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18 November 2010
Eine salomonische Lösung
Als mich heute, am Debüttag von Google Street View, die Neugier dazu trieb, unser Haus anzusteuern, erlebte ich eine amüsante Überraschung.
Bevor nämlich einst der Googlewagen durch die Seilerstraße gerollt war, hatte unser Haus sich in vorauseilendem Ungehorsam eine komplette Fassadenburka zugelegt.
Getarnt worden war das Ganze damals, wie ich mich entsinne, geschickterweise als Balkonrenovierung, aber erst jetzt wird mir die ganze Dimension dieser Verschleierungsaktion klar. Billiger (weil kostenlos) wäre es allerdings gewesen, im Nachhinein einen Verpixelungsantrag zu stellen. Aber wir wissen ja, wie Hausverwaltungen ticken.
Wie auch immer: Unser Haus hat sich jedenfalls der ganzen Für-und-Wider-Diskussion um Google Street View auf denkbar eleganteste Weise entzogen.
Sag also noch einer was gegen Burken (oder wie das Zeugs im Plural heißt).
17 November 2010
Fundstücke (114): Antreten zum Anschauen
Die Macht der Kreditinstitute ist trotz Finanzkrise und Staatshilfen offensichtlich ungebrochen – oder sogar noch gestiegen.
Eine Mail wie heute habe ich von meiner Hausbank, der Hamburger Sparkasse, jedenfalls vorher nie bekommen. Darin werde ich in harschestem Ton (VERSALIEN!) zur Besichtigung einer Villa in Volksdorf verdonnert.
Zum Glück habe ich an dem Tag eh frei, sonst säße ich jetzt schwer in der Bredouille.
16 November 2010
Bin mit dem Fahrrad
In der Talstraße wohnen keine Pfeffersäcke. Hier sehen die Fassaden und Klingelschilder manchmal so aus wie auf diesem Bild.
Im Kioskcafé, wo sich manchmal missmutige Transen die Nachtschicht mit Koffein aus den Knochen spülen, residiert ein Chef, der nicht nur einen kapitalen anatolischen Schnauzer, sondern auch seine Laune stets offen zur Schau trägt. Wie auch immer sie gerade beschaffen ist.
Manchmal schaut er dich nicht mal mit der Kniekehle an, erwidert keinen Eintrittsgruß, grabscht mürrisch nach deinem Geld und fetzt dir die Hermes-Quittung hin, als wärst du Luft – und zwar sehr, sehr lästige Luft.
Und ein andermal, man weiß nie warum, grinst der Mann derart selig, dass sein Schnauzer so breit wird wie Jerry Garcia einst die ganze Zeit war. „Wie geht’s dir, mein Freund?“, strahlt der Chef dann mit seinem nonchalant entblößten Goldzahn um die Wette.
Heute war so ein „Wie geht’s dir, mein Freund?“-Tag. Als ich die Quittung einsteckte, fragte er sogar: „Willst du Kaffee?“ „Danke, sehr nett“, antwortete ich fast gerührt, „aber ich muss leider ins Büro.“ Er schaute mich beinah zärtlich an, als sei ich wirklich sein Freund und nicht nur irgendein Typ, der ab und zu mal vorbeikommt, um ein Hermes-Paket abzugeben.
„Becher mitnehmen?“, flötete er unter Aufbietung aller ihm möglichen Eloquenz, und außer Gold blickte mir dabei auch noch die ein oder andere Zahnlücke entgegen. „Nein“, hörte ich mich antworten, „ich bin mit dem Fahrrad.“
Ich bin mit dem Fahrrad???
Dieser verkrüppelte Satz aus meinem eigenen Mund hallte mir noch nach im Hirn, als ich schon längst wieder aufgesattelt hatte. Und auch jetzt noch ein bisschen, ehrlich gesagt.
Wo war denn da bloß das finale „da“ gewesen? Oder wenigstens ein etwas eleganteres „unterwegs“ – das Adverb halt? Dieses akute Summen und Surren à la „Ich bin Arbeit“, „Gehst du Disco?“ oder „Hab noch Vertrag“ macht mich anscheinend immer wuschiger.
Vielleicht bin ich auch einfach zu oft Blog von Fräulein Krise, vallah.
Im Kioskcafé, wo sich manchmal missmutige Transen die Nachtschicht mit Koffein aus den Knochen spülen, residiert ein Chef, der nicht nur einen kapitalen anatolischen Schnauzer, sondern auch seine Laune stets offen zur Schau trägt. Wie auch immer sie gerade beschaffen ist.
Manchmal schaut er dich nicht mal mit der Kniekehle an, erwidert keinen Eintrittsgruß, grabscht mürrisch nach deinem Geld und fetzt dir die Hermes-Quittung hin, als wärst du Luft – und zwar sehr, sehr lästige Luft.
Und ein andermal, man weiß nie warum, grinst der Mann derart selig, dass sein Schnauzer so breit wird wie Jerry Garcia einst die ganze Zeit war. „Wie geht’s dir, mein Freund?“, strahlt der Chef dann mit seinem nonchalant entblößten Goldzahn um die Wette.
Heute war so ein „Wie geht’s dir, mein Freund?“-Tag. Als ich die Quittung einsteckte, fragte er sogar: „Willst du Kaffee?“ „Danke, sehr nett“, antwortete ich fast gerührt, „aber ich muss leider ins Büro.“ Er schaute mich beinah zärtlich an, als sei ich wirklich sein Freund und nicht nur irgendein Typ, der ab und zu mal vorbeikommt, um ein Hermes-Paket abzugeben.
„Becher mitnehmen?“, flötete er unter Aufbietung aller ihm möglichen Eloquenz, und außer Gold blickte mir dabei auch noch die ein oder andere Zahnlücke entgegen. „Nein“, hörte ich mich antworten, „ich bin mit dem Fahrrad.“
Ich bin mit dem Fahrrad???
Dieser verkrüppelte Satz aus meinem eigenen Mund hallte mir noch nach im Hirn, als ich schon längst wieder aufgesattelt hatte. Und auch jetzt noch ein bisschen, ehrlich gesagt.
Wo war denn da bloß das finale „da“ gewesen? Oder wenigstens ein etwas eleganteres „unterwegs“ – das Adverb halt? Dieses akute Summen und Surren à la „Ich bin Arbeit“, „Gehst du Disco?“ oder „Hab noch Vertrag“ macht mich anscheinend immer wuschiger.
Vielleicht bin ich auch einfach zu oft Blog von Fräulein Krise, vallah.
15 November 2010
Konkurrenz verdirbt das Geschäft
Das Backhus war die erste Bäckerei im neu entstandenen Bürohausviertel zwischen Reeperbahn und Hafen, dem sogenannten Brauquartier rund um den neuen Astraturm (Foto).
Dem Paketangebot des Backhus – fünf frei wählbare Brötchen für zwei Euro – vermochte ich immer dann nicht zu widerstehen, wenn wir Wochenendbesuch und somit gesteigerten Backwarenbedarf hatten. Zumal man bis zu drei dieser verflixt köstlichen Walnussbrötchen mit eintüten lassen durfte, die einzeln 65 Cent kosteten.
Seit ein paar Monaten gibt es nun direkt um die Ecke des Backhus die Schanzenbäckerei. Konkurrenz soll ja das Geschäft beleben, lehren uns von jeher jene Verfechter des Kapitalismus, die sich seiner so sehr schämen, dass sie ihn im Gespräch immer als „Marktwirtschaft“ verbrämen müssen.
Dieser Spruch behauptet, das Auftauchen eines Konkurrenten führe automatisch zu sinkenden Preisen, was die Kunden im besten Fall zu einem insgesamt höheren Gesamtkonsum animiere, wovon dann am Ende alle profitierten, Konkurrenten und Kunden.
Die Schanzenbäckerei jedenfalls fuhr erst mal so richtig lehrbuchmäßig auf diesen Spruch ab. Sie schaute sich sorgfältig das Backhus-Angebot an und offerierte dann zwar wenig fantasievoll, doch durchaus effizient ebenfalls fünf Brötchen nach Wahl im Paket – allerdings für 25 Cent weniger.
Fünf für nur 1,75: eine klare Kampfansage ans Backhus. Es musste reagieren.
Heute war es mal wieder so weit: Wir hatten Wochenendbesuch, also gesteigerten Backwarenbedarf und Lust auf im Dutzend billigere Walnussbrötchen. Und das Backhus hatte, wie sich herausstellte, in der Tat auf die neue Konkurrenzsituation im Brauquartier reagiert.
Jetzt kostete nämlich der Fünferpack 2,20 Euro, dafür waren nun Walnussbrötchen ausgeschlossen – zu teuer fürs Paket. Das Backhus reagiert also aufs Auftauchen der Schanzenbäckerei, indem es den Preis erhöht und zugleich die Produktqualität senkt.
Manchmal habe ich das Gefühl, ich verstehe mehr vom Kapitalismus als jene, die ihn im Gespräch immer verschämt als „Marktwirtschaft“ verbrämen müssen.
Sie kamen übrigens super an bei unserem Wochenendbesuch, die drei Fünferpacks aus der Schanzenbäckerei.
Dem Paketangebot des Backhus – fünf frei wählbare Brötchen für zwei Euro – vermochte ich immer dann nicht zu widerstehen, wenn wir Wochenendbesuch und somit gesteigerten Backwarenbedarf hatten. Zumal man bis zu drei dieser verflixt köstlichen Walnussbrötchen mit eintüten lassen durfte, die einzeln 65 Cent kosteten.
Seit ein paar Monaten gibt es nun direkt um die Ecke des Backhus die Schanzenbäckerei. Konkurrenz soll ja das Geschäft beleben, lehren uns von jeher jene Verfechter des Kapitalismus, die sich seiner so sehr schämen, dass sie ihn im Gespräch immer als „Marktwirtschaft“ verbrämen müssen.
Dieser Spruch behauptet, das Auftauchen eines Konkurrenten führe automatisch zu sinkenden Preisen, was die Kunden im besten Fall zu einem insgesamt höheren Gesamtkonsum animiere, wovon dann am Ende alle profitierten, Konkurrenten und Kunden.
Die Schanzenbäckerei jedenfalls fuhr erst mal so richtig lehrbuchmäßig auf diesen Spruch ab. Sie schaute sich sorgfältig das Backhus-Angebot an und offerierte dann zwar wenig fantasievoll, doch durchaus effizient ebenfalls fünf Brötchen nach Wahl im Paket – allerdings für 25 Cent weniger.
Fünf für nur 1,75: eine klare Kampfansage ans Backhus. Es musste reagieren.
Heute war es mal wieder so weit: Wir hatten Wochenendbesuch, also gesteigerten Backwarenbedarf und Lust auf im Dutzend billigere Walnussbrötchen. Und das Backhus hatte, wie sich herausstellte, in der Tat auf die neue Konkurrenzsituation im Brauquartier reagiert.
Jetzt kostete nämlich der Fünferpack 2,20 Euro, dafür waren nun Walnussbrötchen ausgeschlossen – zu teuer fürs Paket. Das Backhus reagiert also aufs Auftauchen der Schanzenbäckerei, indem es den Preis erhöht und zugleich die Produktqualität senkt.
Manchmal habe ich das Gefühl, ich verstehe mehr vom Kapitalismus als jene, die ihn im Gespräch immer verschämt als „Marktwirtschaft“ verbrämen müssen.
Sie kamen übrigens super an bei unserem Wochenendbesuch, die drei Fünferpacks aus der Schanzenbäckerei.
14 November 2010
13 November 2010
Viva le Hirnriss
Irgendwann, während irgendeiner dieser endlos zähen und schon seit Monaten fruchtlosen Sitzungen, muss jemand gesagt haben: „Verdammt, Leute, so kommen wir wirklich nicht weiter. Dann können wir unseren Laden ja gleich VIVA LA WURST nennen!“
Alle müssen ihn angestarrt haben, als sei er das Rauchmonster aus „Lost“. Es kehrte Stille ein. Aber dann haben sie doch nicht die 112 angerufen, sondern einen Lichtreklamenhersteller.
Und wer hatte gestern Abend, als er in Sturm und Regen an der Reeperbahn arglos auf den Bus wartete, die Folgen zu tragen?
Einmal dürfen Sie raten.
12 November 2010
Von Pfeilgift, Bier und Fasswhiskey
Die ganz hohe Kunst des Kalauerns ist natürlich erst auf Lateinisch möglich. Das gilt unbedingt, vor allem und zuallervörderst auch für mich, der seine diesbezüglichen Sprachkenntnisse ausschließlich auf Basis von Asterix-Heften erworben hat.
Deshalb ziehe ich auch hochachtungsvoll meine Baseballmütze vor German Psychos genialischem „Curare humanum est“, das er nonchalant mitten im Geplauder raushaute und auf mein Geheiß sofort vertwittern musste. Mit großem Erfolg übrigens, wie die augenblicklich folgende Retweet- und Favingquote bewies.
Dieser Geniestreich passierte ihm und uns, kurz bevor die irische Retroband The Riptide Movement ihr Set im Rock’n’Roll Warehouse anpfiff. Ich kenne ja eine (mindestens) dreistellige Anzahl von Liveclubs in Hamburg, aber das Rock’n’Roll Warehouse war mir bis heute Abend völlig unbekannt. Und das mit Recht, denn es liegt an der höchstens für ihr sagenhaftes Verkehrsaufkommen und eine Lärmbelästigung auf Flughafenniveau berüchtigten Stresemannstraße, die nach Westen hinausführt aus Hamburg, um irgendwann in Straßen überzugehen, die direkt ins Nirgendwo Niedersachsens münden. Oder ist es Schleswig-Holstein?
Egal: Die Stresemannstraße ist ganz und gar kein liveclubkompatibler Ort, und doch fand dort heute Abend das Konzert der Iren von The Riptide Movement statt. Eine gemeinsame Bekannte und derzeitige Mitbewohnerin von German Psycho fungierte als Veranstalterin, und deshalb hatte er mich unversehens über unsere gemeinsame Präsenz auf der Gästeliste informiert.
„Hm, eigentlich wollte ich doch zahlen oder wie man das damals nannte, als ich es noch musste“, beschwerte ich mich. „Du weißt doch: Kaum hat man’s nicht mehr nötig, bekommt man’s geschenkt“, brachte er mich zum Schweigen.
Ersatzweise sorgten wir für kräftigen Astra-Umsatz im Rock’n’Roll Warehouse, und spätestens als The Riptide Movement den alten Folksong „Whiskey in the Jar“ exakt im Thin-Lizzy-Arrangement von 1972 nachspielten (höre und siehe Clip), war der Abend voll im Lot.
Rock erat demonstrandum.
11 November 2010
10 November 2010
Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli Hamburg (35)
Ich weiß, wahrscheinlich bezieht sich dieser (immerhin ohne Deppenbindestrich!) hingepinselte Hinweis auf einen freizuhaltenden Bereich, z. B. für Mülltonnen – und nicht auf die Räumlichkeiten des Dentallabors selbst.
Am urgemütlichen Flair dieser Ecke an der Königstraße ändert das gleichwohl wenig. Ganz im Gegenteil.
09 November 2010
Brownies Wiederkehr
Wer bisher glaubte, hier stünde im Wesentlichen Quatsch, dem kann ich nun entgegenschleudern: NEIN! Zumindest nicht nur.
Der investigative Herr Zaphod nämlich hat eine meiner gewagtesten Behauptungen – den weltbesten Brownie gäbe es im Caffè Latte in der Wohlwillstraße auf St. Pauli – kurzerhand vor Ort überprüft und was getan?
Sie glorios verifiziert.
Dumm nur, dass mich sein Eintrag mental zwang, sofort ins Caffè Latte zu eilen und einen weiteren Brownie zu erstehen. Sollte sich diese wechselseitige Handlungsspirale etablieren, können wir beide dort bald unsere Schlafsäcke auslegen.
Auf unserem Balkon versucht sich derweil der Herbst ästhetisch einzuschmeicheln. Mit Erfolg.
08 November 2010
Womöglich quadrophren
Hm, legt man quantitative Maßstäbe an (also die jeweilige Stofffläche zugrunde), so ist der Ausstatter dieses schwer in die Jahre gekommenen Balkons wohl eher HSV- als St.-Pauli- oder Deutschlandfan. Es sei denn, man wertet den blauweißen Sichtschutz als hingergründiges Bekenntnis zu Griechenland.
Der Balkon liegt zwischen Reeperbahn und Hafen in der Hamburger Hochstraße, und Rückschlüsse auf die dortigen Wohnverhältnisse fallen wirklich nicht leicht. Entweder lebt dort ein Schizo- bzw. Trizo-, ja vielleicht sogar Quadrophrener – oder aber eine uneinige, sich gleichwohl widerwillig zusammenraufende Familie mit Migrationshintergrund.
Jedenfalls ist dieser Balkon ein weiteres herzerwärmendes Beispiel für kieztypische Toleranz und Koexistenz. Auf St. Pauli wird einem eben jede Schrulle nachgesehen – und sei es die schrulligste von allen, nämlich die Raute am Geländer.
07 November 2010
Enten sind Schweine
Natürlich kann ich mich kein Stück mehr dran erinnern, mit welchen Werbeslogans der Ehapa-Verlag damals, als ich sie noch las, Disneys „Lustige Taschenbücher“ ans Kind bringen wollte.
Aber hundertprozentig nicht mit einem Claim, der auch auf der Visitenkarte des Hauptdarstellers aus „Gaywatch – Die Riesenschwänze von Malibu“ stehen könnte.
Wahrscheinlich heißt bei Disney, dem einstmals saubersten Comicverlag der Welt, jetzt auch die Ente anders; „Donald Fuck“ böte sich an.
Wenn man allerdings – erst mal alarmiert – genauer hinschaut, gab es schon immer sublime sexuelle Anspielungen in den „Lustigen Taschenbüchern“. Ich erinnere da nur an Daniel DüsenTRIEB.
Das Plakat hier hängt übrigens nicht mal auf St. Pauli, sondern in meinemFickFitnessstudio am Rödingsmarkt. So viel zur Sexualisierung auch der Restwelt.
Aber hundertprozentig nicht mit einem Claim, der auch auf der Visitenkarte des Hauptdarstellers aus „Gaywatch – Die Riesenschwänze von Malibu“ stehen könnte.
Wahrscheinlich heißt bei Disney, dem einstmals saubersten Comicverlag der Welt, jetzt auch die Ente anders; „Donald Fuck“ böte sich an.
Wenn man allerdings – erst mal alarmiert – genauer hinschaut, gab es schon immer sublime sexuelle Anspielungen in den „Lustigen Taschenbüchern“. Ich erinnere da nur an Daniel DüsenTRIEB.
Das Plakat hier hängt übrigens nicht mal auf St. Pauli, sondern in meinem
05 November 2010
Nachwachsende Frauen
Er ist ein gemütliches Dickerchen von Mitte 50. Sein altbackener Kinnbart beginnt allmählich zu ergrauen, er hat Lachfältchen um die Augen und immer, wenn ich ihn sehe, den Anflug eines Schmunzelns um die Lippen.
Ich kenne ihn schon viele Jahre, den Filmpromoter X. Jahr für Jahr sah ich seinen Bart etwas grauer werden, seine Taille etwas breiter und ihn insgesamt etwas gemütlicher.
Alles in allem kann man sagen, dass Filmpromoter X. Bescheid weiß. Ihm macht man nichts mehr vor. Die Wasser, mit denen er noch nicht gewaschen ist, findet man höchstens in der Arktis, als See unterm ewigen Eis.
Wir beide, der Filmpromoter X. und ich, stehen stillvergnügt am Kinotresen, als eine Gruppe Schülerinnen von der Toilette kommt, schätzungsweise 12., 13. Klasse. Er schaut ihnen versonnen nach, und dann sagt er den Satz des Tages.
„Solange solche Frauen nachwachsen“, sagt er, „werden die Deutschen nicht aussterben.“
Obwohl es mir im Grunde ziemlich egal ist, ob die Deutschen aussterben werden oder nicht (zumal ich nichts dazu beitrage, dies zu verhindern), klingt dieser Satz des Filmpromoters X. irgendwie tröstlich.
Gerade an Regentagen wie diesen.
03 November 2010
Angriff der Lobhudelhuren
Heute wurden ich und vier andere Blogger, darunter Spreeblick, Ziel des angeblich ersten digitalen Flashmobs im Internet.
Eine spanische Modefirma, die auf dem deutschen Markt Fuß fassen möchte, hat sich diese wirre Aktion ausgedacht, die in großem Maße Lebenszeit und Bandbreite verschwendete.
„Ist es möglich“, textete der Modehöker auf seiner deutschsprachigen Webseite, „das Internet mit Tausenden von positiven Kommentaren zu überschwemmen? Wir hinterlassen positive Kommentare in unseren Lieblings-Blogs.“
Ziel dieser organisierten Claquerei war es, die fünf ausgewählten Blogger mit Pseudoschmeicheleien zu umgarnen und so zum Beantworten der Kommentare zu bewegen; die ersten 100 gehorsamen Schäfchen, die sich der Armseligkeit dieser Aktion unterwarfen und mit der unverdienten Ehre einer Bloggerantwort bedacht worden wären, sollten von der Modefirma ein Kleidungsstück erhalten, das sie sich vorher auf der Homepage der Firma ausgesucht hatten.
Uff. Sich für ein T-Shirt zur Lobhudelhure zu machen: Das sollte doch eigentlich nicht verfangen bei der gewitzten Webjugend von heute. Hätte man meinen können. War aber nicht so. In Massen strömten sie herbei, als würden sie am Nasenring in die Arena geführt, und simulierten auf mehr oder weniger dilettantische Weise Begeisterung.
„hahaha…dein blog ist super lustig! Der Eintrag mit dem Hundeschild vor dem Hotel ist zum Wegschmeißen. Aber auch deine scharfe Beobachtung im Mediamarkt bringt mir Tränen in die Augen. Übertrieben lustig!“, schrieb einer. Andere versuchten plumpdirekt, eine Antwort herauszukitzeln („Darf man fragen wie alt du bist?“ „Wohnst du inem schönen Stadtteil?“), andere probierten es mit – wie sie hofften – entwaffnender Ehrlichkeit („Wäre super, wenn einer von Euch auf mein Posting antworten würde. Dann könnte ich etwas von XXXXXXX gewinnen und ich wäre HAPPY :-)))))))))) DANKE“).
Einige hatten ihre sprachlichen Mittel nicht richtig im Griff und bogen die positive Grundtendenz versehentlich in Richtung Beleidigung („Es macht wirklich Spaß zu lesen, was du schreibst, da ist der Inhalt schon fast wieder egal.“).
Allen gemeinsam aber war, dass sie selbstverständlich keine Antwort von mir erhielten.
Hätte freilich irgendeiner aus dieser treudoofen, willig gleichgeschalteten Horde die cojones gehabt, hier entgegen der Anweisung der spanischen Modefirma kräftig abzuledern, mir ans Bein zu pinkeln, wild rumzupöbeln, Schimpfkanonaden abzufeuern – ja, dann hätte ich mich wahrscheinlich sogar erweichen lassen, ihm ein kostenloses Mäntelchen zu ermöglichen.
So aber lief der angeblich erste digitale Flashmob hier ins Leere. Ob die anderen vier betroffenen Blogger sich vor den holpernden Karren dieses Viralmarketings haben spannen lassen? Selber nachgucken tu ich jedenfalls nicht.
Einen der Pseudokommentare mag ich übrigens doch: „Die rückseite der repperbahn ist wie die rückseite meines rückens. hautfarben glatt aber trotzdem schön anzusehen.“
Nur dieser Kommafehler im zweiten Satz: widerwärtig.
Fundstücke (112): Essen à la East
01 November 2010
Fundstücke (111): Lose Zusammengekehrtes
1. Die neue Media-Markt-Kampagne steht ja unter dem Motto „Billiger geht so!“. Das scheint sich nicht nur auf Qualität und Preise der Produkte auszuwirken, sondern auch auf die Rechtschreibkünste der Mitarbeiter. Oder liege ich falsch, und die verkaufen dort neben WLAN-Zubehör und Waschmaschinen wirklich auch einen neuen Wacholderschnaps namens „Disgin“?
2. Dazu passt irgendwie gut dieser unlängst hereinflatternde Promotiontext zu einer CD: „Although they may call themselves DUM, Alessio Mereu and Andrea Ferlin are certainly no idiots.“
3. Was frustrierend ist? Wenn man bei Ebay nach der DVD von John Houstons finalem Filmmeisterwerk „Die Toten“ sucht und nur dutzendfach Scheiben einer Band angeboten bekommt, bei der ein gewisser Campino mitsingt.
4. Habe am Wochenende den besten Brownie meines Lebens gegessen. Außen lockte dieser teuflische Verführer mit knusprigen Klippen und Kanten, innen mit halbflüssiger schwarzschimmernder Schokolade; und dann überraschte das Suchtmittel auch noch aus dem Off mit geschickt eingebauten Walnussstücken. Eigentlich sollte ich dieses kulinarische Geheimnis sicher im Salzstock Asse verwahren, um es mit niemandem teilen zu müssen, aber da wir hier unter uns sind: Dieses Wunder von einem Brownie wird serviert im Caffe Latte in der Wohlwillstraße, das manche auch noch zu den besten deutschen Espressobars zählen.
(K)eine Begegnung mit Brian Johnson
Auf dem Heimweg vom Pizzaessen spricht uns in der Holstenstraße ein unbekannter Passant an. „Entschuldigen Sie“, sagt er, „sehe ich aus wie Brian Johnson?“
„Wie wer?“, frage ich zurück, stets um Höflichkeit bemüht, auch wenn man mich kurz vor Mitternacht mit abstrusen Fragen behelligt. „Wie Brian Johnson!“, wiederholt er. „Von AC/DC.“
Der Mann wirkt wie Mitte 30 und gehört zu den eher wohlgenährten Typen. Sein kleidsamer Mantel ist gut ausgefüllt und sein Gesicht unter der Schiebermütze gepflegt zugewachsen. „Nein“, sage ich nach diesem visuellen Schnellcheck im Dreivierteldunkel, „der trägt keinen Bart.“
Ich habe zwar beileibe keine genaue Vorstellung davon, wie Brian Johnson aussieht, doch da meines Wissens kein einziges Mitglied von AC/DC je zu facialem Wildwuchs neigte (im Gegensatz zu – sagen wir – den Kings Of Leon, Devendra Banhart oder ZZ Top), wage ich einfach mal nassforsch diesen deduktiven Schluss. (Wikipedia wird ihn später triumphal verifizieren.)
Eine Outfitübereinstimmung gibt es immerhin doch: Auch Brian Johnson trägt gern und oft eine Schiebermütze, doch diese modische Marotte kann ja wohl kaum eine ausreichende Ähnlichkeit begründen; sonst sähe ja auch Helmut Schmidt aus wie Brian Johnson, und wer weiß, ob Loki ihn dann je geheiratet hätte.
Den rundlichen Passanten scheint meine Antwort jedenfalls einigermaßen zufriedenzustellen, denn er geht ohne weitere Nachfragen seines nächtlichen Weges. Eine zu diesem Zeitpunkt leider nicht mehr aufzubringende Geistesgegenwart vorausgesetzt, hätte ich ihm noch mitteilen können, er sähe meines Erachtens dem Jerry Garcia von 1975 weitaus ähnlicher als jedem AC/DC-Mitglied.
Aber man kann ja nicht immer spitze sein.
„Wie wer?“, frage ich zurück, stets um Höflichkeit bemüht, auch wenn man mich kurz vor Mitternacht mit abstrusen Fragen behelligt. „Wie Brian Johnson!“, wiederholt er. „Von AC/DC.“
Der Mann wirkt wie Mitte 30 und gehört zu den eher wohlgenährten Typen. Sein kleidsamer Mantel ist gut ausgefüllt und sein Gesicht unter der Schiebermütze gepflegt zugewachsen. „Nein“, sage ich nach diesem visuellen Schnellcheck im Dreivierteldunkel, „der trägt keinen Bart.“
Ich habe zwar beileibe keine genaue Vorstellung davon, wie Brian Johnson aussieht, doch da meines Wissens kein einziges Mitglied von AC/DC je zu facialem Wildwuchs neigte (im Gegensatz zu – sagen wir – den Kings Of Leon, Devendra Banhart oder ZZ Top), wage ich einfach mal nassforsch diesen deduktiven Schluss. (Wikipedia wird ihn später triumphal verifizieren.)
Eine Outfitübereinstimmung gibt es immerhin doch: Auch Brian Johnson trägt gern und oft eine Schiebermütze, doch diese modische Marotte kann ja wohl kaum eine ausreichende Ähnlichkeit begründen; sonst sähe ja auch Helmut Schmidt aus wie Brian Johnson, und wer weiß, ob Loki ihn dann je geheiratet hätte.
Den rundlichen Passanten scheint meine Antwort jedenfalls einigermaßen zufriedenzustellen, denn er geht ohne weitere Nachfragen seines nächtlichen Weges. Eine zu diesem Zeitpunkt leider nicht mehr aufzubringende Geistesgegenwart vorausgesetzt, hätte ich ihm noch mitteilen können, er sähe meines Erachtens dem Jerry Garcia von 1975 weitaus ähnlicher als jedem AC/DC-Mitglied.
Aber man kann ja nicht immer spitze sein.
31 Oktober 2010
In der Hose des Hulk
Im Umkleideraum des Fitnessclubs ist mal wieder der Hulk zugange (Foto ähnlich).
Er ist oft da, und ich nenne ihn insgeheim so, weil dem Ärmsten von oben bis unten fußballgroße Muskelbeulen wachsen. Allerdings auch ein Bauch, der offenkundig nicht nur aus Muckis und Samensträngen besteht. Doch angesichts seiner furchterregenden Glatze und den auf seinem Körper verteilten feinsinnigen Tätowierungen (nackte Weiber) ist das natürlich eine zu vernachlässigende Kleinigkeit.
Auf dem Nackenwulst des Hulk könnte man übrigens problemlos einen Sauren abstellen, wenn gerade kein Tresen zur Hand wäre. Er sieht aus, als wäre er Zuhälter, Freefighter, Türsteher und Auftragskiller in einer Person (und wahrscheinlich kommt das der Wahrheit sehr, sehr nahe).
Machen wir uns nichts vor: Selbst die Hell’s Angels würden in seiner Gegenwart nur flüstern und betont harmlos unter sich gucken. Der Hulk steht also mitten in der Umkleidekabine des Fitnessclubs. Und er scheint etwas sehr Seltsames zu tun, nämlich sich mit der rechten Hand die Spalte zu kratzen.
Sie steckt jedenfalls rückseitig tief in seiner kurzen Hose (seinem einzigen Kleidungsstück) und vollführt vertikale rhythmische Bewegungen. Ein irritierender Anblick, der geradezu zu einem verstörenden wird, als der Hulk plötzlich die Hand rauszieht.
Denn sie hält ein Stück Papier, dass er interessiert mustert. Dann entsorgt er es.
Aus meiner Position konnte ich nicht erkennen, ob das Papier gewisse typische Verfärbungen aufwies. Zu gern hätte ich jedenfalls erfahren, warum dieser Trumm von Mann für eine Tätigkeit, der man gemeinhin jede Öffentlichkeit verweigert, kein blickdichtes abschließbares Örtchen aufsuchte.
Doch einen wie ihn fragt man so was natürlich nicht. Stattdessen guckt man betont harmlos unter sich.
PS: Übrigens, liebe Reeperbahntouristen, besteht momentan keinerlei Grund zur Nervosität: Gerüchte, heute Nacht würden die Huren umgestellt, entbehren jeder Grundlage.
c1b1194276894f9f8d7169d5ed490b45
Er ist oft da, und ich nenne ihn insgeheim so, weil dem Ärmsten von oben bis unten fußballgroße Muskelbeulen wachsen. Allerdings auch ein Bauch, der offenkundig nicht nur aus Muckis und Samensträngen besteht. Doch angesichts seiner furchterregenden Glatze und den auf seinem Körper verteilten feinsinnigen Tätowierungen (nackte Weiber) ist das natürlich eine zu vernachlässigende Kleinigkeit.
Auf dem Nackenwulst des Hulk könnte man übrigens problemlos einen Sauren abstellen, wenn gerade kein Tresen zur Hand wäre. Er sieht aus, als wäre er Zuhälter, Freefighter, Türsteher und Auftragskiller in einer Person (und wahrscheinlich kommt das der Wahrheit sehr, sehr nahe).
Machen wir uns nichts vor: Selbst die Hell’s Angels würden in seiner Gegenwart nur flüstern und betont harmlos unter sich gucken. Der Hulk steht also mitten in der Umkleidekabine des Fitnessclubs. Und er scheint etwas sehr Seltsames zu tun, nämlich sich mit der rechten Hand die Spalte zu kratzen.
Sie steckt jedenfalls rückseitig tief in seiner kurzen Hose (seinem einzigen Kleidungsstück) und vollführt vertikale rhythmische Bewegungen. Ein irritierender Anblick, der geradezu zu einem verstörenden wird, als der Hulk plötzlich die Hand rauszieht.
Denn sie hält ein Stück Papier, dass er interessiert mustert. Dann entsorgt er es.
Aus meiner Position konnte ich nicht erkennen, ob das Papier gewisse typische Verfärbungen aufwies. Zu gern hätte ich jedenfalls erfahren, warum dieser Trumm von Mann für eine Tätigkeit, der man gemeinhin jede Öffentlichkeit verweigert, kein blickdichtes abschließbares Örtchen aufsuchte.
Doch einen wie ihn fragt man so was natürlich nicht. Stattdessen guckt man betont harmlos unter sich.
PS: Übrigens, liebe Reeperbahntouristen, besteht momentan keinerlei Grund zur Nervosität: Gerüchte, heute Nacht würden die Huren umgestellt, entbehren jeder Grundlage.
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30 Oktober 2010
29 Oktober 2010
„Lass mich rein!“
Schön zu wissen, dass drei Gläser Weißwein (2 x Riesling, 1 x Chardonnay) und bisweilen ebenso hitzige wie von halbgesundem Achtelwissen befeuerte Diskussionen über a) James Bond, b) Gott, c) Quantenphysik und d) Hartz IV mühelos ein komplettes Abendessen ersetzen können.
Letzteres vergaß ich nämlich glatt unter dem
Kurz nachdem ich heimgekommen war, nestelte plötzlich jemand am Knauf der Wohnungstür und lallte „Lass mich rein! Lass mich rein! Mach auf! Mach auf!“, was ich natürlich nicht tat, schließlich ist das hier der Kiez, da ist eine gewisse Vorsicht nicht die abwegigste aller Maßnahmen.
Der Mensch war gleichwohl nicht abzuschütteln und weder in der Lage, sein Anliegen artikuliert vorzutragen noch seinen Namen oder den Zeitpunkt seines ordnungsgemäßen Abdampfens zu nennen, so dass ich schon wieder gezwungen war, die Freunde und Helfer von der Davidwache um die Erfüllung ihrer ureigenen Pflichten zu ersuchen.
Der verhinderte Eindringling entpuppte sich schließlich als volltrunkener Nachbar aus der feierfreudigen Juristen-WG über uns – eine Enthüllung, die mir adäquat peinlich war, aber was hätte ich sonst tun sollen: aufmachen, und plötzlich marodiert der Reeperbahnaxtmörder durch die Wohnung? Ignorieren, und am nächsten Morgen versperrt eine ausgekühlte Leiche die Wohnungsür?
Nein, die Hilfe der netten Herren von der Davidwache war erneut opportun, das sehe ich auch im Nachhinein noch so. Ohne mich wüssten die wahrscheinlich gar nichts Rechtes mehr anzufangen mit ihren Tagen und Nächten.
Von daher schon ein gutes Gefühl: nützlich zu sein.
ID: c4cca7f1b20f45d69340bc5e8ae92b81
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