05 November 2005

Die Würdelosen

Mein Eintrag „Die Bauwut“ hat eine kleine Diskussion darüber entfacht, wieviel Lärm und ekelerregendes Verhalten man als freiwilliger Bewohner St. Paulis ertragen können muss. Ich muss ehrlich gesagt zugeben: Auch ich goutiere es eher selten, wenn wildfremde Menschen mir unaufgefordert die Vielfalt ihrer Inhaltsstoffe präsentieren.

Einmal verließen wir das Haus und stießen unmittelbar davor auf einen Menschen, der sich zwischen zwei geparkten Wagen hingehockt hatte, um zu kacken.
Das wirft für mich die Frage auf, ob Armut und Obdachlosigkeit zwangsläufig mit dem vollkommenen Verlust von Würde und Selbstachtung einhergehen müssen. Wahrscheinlich kann ich das als Wohnungsbewohner und Nichtarmer letztlich nicht beurteilen – aber zurzeit denke ich: Nein, man müsste eigentlich auf einen Rest Würde bestehen wollen, unter allen Umständen.

Auch die Unverfrorenheit, mit der (nicht immer notwendigerweise hackedichte) Kiezbesucher ihr bestes Stück auspacken, um meinen Stadtteil mit endogenen Giftstoffen zu begießen, erstaunt mich immer wieder. Wir betraten neulich eine U3-Station und sahen, wie ein Mann ungeniert auf die Gleise schiffte. Was übrigens dank der Starkstromleitung zwischen den Schienen kein unbeträchtliches Risiko für seine Potenz darstellte. Aber hat er darüber nachgedacht? War er intellektuell überhaupt in der Lage, die Vor- und Nachteile seiner Handlungsweise zu reflektieren? Don't think so.

Unlängst war eine Fotografin in St. Pauli auf der Pirsch, um solche Anarchopinkler in flagranti abzulichten. Wie sie berichtet, war das vielen aber so was von schnuppe; manche reagierten anzüglich; und jene, die es störte, dass sie beim öffentlichen Schniedelschwingen verewigt wurden, konnte sie in der Regel mit dem als Schmeichelei empfundenen Satz besänftigen: „Ich steh auf so was.“


Sie hat die Fotos übrigens an der Großen Freiheit an ein seit Dekaden eingenässtes Haus plakatiert, dessen Fundament wohl inzwischen vowiegend aus Urinstein besteht.


Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Let's get crazy“ von Ric Ocasek, „In this home on ice“ von Clap Your Hands Say Yeah und „It's not the liqour I miss“ von Luke Doucet.

1 Kommentar:

  1. :-) true true true....

    (btw - of course u welcome for bloggermeeting.)

    - Grussregierung.

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