26 Mai 2007

Der Tag nach der Nacht nach dem Aufstieg

„Ein 2:2, das reicht für Liga zwei
Nie mehr, nie mehr Liga drei!
Gar noch höher soll’s bald gehen,
bis Liga eins – und sei's mit Wehen!”


Wenn ich den Satz, den ich gerade anfange zu schreiben, sprechen sollte, klänge das ungefähr nach „Wnn ch dn Stz, dn ch grde nfönge zu schrbn, sprchn slltö …“ oder so ähnlich, jedenfalls käme ein ziemlich tieffrequentes, vokalarmes Krächzen dabei raus.

Zunächst nämlich verlor ich gestern Abend im Stadion die erste Hälfte meiner Stimme beim Runterbrüllen von „You’ll never walk alone“ und „Niemand siegt am Millerntooooor!“ und die andere Hälfte dann nachts im Drafthouse beim Versuch, mich gegen den Höllenlärm der fantastischen Hausband zu verständigen.

Als ich noch mit dem üblichen Bariton reden konnte – also vorm Spiel –, waren indes auch schon Ausfälle aufgetreten, allerdings eher geistiger Art. Nach einer verwirrenden Diskussion mit dem Franken am Imbissstand orderte ich „Zwei Thüringer mit Bratwurst, bitte“, was die Frau hinterm Tresen zu einer Nachfrage und den Franken zum hämischen Grölen bewog.

Wenn ich es recht bedenke, gab es auch nachmittags im Transmontana am Schulterblatt bereits Probleme im Dienstleistungsbereich. Ich verließ den Laden nämlich voll beladen, doch ohne zu bezahlen, und wunderte mich noch, warum mir die Barportugiesin so seltsam hinterherblickte.

Draußen fiel mir mein zechprellendes Gebaren auf, ich ging zurück und sagte: „Ich habe ja noch gar nicht bezahlt!“, und sie sagte: „Ganz genau!“, und zwar unverhohlen vorwurfsvoll. Aber vorher nur seltsam gucken, klar.

Drei Tische weiter von uns saß übrigens Michel Friedman, zusammen mit einem unstandesgemäßen Typen, der eine schwarze Lederkappe trug und wie ein obdachloser Schanzenhippie wirkte. Doch auch Friedman war nicht völlig korrekt gekleidet; über seinem (immerhin schneeweißen) Oberhemd fehlte das Jackett.

German Psycho, der Friedman vor allem aus ästhetischen Gründen heillos bewundert („Er ist wahrscheinlich schon Mitte 50, aber wir müssen es beide zugeben: Er sieht jünger aus als wir!“), schnürte um seinen Tisch herum und bewunderte Friedmans feine Schuhe, fand aber nicht den richtigen Ansatz, den Mann dafür angemessen zu loben.

GP war auch nachts im Drafthouse dabei, als mir allmählich auch physisch die Lage entglitt. Da brüllt er dir was Unverständliches ins Ohr; du fragst dreimal nach, und am Ende entpuppt sich sein Gebrüll als simple Frage nach dem just zu hörenden Song: „IST DAS SLADE?“ Ich brülle korrigierend: „NEIN, AC/DC!“, nur um eine Halbsekunde später festzustellen, es ist doch Slade, und GP zuzubrüllen: „NEIN, ES IST DOCH SLADE!“

Wegen solcher Dinge sind Nächte wie diese für mich letztlich immer mit einer Hypothek belastet. Ausgerechnet bei „Summer of 69“ wurde ich kurz darauf von Terroristen aus meinem unmittelbaren Umfeld am Kragen des St.Pauli-T-Shirts gepackt und umstandslos auf die Tanzfläche gezerrt. Dort musste ich heftig hüpfen, wobei mir völlig zu Recht die Digitalkamera aus der Hosentasche flog und lautlos auf dem Boden zerschellte.

Na ja, immerhin hätte ich sonst diese ganzen Frauen nicht kennengelernt, die extra ihre ungleich geschmeidigeren Tanzaktivitäten unterbrachen und mir nacheinander die malträtierte Kamera, den Akku und die abgerissene Klappe des SIM-Schachtes reichten. Komischerweise funktioniert der Apparat seit dem Zusammenpuzzlen wieder tadellos.

Das Erste übrigens, was mir heute Morgen nach dem Aufwachen zustieß, war ein Wadenkrampf. Einer von den O-Säften letzte Nacht war wohl schlecht.

23 Kommentare:

  1. St. Pauli und Wehen in der zweiten Liga ist ja schon ziemlich geil, aber wenn beide in die erste Aufsteigen geht ein feuchter Traum in Erfüllung..

    AntwortenLöschen
  2. Der ist sogar pitschnass, wenn's nach mir geht.

    AntwortenLöschen
  3. der Morgen danach ... oh je!
    Stimme: geht so
    Kopf: geht so
    Motorik: :-o

    Ich habe mich auch sehr gewundert, als ich mich beim Frühstück (um 16:30!) mit der Mettwurst an der Spülmaschine ertappte.

    AntwortenLöschen
  4. Und wo hast du dir die Schlagseite geholt – auch im Drafthouse?

    AntwortenLöschen
  5. nun ja, vielleicht wäre ich ja doch gerne dabei gewesen... ;-)

    AntwortenLöschen
  6. Übrigens: Friedmann ist in der Schanze verkehrt. Da jibbet doch gar keine Nutten, oder doch? Aber vielleicht war ja auch der Ledertyp ein Loddel.

    AntwortenLöschen
  7. Ad, da wette ich drauf!

    Opa, der Lederkappenmensch war sicher kein Lude. Er trug nicht mal ein Muskelshirt, dafür aber einen Zottelbart. Sie verstehen, was ich meine.

    AntwortenLöschen
  8. Stimme verloren- Aufstieg gewonnen, manchmal muss man kleine, persönliche Opfer bringen, um große, globale Ziele zu erreichen.
    Herzlichen Glückwunsch!
    Und gegen Wadenkrämpfe: Magnesium. Am Besten Brausetabletten. :)

    AntwortenLöschen
  9. Ein wirklich kleines Opfer für ein großes Ziel. Zumal die Stimme schon wieder völlig hergestellt ist.

    Ich pfeif mir jetzt sofort eine Magnesiumtablette rein. Lecker, das Zeug.

    AntwortenLöschen
  10. Herr F. auf dem Galao-Strich. Ja, ja. So tief ist die Schanze schon gesunken. ;)

    AntwortenLöschen
  11. Heute lese ich in der Sonntags-Mopo: Friedman hat im Auftrag der Vanity Fair eine Geschichte über Rote-Flora-Aktivisten recherchiert, deshalb war er da.

    AntwortenLöschen
  12. Uiiii, der Herr F. recherchiert in einer alternativen Szene. Da ist er ja, dort wo das neue Yuppie-Paradies entstanden ist, doch genau an der richtigen Adresse. Komm F., setz Dich, nimm dir ein Näschen … äh … ich meine natürlich Käffchen. ;)))

    Hihi. OK, sorry! Ich will mal nicht so gemein und gehässig sein: Bin mal gespannt wie sein Artikel ausfällt.

    AntwortenLöschen
  13. ch wr n dr rtsch .

    Ds wr tll nd dr ltzt -ft wr ch schlcht.

    AntwortenLöschen
  14. @matt: erst am Stadion, dann im Clubheim, dann "semi private Aufstiegsfeier" dann Hamburger Berg und umzu (irgendwo) :-)

    AntwortenLöschen
  15. Sven, ich habe alles verstanden – nur nicht, wo du genau warst. Bitte um Aufklärung.

    Astrid, das klingt auch nach einer angemessenen Aufstiegsnacht. Nächstes Jahr wiederholen wir das nach dem Erstligaaufstieg gemeinsam, ok? ;-)

    AntwortenLöschen
  16. wenn Du das dann noch weißt .. gerne. :-)

    AntwortenLöschen
  17. Da denken wir einfach gemeinsam dran, ok?

    AntwortenLöschen
  18. man könnte das ja schon mal in Outlook als Termin eintragen :-)

    AntwortenLöschen
  19. Outlook – das klingt irgendwie nach „Windows“, ihhh … iCal heißt das bei mir.

    Apropos Termin: Du bist WIRKLICH optimistisch. Aber ich hatte auch vor dieser Saison nicht an den Aufstieg geglaubt.

    AntwortenLöschen
  20. sonst gehen wir halt Frusttrinken egal. wir laufen uns schon noch über den Weg - oder sind es gar längst.

    AntwortenLöschen
  21. Ja, die Wahrscheinlichkeit ist groß. St. Pauli ist schließlich ein Dorf.

    AntwortenLöschen