09 November 2005

Die Brötchenfrage

Ob Beziehungen funktionieren, hängt nach allgemeiner Auffassung wesentlich davon ab, wer welche Brötchenhälfte mag. Brötchenhälftenvorlieben gelten als mindestens so wichtig wie Wesenszüge, Kinogeschmack oder das Bevorzugen bestimmter Sexualpraktiken.

Neueste Erkenntnisse legen jedoch nahe, daß die Brötchentheorie überdacht werden muß. Denn es ist, wie die Feldforschung ergab, objektiv und in jedem Fall ein Unglück, die obere Hälfte zu erwischen, selbst wenn die Brötchen von Rönnfeld kommen.

Das liegt an der Statik, die mit jedem Bissen wechselt. Eine frisch beschmierte obere Brötchenhälfte ist in der Regel fein ausbalanciert. Zwar reagiert sie seismografisch auf grobes Abstellen von Kaffeetassen oder Tritte ans Tischbein. Sie schaukelt wie trunken, pendelt sich aber wieder ein – eine wunderbare Erfindung der Evolution.
Das Problem beginnt mit dem ersten Bissen. Plötzlich ist die empfindliche Balance gestört, die obere Hälfte taumelt, sie kippt, sie fällt schließlich ächzend auf die Seite. Und der Honig fließt runter. Beim Versuch, das Brötchen wieder aufzurichten, besudelt man sich in der Regel die Hand und klebt den ganzen Tag.

Wer oft obere Hälften erwischt, entwickelt Problemlösungsfantasien. Beispielsweise versucht er, den zweiten Bissen genau gegenüber anzusetzen. Die Brötchenhälfte entwickelt aber ebenso ausgefeilte Umkippfantasien. Weitere, mit Hilfe eines Winkelmessers sehr zielgenaue Bisse fruchten nichts. Gegenüber steht derweil die ganze Zeit die untere Brötchenhälfte felsenfest auf dem Brett, beobachtet die Szenerie und feixt bis zum letzten Haps.


Ich kenne einen Bäcker, der sagt, es sei technisch kein Problem, Brötchen mit zwei unteren Hälften zu backen. Der Mann könnte Beziehungen retten.


Das heutige Foto hat mit Backwaren überhaupt nichts zu tun, sondern eher mit dem Eintrag von gestern. Die Fassadenbeleuchtung des Ibis-Hotels am Ende der Reeperbahn sieht nämlich irgendwie alienesk aus. Oder dämonisch? Heute jedenfalls musste sie sich fotografieren lassen. Ich hoffe, ich habe ihr damit nicht die Seele geraubt.


Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Wicked game“ von Chris Isaak, „Dining“ von Greg Murray und „Common people“ von William Shatner.

8 Kommentare:

  1. Problemlösungen wären auch:

    Single sein (grade wieder bei mir der Status) oder zum Frühstück auf labriges Toast umsteigen.

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  2. Beides würde möglicherweise das Brötchenproblem lösen, aber weitere Problemlösungsnotwendigkeiten nach sich ziehen. „Es ist nie zu Ende“ ...

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  3. Die entscheidende Information zum Thema Brötchenhälften wird hier leider unterschlagen: Die oberen schmecken immer besser als die unteren, und zwar deutlich! Da sollte man als der glückliche Empfänger des genießbaren Brötchenteils schon bereit sein, die eine oder andere statische Unzulänglichkeit in Kauf zu nehmen.

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  4. Vor allem bei Laugenbrötchen ist die Oberseite absolut zu bevorzugen! Wobei da auch kein Marmeladen-/Honigproblem auftreten dürfte. Und Salami verschmiert nicht so schlimm.

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  5. Na, es gibt bestimmt auch einen Bäcker, der die Herstellung von Brötchen mit zwei Oberseiten garantieren kann. Scheint mir – den Kommentaren zufolge – eine echte Marktlücke zu sein. Wer steckt es Kamps?

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  6. Mit 'nem anständigen Semmel (jawoll der Semmel) gibt es keine derartigen Probleme.
    Leider hat sich die Kultur noch nicht in ausreichenden Maße von Süden nach Norden ausgebreitet ...

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  7. Stimmt, da Semmeln ja grunsätzlich mit einem Anti-Schwerkraftfeld ausgestattet sind, kann die Marmelade auch nicht verlaufen.

    Mensch - Bayer müßt ma sein! ;-)

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  8. Noch eine mögliche Problemlösung: Das umkämpfte Brötchen senkrecht teilen, so daß jeder Beteiligte sich als zu kurz gekommen wähnen kann.
    Ob es wirklich hilft, weiß ich nicht - der Krach geht wahrscheinlich ohnehin um etwas ganz anderes und das Brötchen/ der Semmel/ die Schrippe ist dann wohl auch nur der Anlaß und nicht der Grund.
    Und langweilig ist diese Lösung dann auch noch - der Streit könnte sich allerdings um diese Lösung, ihren Sinn und ihre Berechtigung fortsetzen.

    Grüße
    von
    Olaf

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