher beiläufig. Geboren in Eritrea, danach zu den Tchekubera, der Kinderarmee eritreischer Guerilla-Kämpfer. Schließlich Flucht aus dem Kriegsgebiet in den Sudan, später nach Hamburg, da war sie elf. Ja, sie sei Kindersoldatin gewesen, sagte Senait Mehari damals im Tonstudio in Kreuzberg, aber eigentlich wollte sie lieber über die Scheißmusik der anderen reden und die eigene Lust, da mal gründlich aufzuräumen.

    "Kannst du mein Herz aus Eis berühr'n?/Mich aus der Dunkelheit entführ'n/Komm lass mich deine Nähe spür'n!" So war der Refrain ihres Liedes. Die Leute draußen dachten nicht: Ey, das ist Musik. Sie hat den Grand Prix- Vorentscheid nicht gewonnen, und vielleicht hätte man sie inzwischen vergessen, wie viele andere, die da mal aufgetreten sind, aber Senait Mehari blieb auch danach eine öffentliche Figur, allerdings hatte sie unterwegs die Rollen gewechselt, oder: Sie hatte die Betonungen modifiziert. Es ging jetzt nicht mehr um Senait Mehari, die Erneuerin des Grand Prix. Es ging um Größeres: Senait Mehari, die ehemalige Kindersoldatin, die Kämpferin gegen das Weltelend. Wer sie damals, rotzig und kalkuliert prollig, im Tonstudio erlebt hatte und sie später, in ihrer neuen Rolle, zum Beispiel bei Beckmann oder im Münchner Residenztheater sah, konnte über den Zuwachs an Weisheit erstaunt sein. Sie schrieb ein Buch über ihr Leben, "Feuerherz", es wurde ein Bestseller. Sie engagiert sich für Hilfsorganisationen.

    Man sagt, jemand hat sich "neu erfunden", wobei diese Formulierung in ihrem Fall von einer netten Doppeldeutigkeit getragen wird. Denn so sauber war die Nummer mit der Kindersoldatin offenbar nicht. Das renommierte NDR- Medienmagazin Zapp hat Zeitzeugen aus Eritrea aufgetrieben, auch Wissenschaftler, die ihren Schilderungen in wesentlichen Punkten widersprechen. Es geht um möglicherweise lässliche Fragen: ob es, wie Senait Mehari behauptet, Löwen in Eritrea gibt oder nicht. Es geht aber auch darum, ob Senait Mehari überhaupt Kindersoldatin gewesen ist. Sie hat sich ja als Kindersoldatin präsentiert, diese Zuspitzung hat ihre Geschichte erst so populär gemacht.

    In der Sendung sagt sie, nein, Kindersoldatin sei sie nicht gewesen, sie würde sich eher als Kind des Krieges bezeichnen. Sie stammelt ein wenig, bis sie bei dieser wachsweichen Bezeichnung ankommt, Kind des Krieges. Sie wirkt bockig und ähnelt wieder dem Mädchen, das damals angetreten war, den Grand Prix aufzumischen. Und schließlich versucht sie, die Zweifel an ihrer Geschichte umzudeuten in eine Kritik an den Medien, die ihr geglaubt haben. "Die Presse sucht sich doch das aus, was am wirksamsten ist. Selbst wenn sie mich ständig als Kindersoldatin betiteln, sag ich: Okay, wenn sie das brauchen. Hauptsache, ich komme an mein Ziel."

    Sie will aufklären über das Elend von Kindern im Krieg, aber kann man aufklären, indem man eine offenbar gezinkte Geschichte erzählt? Und verstellt nicht die inszenierte Realität erst recht den Blick auf echtes Elend? Dass Teile der Medien da mitspielen, weil sie nicht vernünftig nachrecherchieren, ist bestimmt ein Teil des Problems. Aber derjenige, der den Journalisten cool eine Story erzählt, obwohl sie so gar nicht stimmt, ist deshalb nicht automatisch weniger verantwortlich. Bevor die Medien sie Kindersoldatin genannt haben, hat sie sich selbst Kindersoldatin genannt.

    Die Angelegenheit wird jetzt weiter durchleuchtet werden, aber der Beitrag bei Zapp war zu gut recherchiert, als dass Senait Mehari vollkommen unbeschädigt aus der Sache kommen könnte. Sie war halt keine Kindersoldatin. Ihr Manager Jobst Henning Neermann sagt, es handele sich um einen "Definitionsstreit". Mehari habe nie behauptet, dass sie geschossen oder in vorderster Front gestanden hätte.Dabei hätte man ihr gern geglaubt, schon damals im Tonkeller, Revoluzzer sind grundsätzlich durchaus sympathisch. Im Tonstudio hatte sie gesagt: "Du bist umgeben vom falschen Glück. Wer nicht blöd ist, sieht das. Ich denke, ich habe den Instinkt zu wissen, mit wem ich es zu tun habe."Manchmal sind alte Zitate wie schnelle Autos. Sie holen einen irgendwann ein.

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  19. Vorwort: Nach der ja auch ellenlangen Äußerung von dem anonymen Vorredner werde ich jetzt eine erstmals als mail verschickte Schrift hier auch einstellen... Und wieso fällt dem werten Anonymus die im blog geäußerte und nicht grad versteckte Idee nicht auf, dass ehemalige Kindersoldaten einsetzende Rebellen, falls und wenn die gebrachten Zeugen denn solche waren, schon ein Interesse haben könnten, eine Kritikerin zu diskreditieren...?



    Guten Abend,

    ich darf mich zum sporadischen bis gelegentlich regelmäßigem Lesen (und dann Aufhol-Lesen) der "Rückseite" bekennen, und habe mit einigem Erstaunen den o.g. Eintrag gelesen. Ich habe zwar weder den Beitrag gesehen, noch die relevanten beiden Bücher gelesen, aber grade auch die Reaktion der Hilfsorganisationen scheint mir ein deutliche Sprache zu sprechen. Es gilt natürlich für beide Seiten "audiatur et altera pars", doch das ist geschehen und nicht viel an Erkenntnis gewonnen. Vielleicht wäre ein direktes öffentliches statement der Angegriffenen ja eine gute Maßnahme (so es das nicht schon gibt und ich es nicht nur nicht gefunden habe), denn so von Herzen kommend die Lanze auch gebrochen wird, ist es eben doch durch einen Dritten. Und ansonsten bleibt ja immer noch das durchaus probate Mittel der Gegendarstellung, aber das muss man einem Journalisten gegenüber ja kaum erwähnen.
    Da mich bisher gelesene Berichte über Frau Mehari durchaus positiv beeindruckt haben, möchte ich hoffen und nehme auch an, dass das ansonsten von mir durchaus geschätzte Magazin des NDR sich hier vergallopiert hat. Vielleicht wäre ja auch eine persönliche Kontaktaufnahme hilfreich und erfolgversprechend, wenn der Wellenschlag bemerkt wird, der hier erzeugt wurde. Ich habe zumindest die URL des blogs mal zum interessierten Lesen an zappredaktionsnahe Menschen weitergereicht, vielleicht wird ja was draus...

    Mit den freundlichen Grüßen eines Menschen, der eigentlich nie "Leserbriefe" schreibt, weil sie, selbst wenn gut und richtig, sowieso nach zwei Ausgaben vergessen sind, hier trotzdem ein ebensolcher... zumindest irgendwie in der Art. Und als blog-Kommentar war mir das zu lang und teilwirr.

    Erneute Grüße


    Felix Ekberg


    PS. Zur Koyoten/Hyänen-Problematik: Ich, ebenfalls ehemals in Sülldorf wohnend, möchte wetten, dass die dortigen Bauern sich komplett die Karten legen, wenn man sie auf Abstand um die kenntnisreiche Unterscheidung z.B. zwischen Mäusen und Spitzmäusen bittet. Und warum? Weil sie für die meisten von besagten Bauern nicht wirklich relevant sind "klein, krabbelt, Mistvieh, wo ist das Gift..." ... Koyote und Hyäne analog "hat Fell, macht Lärm, ist nicht alleine, schön von wegbleiben"... Sollte sich jemand ernsthaft an diesem Detail aufziehen wollen, steht es um die Redaktion von Zapp schlimmer als ich dachte...

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  20. Na gut, Anonymous, wenn schon, denn schon: Die FAZ fasst mal zusammen, wo Zapp sich auf dünnes Eis begibt und warum sie anderer Meinung ist als der SZ-Autor weiter oben:

    Von wegen Skandal

    Von Karen Krüger

    16. Februar 2007
    Kritisch, unbestechlich und knallhart beim Recherchieren - so inszeniert sich „Zapp“, das Medienmagazin des NDR, gern. „Was nicht passt, wird passend gemacht“, sagte die Moderatorin Inka Schneider zur Eröffnung der Sendung am Mittwoch. Dass der Satz im folgenden zu einer eigenen Geschichte passen konnte, demonstrierte „Zapp“ eindrucksvoll: Senait Mehari, einundreißig Jahre alte Bestsellerautorin und Sängerin, die sich seit Jahren mit dem Schicksal von Kindersoldaten auseinandersetzt, weil sie als kleines Mädchen mehrere Jahre in einem Militärcamp der „Eritrean Liberation Front“ (ELF) verbringen musste, stellte „Zapp“ als Lügnerin dar.

    Anders als von Senait Mehari dargestellt, sei sie niemals Kindersoldatin gewesen. Und tatsächlich antwortet Senait Mehari in der Sendung auf die Frage, ob sie eine Kindersoldatin sei: „So würde ich mich nicht bezeichnen. Ich bin ein Kind des Krieges.“

    „Erzählt, wie sie Menschen töten musste.“

    Doch wie kam die Äußerung zustande? Frank Mischo von der Kindernothilfe war dabei, als die Aufnahme entstand: „Das war bei einer Pressekonferenz. Zuvor hatte die ehemalige ugandische Kindersoldatin China Keitetsi erzählt, wie sie Menschen töten musste.“ Senaits Antwort sei der Versuch gewesen, ihre eigenen Erfahrungen, die ihr neben denen China Keitesis als weniger grausam erschienen, einzuordnen und sich selbst zurückzunehmen.

    Als Zeugen für die Unglaubwürdigkeit der Eriträerin kam bei „Zapp“ eine Gruppe von Eriträern zu Wort, die während des Unabhängigkeitskrieges auch in dem Lager gewesen sein sollen. Ihre Funktion dort, und wie sie sich rund fünfundzwanzig Jahre später zusammengefunden haben, um gegen Senait Meharis Erinnerungen zu protestieren, ließ „Zapp“ im Dunkeln. Die Redaktion stellte sie schlicht als „Zeitzeugen“ vor.

    „Auf beiden Seiten Guillerakrieger im Kindesalter“

    Auf Anfrage in der „Zapp“-Redaktion hieß es, man habe von den Zweifeln an Senait Meharis Glaubwürdigkeit innerhalb der eriträischen Gemeinde in Deutschland gehört und in den entsprechenden Kreisen recherchiert. Hunger, Leiden, Tote und Kinder mit Waffen, an die sich Senait Mehari erinnert, habe es in dem Lager nicht gegeben, sagt einer der „Zeitzeugen“.

    Überhaupt, so der Tenor, hätten beim Befreiungskrieg keine Kindersoldaten gekämpft. Berichte von Amnesty International oder Experten besagen allerdings das Gegenteil „Es hat auf beiden Seiten Guillerakrieger im Kindesalter gegeben, die an der Front gekämpft haben“, sagt Konrad Melchers, Chefredakteur der Zeitschrift „Eins Entwicklungspolitik“, der seit Jahren über das Land schreibt. Zynisch erschien der „Zapp“-Beitrag, mit dem Versuch, Senait Meharis Glaubwürdigkeit mit dem Hinweis zu erschüttern, dass sie nicht an der Front kämpfen musste und auch niemanden getötet habe.

    „Auf ein Definitionsproblem reduziert“

    Dabei sind als Kindersoldaten laut Definition der Vereinten Nationen und den „Cape-Town Principles“ von 1997 nicht nur solche Minderjährige zu verstehen, die mit der Waffe kämpfen. Als Kindersoldaten gelten vielmehr auch solche Kinder, die wie Senait Mehari als Boten und Späher eingesetzt wurden und die man auf den Umgang mit der Waffe vorbereitete. Erst in der vergangenen Woche hat das die Unicef-Konferenz gegen den Einsatz von Kindersoldaten bestätigt.

    „Zapp“ war das offenbar gleichgültig: Senait Mehari habe dieses Schicksal nie erlebt, hieß es. Auf die Frage, warum man sich in der Sendung nicht an den UN-Definitionen orientiert habe, sagte Kuno Haberbusch, Chefredakteur von „Zapp“ gegenüber dieser Zeitung: „Ich verstehe nicht, dass das ganze auf ein Definitionsproblem reduziert wird, was man unter einem Kindersoldaten zu versehen hat. Vor allem die Entwicklungsorganisationen tun sich mit dieser Kritik keinen Gefallen.“

    Hundeartige Geschöpf ihrer Kindheitserinnerungen

    Jemand, den die Redaktion in der Sendung als „Eritrea-Experten“ vorstellte, meinte gar: „Es ist unfair gegenüber den Kindersoldaten in Sierra Leone oder in Uganda, sich da einzureihen und einen Status zu reklamieren, den sie nicht hatte.“ Als weiteren Beweis für die Unglaubwürdigkeit Senait Meharis nannte „Zapp“ „Ungereimtheiten“ in ihrem Buch „Feuerherz“, in dem die Eriträerin ihre Kindheitserinnerungen verarbeitet hat.

    So schreibe sie von Kojoten, vor denen sie sich als sechsjähriges Mädchen fürchtete, obwohl es in Eritrea nur Hyänen gebe. Dass die Autorin sich einfach geirrt haben könnte, als sie das hundeartige Geschöpf ihrer Kindheitserinnerungen zu benennen versuchte, zog die Redaktion nicht in Betracht. „Ich habe den Eindruck, dass da eritreische Patrioten besorgt um das Ansehen ihres Landes sind und nun zum Gegenangriff ausholen“, sagt Klaus Fricke, der als Lektor des Droemer-Knaur-Verlags das Buch „Feuerherz“ betreut.

    Kindersoldaten passen nicht ins Bild

    Der Verlag zweifelt nicht an der Glaubwürdigkeit der Autorin, ihre Angaben zu Orten und Personen habe man bei der Entstehung des Buches überprüft. Mehrmals habe Senait Mehari Briefe von Eriträern bekommen, die sich besorgt um das Ansehen ihres Landes zeigten: Kindersoldaten passen nicht in das Bild des heroischen Unabhängigkeitskampfes.

    Ob die Organisationen, mit denen Senait Mehari zusammenarbeitet, nach der „Enthüllung“ weiterhin an sie glauben, fragte „Zapp“. Wie es aussieht: Ja. Terre des Hommes und Aktion Weißes Friedensband hegen keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit ihrer Aktivistin. Sacha Decker von der Kindernothilfe sagt: „Wir stehen weiter hinter Senahit Mehari und freuen uns auf ihr Engagement in der Zukunft.“ Manchmal passen die Dinge eben doch.
    Text: F.A.Z.

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  21. Zahnwart, offenbar verwechselt du Blogs mit der Tagesschau. Doch das ist nicht so, das musst du lernen.

    Hier werden Standpunkte vertreten. Und weil ich mit Senait befreundet bin (woraus ich nie ein Hehl gemacht habe), schaue ich mir eben an, ob die Zapp-Argumente Schwachpunkte haben. Denn wie gesagt: Ich glaube Senait, ich bin auf ihrer Seite. Zapp hat Argumente gegen sie gesammelt, ich sammle welche für sie.

    Wenn dir das nicht passt, bist du hier falsch.

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  22. @matt: der faz-artikel ist mir durchaus bekannt - ebenso der artikel der frankfurter rundschau, den ich jetzt hier posten könnte, aber nicht tue. du schreibst, du bist mit senait befreundet. da ist eine befangenheit ja wohl durchaus im bereich des möglichen oder ? sogar mehr als das. was aber verständlich ist, versteh mich nicht falsch, dass ist nicht als vorwurf gemeint.

    nur so viel: es hängt noch so viel in dieser story...aber naja, sagen wir mal: einfach die nächsten tage abwarten !!!

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  23. Natürlich verteidige ich meine Freunde, wenn ihnen jemand etwas Böses will, das würde hoffentlich jeder tun.

    Und früher oder später wird bestimmt objektive Klarheit herrschen.

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  24. Der angesprochene FR-Artikel bezieht übrigens nicht Stellung, sonder resümiert die Diskussion.

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  25. @matt: mir ging es um die aufzählung von artikeln, nicht um deren position....aber genau das ist es ja, was ich meine, wenn man zu nah an jemandem dran ist, dann kann keine objektivität verlangt werden....in diesem sinne: alle zurück an die arbeit ;-)

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  26. felix -
    hast den zapp film inzwischen geshen? es geht doch hier nicht um koyoten oder hyänen - ! Es geht hier darum, dass jemand Dinge behauptet hat, die nach Ansicht von Zeitzeugen udn Wissenschaftlern nicht stimmen und sich ungerechtfertigt als Kindersoldatin bezeichnet, bzw bezeichnen lässt. Wo sind bitte all die ehemaligen Kameraden von Senaitm, die bei Che Guevara das gleiche erlebt haben? Warum melden sich nur eritreer, die dankbar sind, wenn endlich "die Wahrheit ans Licht" kommt. Warum erhält Senait nur Unterstützung von Freunden und Hilfsorganisationen, die eine fragwürdige Rolle dabei spielen, einen Menschen zu promoten?

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  27. "...wenn man zu nah an jemandem dran ist, dann kann keine objektivität verlangt werden..." .

    Matt hat hier die Hauptzweifel angesprochen. Scheinbar hat sie kaum jemand lesen wollen bzw. deren Tragweite erkannt.
    Die Tatsache, dass er aus Freundschaft und aus der geistigen Wahrnehmung heraus Objektivität wieder herstellen möchte, verkleinert den Gehalt der Hauptzweifel n i c h t.

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  28. Neues zu Senait steht heute in der taz.

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  29. Noch ein Wort zu Sarah: Es geht letztlich nur um die Frage, ob es sich um ein Lager der miltärischen Organisation ELF gehandelt hat oder nicht. Wenn ja, war Senait nach der Definition der „Cape-Town Principles“ von 1997 auch Kindersoldatin.

    Und welche Hintergründe und Motive die von Zapp präsentierten Eritreer haben und warum sie bis heute die persönliche Konfrontation mit Senait scheuen, hat die Redaktion noch immer nicht offengelegt. Sie scheint ihre Gründe zu haben.

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  30. @sarah:

    Ich kann mich da matts Kommentar weitgehend anschließen. Die Aussagen dieser Zeugen unter Berücksichtigung ihrer Glaubwürdigkeit rechtfertigen sicher eine skeptische Überprüfung von Frau Senaits(dargestellter Lebens-)Geschichte, allerdings mMn noch keine Verurteilung. Dazu werden diese Zeugen zu nebulös benannt, identifiziert und (eben nicht) eingeführt und vorgestellt, wie es bei so einem Beitrag sonst vielleicht gut und richtig wäre. In Zusammenhang mit der möglichen Interessenlage von Beteiligten, Frau Senait zu diskreditieren und der Möglichkeit, dass auch auf in Deutschland befindliche ehemalige Bewohner Eritreas durchaus effektiv Druck ausgeübt werden kann und eine tendenzielle Meinungsbildung verstärkt werden kann, sind mir die vorgebrachten Anwürfe, wie oben geschrieben, zwar genug für Zweifel und kritische Betrachtung und das Warten auf eine Klärung, aber für ein Urteil nicht ausreichend. All das ist zwar nur "möglich", aber die Aussagen einer möglicherweise sogar noch homogenen Gruppe von "Zeitzeugen" (mithin den größten Feinden eines Historikers, wenn mir das Zitat gestattet ist), hat in meinen Augen noch keine Beweiskraft.

    Meine Bemerkung zu Kojoten und Hyänen greift lediglich die im blog gebrachte Verwechslung und angesprochene Kritik daran auf und soll darstellen, dass ein durchaus erklärbarer und realistischer Fehler in einem Detail nicht geeignet ist, den Wert des Ganzen automatisch in Frage zu stellen bzw. zu negieren. Erinnerungen sind eben keine absolut zuverlässige Quelle (siehe die vorherige Bemerkung zu den Zeitzeugen), besonders wenn man damaliges Lebensalter, Situation und heutiges Lebensalter der erinnernden Personen berücksichtig. Für Historiker und Neurologen/Psychologen ist das mit der Erinnerung einfach eine spannende Sache... genug abgeschweift, denke ich, sonst geht der blog-Seite noch der Speicher aus...

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  31. lieber matt, die Hintergründe unserer Zeitzeugen liegen nicht im Dunkeln. keine Sorgen. Journalisten, die sich für sie interessieren, helfen wir auf Anfrage gerne weiter - auch mit Telefonnummern damit sie sich selbst ein Bild machen können. Lieber Felix, es ist üblich, den Hintergrund der im Film vorkommenden Menschen zu hinterfragen. Es ist aber nicht üblich, im Film ihre ganze Lebensgeschichte zu erzählen. Das wirst du lernen, wenn du bei ZAPP mal ein Praktikum machst.
    Natürlich haben wir nicht nur mit den Inteviewpartnern im Film gesprochen, sondern auch mit anderen - mit Menschen, die vielleicht ein Interesse daran haben könnten, die ELF schlecht zu machen. Noch nicht einmal die halten die Version von Senait Mehari für glaubwürdig. Niemand ist da, der das gleiche erlebt hat. Niemand, der ihre Version bestätigt. Nur lauter Menschen, die Zweifel haben. Und da werft ihr ZAPP schlechten Jorunalismus vor? Kümmerst euch lieber um eure Freundin anstatt in eine Schlacht zu ziehen, die für euch längst verloren ist.

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  32. @sarah

    Ich finde es bedauerlich, dass der bisher eher sachliche Ton einem Anflug von Herablassung weicht.
    Wie ich versucht habe darzulegen, ist aufgrund der Fürsprache und Argumentation der "pro-Mehari"-Fraktion für mich eine abschließende Beurteilung und Meinungsbildung noch nicht möglich gewesen. Das liegt daran, dass ich nicht per se die Argumente der "contra-Mehari"-Fraktion, in diesem Fall der Zapp-Redaktion, als schwerwiegender oder "richtiger" betrachte, sondern davon ausgehe, dass die Fürsprecher auch ihre, möglicherweise ebensogut begründeten und recherchierten, Motive haben werden.
    Zugrunde liegen könnte hier der wissenschaftliche Ansatz, der im Idealfall die Falsifizierbarkeit der eigenen Theorie/Meinung in der Theorie/Meinung mit einschließt, und die unterschiedliche Bewertung von deklarativen Aussagen in einem journalistischen oder einem akademischen Zusammenhang. Ohne also eine wirklich vertiefte Untersuchung des gesamten Sachverhaltes bleibt nur die hier ja doch erfreulicherweise immerhin geführte Diskussion, bei der zumindest die dem blog-Autor vorgeworfene Emotionalität ja nun ebenso möglicher- wie verständlicherweise auch auf der Gegenseite auftaucht.


    PS: Zum genauen Lesen von Beiträgen: man mag mir Kleinkariertheit vorwerfen, eine Kleinigkeit hätte ich dennoch festzustellen: In meinem einzigen und positiven Kommentar zur Person und Tätigkeit von Frau Mehari, gestützt auf journalistische Berichte, dem im nächsten Halbsatz die durchaus ernstgemeinte Wertschätzung des Magazins Zapp folgt, habe ich keinerlei persönliche Bekanntschaft o.ä. zu Frau Mehari beansprucht, da dies, anscheinend anders als im Falle des Autors dieses blogs, auch nicht der Fall ist.
    Die nahezu nicht polemische Aufforderung "Kümmerst [sic] euch lieber um eure Freundin anstatt in eine Schlacht zu ziehen, die für euch längst verloren ist." geht daher in ihrer distanzierten journalistisch-wissenschaftlichen Sachlichkeit und der gewählten Anrede im Plural nicht unbedingt (nur) an die richtige Adresse.

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  33. Ein aktuelles Interview mit Senaits Manager Jobst Neermann im Hamburger Abendblatt.

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  34. Sehr geehrte "sarah",

    wie meine, natürlich längst nicht so professionellen, Recherchen ergeben haben, handelt es sich bei Ihnen um Julia S., tätig für die Zapp-Redaktion und maßgeblich am hier diskutierten Beitrag beteiligt.
    Ich finde, es ist ein persönliches wie journalistisches Armutszeugnis, und ich wähle diesen Ausdruck mit voller Absicht, sich in diesem Zusammenhang hinter einem Pseudonym zu verbergen. Nicht einmal den zweifelhaften "Mut" aufzubringen, hier anonym zu posten und die damit verbundene (Herab)Wertung der postings zu akzeptieren, sondern sich eine gefälschte blog-Identität zuzulegen, das spricht meiner Ansicht nach schon eine deutliche Sprache und nötigt mir leider keinerlei Respekt ab.

    Weiterhin möchte ich zu der doch recht persönlichen Anrede und der dezent herablassenden Bezugnahme auf ein Praktikum anmerken: Auch das ging an die falsche Addresse. Ich teile sicherlich einiges mit meinem Bruder, allerdings weder ein zukünftiges Praktikum, noch den Vornamen.

    Ich erspare es Ihnen, allen Mitlesenden und mir selbst, jetzt sämtliche mir einfallenden Bemerkungen zu "gründlicher Recherche" hier zu schreiben und hoffe einfach mal, dass Sie verstanden haben, worauf ich hinausmöchte.

    Insofern bleibe ich bis zur weiteren Klärung der Sachlage bei meiner Meinung, halte Kritik und Skepsis an Frau Mehari und ihrer Geschichte natürlich für akzeptabel, eine Verurteilung jedoch nicht.

    Und nach Ihren postings und Ihrem Verhalten hier halte ich eine sehr kritische Betrachtung des von Ihnen veröffentlichten Beitrags für angemessen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Felix Ekberg

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  35. @felix, das wird hier langsam zur persönlichen fehde. es ist aber auf jeden fall das letzte, wenn man die identität eines menschen kennt, sie preisgibt, weil man sich anders nicht mehr zu helfen weiß. das ist ein armutszeugnis. jaja, sicherlich kommt jetzt als antwort von dir, dass ich ebenfalls für zapp arbeite, aber da nehme ich dir gleich den wind aus den segeln. nichts desto trotz, wenn hier kein austausch an argumenten stattfindet, sondern nur gekeife wie im kindergarten, schlage ich vor, dass die unstimmigkeiten auf einem anderen spielplatz ausgetragen werden.

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  36. Nachdem aus den im Magazin Zapp angekündigten Klagen der sogenannten „Zeitzeugen“ bisher nichts wurde, verklagt Senait nun ihrerseits den NDR wegen Rufschädigung.

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  37. Sogar innerhalb der ARD schmilzt der Rückhalt für das NDR-Magazin Zapp. Der Kölner Stadt-Anzeiger fasst heute die harsche Kritik des WDR an Zapp zusammen:

    „... Im Kern geht es um die Frage: War sie „Kindersoldatin“ oder „nur“ ein „Kind des Krieges“? Arnd Henze, stellvertretender Leiter der WDR-Programmgruppe Ausland, die dem Engagement von Senait Mehari für die Unesco bereits Beiträge im „Weltspiegel“ und bei „Cosmo TV“ widmete, ist dies eine höchst problematische Differenz. Hier gehe es um sechs- bis zehnjährige, kriegstraumatisierte Kinder, die ihre Erlebnisse in sehr unterschiedlicher Weise erleiden und verarbeiten. So könnten sich auch die angeblichen Widersprüche in der Erinnerung der Lagerinsassen erklären. In einer Stellungnahme zur „Zapp“-Berichterstattung verweist Henze auf die UN-Definition, die deutlich über den von Zapp als Maßstab angelegten Front- und Waffeneinsatz hinausgeht. Die WDR-Redaktion kann „in der bisherigen Argumentation des Zapp-Beitrags nichts erkennen, was die Glaubwürdigkeit von Frau Mehari in dem von uns abgebildeten Engagement für Kriegskinder in Afrika erschüttern würde“.

    Tatsächlich könne man „die unterschwellige Annahme des Zapp-Beitrags, es habe in Eritrea keine Kindersoldaten gegeben, nur mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen“. Das Gegenteil sei zweifelsfrei belegbar. Zudem hält es auch die WDR-Redaktion „für äußerst fragwürdig, die eritreischen Kritiker an Frau Mehari unhinterfragt als »Zeitzeugen« zu charakterisieren und ihnen damit objektive Beweiskraft zu verschaffen“. Als Reaktion auf den „Zapp“-Beitrag war bereits in der Presse die Frage aufgekommen, ob die „Zeitzeugen“ ehemalige Anhänger der Rebellenorganisation ELF seien und somit Geschichtsklitterung betrieben. Die WDR-Kollegen befürchten, dass der Zapp-Bericht von letzter Woche „dem selbstgesetzten hohen Standard einer sorgfältigen und ergebnisoffenen Recherche nicht standhält“. ..."

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  38. Jede objektive Sicht ausserhalb der zwanghaften Realitäten der Juristerei möchte ich als wahren Erfolg für Senait werten.

    Gute Nachrichten.

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  39. Harsche Kritik aus dem eigenen Haus an der Zapp-Redaktion:

    NDR fernsehen Programmbereich Kultur/ Leiter “Kulturjournal“ Dr. Christoph Bungartz 20.02.2007

    Liebe Julia Salden, lieber Kuno (Haberbusch),

    die Fragen der ZAPP-Redaktion beantworte ich gern vor der Kamera, allerdings nur, wenn auch meine Fragen an die Vorgehensweise der Redaktion in gleicher Form gesendet werden. Denn im Moment habe ich selbst noch zu viele Fragen an ZAPP. Selten habe ich ein Stück gesehen, das derart massiv Vorwürfe erhebt und sie so wenig untermauert. Für mich hat der Beitrag vom vergangenen Mittwoch dieselbe Eindimensionalität, die er allen anderen vorher veröffentlichten Beiträgen vorwirft.

    ZAPP erklärt in keiner Weise und an keiner Stelle, wer die Menschen sind, die nun Senait Mehari der Lüge bezichtigen. Warum? Die Einblendung "Zeitzeuge", die Bezeichnungen "diese Menschen" (mit 'gemeinsamem Heimatland'), "ehemalige Wegbegleiter" und schließlich "die Eritreer in Deutschland" - eine sehr weit gefasste Bezeichnung für den gezeigten Personenkreis - ist alles, was der Zuschauer bzw. Leser der ZAPP-Pressemeldung erfährt. Der Interviewgast Günter Schröder wird als "Eritrea-Experte" eingeblendet - auch sein Hintergrund wird nicht in wenigstens einem kurzen Antext- Satz mitgeteilt.

    Gleichzeitig vertritt das Stück mit Vehemenz die These, dass die gezeigten Personen recht haben. Und der Redaktionsleiter von ZAPP spricht gegenüber dem Berliner Kurier davon, dass sich im Buch "Lüge um Lüge" reihe (s. beigefügten Artikel). Wenn der Rest der Journalisten vielleicht angesichts der „Feuerherz“-Story Tränen in den Augen hatte, dann hat ZAPP jetzt Schaum vorm Mund. Gegen ein Stück - im Sinne des „audiatur et altera pars“ -, das eine Gruppe von Menschen zeigt, die den Wahrheitsgehalt eines Buchs vehement anzweifeln, ist nichts einzuwenden, im Gegenteil. Aber dieses Stück ist nicht gelaufen.

    Stattdessen wird als "bemerkenswertes Eingeständnis" und ZAPP-Neuigkeit verkauft, was die Autorin im Buch selbst mehrfach sagt (und was wir auch im Kulturjournal genau so wiedergegeben haben): dass sie nicht an der Front gekämpft, keine Waffe getragen und niemanden getötet habe (S.82 f., S.131, S.138, S.141f., S.162). Über die Frage, ob solch ein Mensch "Kindersoldat" ist, kann man ja inzwischen einiges nachlesen - und der "Definitionsstreit" wird noch dazu führen, ob ein Trompeter im Heeresmusikkorps "Soldat" genannt werden darf. Ich halte es für eine unverantwortliche Irreführung des Publikums, den O-Ton von Senait Mehari in ZAPP so zu präsentieren, als würde sie damit - jetzt erstmals und exklusiv - die Aussagen ihres Buchs widerrufen.

    Und schon ist die Welt nicht mehr so schwarz-weiß, sondern etwas grauer, da liest man am Samstag den Tagesspiegel. Dort schreibt ZAPP-Co-Autor Peter Disch, einer der in ZAPP gezeigten "Zeitzeugen" sei ehemaliger ELF-Kader, also (hochrangiges?) Mitglied der Eritreischen Befreiungsfront, in deren Lager Senait Mehari als Kind war. Die marxistisch orientierte ELF kommt insgesamt nicht gut weg in Meharis Buch - und als Leser des Tagesspiegels frage ich mich: Steckt hinter den Vorwürfen der "Zeitzeugen" vielleicht noch ein ganz anderer Streit? Um die Deutungshoheit über eine inzwischen historisch gewordene Bewegung? Gibt es in dem Streit Interessen, bei denen es um mehr geht als um die Frage: Hyäne oder Kojote? Und warum verrät der ZAPP-Autor den Tagesspiegel-Lesern einen wichtigen Aspekt, den er den NDR-Zuschauern nicht verrät? Im ZAPP-Beitrag jedenfalls nennen die Zeitzeugen keine Motive ihrer Empörung über den Vorwurf der Lüge hinaus. Aber gibt es deswegen diese Motive nicht? Und warum melden sich die "Zeitzeugen" zweieinhalb Jahre nach der Publikation des Buchs? - Ich habe keine Antwort auf diese Fragen, ich habe solche Fragen nur vermisst in einem Bericht, der sich von vornherein die Position einer Seite zu Lasten der anderen zu eigen macht.

    Im Moment steht, für mich jedenfalls, Aussage gegen Aussage. Belege fehlen.Und der Background der beteiligten Akteure ist alles andere als klar. Damit will ich in keiner Weise sagen, dass Frau Mehari einfach recht hat. Natürlich ist es denkbar und schon oft vorgekommen, dass jemand seine Biographie fälscht oder aufmotzt. Wir haben im Kulturjournal einen kritischen Bericht zu Sabine Kueglers Autobiographie "Dschungelkind" gebracht, wir haben über Plagiatsvorwürfe gegen Bestsellerautor Eric Emmanuel Schmitt berichtet etc. etc. Von daher ist, believe it or not, selbst einer Kulturredaktion das Phänomen nicht fremd. Und, dies nur am Rande, die Frage, ob ich mich von Frau Mehari "getäuscht fühle", gehört in ein Rührstück, aber nicht in einen journalistischen Beitrag. Liebe Julia Salden, lieber Kuno, es geht mir in diesen Zeilen nicht um Besserwisserei. Dazu habe ich keinen Anlass. Aber es geht um nachvollziehbare Argumente und, pardon, auch für ZAPP um die journalistisch klare Benennung von Roß und Reiter. Ob am Ende Frau Meharis Buch eine Reihung von Lügen ist, die Medien alles schuld sind oder die ELF in Wahrheit ganz anders war, wird sich ja womöglich zeigen. Der ZAPP-Beitrag hat aus meiner Sicht noch nicht zur Aufklärung beigetragen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Christoph Bungartz Programmbereich Kultur / Magazine (Kulturjournal)

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  40. @anonym:

    Ich empfinde das nicht als eine "Fehde", genausowenig wie ich hier für Frau Senait "in eine Schlacht ziehe". Und das allgemeine Interesse und die allgemeine Diskussion scheint ja auch nicht zu fehlen.

    Zu dem von Ihnen gemachten Vorwurf an meine Person bzgl. der Identitätsfrage von "sarah": Etwas unangenehmes über eine Person zu recherchieren und öffentlich zu äußern, obwohl diese Person das vielleicht nicht möchte, ist Ihrer Ansicht nach "das letzte" und ein "armutszeugnis". Wenn Sie mir jetzt noch erklären können, wie sich dies von der grundsätzlichen Arbeitsweise von z.B. der ZAPP-Redaktion unterscheidet, dann könnte ich Ihren Ausführungen vielleicht besser folgen.

    Und dass eine "enthüllend" tätig werdende Journalistin eine solche Scheu bezüglich ihrer Identität an den Tag legt, wenn es um Kritik geht, das passt für mich eben nicht ins Bild.

    Insofern sehe ich die hier stattfindende Diskussion, wie schon weiter oben bemerkt, als interessant und nützlich an, um sich dem Sachverhalt von verschiedenen Perspektiven aus anzunähern.

    Es steht Ihnen und "sarah" doch jederzeit frei, sich aus dieser Diskussion zurückzuziehen. Ihren Vorwurf des "gekeifes" kann ich indes nicht nachvollziehen, und welche Beiträge nun anfingen, unsachlich zu werden und eventuell etwas spitzer formulierte Antworten nach sich zu ziehen, mag jeder Leser selbst entscheiden. Gelegentlich schallt es aus dem Wald auch einfach mal so zurück, wie man hineinruft.

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  41. Jeder Polizist weiß, dass Augenzeugen bei einem Verkehrsunfall sich teilweise widersprechen. Zeitzeugen und insbesondere Kindheitserinnerungen sind nun mal immer mit Vorsicht zu genießen. Erinnerungen sind keine Fotos, die einmal geschossen und dann in einem Ablagefach im Gehirn verstaut werden und dabei unangetastet bleiben (auch wenn wir das gerne so hätten). Sie unterliegen der persönlichen Interpretation und werden im Laufe der Zeit immer wieder "bearbeitet" und verändern sich dadurch.

    D.h. es ist völlig nachvollziehbar, wenn sich in Frau Meharis Schilderungen Fehler eingeschlichen haben. Möglich dass sie bestimmte Erinnerungen von Schilderungen anderer Leidensgenossen in ihre eigene Geschichte eingebaut hat. Dadurch wird sie aber noch lange nicht zur Lügnerin. Das ist ein völlig unbewusster Prozess und sie hat ja auch geschrieben, dass sie ihre Erinnerungen niedergeschrieben hat und versucht hat, anhand von anderen Zeugen und indem sie die Orte besuchte, an denen sie gewesen ist, herauszufinden, was wirklich passiert ist. Mehr kann man nun wirklich nicht verlangen.

    Das gleich gilt übrigens auch für die anderen Zeitzeuegen, die das Gegenteil behaupten. Sie können völlig unbewusst unangenehme Erlebnisse sogar völlig ausgeblendet haben.

    Aber bei dieser ganzen Glaubwürdigkeitsdebatte geht eines völlig unter. War Frau Mehari in einem Lager der ELF? War die ELF eine militärische Organisation?

    Ok, was bitte schön hat man mit Kindern in einer solchen Organisation gemacht? Die haben sicherlich keine Kafferkränzchen veranstaltet.

    Ist es falsch Kinder als Soldaten zu rekrutieren? Ja.

    Ist es falsch sich wie Frau Mehari dafür stark zu machen, dass Kinder nicht zu Soldaten gemacht werden? Nein.

    Ist es falsch mit ihrer eigenen Geschichte, die sie persönlich vermutlich als wahr empfindet, für diesen Zweck zu werben?
    Seien wir doch mal ehrlich! Man muss den Leuten eine rührselige persönliche Geschichte erzählen, damit das Schicksal von Kindersoldaten nicht etwas Abstraktes bleibt, dass ein "Ach, wie traurig" aber sonst nichts weiter hervorruft.

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  42. blogspargel26.08.10, 11:33

    Herr Matt, ich finde es toll und bewundernswert, wie vehement Sie für Ihre Freunde einstehen und Ihren Standpunkt elo- und konsequent vertreten, auch wenn Ihnen dabei heftiger Wind ins Gesicht bläst. Was dem einen als selbstverständlich erscheint gibt es andererseits heute immer seltener. Solche Menschen bereichern meine Sphäre auf das angenehmste (falls zu geschwollen formuliert, einfach Mobilat drauf).

    Nicht ganz einfach dann noch Moderator im eigenen Blog zu sein und die Diskussion am Laufen zu halten, ohne sie überkochen zu lassen, was aus meiner Sicht eine hohe Kunst ist – auch diese beherrschen Sie in sehr angenehmer Weise.

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